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04DEZ2024
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Ich möchte heute noch unbedingt raus ins Feld und irgendwo eine Handvoll Kirschzweige abschneiden. Die stelle ich dann im warmen Wohnzimmer ins Wasser.

Diese sogenannten „Barbarazweige“ sind heute, am 4. Dezember, Tradition. Die Heilige Barbara soll kurz vor ihrem Tod noch blühende Zweige in ihrer Gefängniszelle gehabt haben. Barbara war damals selbstbewusst, klug und sie wollte einfach nur selbstbestimmt leben. Sie wollte nicht heiraten und hat sich heimlich taufen lassen. Das hat ihrem Vater alles gar nicht gepasst, deswegen hat er sie erst einsperren und dann sogar umbringen lassen.

Meine Barbarazweige nenne ich dieses Jahr anders. Ich nenne sie „Shamsia-Zweige“. Shamsia ist eine Künstlerin aus Afghanistan, und leider geht es ihr heute ganz ähnlich wie der Heiligen Barbara damals.

Shamsia Hassani ist vier Jahre jünger als ich, und sie ist – genau wie Barbara - selbstbewusst, klug und will einfach nur selbstbestimmt leben. Sie ist Graffiti-Künstlerin, aber die Taliban dulden keine Frauen wie sie. Deshalb muss Shamsia jetzt irgendwo im Untergrund leben, oder besser überleben.

Also stelle ich heute meine Zweige für diese afghanische Frau in die Vase. Ich weiß, dass ihr das nicht hilft. Aber ich will sie zumindest nicht vergessen. Ich bete für sie, und wenn es klappt und meine Zweige an Weihnachten blühen, dann blüht auch meine Hoffnung nochmal so richtig auf. Meine Hoffnung für Shamsia und für alle Frauen, die unterdrückt leben müssen, und die unter Männergewalt leiden.

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03DEZ2024
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Das hat ganz schön wehgetan. Sarah hatte einen guten Freund, der irgendwann einfach so aus ihrem Leben abgetaucht ist. Und jetzt ist er viel zu jung gestorben, und Sarah konnte sich nicht einmal von ihm verabschieden.

Ich kenne Sarah schon lange, und irgendwann hat sie mir ihre Geschichte erzählt. Sarahs Freund hieß Daniel. 

An diesem einen Morgen lehnt sich Sarah an ihre Balkontür, sie steht einen Spalt breit offen, obwohl es draußen mittlerweile kalt geworden ist. Da kommt eine Libelle angeflogen, durch den Spalt rein in die Wohnung. Sarah beobachtet wie dieses wunderschöne Tier bei ihr umherschwebt. Als ob es noch Sommer wäre. Die Libelle kommt immer wieder und lässt sich nicht verjagen.

Da beginnt Sarah nachzudenken: Libellen sind frei! Sie können fliegen, sind so unbeschwert und schön. Aber die meiste Zeit ihres Lebens sind sie ganz eingeschränkt. Denn als Larven sind sie lange im Teich eingeschlossen.

Sarah begreift jetzt: die beiden Lebensphasen einer Libelle passen zu ihrem Freund Daniel und seinem kurzen Leben. Auch wenn es bei ihm genau andersrum war.  Er war erst frei und dann scheinbar wie gefangen. Wie dunkel muss es in dieser Zeit für Daniel gewesen sein, oder wie eng. Zumindest hat er Sarah überhaupt nicht mehr gesehen. Aber Sarah stellt sich vor, wie er jetzt wieder frei fliegen kann.

Sarah sieht diese Libelle an ihrer Balkontür. Und dass sie so schön ist. Vielleicht ist sie wie ein federleichtes Lebenszeichen ihres Freundes, und vielleicht will diese Libelle Sarah sagen: Ich bin da. Ich besuche dich.

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02DEZ2024
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Ich habe eine Frau getroffen, da hab ich sofort gedacht: Von der würde ich mir gerne eine Scheibe abschneiden. Tina war Gast in einer Talkrunde, und ich war live dabei.

Tina hat einen ziemlich speziellen Beruf. Sie ist Psychiaterin in einer sogenannten Diamorphinpraxis in Stuttgart. Zu ihr kommen Heroinabhängige und bekommen Ersatzstoffe, um ihre Sucht langfristig in den Griff zu kriegen. Viele kommen freiwillig, aber viele müssen auch, weil das Gericht es so entschieden hat. Tina sagt: „Ich bin nicht die Richterin. Ich bin die Ärztin.“

Einmal ist einer junger Mann vor Tina gesessen und hat gemeint: „Schauen Sie mich an. Ich bin ungefähr so alt wie Sie. Sie sind Ärztin geworden. Und ich? Ich habe nichts geschafft.“ Tina hat geantwortet: „Ja, auf dem Papier haben sie wirklich nichts stehen. Aber jetzt sind Sie hier – und das ist doch was!“

So höre ich Tina reden und kapiere: Das ist eine tolle Eigenschaft, wenn man das sehen kann, was da ist, und nicht das, was sein sollte. Wenn eine eben nicht gleich über den anderen urteilt, sondern auch das Positive sieht.

Und Tina zeigt trotzdem ganz klare Kante. Von ihr kriegt niemand mehr als die Dosis, die vereinbart ist. Da ist Tina klar, aber nicht hart. Denn sie ergreift auch Partei für ihre Patienten. Sie fordert: „Die vielen Abhängigen bei uns brauchen dringend sauberes Besteck, saubere Suchtmittel und viel, viel mehr Therapieplätze.“

Was für ein Riesenthema. Davon hab ich kaum was gewusst, bis ich Tina getroffen hab, die so vieles gleichzeitig kann: sich in andere einfühlen, sich dabei nicht als Richterin aufspielen. Und trotzdem ganz klare Kante zeigen.

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01DEZ2024
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Es ist Samstagabend und ich sitze abgekämpft mit meinem Mann im Auto. Die Kinder sind beim Babysitter, und wir müssen Gas geben, denn das Konzert fängt gleich an. Bevor wir ankommen, tippe ich noch ein paar Nachrichten ins Handy. Eine geht auch an Conny: „Liebe Conny. Fahren gerade ins Konzert. So was machen wir ja nur selten. Freue mich voll. Melde mich bald.“

Conny schreibt gleich zurück: „Ich wünsche euch eine schöne Paarzeit. Genießt sie und macht euch keinen Druck, dass es besonders toll werden muss.“

Was habe ich da für eine kluge Freundin! Manchmal denke ich es muss was besonders schön werden und dann wird der Druck viel zu groß. Am Schluss bin ich enttäuscht und habe den Moment gar nicht genießen können oder zumindest akzeptieren können, wie er eben war. Es ist wunderbar, wenn man sich was besonders schönes vornehmen kann, nur ist es mit weniger Druck am Ende noch schöner.

So ist es auch in diesem Advent. Wenn ich ihn ohne Druck angehe, dann heißt das: Die Zeit bis Weihnachten wird wie sie wird. Vielleicht besonders stressig und angespannt. Oder viel zu teuer. Vielleicht werden die nächsten zweieinhalb Wochen auch besonders ruhig oder traurig. Ich hab den Rat von Conny noch im Ohr und will mir nicht so viel Druck machen. Das passt zum Advent, Advent heißt nämlich „Ankunft“, da kommt also noch was. Genau genommen der Retter oder der eine, der mich von wirklich allem erlösen kann.

Ist also ganz okay, wenn jetzt grad der Paarabend, das Familientreffen oder irgendwelche Weihnachtsvorbereitungen nicht perfekt laufen. Dieser Advent sagt mir so was Ähnliches wie Conny: lass weg, was dir Druck macht. Vertrau darauf,  dass dich zur richtigen Zeit erreicht, was du brauchst. 

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30NOV2024
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Ich habe im Urlaub das Schnorcheln für mich entdeckt. An der felsigen Küste Sardiniens gab es viel zu entdecken. Seegurken, Seesterne, Fischschwärme, Felsenlandschaften und sogar ein paar Korallen. Was mich fasziniert ist: Sobald man die Taucherbrille aufhat und abtaucht, hat man auf einmal eine ganz andere Welt vor sich. Eine Welt, die man, wenn man von oben aufs Wasser schaut gar nicht für möglich hält. Erst wenn man abtaucht, dann hat man klare Sicht auf eine Welt, die man von oben gar nicht für möglich gehalten hätte. Die man ohne Brille nur erahnen kann. 

Ich wünsche mir manchmal, ich hätte so eine Taucherbrille für unsere alltägliche Lebenswelt.  Von oben sehe ich nur die Welt, wie sie halt ist. Jetzt im November das Graue, die Krisen, Katastrophen, die unsichere Zukunft. Ungerechtigkeit. Aber wenn ich in der Bibel lese, dann ahne ich, dass unter der Oberfläche noch etwas anderes wartet. Jesus hat - als er gelebt hat -  davon geschwärmt, dass eine neue Zeit angebrochen ist. Eine andere Welt. Die ist noch nicht ganz da, aber wir können sie wie unter der Wasseroberfläche schon erahnen.

Manchmal wünschte ich, es gäbe eine Brille, um diese Welt, wie sie Jesus gesehen hat, klar zu sehen. Eine Brille, um unter der Wasseroberfläche von Kriegen, Gewalt und Ungerechtigkeit klar zu sehen, wie viele Menschen schon jetzt einander trösten, mit unglaublich viel Einsatz und Zeit anderen Menschen Gutes tun, sich Geschenke machen, ehrenamtlich in Feuerwehr, Sportvereinen und Kirchengemeinden engagieren. Sich nicht alleine lassen in schwierigen Zeiten. So eine Brille braucht es manchmal, um in eine Welt abzutauchen, wie Jesus sie sich vorgestellt hat. Und dann ist es auch gut, wieder aufzutauchen, und über dem Wasser die Probleme anzugehen.

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29NOV2024
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Wer heute in den Abendstunden auf den Straßen unterwegs ist, dem könnte es passieren, dass er hinter einer großen Traube von Radfahrerinnen und Radfahrern landet. Vielleicht einem Dutzend – in manchen Städten sind es sogar Hunderte. Oft sind ein paar Lastenfahrräder dabei, eines davon vielleicht mit einer akkubetriebenen Musikbox, die für gute Stimmung sorgt. Unter den Radfahrenden findet man sportliche Menschen, die normalerweise vermutlich viel schneller unterwegs wären. Es sind Kinder dabei, junge Erwachsene und manchmal auch ungewöhnliche Fahrräder: solche mit ultradicken Reifen oder Hochräder, bei denen man sich immer ein bisschen Sorgen macht, weil sie so wacklig aussehen.

In vielen Städten in Deutschland treffen sich solche Gruppen einmal im Monat – meistens freitags. Das nennt sich Critical Mass, auf Deutsch: kritische Masse.

Diese Aktion ist eine fahrradpolitische Demonstration. Menschen auf Fahrrädern wollen darauf aufmerksam machen, dass die Straßen nicht nur für Autos da sind, sondern auch Platz für Radfahrende bieten müssen. Ich erzähle das aber gar nicht wegen des Anliegens dieser Demos.  Was mich besonders beeindruckt, ist die Art und Weise dieses Protests:

Wann immer ich bisher eine Critical Mass erlebt habe, war die Stimmung positiv. Es ging nicht um Wut oder Konfrontation, sondern um Freude. Eine große Gemeinschaft, die einfach Lust hatte, gemeinsam ein oder zwei Stunden Fahrrad zu fahren. Natürlich gibt es auch genervte Fußgängerinnen und Fußgänger, die wegen der langen Fahrradkolonne warten müssen, bis sie über die Straße können. Oder gestresste Autofahrer, die nach einem langen Arbeitstag hinter den Radfahrenden nur im Schneckentempo vorankommen.

Aber ich habe auch erlebt, wie sich die Teilnehmenden Zeit nehmen, um kurz zu erklären, worum es bei der Critical Mass geht und warum so viele Menschen mitmachen. Oft stoßen sie dabei auf Verständnis. Und selbst, wenn der Ärger bestehen bleibt, ist es trotzdem ein friedlicher, gemeinschaftlicher Protest, der einmal im Monat ein friedliches Zeichen setzt.

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28NOV2024
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„Hallo meine Lieben Mäuse“ oder „Na, ihr Süßmäuse“ – das Internet ist gerade voller Mäuse. Eigentlich kann ich mit so Verniedlichungen nicht viel anfangen. Aber dem Mäusetrend kann ich etwas abgewinnen. Es gibt so viele Beschimpfungen und wenig netten Umgang miteinander – da ist es irgendwie eine willkommene Abwechslung, wenn Menschen nett miteinander umgehen. Außerdem finde ich es klasse, dass die Bezeichnung „Mäuse“ ganz nebenbei ihren anzüglichen Touch verliert und nicht länger ein seltsames Frauenbild transportiert. Frauen als „Mäuschen“ abzutun geht nicht mehr.  Jetzt sagen einfach alle „Maus“ zueinander und „Maus“ wird plötzlich einer Anrede, die nicht mehr in Verdacht steht, Macht ausüben zu wollen.

Vielleicht ist es auch nur einer von vielen Trends, die so schnell abflauen, wie sie gekommen sind. Aber ich glaube, er trifft ein zutiefst christliches Anliegen. Denn schon im Epheserbrief in der Bibel heißt es: „Seid allen gegenüber rücksichtsvoll und geduldig und geht nachsichtig und liebevoll miteinander um.“

Damals war das ein Ratschlag für die ersten christlichen Gemeinden. Der Ton, mit dem die Mitglieder untereinander umgegangen sind, sollte ein Zeichen ihrer Gemeinschaft sein – ein Beispiel für andere.

Paulus hat seine Briefe übrigens oft mit liebevollen Worten begonnen, wie „Ihr geliebten Kinder Gottes“. So gesehen ist „Hallo, meine lieben Mäuse“ gar nicht so weit davon entfernt.

Es muss ja nicht unbedingt der Mäusetrend sein, aber ein nettes Wort hier und da tut uns allen gut. Denn am Ende entscheidet oft der Ton, ob wir überhaupt miteinander ins Gespräch kommen. Und das brauchen wir – heute vielleicht mehr denn je.

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27NOV2024
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In wenigen Tagen sind die sozialen Medien wieder voller Jahreszusammenfassungen. Einer der ersten Rückblicke, den ich sogar ganz persönlich erhalte, ist Spotify Wrapped. Auf ein paar Slides sehe ich dann, welche Songs im Jahr rauf- und runtergelaufen sind.

Das ist immer ein Highlight für mich, weil es mich an Lieder vom Jahresbeginn erinnert, die ich längst vergessen habe. Außerdem zeigt es mir, wie ich dieses Jahr drauf war. Es gibt mir einen kleinen Einblick in meine Stimmung und meine Erlebnisse: Lief viel aggressive Musik oder entspannter Folk? Lovesongs oder Weltschmerz-Balladen? Natürlich habe ich eine Ahnung, aber ich bin jedes Jahr aufs Neue an manchen Stellen überrascht.

Manchmal hätte ich auch neben einer musikalischen Zusammenfassung ein Wrapped up für die Erlebnisse aus diesem Jahr. Wenn ich auf dieses Jahr zurückschau, dann fallen mir zuerst die nicht enden wollenden politischen und globalen Krisen ein. So ein Wrapped für meine Erlebnisse würde mir aber vielleicht viel mehr schönen und lebenswerten Momente im Jahr zeigen: die wunderschöne Hochzeit, bei der ich zu Gast war, das erste Mal Spikeball spielen, die Ankunft nach einer langen Fahrradtour, Freundinnen-Treffen in Cafés, neue Bekanntschaften, das Einstudieren von einem neuen Chorstück, schöne Koch- und Spieleabende oder gemeinsam gefeierte Gottesdienste.

Das sind die Highlights, die mein persönliches Wrapped für die letzten Monate wahrscheinlich zeigen würde. Die politischen Krisen waren trotzdem da, aber den Soundtrack in meinem Leben, den können sie eben nicht ganz bestimmen. 

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26NOV2024
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Kurz nach der Wahl des neuen Präsidenten in den USA sind auf vielen Social-Media-Kanälen Post mit einem Bibelvers aufgetaucht.  Da heißt es: „Jeder Mensch soll sich der Regierung eines Staates unterordnen. Denn es gibt keine Regierung und keine Staatsgewalt, die nicht von Gott gegeben ist.“ Aber ist es wirklich Gottes Wille, dass Donald Trump Präsident geworden ist? Oder wenn es die Gegenkandidatin, Kamala Harris, gewesen wäre? Was ist mit der schrecklichen Vergangenheit in Deutschland, als die Nazis an der Macht gewesen sind? Viele Christen haben es damals abgelehnt, Widerstand zu leisten und haben sich dem Unrechtsregime untergeordnet. Wegen dieses Bibelverses. Aber ich glaube, damit haben sie völlig falsch gelegen und völlig falsch verstanden, was Paulus eigentlich gemeint hat. 

Denn: Paulus stellt erst einmal die Machtverhältnisse klar: Gott steht über allem. Auch über dem Präsidenten der USA, oder dem in Russland, China oder sonst wo. Damals bei Paulus hat der Herrscher über das riesige römische Imperium behauptet, sich niemanden unterordnen zu müssen. Zu wissen, dass der römische Kaiser trotz all seiner Macht auch ihrem Gott untergeordnet ist – das war befreiend für die Christinnen und Christen damals. Ja, der Kaiser konnte sie zwingen, Dinge zu tun, die sie eigentlich nicht wollten. Sie mussten den römischen Kaiser wie einen Gott anbeten. Aber dank Paulus wussten sie auch, dass das bei Gott nichts zählt.  Was zählt ist, dass wir Christinnen und Christen Gott im Herzen treu bleiben und dass wir uns gegenseitig lieben und respektieren und nicht aufhören, nach Frieden und Gerechtigkeit suchen – egal, was die Mächtigen dieser Welt anderes sagen.

Dass keiner, der Macht hat und Macht haben wird, über Gott steht – das ist etwas, was mir Hoffnung gibt. Meine Hoffnung ist, dass es keine staatliche Macht, keinen Diktator und keinen Präsidenten gibt, die Gottes Liebe ersticken können. Wo Gott ist, ist auch Raum für Liebe.

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25NOV2024
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Sardinien. Im Herbst noch einmal ein paar warme Tage genießen. Meine zwei Schwestern und ich waren am letzten Urlaubstag noch einmal am Strand. Noch ein letztes Mal Baden für dieses Jahr – und das Anfang November.  Dann, drei Stunden bevor wir auf die Fähre fahren wollen: Das Auto springt nicht an. Von uns keiner in der Lage zu beurteilen woran es liegt. Ein Stoßgebet Richtung Himmel „Gott, lass dieses Auto anspringen. Wir wollen die Fähre nicht verpassen.“ Ich überwinde mich und spreche einen deutschen Urlauber im Café an – vielleicht kann er ja helfen. Und tatsächlich: er hat ein Starthilfekabel und kennt sich aus. Mit seiner Hilfe kriegen wir das Auto gestartet. Ein Stein fällt uns vom Herzen, bedanken uns strahlend bei unserem Helfer. Und ein Stoßgebet Richtung Himmel. Gott hat alles gut gefügt.

Hat er? Ich bin dankbar in der Situation, aber, ob Gott das jetzt alles so gefügt hat? Ich bin nicht sicher. Und wenn ja: Hätte er da nichts Wichtigeres zu tun? Und hätte er nicht gleich dafür sorgen können, dass unser Auto gar nicht erst liegenbleibt?

Ich wünschte mir schon manchmal so einen Gott, der meinen Weg geplant hat. Und gleichzeitig. Will ich wirklich Teil eines durchchoreographierten Theaterstücks sein – einfach eine Rolle spielen, die mir Gott zugedacht hat? Ich hab da meine Zweifel.

Und ich glaube, ich kann für unser Glück mit der Autopanne auch aus anderen Gründen dankbar sein. Nicht, weil Gott alles so gut geplant hat. Sondern dankbar, weil wir Menschen emphatisch und offen füreinander gemacht sind. Es ist Liebe in dieser Welt: romantische, freundschaftliche, geschwisterliche, die zum Nächsten und die, die uns die Augen vor der Not anderer nicht verschließen lässt. Dafür bin ich Gott dankbar. Und dem freundlichen Mann, der unser Auto wieder zum Laufen gebracht hat.

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