Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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06APR2024
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Es gibt Zeiten, da macht es mir der liebe Gott nicht gerade leicht. Um ehrlich zu sein, ich liege ziemlich oft mit ihm im Clinch. Und ich kenne genug Menschen in meinem Bekannten- und Freundeskreis, die mit ihm nichts  zu tun haben wollen. Sie sagen: “Was ist das für ein Gott, der Menschen schafft, dann aber Pandemien zulässt, der Kinder zur Welt kommen und dann verhungern lässt, der Menschen nicht vor Flucht schützt und dann noch im Mittelmeer ertrinken lässt? Was ist das für ein Gott, der Tyrannen keinen Herzinfarkt schickt?“

Ja, was ist das für ein Gott? Ganz ehrlich: Ich weiß es nicht! Und ich werde einige Fragen an ihn haben, wenn ich ihm denn einmal von Angesicht zu Angesicht begegnen sollte. Was ich weiß: die Bibel ist voller Geschichten von Menschen, denen es genau so ging. Jakob, der Stammvater des Volkes Israel: der kann vor Sorgen nachts nicht schlafen. Das kenn ich gut: wenn nachts das Kopfkino einsetzt und alle Probleme immer größer werden. Die Bibel erzählt es so, dass Jakob mit einem Mann kämpft. Die ganze Nacht. Als es hell wird am Morgen, da will der Mann flüchten, aber Jakob hält ihn fest. “Ich lasse dich nicht los, es sei denn du segnest mich!”. Da will der Mann wissen, mit wem er da gekämpft hat: ”Wie heißt du?”  “Jakob, und wer bist du?”. Und jetzt zeigt sich wieder, dass Gott, um den handelt es sich bei dem Fremden, mindestens zwei Seiten hat. Er nennt Jakob seinen Namen nicht, er bleibt unverfügbar, anonym. Gott segnet ihn, um wieder frei zu kommen. Und dann haut der ihn so auf die Hüfte, dass Jakob den Rest seines Lebens hinken muss. Eine tolle Bildgeschichte, die erzählt, wie Menschen an Gott verzweifeln können.

Was für ein seltsamer Gott! Auf jeden Fall einer, der es den Menschen, die sich auf ihn einlassen, nicht einfach macht. Einer, der sie herausfordert. Immer wieder. Jeden Menschen, mal mehr, mal weniger intensiv. Mal scheint Gott weit weg, manchmal spürt man ihn ganz nah. Nur fertig – das werde ich mit ihm wohl nie werden. Zu rätselhaft, zu umständlich sind mir oft seine Wege. Aber los lassen, das kommt für mich nicht infrage. Und vielleicht hat er mich ja schon längst gesegnet, wie den Jakob. Und ich hab es nur noch nicht so richtig gemerkt.

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