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SWR2 Wort zum Tag

24APR2024
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94 – was für ein stolzes Alter. Mein Vater hat es heute erreicht - und die ganze Familie freut sich mit ihm: Kinder, Enkel und inzwischen sogar schon Urenkel.

Meinen Vater bringt so schnell nichts aus der Ruhe und gleichzeitig strahlt er eine tiefe Lebensfreude aus. Manchmal frage ich mich: Woher kommt das? Was hat er Gutes erlebt und was war schwierig für ihn? Er erzählt gerne von seinen Jugenderlebnissen, von Radtouren mit Freunden und von seiner kirchlichen Jugendgruppe. Auch von den Menschen, die ihn geprägt haben – etwa sein Großvater. Die Generation meines Vaters musste aber auch den Nationalsozialismus und den 2.Weltkrieg erleben. Er hatte das Glück, nicht mehr eingezogen zu werden, weil er zu jung war. Das Geburtsjahr kann zum Schicksal werden.

Danach ging es in vielfacher Hinsicht wieder bergauf. Es herrschte Frieden und man konnte etwas aufbauen. In dieser Zeit hat mein Vater eine Familie gegründet und das Geld verdient. Für uns Kinder war vor allem meine Mutter zuständig. Dabei hat mein Vater ein Händchen für Kinder. Vieles davon hat er erst später als Großvater mit seinen Enkeln ausleben können.

In welche Zeit und in welche Umstände wir hinein geboren werden, prägt unser Leben. Es ist uns gegeben – und aufgegeben, ob es helle oder dunkle Tage sind. Wir bekommen Chancen und stehen vor Herausforderungen und so weben wir unseren Lebensfaden ins Ganze des Lebens.

In den mittleren Lebensjahren geht es dabei vor allem um das, was wir tun und leisten. Und manchmal sind es gerade die Herausforderungen, an denen wir wachsen und auf die wir zu Recht

stolz sind.

Wenn dann die Kräfte und Fähigkeiten mit zunehmendem Alter nachlassen, ist das nicht einfach zu akzeptieren. Mein Vater sagt manchmal mit Bedauern: „Ich kann ja nicht mehr viel machen“. Das stimmt. Aber mit 94 muss man keine Bäume mehr pflanzen. Und trotzdem gibt er uns ganz viel. Einfach dadurch, wie er ist. Im hohen Alter zählt die innere Haltung. Wie ein Mensch geworden ist. Welche Werte ihm wichtig waren und aus welchem Geist er gelebt hat.

Auch das hinterlässt Spuren im Gewebe des Lebens. Es sind weniger die vordergründigen Farben und Muster – eher die Kettfäden, die alles zusammenhalten. Bei meinem Vater ist ein solcher Faden sein Gottvertrauen. Das macht ihn zuversichtlich, auch wenn er nicht weiterweiß und spürt, dass sein Leben zerbrechlich wird.

Lieber Papa, Gottes Segen zu deinem 94. Geburtstag!

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SWR2 Wort zum Tag

23APR2024
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Wilden Tieren in freier Wildbahn begegnen – das habe ich bei einer Safari erlebt. Da sind mir die massigen Körper der Elefanten und Nashörner sehr nahegekommen. Beeindruckend! Und als eine friedlich grasende Herde von Zebras blitzschnell davongerannt ist, weil ein Löwe aufgetaucht ist, hat mir das schon eine Gänsehaut gemacht.

Die ungezähmte Lebenskraft von wilden Tieren fasziniert mich, aber sie macht mir auch Angst. Sie ist mir fremd. In der zivilisierten Welt, in der ich lebe, muss ich nicht befürchten, von einem Tier angegriffen zu werden. Mein Leben ist sicher und bequem, und das weiß ich auch zu schätzen. Aber es ist auch etwas verloren gegangen, nämlich dass ich Leben und Lebendigkeit so ganz direkt und kraftvoll erfahren kann.

Das gilt auch für meinen Glauben. Für mich ist Gott „zivilisiert“.

Wenn ich allerdings in der Bibel lese, finde ich einen Gott, von dem so eine unmittelbare und ganz starke, fast schon wilde Kraft ausgeht. Wenn er etwa dem Mose im brennenden Dornbusch erscheint und ihm den Auftrag erteilt, sein Volk zu befreien. Das ist kein gezähmter Gott. Auch Jesus muss Gott so erfahren haben. Nach seiner Taufe geht er in die Wüste. Er setzt sich 40 Tage lang dem Hunger und dem Durst aus, der Einsamkeit, den wilden Tieren. Und am Ende dienten ihm die Engel. Jesus kommt also wohl in einen tiefen Kontakt zum Göttlichen, weil er sich auf diese fremde, wilde Welt eingelassen hat. Er wird Gott seinen Vater nennen – und zugleich wird ihn dieser Gott herausfordern bis zum Letzten.

Ich gebe zu: mir wird bei diesen Gedanken durchaus ungemütlich. Ich habe mich mit meinem zivilisierten Leben und meinem zivilisierten Gott ganz gut eingerichtet. Da gibt es keine unzumutbaren Herausforderungen.  Aber da ist auch nur wenig, was mich unmittelbar packt und fasziniert.

Ich beginne zu ahnen, dass Gott nicht nur ein transzendentes, geistiges Wesen ist, sondern dass auch die ungebändigte Kraft zu ihm gehört. Wie sonst kann ich mir vorstellen, dass alles vom Einzeller bis zum Elefanten, Giraffen, Zebras, Krokodile und Flusspferde, dass sie alle aus seiner göttlichen Kreativität kommen?

Jetzt bin ich nicht mehr auf Safari. Aber ich ziehe meine Schuhe aus und spüre die Erde unter meinen nackten Füssen und ich schaue nach oben, in den weiten Himmel. Er ist voll von den unfassbaren Energien von Sonne und Wind. Es ist und bleibt wohl ein Geheimnis: wie ungezähmt und wild mein Gott sein kann! 

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SWR2 Wort zum Tag

22APR2024
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Wo habe ich es nur hingelegt – das Handykabel?  Solange die Batterie genug Energie hat, ist das noch kein Problem. Aber spätestens, wenn sie leer ist, fange ich fieberhaft zu suchen an. Denn ohne Verbindung zur digitalen Außenwelt bin ich von Vielem abgeschnitten, was für mich zum Leben dazugehört.

Manchmal geht es mir mit meiner Lebensenergie so ähnlich. Wenn ich nicht rechtzeitig auflade, leert sich mein innerer Akku, manchmal ohne, dass ich es merke - und auf einmal fühle ich mich ausgelaugt. Wie abgeschnitten vom Leben. Es ist nicht so sehr eine körperliche Erschöpfung, sondern eher eine seelische. Ich bin antriebslos, und alles wird mir egal.

Dann hilft mir oft, wenn ich rausgehe und laufe oder etwas Praktisches tue wie Gartenarbeit oder Kochen. Aber das reicht nicht immer. Ich bleibe leer und mir fehlt – bildlich gesprochen – ein Aufladekabel, mit dem ich mich an eine größere Energiequelle anschließen kann. Denn aus mir selber kann ich mich nicht aufladen.

Für mich ist Gott eine solche Energiequelle. Er ist Ursprung und Schöpfer des Lebens, die Urkraft, aus der alles kommt. Ich möchte mit dieser Energie, mit dem göttlichen Spirit, der alles Leben durchströmt, in Verbindung kommen. Natürlich kenne ich die klassischen Wege – Gebet und Gottesdienst…  aber nicht immer finde ich dadurch einen Zugang. Ich bleibe irgendwie außen vor, wie abgeschnitten.

Dann muss ich mich eben - wie bei meinem Handykabel – auf die Suche machen. Wo soll ich anfangen? Bei anderen religiösen Traditionen oder mit fremden Ritualen? Mir hilft es, wenn ich erst mal bei mir selber bleibe und mit meinem Innern Kontakt aufnehme. Wonach sehne ich mich eigentlich? Was fehlt mir? Die Suche führt mich zu meiner Seele, zu diesem inneren Raum, in dem ich zu Hause bin. Aber wenn ich nur um mich selber kreise und in mir gefangen bleibe, dann leidet meine Seele. Sie möchte sich mitteilen und angesprochen sein. Sie sehnt sich nach einem Gegenüber, nach einem Du. Sie sehnt sich danach, verbunden zu sein.

So wird gerade die schmerzliche Leere zur Kontaktstelle zu Gott.

Wenn ich mir diese Sehnsucht eingestehe, dann werde ich durchlässiger. Meine Seele öffnet sich für Gott. Oft ereignet sich das in der Stille. Auf einmal ändert sich mein Lebensgefühl. Ich fühle mich verbunden mit mir selbst, mit dem Leben und mit Gott. Und die Lebensenergie beginnt wieder zu fließen.

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SWR2 Wort zum Tag

31JAN2024
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In meiner Teetasse ist ein ganzer Sommer eingefangen. Und ich liebe es, ihn jetzt im Winter zu trinken. Den Tee habe ich im Sommerurlaub in einem kleinen Kräuterhof in den Bergen gekauft. Wenn ich ihn trinke, sehe ich wieder die Felder mit all den blühenden Kräutern vor mir, und die Kammern, in denen die Kräuter getrocknet werden. Die Bäuerin hat mir viel darüber erzählt, wie ihre Kräuter wirken und wie heilsam sie sind. Das hat sie von ihrem Großvater gelernt und ihr Wissen über Jahrzehnte (weiterentwickelt. Etwa dass Ringelblume Schmerzen lindert,  Lavendel beruhigt und der bittere Weißdorn den Bluthochdruck senkt.  

Wenn ich jetzt meine getrockneten Kräuter mit heißem Wasser aufgieße, dann werden sie quasi zu neuem Leben erweckt. Das Wasser setzt die Aromen frei, und mit der Wärme und dem Duft steigen Erinnerungen in mir auf.

Da begreife ich: Das Leben ist verwoben. Wir leben niemals nur in der Gegenwart, sondern in unserem Leben wirkt immer auch weiter, was schon war. Deswegen haben  ältere Menschen oft das Bedürfnis, von früher zu erzählen – etwa, was sie als Kind erlebt haben. Sie tauchen dann regelrecht ein in diese alte, vergangene Zeit, und die Gefühle von damals werden wieder lebendig. 

Jeder Mensch braucht  Erinnerungen, um sich selbst zu verstehen und auch um sich mit seinem Leben zu versöhnen. Da erinnere ich mich an schöne Zeiten und auch an schwierige, die mich besonders herausgefordert haben. Wie bei den Kräutern in meinem Tee  gibt es im Leben neben den wohlriechenden und angenehmen auch die bitteren Erfahrungen. Interessant ist ja, dass bei den Kräutern gerade die eine besonders heilsame Wirkung haben.

Wenn ich mit meinem Leben versöhnt sein will, ist das wohl ein wichtiger Schritt: dass ich auch die schweren und leidvollen Erfahrungen annehmen kann. Denn auch sie gehören zu meinem Leben.

Die Kräuter nehmen Nährstoffe aus der Erde auf, die Sonne und den Regen,  Hitze und Kälte – das macht ihre besondere Wirkung aus. Und so bin auch ich geprägt von meiner Herkunftsfamilie und von guten oder auch schwierigen Lebensumständen. Daraus kann ich mich entwickeln und hoffentlich das zum Blühen bringen, was mir wichtig ist. Und was wird am Ende bleiben?

Ich habe die Hoffnung, dass am Ende Einer alles aufsammeln wird. So wie die Kräuterfrau, die ich im Sommer in den Bergen kennengelernt habe. Denn alles, was in meinem Leben gewachsen ist, gehört zu meiner persönliche Lebensmischung.  Und wie schön ist es, wenn sie am Ende wohlschmeckend und heilsam ist.

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SWR2 Wort zum Tag

30JAN2024
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Ein junges Paar, das sich verliebt anlächelt – wir trauen uns! Oder Danke für die vielen Glückwünsche zu unserer Hochzeit…Solche Karten stehen immer  wieder auf unserem Wohnzimmerregal. Inzwischen kommen sie von der Generation unserer Kinder, die eben längst keine Kinder mehr sind, sondern junge Menschen, die ihr Leben miteinander teilen wollen.

Sie haben Träume für ihr gemeinsames Leben. Wollen miteinander etwas schaffen. Eine Familie gründen. Ihre Ideale verwirklichen. Ich spüre die positive Energie, die davon ausgeht und freue mich mit ihnen.

Ich denke auch zurück: Wie war das bei meinem Mann und mir  als wir geheiratet haben? Mit welchen Träumen sind wir damals gestartet? Und was davon konnten wir verwirklichen? Natürlich sind nicht alle Träume in Erfüllung gegangen. Und doch bin ich dankbar für unser gemeinsames Leben: Wie wir unseren Alltag gestalten, Kontakt halten mit unseren Familien, Freunden und Nachbarn, wofür wir uns einsetzen und was wir zusammen genießen. Aus den anfänglichen Träumen ist ein ganz konkretes gemeinsames Leben geworden, unser Lebensraum, den wir Tag für Tag miteinander gestalten.

Lebensträume und Lebensräume – nur ein einziger Buchstabe macht den Unterschied, aber im wirklichen Leben ist das ein spannungsvoller und mitunter anstrengender Prozess. Der Alltag fordert seinen Tribut, vor allem, wenn Kinder da sind. Wie soll man alles unter einen Hut bekommen, Beruf und Familie? Wie damit umgehen, dass das Geld knapper wird und die Zeit nie reicht? Wenn so viel zusammenkommt, funktionieren viele Paare nur noch. Und auf einmal stellen sie fest, dass sie sich als Paar aus den Augen verloren haben.

Aber Paare können an diesen Herausforderungen auch wachsen. Niemand muss ein Traumpaar oder eine Traumfamilie sein. Die ideale Beziehung gibt es nicht. Beziehungen sind immer im Prozess, im Werden.

Wenn zwei aneinander schätzen, was jedem möglich ist, und mit Gelassenheit und Humor lernen, den anderen so zu nehmen, wie er ist, ohne ihn ständig verändern  zu wollen. So wird die  Beziehung geerdeter und reifer.

Von der katholischen Kirche  gibt es übrigens eine Aktion, die genau dazu passt. Sie heißt „7Wochen Lebensträume“. Wer sich anmeldet, bekommt von Aschermittwoch bis Ostern sieben Briefe. (www.7wochenaktion.de) Im besten Fall liest man die Briefe zu zweit. Und es ist ja klar: sieben Wochen reichen nicht, damit  aus Lebensträumen  Lebensräume werden. Doch es tut auf jeden Fall gut, sich diese Zeit füreinander zu gönnen.

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SWR2 Wort zum Tag

29JAN2024
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2024 - die Jahreszahl klingt immer noch neu für mich. Aber bringt dieses Jahr auch wirklich Neues in mein Leben? Eigentlich geht ja das Meiste weiter wie bisher. Die Macht der Gewohnheit ist groß, besonders dann, wenn man schon älter ist.

Von daher fasziniert mich die biblische Geschichte von Abraham. Er ist schon alt, aber Gott mutet ihm extrem viel Neues zu. Gott fordert Abraham auf: „Geh fort aus deinem Land, aus deiner Verwandtschaft und aus deinem Vaterhaus in das Land, das ich dir zeigen werde.“

Warum sollte Abraham sich darauf einlassen und sein altes Leben aufgeben? Als alter Mann tut man so etwas nicht freiwillig. Aber Gott verspricht: „Ich werde dich zu einem großen Volk machen und dich segnen. Ein Segen sollst du sein.“

Gott sagt ihm zu: „Du sollst ein Segen sein.“ Und das heißt: Durch dein Leben soll etwas von mir in die Welt kommen. Deine neue Zukunft trägt meine Handschrift. Du sollst nicht nur für deine Familie zum Segen werden, sondern für alle. So groß denkt Gott von Abraham. Deswegen soll er losziehen ins Neue. Weil es um eine Zukunft geht, die von Gott kommt.

Diese alte Geschichte lockt auch mich aufzubrechen. Denn allzu leicht bleibe ich in meinen eingefahrenen Denkmustern stecken und schaue skeptisch in die Zukunft.

Aber Gott traut mir auch viel Neues zu. Ich muss dafür nicht in ein fremdes Land auswandern. Aber ich kann neue Möglichkeiten bei mir und anderen aufspüren, und so wie Abraham zum Segen werden.

Abraham bricht zusammen mit seiner Frau und seinem Neffen auf, er nimmt auch seine Knechte und Mägde und seine Tiere mit. Segen verwirklichen geht nur zusammen. In einem Netzwerk gegenseitiger Ermutigung. Mal knüpfe ich dazu bei andern an, mal kann ich ein Anknüpfungspunkt sein. Und so: in starker Gemeinschaft und mit mutigem Blick nach vorne kann 2024 Neues entstehen, das zum Segen wird!  

 

 

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SWR2 Lied zum Sonntag

28JAN2024
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Worte können gut tun -  ermutigen, aufrichten und trösten. Und: Worte verbinden. Wenn mich jemand anspricht, entsteht eine Beziehung zwischen uns. So geht es mir auch mit Gott. Seine Worte richten mich auf und sie machen mir Mut. Dank ihnen bekomme ich so eine Ahnung, wer Gott ist und kann mit ihm in Kontakt treten. Gottes Worte bringen Licht in mein Leben. Davon erzählt auch das Lied, das ich für heute ausgewählt habe.

Lied:

Gottes Wort ist wie Licht in der Nacht. Es hat Hoffnung und Zukunft gebracht. Es gibt Halt, es gib Trost in Bedrängnis, Not und Ängsten. Ist wie ein Stern in der Dunkelheit.

Dass Gott zu den Menschen gesprochen hat, ist eine Grundüberzeugung von Christen und Juden. In der Bibel sind seine Worte aufgeschrieben. Da steht etwa: „Ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Zeiten.“ Eigentlich großartig – und doch erreichen mich diese Worte nicht per se. Ganz anders, als wenn ich mit jemandem im Gespräch bin.

Da kommt zu den Worten noch der Klang der Stimme dazu. Durch sie werde ich unmittelbar angesprochen. Ich kann hören, wie jemand mir gegenüber eingestellt ist und wie er sich gerade fühlt. Die Stimme ist ein Ausdruck der Seele. Deswegen kann ein gesprochenes Wort berühren. Und umgekehrt bleiben Worte ohne eine beseelte Stimme oft blass oder leblos.

Was bedeutet das für die Worte Gottes? Wodurch werden sie kraftvoll und lebendig?

Lied

 

 

Wenn ich Gottes Worte höre, dann höre ich nicht seine Stimme. Seine Worte werden von Menschen gesprochen, die Gott gewissermaßen ihre Stimme leihen. Ist das nicht vermessen? Aber so ist Gott. So viel Vertrauen legt Gott in die Menschen, dass sie zu seinem Sprachrohr werden können. Zum Beispiel wenn ich als Lektorin im Gottesdienst Gottes Wort verkünde oder hier im Radio sein Wort in den Mund nehme. Leider können Menschen Gottes Wort auch missbrauchen. Damit Gottes Worte stimmig und kraftvoll werden, braucht es eine innere Übereinstimmung zwischen Gott und der Person, die spricht. Dann kann ich in der Stimme eines Menschen auch die Stimme Gottes mithören. Mir geht das oft so bei einem Segenswort, das mich unmittelbar berührt.

Lied als Kanon

Musik aus der CD „Eingeladen zum Fest des Glaubens“ Institut für Kirchenmusik, Bistum Mainz

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SWR2 Wort zum Tag

23DEZ2023
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Nach dem Abitur ist Jonas mit einem Freiwilligendienst nach Israel gegangen. Das war diesen Sommer. Kaum hatte er sich eingewöhnt und die ersten Freundschaften geschlossen, ist der Terror der Hamas über Israel herein gebrochen. Jonas ist mein Neffe und er erzählt mir: „Als die ersten Sirenen losheulten, wusste ich noch nicht mal, wo der nächste Schutzbunker ist.“ Inzwischen ist Jonas längst wieder in Deutschland zurück. Wir sind alle froh, dass er in Sicherheit ist. Er natürlich auch. Aber mit seinem Herzen ist er immer noch in Israel und sorgt sich um die Menschen, die er dort kennengelernt hat. So viele haben Angehörige oder Freunde verloren. Und auch die Bilder aus dem Gazastreifen erschüttern ihn.  

Ich frage Jonas, wie es ihm jetzt geht, da sagt er: „Ich habe angefangen zu beten. Ich bin in eine Kirche gegangen und habe eine Kerze angezündet. Ein kleines Hoffnungslicht. Ich weiß zwar nicht, ob das etwas ändert, aber es hat mir geholfen, mit all dem irgendwie klar zu kommen.“ Wie Jonas mir das so sagt, fallen mir die Sätze ein, die morgen in den Weihnachtsgottesdiensten zu hören sind: „Das Volk, das im Dunkeln lebt, sieht ein helles Licht. Über denen, die im Land der Finsternis leben, strahlt ein Licht auf.“ Diese Worte stammen vom Propheten Jesaia. Als er sie vor über zweitausend Jahren ausgesprochen hat, war das Volk Israel auch im Dunkeln. Feinde standen vor Jerusalems Mauern. Alle hatten Angst. 

Und Jesaja schaut in die Zukunft und verspricht dabei: „Jeder Stiefel, der dröhnend daher stampft, jeder Mantel, der mit Blut befleckt ist, wird ein Fraß des Feuers.“ Für den alten Propheten wird das aber nicht durch militärische Überlegenheit erreicht, sondern durch ein Kind. „Denn uns ist ein Kind geboren. …Seine Herrschaft ist groß und der Friede hat kein Ende.“

Diese großen Sätze aus den Weihnachtsgottesdiensten scheinen unendlich weit entfernt und unrealistisch. Wie Sterne am Nachthimmel. Aber trotzdem leuchtet in ihnen für mich die Hoffnung auf, dass Terror und Krieg nicht das letzte Wort behalten.

Mein Neffe hatte vor kurzem Geburtstag. Es war der Tag, an dem die ersten Geiseln freigelassen worden sind – im Austausch für palästinensische Gefangene. Für Jonas war das das schönste Geschenk. Ein verheißungsvoller Anfang, und wie im Dunkeln ein Licht. Auch wenn jetzt wieder die Waffen sprechen.

An Weihnachten wird Jonas ganz besonders an seine Freunde in Israel denken, und an die vielen Menschen dort, die sich nach Frieden sehnen. Er wird für sie beten und ein Licht anzünden.

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SWR2 Wort zum Tag

22DEZ2023
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Die Tage vor Weihnachten gehören nicht gerade zu meinen Lieblingstagen. Meistens sind sie stressig,  und die Nerven liegen blank. Und das alles, weil es am Heiligen Abend einfach nur schön und harmonisch verlaufen soll.  Weil wir uns wenigstens an Weihnachten als heile und glückliche Familie erfahren wollen.

Und mitten in diesen Vorbereitungen ist da auch die Heilige Familie: Maria - hochschwanger und vermutlich schon unter den ersten Wehen. Sie sucht mit Josef nach einem Ort, wo sie ihr Kind zur Welt bringen kann. Alles andere als eine heile Welt, diese Geburt unter prekären Umständen.

Gerade deswegen ist die Heilige Familie wichtig für mich. Denn es kommt an Weihnachten nicht auf eine perfekte Inszenierung an, sondern darauf, dass ich mich anrühren lasse.

Vom Jesuskind, das dann in der Krippe liegt. Wie jedes Neugeborene ist es total auf seine Eltern angewiesen. Es braucht den Glanz in den Augen seiner Mutter, ihre liebevollen Worte und Gesten. Und es braucht den Josef, der es beschützt.

Und da ist Maria. Sie hat Ja dazu gesagt, Gottes Sohn zur Welt zu bringen. Auch wenn ihre ganze Schwangerschaft so völlig anders war, als sie sich das wohl je vorgestellt hat. Mich berühren an Maria ihr Mut und ihr Vertrauen in das, was noch werden kann. Und schließlich gehört auch Josef dazu, der bereit ist, sein Leben völlig umkrempeln zu lassen, weil andere ihn brauchen.

Ich kann gelassener mit dem familiären Weihnachtsstress umgehen, wenn ich die Heilige Familie bewusst in unsere Mitte hole. Ich lerne vom göttlichen Kind, dass ich bedürftig sein darf. Dass ich ehrlich zeige, wenn ich Hilfe brauche. Ich lerne von Maria zu vertrauen und von Josef, dass es nicht immer nach meinem Plan gehen muss. Ich muss Familie nicht als heile Welt inszenieren. Auch nicht an Weihnachten.  

Es ist schön, wenn wir als Familie zusammen kommen, und wenn viele dazu beitragen, dass es ein Fest wird. Aber es ist wohl unvermeidlich, dass es auch Spannungen gibt. Nicht alle  Erwartungen kann und will ich  erfüllen. Und es gibt auch manches, das  verletzt und weh tut. Das auszuhalten, fällt  mir nicht leicht. Doch ich vertraue darauf, dass Gott bei uns ankommt, auch wenn nicht alles ideal ist. Ich schaue auf das Kind in der Krippe, und es macht mir Mut, dass noch vieles werden kann. 

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SWR2 Wort zum Tag

21DEZ2023
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Das Pantheon in Rom. Was für ein Bauwerk. Es ist eines der am besten erhaltenen Gebäude aus der römischen Antike, überwölbt von einer gigantischen Kuppel. Als ich dieses Jahr dort war, hat mich an dieser Kuppel am meisten fasziniert, dass sie nicht ganz geschlossen ist. Am obersten Punkt ist sie offen und man kann durch das Dach in den Himmel sehen. So wird der  Raum von einem fast mystischen Licht erfüllt.

Heute ist das Pantheon eine katholische Kirche. Aber das war nicht immer so. Ursprünglich war es  ein Tempel, der allen römischen Göttern geweiht war. Das nämlich bedeutet der Name: pan – für alle, theon – für Götter. Im 2. Jahrhundert wurde er vom römischen Kaiser errichtet, denn Religion war Sache des Staates. Hier wurden nicht nur den Göttern, sondern auch dem Kaiser Opfer gebracht.

Aber nicht alle haben an diesem Kult teilgenommen. Die frühen Christen haben sich ihm bewusst verweigert, weil sie nur an den einen Gott geglaubt haben. Ihr Gott war ganz anders als die römischen Götter. Er war wie ein Vater für sie. Das haben die Christen von Jesus gelernt. Durch ihn ist ein neues Licht in ihr Leben gekommen,- so wie durch die Öffnung der Kuppel - nämlich die Hoffnung auf ein unzerstörbares, ewiges Leben. Durch Jesus konnten sie - bildlich gesprochen - direkt in den Himmel sehen.

Für die römischen Kaiser war diese Verweigerung ein Affront. Deswegen haben sie die Christen verfolgt. Trotzdem wurden die Christen mehr und mehr. Und sie waren standhaft. Das hat Kaiser Konstantin im 4. Jahrhundert so sehr beeindruckt, dass er die einst unterdrückte Religion anstelle des alten Götterkultes zur neuen Staatsreligion gemacht hat. Und so ist aus dem Pantheon eine Kirche geworden.

Das alles ist mir damals durch den Kopf gegangen, als ich unter dieser gewaltigen Kuppel gestanden bin. Und es beschäftigt mich immer noch. Das Pantheon - einst Tempel, dann Kirche – und heute da wirkt es wie ein Museum. Keine Frage, es beeindruckt mich, so wie viele andere großartige Kirchen. Aber immer weniger Christen feiern in diesen Kirchen ihren Glauben. Ist unserer Zeit der Sinn für das Göttliche verloren gegangen? Oder wie müssen Kirchen, religiöse Räume und Gottesdienste gestaltet sein, dass Menschen von Gott berührt werden?

Ich sehe wieder die Öffnung des Pantheons vor mir, die ein kleines Stück Himmel frei lässt. Und es ist wie ein Sinnbild für mich. Es darf nicht alles wie ein geschlossenes System zugemauert sein. Es muss auf jeden Fall etwas offen bleiben, damit Gott sich zeigen kann.

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