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Ich habe mir das Video schon um die 20 Mal angeschaut*: Mariann Budde, die Bischöfin von Washington, predigt beim Gottesdienst zur Amtseinführung des neuen Präsidenten Donald Trump. Der sitzt zusammen mit Melania, J.D. Vance und dessen Frau und seiner Entourage in der ersten Bank und kann nicht weglaufen. Eine Kameraeinstellung zeigt die zierliche Frau am Ambo. Die andere fängt die verachtenden, genervten und eiskalten Blicke von Trump und seiner Gefolgschaft ein, während Bischöfin Budde auf „Mercy“ zu sprechen kommt – auf einen Kernbegriff des christlichen Glaubens: Mercy. Barmherzigkeit. Erbarmen. Ein uralter Begriff. Der an diesem Morgen so hell leuchtet, wie lange nicht mehr. Weil er den Nerv trifft. Budde sagt: „Im Namen Gottes bitte ich sie um Barmherzigkeit für die Menschen in unserem Land, die jetzt Angst haben.“ Und dann nennt sie sie beim Namen: Menschen, die tagsüber in der Fleischindustrie arbeiten oder die Tische in Restaurants abwischen, nachdem US-Bürger dort gegessen haben. Oder nachts die Schicht in Krankenhäusern übernehmen oder Büros reinigen: Die nun fürchten das Land verlassen zu müssen oder von ihren Kindern getrennt zu werden, weil sie keinen Pass haben. Und sie bittet für schwule, lesbische oder transgender Menschen, die Angst haben, dass da wieder einer vorschreibt, wen sie zu lieben haben und wen nicht. Knapp zwei Monate nach Amtsantritt sehe ich keinerlei Anzeichen dafür, dass Trump und seine Leute Mariann Budde zugehört haben. Im Gegenteil. Aber: Millionen Menschen in den USA und rund um den Globus haben zugehört. Und es liegt nun an uns allen mehr denn je zusammenzuhalten, uns nicht spalten zu lassen, das Gute zu bewahren und diese Botschaft zu leben-, jede und jeder an seinem Ort: Mehr Mercy wagen!
*Instagramkanal von Mariann Budde (@mariannbudde)
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41749Er war perfekt maskiert – als Phönix aus der Asche, mit riesigen Flügeln und Pailletten in allen erdenklichen Farben. Samuel Koch bei der Sendung „The Masked Singer“. Vier Runden lang war es ein großes Geheimnis, welcher Prominente sich unter dem pompösen Phönix-Kostüm verbirgt, dann wurde aufgelöst: Samuel Koch, der vor 15 Jahren in der Sendung „Wetten dass…?“ verunglückt und seither vom Hals abwärts gelähmt ist. Damit niemand der Journalisten und Zuschauer ahnen kann, dass er es ist, wurde für die Show extra ein großes Transportauto mit fremdem Nummernschild eingesetzt, das Samuel immer wieder ins Fernsehstudio brachte.
Das alles erzählt er in Koblenz, als er eine Auszeichnung erhält. In der Stadt, in der Rhein und Mosel zusammenfließen, wird vom katholischen Leseverein zum ersten Mal das „Goldene Deutsche Eck“ verliehen. Ein Preis für Menschen, die ein Vorbild sind in Sachen Nächstenliebe, christliche Werte und gelebter Menschlichkeit. Und genau das ist Samuel Koch mit seinem Verein „Samuel Koch und Freunde“*, der sich um pflegende Angehörige kümmert. In Deutschland – aber auch in der Ukraine. Denn der Verein hat das Auto gekauft, in dem Samuel zu „The Masked Singer“ transportiert wurde und seine Mutter Marion fährt damit immer wieder in die Ukraine, holt Menschen aus Schutt und Asche heraus und bringt sie nach Deutschland, samt den Angehörigen. Menschen, die aufgrund ihrer Pflegebedürftigkeit nie aus eigener Kraft das Kriegsgebiet verlassen könnten. Das „Goldene Deutsche Eck“ erhält somit ein Verein, der Menschen hilft, die nicht im goldenen Scheinwerferlicht stehen, sondern die in den dunkelsten Ecken leiden. Und Samuel Koch sagt, dass er für die Menschen in der Ukraine hofft, dass auch ihr Land eines Tages wieder aufsteigt – so wie Phönix aus der Asche.
*https://www.samuel-koch-und-freunde.de/
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41748Valentin Beck kümmert sich um die Menschen, die in Luzern in der Schweiz auf der Straße leben. Er ist 40 Jahre alt, Hobbys: Snowboarden in den Bergen und Wandern rund um den Vierwaldstättersee. Und dann dieser Beruf: Gassenseelsorger. Wow! Respekt! Der katholische Theologe kommt mit Obdachlosen in der sogenannten „Gassenküche“ ins Gespräch. Da bekommen sie jeden Tag eine warme Mahlzeit. Oder er besucht sie im Krankenhaus oder im Knast – und macht die Erfahrung, dass sie dort oft besser für Sinnfragen ansprechbar sind, weil sie dort keinen Stress haben, sich Drogen beschaffen zu müssen. Und doch macht er sich keine Illusionen: meistens ist es so, wenn Klienten aus dem Spital oder dem Gefängnis rauskommen, dann ist die erste Station der Bahnhofplatz, wo auch wieder Drogen konsumiert werden. „Dessen muss man sich bewusst sein“, sagt Valentin Beck. Er sagt aber auch: „Wenn man die einzelnen Menschen kennt, ist das nicht mehr eine Drogenszene, sondern dann siehst du wirklich die Menschen.“ Und er findet: „Man sollte Freude haben an einem guten Moment, der dann vielleicht morgen wieder zerstört ist, aber der gute Moment ist etwas wert.“ Valentin Beck glaubt, dass Gott in der Begegnung mit den Menschen auf der Straße anwesend ist. Dass das göttliche Momente mitten im Alltag sind. Weil Gott selbst Mensch geworden ist, findet er Gott auf der Gasse. Valentin Beck erzählt: „Die Menschen sagen mir, dass es ganz wichtig ist, wie sie angeschaut werden: abwertend, voller Angst, voller Mitleid oder primär als Mensch.“ Und dann schlägt er vor: Wenn ihr es könnt, geht mit den Leuten ins Gespräch und spürt: Die sind so individuell wie andere Menschen auch.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41747Leutetheologie – das klingt neu. Als Begriff ist es das auch. Aber eigentlich gibt es Leutetheologie schon immer und überall.
Meine Freundin Carola ist eine Leutetheologin: in ihren Meditationsübungen erfährt sie immer wieder neue Seiten an Gott und erzählt mir davon. Cornelius, ein guter Bekannter, ist ein Leutetheologe. Er beschreibt mir seine Vorstellung vom Tod als den Moment, in dem er den Sinn seines Lebens verstehen wird. Die 15-jährige Tochter meiner Nachbarin ist eine Leutetheologin. Sie hat sich Jesus als ‘bestfriend’ ausgesucht. Und sie bespricht mit ihm alles, was sie beschäftigt.
Leutetheologie - oder noch besser Leutetheologien - sind überall da, wo Menschen über den Sinn ihres Lebens nachdenken, wo sie nach Antworten suchen, wo sie gelebte Werte reflektieren und ins Gespräch gehen. Und deswegen besteht die Bibel selbst eigentlich auch aus ‘Leutetheologie’. So viele Menschen haben über lange Zeit daran geschrieben, haben eingebracht, wie und wo sie Gott erlebt haben. Je länger ich lebe und mich mit diesen vielschichtigen Texten auseinandersetze, desto stärker sprechen sie in mein Leben hinein.
Daraus wird dann meine eigene Leutetheologie. Und darüber komme ich gerne ins Gespräch. Mit Carola, Cornelius und der Nachbarstochter. Und mit vielen anderen. Ich will hören, was und wie andere denken, glauben, leben. Einfach so, von Leutetheologin zu Leutetheologin.
Einfach so, weil Gott ja auch mal Mensch geworden ist und unter den Leuten war.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41697Kia orana! „ein langes und erfülltes Leben Dir“. Kia orana - dieser Gruß ist in vielen Kirchen im Land heute zu hören. Immer am ersten Freitag im März werden rund um die Welt Gottesdienste gefeiert – von Frauen ökumenisch gestaltet und offen für alle! Dieses Jahr kommt der Entwurf für die Feier von den Cook-Inseln. Und dort – mitten im Pazifik, zwischen Australien und Südamerika – begrüßen sich die Leute mit „Kia orana“!
Tatsächlich sind die Cook-Inseln eine Gegend, wo ich gerne lange leben würde. Kokospalmen, Drachenfrüchte, Oleander und überall sichtbar: das Meer! Kein Wunder, dass über dem Gottesdienst heute das Motto „wunderbar geschaffen“ steht. Die Bilder, die ich von den Inseln gesehen habe, zeigen ein Paradies. Doch die Frauen dort erleben auch, wie die Klimakrise das Leben auf der Insel unsicher macht. Die Abhängigkeit vom Festland macht das Leben teuer. Und sexualisierte Gewalt gibt es auch dort. Kraft zusammenzuhalten, die Freude am Leben weiterzugeben, haben die Frauen trotzdem. Denn sie sehen und spüren jeden Tag, wie sie und alles „wunderbar geschaffen“ sind. Sie erfahren, dass es sich lohnt, sich für andere einzusetzen.
Deswegen veranstalten sie Workshops gegen Gewalt, sie wehren sich gegen die Ausbeutung des Meeres und sie haben ein Programm für nachhaltigen Tourismus aufgelegt. Und deswegen beginnt der Gottesdienst heute Abend auch mit dem herzlichen Gruß Kia Orana – „ich wünsche dir ein langes und erfülltes Leben.“ Und eine der Frauen von den Cookinseln übersetzt es noch schöner, und das ist mein Gruß an alle für heute: „Ich wünsche dir, dass du lange und gut lebst, dass du leuchtest wie die Sonne und mit den Wellen tanzt.» Kia Orana!
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41696Tja, wie nenne ich das jetzt am besten? ‘Trotzverhoffnisierung’ vielleicht?
Aber von vorne: Billal Aloge ist Syrer. Bis vor kurzem hat der Muslim zwei arabische Restaurants in Freiburg betrieben. Weil er seinen Gästen die Vielfalt der Levante-Küche präsentieren wollte, hat er vor einem Jahr auch das Gericht Baba Ganoush mit auf die Speisekarte genommen. Die Auberginencreme Baba Ganoush ist vor allem aus der israelischen Küche bekannt. Und kaum stand das Gericht auf der Speisekarte, haben Billal Aloge, seine Mitarbeitenden und seine Familie einen Shitstorm erlebt. Die bisherigen Gäste haben sie beschimpft und bedroht. Und sie haben dafür gesorgt, dass seine beiden Restaurants plötzlich leer blieben. Billal Aloge war bestürzt über so viel Hass nur wegen einer israelischen Auberginencreme. Und er hat versucht, sich vorzustellen, was Juden in diesen Zeiten alles auszuhalten haben. Gleichzeitig sind die Restauranttische nicht lange leer geblieben. Nach kurzer Zeit hat Alloge andere Leute zum Essen begrüßen können. Menschen, die mit ihrer Mahlzeit bei ihm einen Akzent für Versöhnung in Deutschland setzen wollten. Und natürlich auch Leute aus der jüdischen Community in Freiburg.
Dadurch ermutigt, hat der Syrer einen Entschluss gefasst: Er hat ein israelisches Restaurant in Freiburg eröffnet. Billal nennt sein neu eröffnetes Restaurant Jaffa ein „Zeichen gegen Hass und für Vielfalt und Toleranz“. Und deswegen gibt es jetzt im ‘Jaffa’ nicht nur Baba Ganoush, sondern auch Hummus, Shakshuka, Falafel und viele weitere Köstlichkeiten aus Israel.
Billal Aloge ist die Trotzverhoffnisierung gelungen – und sie schmeckt auch noch gut!
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41695In der Mittagszeit picknicke ich mit Kolleginnen unter den riesigen schattenspendenden Bäumen. Wir brauchen die Äpfel und Gurken nicht zu waschen. Pestizide werden schon lange nicht mehr verwendet. Am Park führt eine Straße entlang, aber die Fahrzeuge machen keinen Lärm. Wir teilen, was zwei von uns mitgebracht haben – es ist mehr als genug für uns alle da. Ganz so sieht meine Mittagspause noch nicht aus. Aber so hätte ich es gerne. Und da kommt mir die diesjährige Fastenaktion deutscher Kirchen und Organisationen gerade recht!
“So viel du brauchst ...” heißt die nämlich und bietet mir jetzt sieben Wochen lang Anregungen, wie ich Zukunft selber positiv mitgestalten kann.
„So viel du brauchst“ ist ein Satz aus einer biblischen Erzählung. Darin geht es um eine spezielle Erfahrung: Eine Gemeinschaft kommt besser klar, wenn sie sich auf das beschränkt, was ihre Mitglieder wirklich brauchen. Die Aktion „so viel du brauchst“ macht Mut, sich mit anderen zusammenzutun. Und zu entdecken, dass Teilen mehr Spaß macht als ganz alleine was zu besitzen. Und sie gibt mir Hoffnung, dass wir zusammen doch noch einiges rumreißen können.
(www.klimafasten.de)
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41694In den Wald gehen und laut schreien – das ist das beste Gebet. Diesen Tipp habe ich neulich im Instagramkanal einer Kollegin gelesen. Und – ja, manchmal ist laut schreien vielleicht wirklich passender als sorgsam überlegte Sätze in andächtiger Stille. Oft genug fehlen mir sowieso die Worte für all die Gewalt, die von uns Menschen ausgeht. Es gibt so vieles, das ich kaum aushalte in dieser Welt. Darum hab ich das mit dem Gebet und dem Schreien im Wald einfach mal ausprobiert. Und dann?
Dann habe ich erlebt, welche Kraft da in mir steckt. Wie viel Volumen meine Lunge hat. Wie weit meine Stimme reicht. Da geht doch noch mehr als nur im Wald zu schreien. Wenn ich so viel Kraft zur Verfügung habe, dann könnte ich die ja auch anders einsetzen. Indem ich den Mund aufmache, wenn nächstes Mal jemand neben mir beleidigt wird. Indem ich mit anderen laut werde, wenn Menschenrechte mit Füßen getreten werden. In den Wald gehen kann ich dann immer noch zum Aufatmen. Und um zu spüren, dass Gott mir Kraft gibt, nicht nur zum Schreien, sondern auch zum Handeln.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41693Nina ist schwanger. In ihrem Bauch wächst nun 40 Wochen lang ein kleiner Mensch heran. Bald wird der Embryo erste Geräusche hören können, und bis zur Geburt ist das Hörorgan ausgewachsen. Ninas Stimme wird dem Baby dann bereits vertraut sein. Von Anfang an reagieren wir Menschen auf Geräusche, Melodien, Worte. Unser Gehör begleitet uns durch unser Leben, bis zum Tod.
Ich glaube, es ist kein Zufall, dass die Bibel dem gesprochenen Wort so viel Bedeutung zumisst. Im ersten Buch der Bibel erschafft Gott die Welt durch Worte; Gott spricht und die Welt entsteht. Und im Neuen Testament schreibt der Evangelist Johannes vom Wort, das vor aller Zeit bei Gott ist. Sozusagen als Ursprung allen Lebens.
Wie Gottes Worte Leben bringen, kann sich in unseren Worten zueinander spiegeln. Ninas Baby wird in den ersten Wochen sanfte, freundliche Worte hören, wird mit Liedern in den Schlaf gewiegt und mit Reimen geweckt. Wenn das Kind heranwächst, wird es hoffentlich erleben, dass ihm Missgeschicke verziehen werden, wenn es Worte dafür findet. Und als erwachsene Person wird es dann anderen Mut machen oder Trost spenden und leben helfen. In solchen Worten schwingt Gottes Wort als Echo mit Ninas Kind und uns allen wünsche ich solche Worte. Lebendige Worte. Unser ganzes Leben lang.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41692Die Genschere Crispr Cas, der Exoplanet Hd 223633b, die Entschlüsselung des menschlichen Genoms – Meilensteine der Wissenschaft! Und alle sind auch ein Ergebnis von geteiltem Wissen. Kurz von: open access. Dieser freie Zugang zu wissenschaftlichen Veröffentlichungen hat die Menschheit in den letzten Jahren ziemlich vorangebracht. Wichtiges zu teilen, anstelle es für sich zu behalten, das ist die Grundidee von open access. Und natürlich ist die Idee dahinter viel älter als das Internet.
Eine historische Person, die open access gelebt hat, ist für mich tatsächlich Jesus – für ihn war es wichtig, dass alle, die wollen, Zugang zu Gott haben. Der soziale Status oder der Lebenswandel haben für Jesus keine Rolle gespielt.
Vor 500 Jahren waren es dann die Männer und Frauen der Reformation, die sich für die Gleichheit aller Menschen vor Gott starkgemacht haben. Alle sollten die Bibel selber lesen können. Priester sollten keinen Heiligkeits-Bonus mehr genießen, weil doch alle Menschen Gott gleich nahe sind.
Heute ist wieder eine Open-Access-Bewegung im Bereich der Kirchen am Entstehen: Immer mehr Menschen kommen mit anderen ins Gespräch über ihren Glauben und unterstützen sich gegenseitig. Vor Ort oder über die sozialen Medien. Und das ist gut so. Denn die Hauptamtlichen in den großen Kirchen werden weniger. Prima, wenn auch Leute ohne Theologiestudium ihren Glauben mit anderen und für andere teilen und feiern. Open Access – freier Zugang zum Glauben, zum vertrauensvollen Handeln, zu Gott! Da gibt es noch viel zu entdecken.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41691