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Anstöße SWR1 RP / Morgengedanken SWR4 RP
Opa sein ist etwas Schönes, manchmal aber auch ganz schön stressig. So tauchen Ängste wieder auf, die mich seit 30 Jahren nicht mehr geplagt haben. Wenn nämlich der Enkel, der doch gerade noch neben mir stand, wie vom Erdboden verschluckt ist.
Dann steigt der Puls schlagartig. Denn die Welt ist für besorgte Eltern und Großeltern zunächst einmal böse und gefährlich, auch in der Fußgängerzone und auf dem Spielplatz. Ich werde Zeit meines Lebens den Schrecken nicht vergessen, als im Urlaub im fremden Land, weit weg von zu Hause unsere kleine Tochter auf dem belebten Markt plötzlich weg war. Was folgte, waren die längsten 5 Minuten meines Lebens, Horror pur. Am Ende war alles ganz harmlos. Sie hatte einem Straßenkünstler zugeschaut, unser Rufen nicht gehört, unser Suchen nicht bemerkt. Mach so was nie wieder! Grenzenlose Erleichterung mischen sich da mit Ärger über das Kind, liebevolle Umarmung mit dem Gedanken an eine Strafpredigt. Diese Geschichte ist schon viele Jahre her, aber seitdem ist eine kurze Begebenheit in der Bibel für mich viel lebendiger geworden. Da wird erzählt, dass der 12-jährige Jesus mit seinen Eltern zum Passahfest nach Jerusalem gereist ist. An diesem hohen Feiertag wimmelte es da vor Menschen, da war buchstäblich die Hölle los. Und in diesem Trubel geht Jesus verloren. Drei Tage suchen die Eltern ihn, das kann man sich gar nicht vorstellen. Mir haben fünf Minuten schon fast den Herzinfarkt beschert. Sie finden ihn im Tempel, wo er den Gelehrten zuhört und mit ihnen redet. Und er kann nicht verstehen, was die Eltern für einen Aufruhr veranstalten. Mach das nie wieder! „Wusstet ihr denn nicht, dass ich hierhin gehöre“ antwortet er ihnen. Klar, der Sinn der Geschichte liegt nicht darin, etwas über gestresste Eltern und ungehorsame Kinder zu sagen. Es geht um die wahre Bestimmung dieses Jesus, der Gott seinen Vater nennt. Für mich ist es aber trotzdem auch eine ganz menschliche Geschichte, die von Loslassen und Trennungsschmerz erzählt, von Kindern, die eigene Wege gehen und Eltern, die das manchmal gar nicht verstehen können. Leben pur eben. Es ist gut, dass wir unsere Kinder beschützen. Aber sie gehören uns nicht, auch wenn diese Erkenntnis für uns Eltern und Großeltern ganz schön stressig sein kann.
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„Auf – es klappt schon, du schaffst das.“ Ich stehe 100 Meter unterhalb der Gipfelstation des Pic du Midi. Das ist ein Berg in den französischen Pyrenäen. Ich kann nicht mehr. Die Beine sind schwer, die Luft ist knapp. Am liebsten würde ich umdrehen. Da ruft mir von oben eine wildfremde Frau zu: Komm, das schaffst du. Auf geht’s. Und ich gehe los und komme oben an. Ich weiß bis heute nicht, ob ich ohne diesen Ansporn weiter gegangen wäre. Hochgezogen oder getragen hat mich ja keiner. Ich musste den Weg alleine schaffen. Und es hat dann ja auch geklappt. Weil mir von oben jemand Mut gemacht hat: Komm schon, es klappt. Ich hab‘s ja auch geschafft. An dieses Erlebnis muss ich manchmal denken, wenn ich über meine Lebenssituation nachdenke. Ich bin jetzt 68 Jahre alt, im übertragenen Sinne „oben“ angekommen, hab das Arbeitsleben geschafft. Meine Kinder und meine Enkel haben noch so viel vor sich und ich ertappe mich bei den Gedanken: was mag da alles noch auf sie zukommen? Wie steinig und steil wird der Weg sein, den sie noch zu gehen haben? Ganz ehrlich: wird’s mir schon manchmal anders, wenn ich so auf das Weltgeschehen blicke. Meine Eltern und Großeltern lebten nach der Devise: unsere Kinder sollen es mal besser haben und ich als ein Vertreter der Baby-Boomer-Generation habe davon profitiert. Und was tun wir als Gesellschaft? Wir Alten lasten den Jungen immer mehr auf. Ich habe da auch keine Lösung und ich möchte auch den Rentnerinnen und Rentnern, zu denen ich ja auch gehöre, kein schlechtes Gewissen machen. Aber ich habe beschlossen, mich in meiner kleinen Welt nicht zum Pessimisten zu entwickeln nach dem Motto: unsere Kinder werden es mal schlechter haben. „Kommt, ihr schafft das!“ Für meine Kinder und Enkel ist mir kein Lob und keine Minute Zeit zu viel. Und ich verlange von unserer Gesellschaft, dass für unsere Kinder mindestens genau so viel getan wird wie für den Aufbau der Bundeswehr. Meine Gipfeltour damals am Berg hatte übrigens ein seltsames Ende. „Willkommen. lieber Wanderer“, stand da auf einem Schild an einer verschlossenen Tür. „Der Eintritt zur Gipfelstation beträgt 25€“. Erst wollten wir uns ärgern, dann haben wir gelacht. Man darf sich einfach nicht entmutigen lassen.
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„Wenn man dir von klein an eintrichtert: du musst kämpfen, du darfst niemals aufgeben, dann ist es unglaublich schwer um Hilfe zu bitten, wenn es irgendwann alleine nicht mehr geht.“ Das sagt Jan Ullrich. Der war mal Radprofi, hat 1997 die Tour de France gewonnen. Und war in einen Dopingskandal verwickelt. Auch dadurch fiel er nach dem Ende seiner Karriere in ein tiefes Loch, bekam Depressionen. Sich da alleine raus zu kämpfen, ging nicht. Aber es habe lange gedauert, das einzusehen. Ja, denke ich, als ich das lese, das kenne ich auch: immer alles alleine hinkriegen wollen. Niemanden nach dem Weg fragen, wenn man sich verlaufen hat. Den Schrank aufbauen, obwohl ich die Bauanleitung nur halb verstehe, den Arztbesuch solange aufschieben, bis ich buchstäblich auf allen vieren in die Praxis kriechen muss. Mann –mit zwei „n“ geschrieben- schafft das schließlich alleine. Oder eben doch nicht. Die Bibel erzählt eine Geschichte, in der ein Mann anders handelt und laut um Hilfe schreit. Bartimäus heißt er. Er ist blind und bettelt am Straßenrand. Auf dieser Straße ist Jesus unterwegs, „mit einer großen Menschenmenge“, so erzählt es die Bibel. Ich habe diese Geschichte mal in einer Gruppe in verschiedenen Szenarien nachspielen lassen. In einer Version war Bartimäus ein verbitterter Mann, der von keinem Hilfe wollte mit dem Ergebnis, dass er ein paar Tage später im Straßengraben verhungert. In einer anderen wird er von den Begleitern Jesu abgewiesen. Er resigniert und bleibt allein zurück. Das Original sieht anders aus: Bartimäus ruft laut um Hilfe. Und als man ihm befiehlt den Mund zu halten ruft er noch lauter: „Hab Erbarmen mit mir!“ Das ist ja noch eine Stufe mehr als um Hilfe zu rufen. Es signalisiert: hier geht es wirklich ums Eingemachte. Und sein Mut und seine Hartnäckigkeit werden belohnt. Er kann wieder sehen und das Leben kann weiter gehen. In der Gruppe haben wir darüber gesprochen, ob man so eine Wundergeschichte auf das alltägliche Leben übertragen kann. „Jein“, kam dabei heraus. Naiver Wunderglaube ist fehl am Platz. Aber den Mut zu finden, um Hilfe zu bitten wenn‘s nötig ist und dafür auch mal lauter zu werden, wenn man beim ersten Mal nicht gehört wird, das kann man schon. Und darüber hinaus in schweren Lebenssituationen auch einmal Gott um Erbarmen zu bitten in einem kurzen Gebet, das ist einen Versuch wert.
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Das Glück sitzt im Kopf. Neurologen messen beim echten, herzhaften Lachen eine verstärkte elektrische Aktivität bestimmter Hirnregionen. Glück – das wunderbarste aller Gefühle suchen Biochemiker in engen Nervenspalten, Molekularbiologen untersuchen Chromosomen, um die Glücksgene zu fangen. Aber so richtig zu packen bekommen hat noch keiner das Glück. Man kann es sich borgen durch alle möglichen Drogen. Aber jeder weiß: das Erwachen daraus ist sehr, sehr traurig. Die Chemie hat den Neurotransmitter Serotonin als wichtigen Glücksboten ausgemacht. Je mehr Serotonin, desto glücklicher fühlt sich der Mensch. Im Alter wird weniger davon produziert. Ob deshalb ältere Menschen tendenziell unglücklicher sind? Seltsam – geborenen Frohnaturen scheint das überhaupt nichts auszumachen. Da muss wohl noch viel mehr dazu gehören, als das, was mit den Händen zu greifen oder mit dem Mikroskop zu sehen ist. Der indische Jesuitenpater und Autor Anthony de Mello sagt sogar, es gehöre nichts dazu sondern eher etwas weg, um glücklich zu sein. „Warum sind Sie nicht genau jetzt glücklich“, fragt er. „Weil sie sich auf etwas konzentrieren, was sie nicht haben. Doch genau jetzt haben sie alles, was sie brauchen, um glücklich zu sein. Sie brauchen nichts zusätzliches, im Gegenteil: Sie müssen etwas verlieren.“ Mich nicht mehr von so viel abhängig zu machen. Aus meinen Gedankenmustern und Verhaltensweisen auszubrechen. Und meine Vorurteile und Klischees zu hinterfragen.. „Wach werden“ nennt er diesen Vorgang, „wach werden und das Licht sehen, das wir für uns selbst und für die anderen sind, und zu erkennen, dass wir besser sind, als wir meinen.“ Ob’s stimmt oder nicht, man muss es wohl ausprobieren. Aber es ist schon ein Glück, das mir das endlich mal jemand sagt.
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„Nur noch Katastrophen auf der Welt, überall Bekloppte an der Regierung, der große Blackout droht, und wenn die russischen Hacker auf den richtigen Knopf drücken, fährt bei uns jedes Auto an die Wand. Wart nur ab, die Menschheit ist dabei, sich selbst abzuschaffen. Und da soll man nicht frustriert sein und aggressiv werden? Ich krieg echt die Krise“. Das sagt mein Gegenüber. Ja, sie hat uns voll im Griff, die Krise. Deshalb lohnt es sich auch, einmal genauer hin zu schauen, was das Wort denn eigentlich bedeutet. „Krise“, sagt mein Lexikon, kommt aus dem Griechischen und bedeutet: trennen, scheiden, unterscheiden. Der Duden sagt: „Krise“ bezeichnet „(Ent-)Scheidung“, eine „entscheidende Wendung“. Und das in einer Zeit, die den Höhe- und Wendepunkt einer gefährlichen Entwicklung darstellt. Die Krise ist die Zeit und Gelegenheit, Entscheidungen zu treffen, dem Ganzen eine „entscheidende Wendung“ zu geben. „Die bevorstehende Bundestagswahl ist eine Gelegenheit für viele zu unterscheiden: Zwischen Hetze und Menschenverachtung einerseits, die nur in neue Krisen führen und keine Lösungen sind. Und einer Entscheidung für mehr Gerechtigkeit und die Achtung der Menschenwürde andererseits. Es lohnt sich zu unterscheiden. Man muss nicht vor der „Krise“ die „Krise“ kriegen. Man muss nur rechtzeitig die erforderliche Wende vollziehen. „Alles hat seine Zeit“, lautet eine der bekanntesten Stellen in der Bibel. Es gibt „eine Zeit zum Pflanzen und eine Zeit zum Ernten, eine Zeit zum Weinen und eine Zeit zum Lachen.“ Wichtig ist es, diese Zeiten zu erkennen und dann die richtige „Krise“, die Wende zu vollziehen. Und wer dabei noch einen Satz Jesu im Ohr hat und darauf vertrauen kann, der hat es vielleicht dabei etwas einfacher: „Ich bin bei euch alle Tage bis an das Ende der Welt“. Deshalb: nur keine „Krise“ kriegen!
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„Was glauben Sie, was ich hier alles zu hören bekomme“. Die Frau hinter der Ladentheke zuckt mit den Schultern. Vorher hatte sich eine Kundin beschwert, dass die Post auch immer teurer werden würde. Dabei hätte sie noch alte Briefmarken zu Hause. Den Einwand, die könne man ja noch benutzen, es gäbe ja Marken um den fehlenden Betrag zu ergänzen, den lässt sie nicht gelten. „Die wollte nur Dampf ablassen“, bemerke ich, als ich an der Reihe bin. „Ja, so ist das“ sagt die Angestellte der Postagentur. „Die Leute sind voller Frust und oft auch voller Hass auf alles in der Welt.“ Und ich frage mich, was da passiert ist, dass Menschen so werden. „Weil alles Mist ist“, antwortet mir ein Bekannter, als ich ihm davon erzähle. Na, vielen Dank, wenn das die Erkenntnis eines Erwachsenenlebens ist. Wohlgemerkt von einem Menschen aus Deutschland, der - in seinem Fall - immer genug Geld zur Verfügung hat, nie gehungert hat und einen Arzt findet, wenn er einen braucht. Das sage ich ihm auch so. Und ich denke daran, nach welchem Motto meine Eltern und Großeltern gehandelt haben. Nach dem Satz: Unsere Kinder sollen es mal besser haben. Die gehörten zu Kriegsgenerationen und wussten, was Entbehrung bedeutet. Und wir? Wir sind diese Kindergeneration und uns geht es auf jeden Fall besser. Klar, jeder hat seine ganz eigenen Sorgen und Ängste. Und die Probleme und Gefahren auf dieser Welt sind heute andere als damals. Aber deshalb fauche ich keine Angestellte einer Postagentur an. In meiner Tageszeitung habe ich einen Sinnspruch gefunden, den ich gerne allen mitgeben möchte, die voll Frust, Angst oder sogar Hass sind. Er stammt vom ehemaligen Berliner Bischof Alfred Bengsch und lautet: „Wir wissen nicht, was das Jahr bringt. Aber wir wissen, dass es jeden Tag eine Gelegenheit bietet, Gutes zu tun.“ Ich finde, das ist eine echte Alternative zum Dampf ablassen.
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„Hier sieht es ja aus wie im Hürtgenwald“. Das war so ein Ausdruck bei uns daheim, wenn mal wieder Unordnung und Chaos im Kinderzimmer herrschte. Das echte Chaos im echten Hürtgenwald begann heute vor 80 Jahren am 2. November 1944. In der so genannten Allerseelenschlacht versuchten amerikanische Truppen durch den dichten Wald südlich von Aachen in Nordrhein-Westfalen in Richtung Rhein vorzudringen. Eine fatale Fehlentscheidung der amerikanischen Generäle. Zu unwegsam war das Gelände und viel zu dicht der Wald. Am Ende waren 24.000 Amerikaner und Deutsche tot und noch viel mehr verwundet an Leib und Seele. Bis heute, 80 Jahre später, ist es gefährlich in diesem Wald abseits der Wege zu spazieren. Denn immer noch liegen Munition und Minen herum, die noch nicht entdeckt sind. Der Geburtsort meines Vaters am Rand des Hürtgenwaldes ist damals komplett zerstört worden. Und der Zufall wollte es, dass zwei meiner Onkels als junge deutsche Soldaten irgendwo dort im Schützengraben auf andere junge Männer schießen mussten. Beide haben zum Glück überlebt. Onkel Franz und Onkel Willi habe ich als sanfte, ruhige Männer kennen gelernt, die keiner Fliege etwas zuleide tun konnten. Im Krieg damals mussten sie durch die Hölle gehen. Vielleicht denken Sie ja jetzt: Warum erzählt der uns das heute Morgen? Kann man diese ganzen Kriegsthemen nicht einfach mal ruhen lassen? Nein, das kann man nicht. Denn Menschen sind fürchterlich vergesslich. Deshalb muss man erinnern, was Kriege anrichten. Die aktuellen Kriege und Auseinandersetzungen zeigen das nur zu deutlich. Mir macht das Angst. Und ich bin ratlos, welche Politik heute die richtige sein könnte. Kluge und besonnene Menschen sind da gefragt. Denn: Fehler in Politik und Gesellschaft, die zu Kriegen führen, die dürfen sich nicht wiederholen. Das sind wir den Millionen Toten der Kriege schuldig, und mehr noch uns, den Lebenden. Denn uns allen sollte so ein Schicksal erspart bleiben.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=40947SWR1 Anstöße sonn- und feiertags
Ich stehe mit meinen Kindern, damals sieben und drei Jahre alt, auf dem Friedhof, am Grab von Tante Lisbeth.
„Die ist jetzt kaputt“, sagt der Sohn zu seiner kleinen Schwester.
„Also bitte, das kann man aber auch anders sagen,“ weise ich ihn zurecht.
„Aber Papa, das versteht die doch nicht, wenn ich sage:’gestorben’. Außerdem ist die Tante jetzt im Himmel, das stört die nicht.“
Ich bin platt, mir fällt nichts mehr ein. Dafür aber meinem Sohn.
„Was ist denn jetzt eigentlich im Himmel? Liegt da unten im Grab nichts drin.?“
„Doch, der Körper liegt da drin. Im Himmel ist die Seele.“
„Und wo ist die, ich meine bei mir?“
„Na, in dir drin.“
„Ach so, liegt da im Grab nur noch die Haut?“
„Nein, nein, da liegt schon der ganze Körper drin.“
„ Ja, was ist denn jetzt die Seele?“
„ Na ja, das bist halt du, was du denkst, was du fühlst........“
„Ach so?!?!?!?! Okay, jetzt weiß ich: Im Himmel ist der Kopf.“
„Nein, Kinder, also so ist das.....“
„Im Himmel ist der Kopf! „ kräht die Dreijährige unter mir.
„Nein, nein, so ist das nicht......ich erklär` euch das ein andermal.“
Wir machen uns auf den Heimweg.
Da kommen uns drei ältere Damen entgegen.
„Im Himmel ist der Kopf“, ruft ihnen die Kleine entgegen.
Einfach weitergehen! Sich ja nichts anmerken lassen!
„Gell, im Himmel ist der Kopf?“, fragt die Tochter, als wir ins Auto steigen.
Ich kapituliere. „Ja, im Himmel ist der Kopf.“ sage ich und habe meine Ruhe.
Meine Kinder sind heute längst erwachsen. Das Grab von Tante Lisbeth ist vor kurzem geräumt worden. Da habe ich mich wieder an die Geschichte erinnert und musste schmunzeln. Ich stelle mir vor, wie jetzt ganz viele Köpfe im Himmel versammelt sind und auf uns herab schauen. Und damit das nicht allzu seltsam aussieht, wird Gott der Allmächtige schon dafür sorgen, dass auch die anderen Körperteile ihren Weg gen Himmel finden. Ja, ich weiß, dass das natürlich ganz ganz anders ist, mit der Seele und dem Leben bei Gott, an das ich glaube. Aber ehrlich: können Sie sich vorstellen, wie das sein wird? Ich nicht. Aber vielleicht erklären mir das meine Enkel demnächst auf ihre ganz eigene Weise. Ich bin gespannt …
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Ein Besuch auf dem Friedhof ist nicht jedermanns Sache. Es gibt Menschen, die haben damit richtig Probleme. Sie wollen nicht an Sterben und Tod erinnert werden. Ich persönlich gehe gerne auf Friedhöfe. Der bei uns zu Hause ist alt. Er ist fast wie ein Park, mit viel Grün und Bäumen. Es ist ruhig, Vögel zwitschern, manchmal sieht man Eichhörnchen. An vielen Stellen stehen große alte Grabsteine aus vergangenen Jahrhunderten.
Eins fällt allerdings auf: die Begräbniskultur in Deutschland wandelt sich rasant. Man sieht mehr Urnengräber und Urnenwände. Es gibt anonyme Grabfelder. Viele Menschen lassen sich gar nicht mehr auf dem Friedhof sondern in Friedwäldern unter Bäumen beerdigen. Oder wählen eine Seebestattung. Auf den Friedhöfen sieht man deshalb immer mehr freie Flächen. Früher herrschte auf Friedhöfen oft Platzmangel. Heute ist davon keine Rede mehr. Es klingt irgendwie paradox, aber hier und da wird überlegt, wie man den Friedhöfen wieder mehr Leben einhauchen kann. Früher trafen sich die Menschen hier, um ihre verstorbenen Angehörigen zu besuchen, um die Gräber zu pflegen, Blumen zu pflanzen und ausgiebige Schwätzchen zu halten mit den Menschen, die nebenan das Unkraut zupften. Die Zeiten sind vorbei und oft genug gehe ich ganz alleine über die Wege auf unserem schönen alten Friedhof. Dann überlege ich: wie wär es denn mit einer Picknickwiese und einem Kiosk? Ob ein Kinderspielplatz und mehr Bänke denkbar wären? Oder ab und zu ein Konzert auf einer Freifläche mit „Knockin`on heavens door“ oder „Tears in heaven“. Das mag schräg klingen Aber ich fände es schön, wenn unsere Friedhöfe wieder mehr zum Begegnungsort für Lebende werden könnten. Und da ist durchaus Kreativität gefragt. Dann wäre ich kein einsamer Spaziergänger mehr auf dem Friedhof. Und unsere Toten hätten trotzdem oder gerade deshalb eine würdige letzte Ruhestätte.
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Wir hatten Glück gehabt bei unserem Kurzurlaub am Bodensee über Pfingsten. Bevor der große Regen und das Hochwasser kamen. Ein Programmpunkt: Besuch des Museums in Konstanz. Sonderausstellung berühmter alter Handschriften aus den Werkstätten der Klosterinsel Reichenau. Zugegeben, etwas speziell, deshalb ging meine Frau in der Zeit auch lieber shoppen. Ich jedenfalls schaute mir uralte Bücher an. Unter anderem ein Buch, über 1000 Jahre alt, mit Texten aus der Bibel und berühmt wegen seiner vielen tollen Bilder aus dem Leben Jesu. Eines der Bilder zeigt ein kleines Boot, es erinnert wirklich an die sprichwörtliche Nussschale. Darin sitzen die Jünger Jesu. Die Wellen schlagen hoch. Die Lage ist verzweifelt. Doch Jesus geht übers Wasser, greift den Petrus an der Hand und rettet die gesamte Mannschaft. Ein Wunder. Und jeder weiß: alles ist gut! Wenn man nur seine Hand nach dem Herrn ausstreckt. Er wird sie ergreifen, egal wo dir das Wasser steht. Ganz schön naiv, mag man da heute denken. Und das ist ja auch so. Was mögen die Leute sagen, denen aktuell wirklich die Brühe im Haus steht und die nicht wissen, wie es weiter gehen soll. Da hilft keine Wundergeschichte aus der Bibel. Da muss man erbarmungslos selbst anpacken, ist auf die konkrete Hilfe von Feuerwehr, THW und die Solidarität der Nachbarn und Freunde angewiesen. Und oft genug wirken die ja auch kleine Wunder, mitten im stürmischen Alltag. Was das Bild aus der Bibel betrifft: vielleicht kann es trotzdem eine Hilfe sein. Ich stelle mir das so vor: die Freunde Jesu damals waren verzweifelt und fühlten sich allein gelassen. Ohne ihren Anführer, Jesus, der nicht mehr bei ihnen war. Und dann hören sie irgendwie tief in ihrem Innern seine Stimme. „Habt ihr noch immer keinen Glauben? Ich bin doch trotzdem bei euch.“ Und mit neuer Kraft greifen sie in die Ruder und erreichen das rettende Ufer. Ich finde, das hat etwas sehr Tröstliches. Ich glaube jedenfalls, dass Gott seine Hand nach mir ausstreckt, so wie Jesus auf dem Bild aus der alten Handschrift. Und mit diesem Gedanken fällt mir –um im Bild zu bleiben- das alltägliche mühsame Rudern etwas leichter.
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