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SWR2 Wort zum Tag

Im Neuen Testament wird erzählt, was am allerersten Pfingstfest geschehen ist: Die Jünger Jesu waren zusammen, heißt es da, als plötzlich ein Sturm das Haus erfüllte, in dem sie waren. Und der Atem Gottes kam herab auf jeden von ihnen. Der Atem Gottes? Sie sind vielleicht gewöhnt, dass hier vom Geist die Rede ist. Aber das griechische Wort für Geist ist Pneuma, und Pneuma bedeutet auch Atem. Morgen ist also das Fest des Atems Gottes, der auf die Jünger herabgekommen ist. Dazu passt ja auch der Sturm, von dem die Bibel hier erzählt. Der Atem Gottes – wenn wir Pneuma so übersetzen, wird besonders anschaulich, was gemeint ist: etwas aus Gott ist in die Menschen eingegangen, das Lebensprinzip Gottes schlechthin. Wir könnten sagen: Pfingsten ist das Fest der Mund-zu-Mund-Beatmung Gottes.

Das erinnert an eine der Schöpfungsgeschichten vom Anfang der Bibel. Die Erde war wüst und leer, und der Atem Gottes schwebte über den Wassern, heißt es da – auch in der hebräischen Sprache steht für Geist und Atem dasselbe Wort. Diesen seinen Atem bläst Gott dem neu geschaffenen Menschen ein und belebt ihn so. Der Mensch lebt durch den Atem Gottes selbst – welch ein kühner Gedanke! Diesen Gedanken nehmen die Pfingstgeschichten auf: Wir leben durch Gottes Atem. Wenn wir atmen, atmet Gott in uns. Leben und von Gott durchströmt sein ist eins.

In vielen Formen der Meditation und des Betens ist der Atem wichtig. Im bewussten, ruhigen Ein- und Ausatmen wird Verbundenheit mit Gott und mit der Schöpfung spürbar. So gibt es aus der Tradition der orthodoxen Kirchen schon seit Jahrhunderten das sogenannte Jesusgebet oder Herzensgebet. Da wird zum Beispiel immer wieder der Name Jesus Christus gesprochen, „Jesus“ beim Ausatmen, „Christus“ beim Einatmen. Mit dieser Erfahrung bekommen auch Sätze aus dem Römerbrief des Paulus einen anderen Klang. „Der Atem nimmt sich unserer Schwachheit an“, heißt es dann dort. „Denn wir wissen nicht, worum wir in rechter Weise beten sollen, der Atem selber tritt jedoch für uns ein mit Seufzen, das wir nicht in Worte fassen können.“ (Röm 8,26)

Heute suchen immer mehr Menschen, Christen und andere, über achtsames Fühlen und Erleben ihres Körpers einen Weg zu Gott. Das biblische Sprechen vom Geist als Atem Gottes kann hier eine Brücke sein.

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SWR2 Wort zum Tag

Übermorgen ist Pfingsten, und da stellt sich die Frage nach dem Heiligen Geist. Was würde der Evangelist Lukas dazu wohl heute schreiben? Er hat ja erzählt, wie der Heilige Geist 50 Tage nach Ostern in Feuerzungen auf Maria und die Apostel herabgekommen ist, auf jeden persönlich.

Mich hat ein Pfingstbild aus dem 17. Jahrhundert auf eine Spur gebracht. Es ist eine Ikone, ein liturgisches Bild aus der Ostkirche, und es zeigt eben jene Geschichte von den Aposteln und den Feuerzungen, die Lukas erzählt. Da sitzen sie, die Apostel an Pfingsten, und mitten unter ihnen einer, der gar nicht dabei war: Paulus kam erst eine Weile später dazu, nachdem er zunächst die ersten Christen blutig verfolgt hatte. Paulus hat außerdem heftige Konflikte in Gang gebracht. Er war, etwas plakativ gesagt, der Neuerer in der frühen Kirche und hat sich mit dem Chefapostel Petrus heftig gestritten.

Mir sagt dieses Bild: Der Heilige Geist war nicht nur beim allerersten Pfingstfest wirksam, bei denen, die unmittelbar dieses Pfingsten erlebt haben. Das läßt mich hoffen für uns heute. Und: er hat die unterschiedlichsten Leute inspiriert. So wie Petrus und Paulus da gemeinsam unter dem Feuer des Heiligen Geistes sitzen, heißt das doch: auch wo Menschen verschieden denken in wichtigen Fragen, wo sie sich auseinandersetzen und ringen, ist Gottes Geist dabei. Wenn, ja wenn alle, die da streiten, ihren gemeinsamen Bezugspunkt nicht vergessen. Der Künstler des alten Pfingstbildes hat in der Mitte einen Platz leer gelassen – leer gelassen ganz offensichtlich für Jesus. Der ist die Mitte.

Wenn ich die Geschichte des Lukas und diese alte Pfingstikone zusammen sehe, kann das bedeuten: Im Heiligen Geist appelliert Gott beständig an unsere besten Kräfte, die Kräfte zum Denken, Gestalten, Streiten und Versöhnen. Der Heilige Geist bewegt dazu, in Fragen des Glaubens und der Wahrheit nicht aufzugeben, sondern zu ringen, Neues zu denken und zu versuchen. Und sich dabei zusammenbinden zu lassen von dem leeren Platz in der Mitte.

Vielleicht ist es gerade der Heilige Geist, den die Kirchen heute unserer Gesellschaft schulden: der lange Atem in kontroversen Fragen, der aus dem Glauben an einen lebendigen Gott kommt.

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SWR1 3vor8

Christi Himmelfahrt – von diesem Fest kann man lernen, was ein guter Abschied ist. Ich meine jetzt nicht gute Wünsche für die Väter, die heute morgen losziehen – die sind ja vielleicht auch sinnvoll: „Viel Spaß, und komm gut wieder heim“ zum Beispiel. Ich meine die Art, wie Jesus in den Himmel auffährt und von seinen Freunden Abschied nimmt. Der Evangelist Lukas erzählt davon. Daß nämlich Jesus nach Ostern mit den Freunden geredet hat, dass eine Wolke ihn aufnimmt - eine Wolke ist in der Bibel oft ein Symbol für Gott – und dass sie ihn dann nicht mehr sehen. Jetzt stehen sie da, gucken ihm nach, bis zwei Engel kommen: „Ihr Männer von Galiläa, was schaut ihr staunend gen Himmel?“

Abschied also, Übergang in den Alltag. Alltag ohne Jesus. Guckt nicht mehr in den Himmel. Wenn ihr Euern Freund und Meister Jesus sucht, dann kümmert euch um eure Erde. Lukas drückt das so aus: „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen ... und werdet meine Zeugen sein, … bis an die Grenzen der Erde.“ Die Jünger sollen nicht in Erinnerung oder Schmerz oder Sehnsucht verharren, sondern etwas tun, nämlich auf der ganzen Welt von dem erzählen, was sie mit Jesus erlebt haben und woran sie glauben.

Jesus ist jetzt nicht mehr auf der Erde, sagt die Geschichte von der Himmelfahrt. Aber die Freunde sollen und können mit ihm verbunden bleiben. Wenn sie von ihm reden, von seinem Leben, seinem Sterben und davon, dass er trotz seines schmählichen Todes nicht gescheitert ist. Und wenn sie nicht nur reden, sondern auch so handeln, dass viele Menschen Hoffnung schöpfen für ihr eigenes Leben.

Ein konstruktiver Abschied ist das. Mit dem etwas Neues anfängt. Der Glaube, dass Gott da ist, auch nachdem Jesus gestorben ist. Der Glaube, dass Jesus mehr war als eine Episode. Daß er lebendig bleibt unter uns Menschen. Und uns Zukunft eröffnet. Vielleicht würden die Jünger Jesu ja heute dabei ähnliche Worte finden wie der Salzburger Theologe Gottfried Bachl. In einem Gebet redet er Jesus an:

Nein.

bleibe nicht bei uns

in dieser Grube,

wo alles schon so und so ist,

geh über alle Berge,

wirf dein Gesicht über das Meer,

schau nicht zurück.

Erwarte uns

bei dir.                  

 

(Mailuft und Eisgang, Innsbruck 1998, 58)  

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SWR2 Wort zum Tag

„Wenn ich könnte, gäbe ich jedem Kind eine Weltkarte ...

Und wenn möglich einen Leuchtglobus,

in der Hoffnung, den Blick des Kindes aufs Äußerste zu weiten

und in ihm Interesse und Zuneigung zu wecken

für alle Völker, alle Rassen, alle Sprachen, alle Religionen!“ 

Worte des brasilianischen Bischofs Helder Camara, sie passen für mich in diese Tage, in denen so intensiv an das Ende des 2. Weltkriegs erinnert wird. Ich versuche mir das vorzustellen: jedes Mädchen, jeder Junge auf der weiten Welt mit einer großen Landkarte oder gar mit einem Leuchtglobus, den sie aufmerksam betrachten. Und im Betrachten entsteht wie von selbst Interesse, Zuneigung, das Wissen und das Gefühl: Wir sind miteinander verbunden. Es geht mich an, wie es den andern geht. Wir liegen einander am Herzen. Was Menschen als Kinder erspüren, könnte sie auch als Erwachsene prägen und leiten.

Mir tut es gut, neben all den furchtbar anstrengenden Bildern der Erinnerung auch dieses Bild vor Augen zu haben. Natürlich weiß ich, daß das auch naiv ist. Daß „Globalisierung“ heute primär ganz anders abläuft. Trotzdem zeigt das Bild von den Kindern mit Globus doch genau das, was wir aus den Kriegen lernen müssen.

Uns hilft nicht allein die Scham, nicht allein die Bereitschaft, sich an Schuld und Schrecken zu erinnern. Uns helfen keine gleichmäßig gut gerüsteten Armeen und auch nicht allein die Diplomatie. Was hilft ist, wenn jeder Mensch zu essen und ein Heim hat. Wenn wir einander beistehen in Katastrophen. Wenn Menschen teilen, nicht weil wir müssen, sondern weil wir uns verbunden wissen und verbunden fühlen. Verbunden, weil wir Menschen sind, verbunden in der Verantwortung für Gottes kostbare Schöpfung. 

Wenn ich könnte, gäbe ich jedem Kind eine Weltkarte ...

Und wenn möglich einen Leuchtglobus,

in der Hoffnung, den Blick des Kindes aufs äusserste zu weiten

und in ihm Interesse und Zuneigung zu wecken

für alle Völker, alle Rassen, alle Sprachen, alle Religionen! [1]



[1] Helder Camara, Mach aus mir einen Regenbogen, Pendo-Verlag 1981

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SWR2 Wort zum Tag

Der Mystiker Meister Eckhart schreibt um das Jahr 1300 über das Gebet: ”Ein Mensch gehe übers Feld und spreche ein Gebet und erkenne Gott, oder er sei in der Kirche und erkenne Gott: erkennt er darum Gott mehr, weil er an einer ruhigen Stelle weilt, so kommt das von seiner Unzulänglichkeit her, nicht aber von Gottes wegen: denn Gott ist gleicherweise in allen Dingen und an allen Stätten.”

Dürfen sich durch dieses Zitat die Menschen bestätigt fühlen, die sagen: ich kann im Wald besser beten als in der Kirche, denn in der Natur fühle ich mich Gott näher? Auf der anderen Seite: Meister Eckhart, der dies geschrieben hat, war Mönch und hat mindestens 5 mal am Tag und in der Nacht mit den anderen Mönchen zusammen in der Kirche gebetet. Er taugt also nicht als Kronzeuge für ein Entweder - Oder.

„Ein Mensch gehe übers Feld und spreche ein Gebet und erkenne Gott, oder er sei in der Kirche und erkenne Gott .... . Gott ist gleicherweise in allen Dingen und an allen Stätten.” 

Deshalb können wir beten, weil Gott in allen Dingen ist. Beten kann dann heißen: immer wieder in meinem Leben mich besinnen, daß Gott da ist.

Beten heißt nach Meister Eckhart: in meinem Leben Gott erkennen. Beten muß also nicht heißen: vom Leben weggehen, möglichst alles auszublenden versuchen, um nur noch an Gott zu denken. Wenn ich darauf höre, was Gott durch mein Leben sagt, dann bete ich. So gesehen ist beten so spannend wie das Leben: mal harmonisch, mal voller Konflikte oder Mißverständnisse, immer wieder voller Fragen. Das geht von „Lobe den Herrn, meine Seele, für alles, was er dir Gutes tut” bis zu „Mein Gott, mein Gott warum hast du mich verlassen”, vom Verfluchen der eigenen Geburt bis zum Dank für das Leben. Sich dem Leben stellen, darin Gott zu erkennen suchen und Antwort geben im Handeln und vielleicht im lauten oder leisen Sprechen - das ist Gebet.

Wenn ich überlege, was uns in diesem lebenslangen Gebet helfen kann, dann fallen mir durchaus der Wald und die Kirche ein: der Wald steht für die Offenbarung Gottes in der Natur und dafür, daß ich persönlich, eigenständig das Gespräch mit Gott suche. Die Kirche steht für die Offenbarung Gottes in den anderen Menschen und dafür, daß wir einander helfen können, Gott zu erkennen in allen Dingen.

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SWR2 Wort zum Tag

Wo ist dein Bruder Abel? So fragt am Beginn der Bibel Gott den Kain, der seinen Bruder ermordet hat. Eine Frage, die Gott gerade tausendfach in Europa wiederholen muß. Wo ist dein Bruder, wo ist deine Schwester? Wo sind sie, deren Tod du nicht verhindert hast? Ich möchte mir die Ohren zuhalten vor dieser Frage, aber ich kann und darf es nicht. Auch wenn ich mich ohnmächtig fühle, auch wenn ich die große Schuld in der Politik sehe, nicht erst seit heute, bei Schleuserbanden, bei denen, die wirtschaftliche Macht haben.

Trotzdem muss ich die Frage annehmen, ohne Wenn und Aber: Wo ist dein Bruder Abel? Und ich darf nicht so reagieren wie Kain, der geantwortet hat: Bin ich denn der Hüter meines Bruders?

Gleichzeitig erlaube ich mir zu fragen: Gott, wo bist du? Warum hast du uns Menschen so erschaffen? Warum gibst du uns nicht mehr Willen, mehr Ideen, mehr Kraft, um gerechter zusammenzuleben? Warum schaffen wir es nicht, daß jedes Mädchen und jeder Junge, jeder Mann, jede Frau, jeder alte Mensch eine Heimat hat und genug zu essen?

Ich habe keine Antwort auf diese Fragen. Ich kann es nicht auflösen, dieses Ineinander von Gottes Verantwortung und unserer menschlichen Verantwortung. Aber mir hilft ein Gedicht von Hilde Domin mit dem Titel „Abel steh auf.“ Darin schreibt sie: 

Abel steh auf
es muss neu gespielt werden
täglich muss es neu gespielt werden
täglich muss die Antwort noch vor uns sein
die Antwort muss ja sein können
wenn du nicht aufstehst Abel
wie soll die Antwort
diese einzig wichtige Antwort
sich je verändern
….steh auf
damit Kain sagt
damit er es sagen kann
Ich bin dein Hüter
Bruder
wie sollte ich nicht dein Hüter sein
Täglich steh auf
damit wir es vor uns haben
dies Ja ich bin hier
ich
dein Bruder….[1]

Mir helfen diese Worte der Dichterin Hilde Domin. Ich weiß, Abels Söhne und Töchter, die ertrunken sind, werden nicht aufstehen, nicht in unser irdisches Leben hinein. Aber unzählige Kinder Abels warten darauf, dass andere sagen: Ja, ich bin die Hüterin meines Bruders, ich bin der Hüter meiner Schwester.

 

[1] Aus: Hilde Domin, Abel steh auf. In: Abel steh auf. Gedichte, Prosa, Theorie. Reclam 1979, S.49

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SWR2 Wort zum Tag

An vertraute Bilder kann man sich gewöhnen. Deshalb habe ich ein Buch über afrikanische Theologie wieder mal in die Hand genommen. Darin hat ein Theologe aus Zaire viele Bilder seiner heimischen Tradition gesammelt, die ich überraschend und anregend finde.

Zum Beispiel: „Gott ist wie ein Blätter-Bach. Soviel man auch herausschöpft, seine Mengen wachsen ständig nach. Gott ist wie ein Sumpfteich, an dem sich die Fischerinnen vergebens abmühen. Abgrund, der sich nicht füllt mit dem Regen, und wenn es auch zehn Tage fortwährend regnet.“

Afrikanische Christen sagen zu Gott: „Hoher Berg“ „geäderter Blattrücken einer Palme, auf dem sich kein Vogel niederläßt.“ „Sonne, die man nicht anstarren kann, die mit ihren Strahlen den verwegenen Neugierigen erschlägt.“

Viele Namen für Kraft und Stärke geben die Afrikaner ihrem Gott, z.B. „Leopard mit dem langen Schweif, jagt man ihn, so flüchtet er nicht, er verschanzt sich im Buschwerk.“

Auch Axt-Träger wird er genannt, und Ältester des Dorfes, lauter Bilder für unbestrittene Autorität. Neben der Autorität steht die Nähe, die Gegenwart. Gott ist „Wind, der keinen Ort ausspart, Wind, der die Berge erfüllt, der Wälder und Dörfer erfüllt.“ Und er ist „Sohn des Augenlichtes“, der alles sieht und alles weiß. „Tür, die von beiden Seiten sieht“,

„Korb mit unzähligen Augen, die nach innen und nach außen schauen.“

Gott ist sogar das Wasser, vor dem man beim Baden seine Nacktheit nicht verbergen kann.

Gleichzeitig ist er diskret: „Die Sonne sieht, aber bringt nichts an die Öffentlichkeit.“

Und auch für die irritierenden Erfahrungen mit Gott gibt es Worte:

„Gott, Schwindler. Du erschufst, was du vermochtest. Den Rest hast Du verkorkst.“

„Gott ohne Unterscheidung, der die Männer tötet, der die Frauen tötet, der selbst die kleinen Kinder tötet.“

Und schließlich haben auch die Sehnsucht und die Hoffnung ihre Bilder:

„Im Himmel ist die Wohnung, das Zuhause. Hier auf Erden sind wir nur zusammengekauert Hockende. Hier auf Erden tun die Köpfe nur so, als begleiteten sie die Hälse. Der wahre Aufenthalt ist bei Gott.“

Afrikaner haben andere Bilder für Gott als wir Europäer. Auch sie versuchen, sein Geheimnis zu fassen.[1]

 


[1] vgl. zum Ganzen: O.Bimwenyi-Kweshi,, Alle Dinge erzählen von Gott. Grundlegung afrikanischer Theologie. Freiburg 1982

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SWR2 Lied zum Sonntag

Confitemini domino quoniam bonus – „Danket dem Herrn, denn er ist gut“. Mit diesen Worten fängt der Psalm 136 an, im Alten Testament. Ein betender Mensch in Israel vor vielleicht 3000 Jahren zählt hier auf, was Gott alles für ihn und für sein Volk getan hat – angefangen von der Erschaffung der Welt. Dann fügt er jedes Mal an: „Denn Gottes Huld währt ewig“.

In der ökumenischen Brüdergemeinschaft von Taizé in Burgund sind die Anfangsworte des Psalms zu einem Gesang geworden. Es ist eines der vielen einfachen Taizélieder, die von den Brüdern und ihren meist jungen Gästen im Gottesdienst gesungen werden. Damit alle schnell einstimmen können, sind die Gesänge kurz und konzentrieren sich immer auf einen einzigen Gedanken. Wie hier auf den Dank. Einstimmig, mehrstimmig, von verschiedenen Instrumenten begleitet wird der Vers immer wieder gesungen und so meditiert. „Confitemini domino“ – „Danket dem Herrn, denn er ist gut“ – dies wieder und wieder singen, bedenken, verinnerlichen, dazu lädt das Lied ein.

Einspielen: 1’20-1’47

Was geschieht, wenn ich danke? Wird dann mein Leben besser? Manche Menschen finden wenig zu danken, weil sie vor allem Schweres und Schlimmes erleben. Trotzdem kann es helfen, sich zu fragen: Wo kann ich dankbar sein? Was ist gut, was ist schön in meinem Leben? Es verändert den Blick. Es macht aufmerksam. „Confitemini domino quoniam bonus“ vielleicht lässt sich dieser Vers ja auch tastend singen, als Versuch, für das Leben dankbarer zu werden, als Versuch, Gutes für möglich zu halten, als Versuch, in Vertrauen hineinzuwachsen auf einen guten Gott.

Einspielen: 2’12-2’40

Der Gründer der Gemeinschaft von Taizé Frère Roger Schutz ist vor 10 Jahren mitten im Gebet getötet worden. Beim Trauergottesdienst für ihn haben die Brüder und viele Menschen aus nah und fern immer wieder das Confitemini Domino gesungen, den Sarg auch mit diesem Gesang aus der Kirche getragen. Sie haben gedankt und vertraut sogar in diesem Moment, gedankt für den verstorbenen Menschen und sein Leben, vertraut auf den guten Gott auch für die Zukunft.

Für mich ist dieser Gesang ein Glaubensbekenntnis. Da brauche ich nicht viele Worte, sondern bekenne nur das Eine: Gott ist gut. Das ist genug Glaube für ein ganzes Leben.

 

CD: Alleluia. Taizé
Musique: J. Berthier.
Ateliers et Presses de Taizé 1987/1988 Distribution: Auvidis T553

 

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SWR1 3vor8

„Das Kreuz ist das Kürzel für das menschliche Gesicht. Tritt vor den Spiegel, betrachte dein Angesicht. Du wirst sehen, es ist ein Kreuz darin markiert, wo auch immer.“ Diese Sätze stammen von dem österreichischen Maler Arnulf Rainer. Er ist 1929 geboren und hat sein Leben lang Kreuze gemalt. Offenbar fasziniert vom menschlichen Gesicht und dem Symbol des Kreuzes. Das besondere bei ihm ist, daß er seine Kreuze wieder und wieder übermalt hat, immer wieder hat er neue Farben auf die alten Farbschichten aufgetragen, oft mit bloßen Händen und über viele Jahre hinweg. Da tut er als Künstler etwas, das viele Menschen in ihrem Glauben immer wieder erleben. Auch für mich hat sich das Bild des Kreuzes im Lauf des Lebens verändert. Es ist und bleibt für mich vor allem das Kreuz, an dem Jesus gestorben ist. Und es sieht für mich immer wieder anders aus. Da ist Jesus als der, der lieber leidet und stirbt, als selber Gewalt anzuwenden. Da ist er der Mensch, der für alle steht, der das furchtbare Geheimnis verkörpert, daß wir Menschen leiden. Da breitet er am Kreuz die Arme aus, und zeigt so, daß Gottes Arme geöffnet sind für jeden Menschen.

Für Arnulf Rainer ist das Kreuz wie ein Stenogramm des menschlichen Gesichts. Kürzel des Gesichts nennt er es. Ich verstehe das zunächst optisch: Stirn, Mund, beide Augen. Wenn man diese Punkte verbindet, entsteht ein Kreuz. Aber das Kreuz ist auch existenziell mit dem menschlichen Leben verbunden. Es ist da im Leben jedes Menschen, als Ort unserer Leiden. Heute ist Karfreitag, da geht mein Blick unweigerlich auch auf die Kreuze von uns Menschen, die vielfach noch schwerer sein mögen als das Kreuz Jesu. In Arnulf Rainers Kreuzen kommen immer wieder auch helle, kräftige Farben vor: gelb, rot grün. Hier wird das Kreuz auch Symbol neuen Lebens, das den Tod nicht auslöscht, und doch stärker ist als der Tod. Arnulf Rainers Kreuze machen mir Mut, mich nicht auf Eines festzulegen.

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SWR2 Wort zum Tag

Zur Anteilnahme kommen nun neue Gefühle hinzu – Ratlosigkeit und Fassungslosigkeit. Dass ein Mensch, der nicht mehr leben will oder nicht mehr leben kann, andere mit in den Tod reißt, die doch noch leben wollen, das ist unvorstellbar erschreckend. Es kann für die Familien der Getöteten den Schmerz noch verschlimmern, für viele sicher auch den Zorn. Und auch der Copilot hat Angehörige, die trauern und jetzt vor quälenden Fragen stehen.

Noch etwas anderes geht mir durch den Kopf. Offenbar sind die Sicherheitssysteme im Cockpit zur tödlichen Falle geworden. Nach den Anschlägen vom 9. September sind die Cockpits in hohem Maß gesichert worden, damit niemand von außen eindringen kann. So konnte auch jetzt der Pilot nicht wieder hinein und den Kollegen von seinem Vorhaben abhalten. Und auch die regelmäßigen Gesundheitschecks für die Piloten konnten das Unglück nicht verhindern. Was sich im Cockpit ereignet hat, war nicht vorhersehbar.

Mich erschreckt es, so brutal damit konfrontiert zu werden, dass es keine Sicherheit gibt. Natürlich erstreben wir sie trotzdem, aber weder sorgfältige Personalauswahl, regelmäßige Checkups noch Technik können hundertprozentig sein. Mit all dem sind wir in diesen Tagen an eine Grenze gestoßen. Er trifft unsere Realität, der Satz „Mitten im Leben sind wir vom Tod umfangen“. Diese Realität kann auch kein Glaube und kein Gottvertrauen aus dem Weg räumen. Auch Jesus aus Nazareth hat auf eine Welt ohne Leid und Schuld gehofft, sich dafür eingesetzt und sie sogar erwartet. Erlebt hat er etwas anderes. Er selbst hat gelitten und ist getötet worden. Die Bibel sieht in ihm Gott nahe bei den leidenden Menschen. Im Vertrauen darauf finden immer wieder Menschen in großem Leid einen Halt. Aus diesem Vertrauen spricht auch der Salzburger Theologe Gottfried Bachl Gott an. Er hat dieses Gebet aufgeschrieben:

Im Tunnel

der Trauer

greifen wir nach dir,

und die Hände

sind zu kurz,

um dein Herz zu fassen,

das rund um uns

schlägt.                          

 

(Gottfried Bachl, Mailuft und Eisgang, Innsbruck 1998, 47)  

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