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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

14NOV2025
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Wir müssen mal über Gott reden, sagt ein Freund, und erzählt, dass in seinen  jungen Jahren vor allem der strafende Gott gepredigt wurde. Heute aber, so meint er, höre er allenthalben immer nur vom nahen Gott, vom zugewandten, nichts fordernden Gott.

Der ist immer da und wird möglichst so verkündet, dass es keinem wehtut.

Ja, ich muss meinem Freund recht geben. Das Sperrige im Leben, in der Bibel, im Reden von Gott - das glättet unsere Zunft schon mal ganz gerne und passt es ein in eine gefällige Form. Und so geraten wir in Gefahr, dass freundliche Bilder zum Gottersatz werden.

Ich denke, es ist ja erst mal gut, dass es verschiedene Gottesbilder gibt, und diese Vielfalt kann den Glaubenden davor bewahren, sich auf einen einzigen Entwurf dogmatisch festzulegen.

Fakt ist: Es sind Menschen, die von Gott reden und jedes Gottesbild ist darum menschlich, von Menschen gemacht. Zutreffend von Gott kann nur Gott selbst reden. Wo wir sagen, Gott ist so und so und handelt so und so, müssen wir uns bewusst machen, dass wir uns seiner Wirklichkeit immer nur annähern können.

In biblischen Texten und in Kirchenliedern wird Gott zum Beispiel dargestellt als König (Ps 10,16; 1. Tim.1,17), als Vater (Jes 63,16, Mt. 6,9), als Hirte (Ps 23), als Hebamme (Ps 22,10). Er hat Augen, Ohren (Ps 94) und Hände (Jes. 49,16) . Er erscheint manchmal in einer Wolken- oder Feuersäule (2. Mose 13,21); er ist eifersüchtig (Ex.20,5), es reut ihn schon mal was (Gen 6,6), und er verbirgt sich auch immer wieder.

Berühmte Religionskritiker haben uns gezeigt, dass wir dazu neigen, in den Entwürfen, die wir uns von Gott machen, auch eigene Projektionen und Wünsche einfließen zu lassen. Gott wird dann schnell mal zum Superman, der alles kann, was wir nicht können.

Wozu ich anregen möchte: behutsam sein im Reden über Gott. Gott ist anders und größer als unser Denken und Reden. Nicht so eng wie der Rahmen, in den ihn weichgespülte Bilder pressen.- 

Wo man sich das immer wieder bewusst macht, kann man dann auch

mit Versen von Paul Roth sagen:

 

"Lasst mir meinen Gott,

ihr Schlauköpfe und Studierten.

Zerredet ihn nicht,

macht ihn mir nicht

zum Nebel, zur Formel …" 1)

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1)   Paul Roth: „Wir alle brauchen Gott“ (Würzburg 1975, S. 94-96)

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

13NOV2025
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Sorgsam hat Papst Leo XIV. den Faden seines Vorgängers Franziskus aufgenommen und in seinem ersten Rundschreiben weitergesponnen 1): Es geht ihm um die „Vorliebe“ Gottes für die Armen, wie Jesus von Nazareth sie gelebt hat (21). Nächstenliebe ist nämlich keineswegs nur ein hübsches, sympathisches Accessoire der christlichen Kirchen, sondern bildet den Glutkern unseres Glaubens, so der Papst (15). Daher nimmt er die Getauften in die Pflicht: Durch unsere Liebe müsse jeder Arme erfahren, dass ihm die Zusage Jesu gilt: „Ich habe dir meine Liebe zugewandt“ (Buch der Offenbarung 3,9).

Mit den „Armen“ meint Leo nicht nur die Habenichtse, die bettelnd auf dem Asphalt hocken. Er meint auch die „Armseligen“, wie wir sagen, die „keine Stimme haben und deren Würde man missachtet“ (76). Jene, die man gar nicht wahrnimmt und die ihre Armut ausleiden in kalten Kammern der Einsamkeit. Arme Alte etwa mit mickrigen Renten. Alleinerziehende Frauen in der Sorge um ihre Kinder und ein ausreichendes Einkommen. Verwahrloste junge Menschen ohne Perspektive. Es gibt so viel verschämte Armut, manchmal schon gegenüber der eigenen Wohnungstür.

Auch der jetzige Papst fordert wie sein Vorgänger, „weiterhin die Diktatur einer Wirtschaft, die tötet, anzuprangern“ (92) und die Güter neu zu verteilen. Das gilt auch für uns, wo 10 % der Reichsten im Lande über 60 % des Volksvermögens verfügen. Kein Wunder, dass die Armut steigt und nun 13 Millionen Menschen von Armut betroffen oder bedroht sind.2)

Und nun gerät auch noch der Sozialstaat aus den Fugen, weil wir 5 % der Wirtschaftskraft in Rüstung verpulvern. Die bezahlen vor allem die Arbeitenden und die Armen über rigorose Einsparungen. Für die Kapitalanleger hingegen waren Rüstung und Krieg schon immer ein Geschäftsmodell. Die Aktienkurse der Rüstungskonzerne schießen durch die Decke!

Da ist sozialer Unfriede vorprogrammiert. Die steigende Arbeitslosigkeit wird die Spaltung noch vertiefen. Daher möchte ich der Politik die Mahnung des Papstes in die Parteibücher schreiben: Wir müssen alles dran setzen, „die strukturellen Ursachen der Armut zu beseitigen“ (97).  

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1) Papst Leo XIV.: „Dilexi te“ – Über die Liebe zu den Armen (Rom 2025)
2) Der Paritätische Armutsbericht 2025

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

12NOV2025
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Menschen, oft im mittleren Lebensalter, fragen sich das manchmal. Und bringen mit dieser Frage auch ihre Vorerfahrungen mit, ihre Erinnerungen an schmerzliche Ablehnung oder liebevollen Zuspruch. Niemand kommt auf die Welt und fasst den Entschluss, ich will Dieb oder Serienkiller werden, Superman oder Supergirl. Diese Extreme sind es auch nicht, die den Alltag der meisten Menschen prägen.

In einem Satz des österreichisch-ungarischen Schriftstellers Ödön von Horváth heißt es: „Ich bin eigentlich ganz anders, aber ich komme so selten dazu“. Humorvoll augenzwinkernd wird hier die Diskrepanz beschrieben zwischen dem, was jemand gerne sein würde, und der Realität.

Was hindert mich daran, das Potential meines besseren Ichs auszuschöpfen?

Im Grunde kennt das jeder: Der Alltag lässt zu wenig Freiraum, die Zeit ist nie ausreichend, irgendwie sind auch immer die anderen schuld.

Ich glaube, das stimmt sogar!

Doch die anderen – das sind wir! Sind diejenigen, die - oft unwissend und unbeabsichtigt – dazu beitragen, wie jemand sich selbst wahrnimmt.

Wer überwiegend Ablehnung und Verachtung erfährt, wird es vermutlich schwer haben, aus sich einen freundlichen Zeitgenossen zu machen. Wer hingegen viel Güte erfahren hat auf seinem Lebensweg, der tut sich mit dem Gutsein gewiss leichter.

Wir alle sind die anderen, sagte ich. Wir sind auch diejenigen, die verändern können. Ich kann heute einem Menschen mal ein gutes Bild von sich selber schenken. Ich kann ihm spiegeln, dass er etwas gut gemacht hat oder dass es einfach gut ist, dass er da ist.

Wer einmal erlebt hat, wie ein Gesicht, ja ein ganzer Mensch aufblühen kann, wenn man ihm einen wertschätzenden Satz schenkt, der sein Selbstbild aufhellt, der wird weniger geizig sein wollen mit guten Worten – gleich heute.  

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11NOV2025
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Wenn Sie heute Abend auf Kirch- oder Marktplätzen Hufe klappern hören, dann ist gewiss St. Martin unterwegs. Hoch zu Ross hat der römische Soldat aus dem 4. Jahrhundert einst mit dem Schwert seinen Soldatenmantel entzweigehauen und die Hälfte einem frierenden Bettler geschenkt. Nachts im Traum, so berichtet Martins Biograf, sei ihm im Bild dieser Jammergestalt Jesus selbst erschienen. Das hat Martin wohl den letzten Kick gegeben, sich taufen zu lassen und den Militärdienst zu quittieren. „Bis heute hab ich dir gedient, mein Kaiser, nun aber diene ich Gott und den Schwachen. Es ist mir nicht erlaubt, zu kämpfen“. Sagt’s und legt sein Schwert Kaiser Julian zu Füßen. So wird Martin zu einem der ersten christlichen Kriegsdienstverweigerer.

In der frühen Kirche waren Glaube und Kriegsdienst nicht kompatibel. Die Mahnung Jesu: „Liebet eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen“, galt als absolut verbindlich (Matthäus-Evangelium 5,44-45). Eine frühkirchliche Gemeindeordnung aus dem Jahr 200 nach Christus fordert Soldaten sogar auf, nicht zu töten und einen Tötungsbefehl zu verweigern. Andernfalls könnten sie nicht zur Taufe zugelassen werden. 1)

In wenigen Wochen flattert jungen Menschen ein Brief des Verteidigungsministers ins Haus, sich freiwillig zum Wehrdienst zu melden. Kommen trotz verlockender Anreize doch zu wenig, wird die Kür zur Pflicht. Da werden sich viele konfirmierte und gefirmte Christen entscheiden müssen, ob sie einrücken oder den Kriegsdienst verweigern und stattdessen einen Zivildienst leisten. Ihr gutes Recht übrigens, denn laut Grundgesetz darf „niemand gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden“ 2).

 

Eine Gewissensentscheidung also. Ich habe als Jugendpfarrer vor vielen Jahren Hunderte von jungen Wehrpflichtigen beraten und begleitet. Dabei hat mich tief berührt, wie überzeugt sie vor den Prüfungsinstanzen für die jesuanische Gewaltfreiheit eingetreten sind. Und dies, obwohl man sie oft als Feiglinge und Drückeberger schmähte. Die Kirchen dürfen auch heute die Wehrpflichtigen nicht allein lassen. Ich nehme an, dass viele der jungen Gläubigen wie Martin von Tours zur Entscheidung kommen werden: „Ich diene Gott und den Schwachen. Es ist mir nicht erlaubt, zu kämpfen.“

________________

1) „Traditio Apostolica“, zitiert in „Es ist mir nicht erlaubt, zu kämpfen“ - St. Martin: Mantelteiler, Kriegsdienstverweigerer, Friedensstifter“ (hrsg. Von Pax Christi Rottenburg-Stuttgart 2023, Seite 20)
2) Grundgesetz Art. 4, Abs.3

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10NOV2025
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Im Wartezimmer der Augenärztin sehe ich ein altes Paar, das sich liebevoll an den Händen hält. Die beiden strahlen eine herzerwärmende Zärtlichkeit aus. Bei einer Familienfeier treffe ich an der Hotel-Garderobe auf Steffi und Alex, der seiner Frau gerade einen Kuss gibt. Jede langlebige Liebe – in welcher Form auch immer sie sich zeigt – gibt Anlass, sich zu freuen. Es kann nämlich auch ganz anders kommen, schreibt Erich Kästner in seinem Gedicht:

„Als sie einander acht Jahre kannten

(und man darf sagen: sie kannten sich gut)

kam ihre Liebe plötzlich abhanden.

Wie anderen Leuten ein Stock oder Hut.“

Ja - auch alte Liebe kann rosten. Die positiven Gefühle füreinander sind erschöpft, der Alltag hat viel Romantik aufgezehrt. Miteinander zu reden über Ängste, Bedürfnisse und Sehnsüchte hat besonders die Spezies Mann vielleicht nie so richtig gelernt – und es bleibt ja ohnehin immer so wenig Zeit …

Damit Liebe nicht vertrocknet wie eine kaum beachtete Zimmerpflanze, braucht sie regelmäßige Pflege und hin und wieder „Dünger". Dafür gibt es Ratgeber – und man kann durchaus beherzigen, was sie empfehlen.

Ich möchte ergänzen, was ich als Seelsorger immer wieder von älteren Liebenden erfahre: Der gemeinsame Glaube ist es, der ihnen guttut. Er verbindet die beiden wie ein starkes und tragfähiges Band. Man kommt sich innerlich nahe, wenn man zusammen einen Gottesdienst erlebt, gemeinsam einen Abschnitt in der Bibel liest oder miteinander im Gesangbuch blättert, um nach einem Lied zu suchen. In Gebeten und Liedern finden sich die beiden plötzlich in ihrem eigenen Glauben wieder, vor allem, wenn sie sich – und das ist wichtig und wesentlich - darüber austauschen.

Solche Gespräche sind Booster für Intimität. Sie schaffen eine seelische Nähe, die eine Beziehung beleben, ja sogar kleben kann, wenn sich bereits Risse gezeigt haben.

Und wem das zunächst schwierig oder sogar ein wenig peinlich vorkommt, der darf klein anfangen und zum Beispiel einfach mal fragen: Kannst du beten?

Es ist gut, wenn man sich dafür Zeit nimmt, ein wenig für Ruhe sorgt und sich an einem Tisch gegenüber sitzt.

Ich wünsche Ihnen für solche Gespräche ein Happy End!

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23AUG2025
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Ihnen ist heute morgen die Müslischale auf dem Boden zerbrochen? Oder die Bahn kam mal wieder nicht, im Bus nur Stehplätze, der Behördenbrief gestern völlig unverständlich, der Anruf ihrer Schwester alles andere als einfühlsam. Und nun auch das noch: Das Profil der Autorreifen unzureichend, die Hose zwickt, der Heizkörper im Bad bleibt kalt und überhaupt kommt Ihnen grad alles ziemlich bescheuert vor. Von der politischen Großwetterlage ganz zu schweigen …

Was tun? Wohin mit all dem Frust, dem Alltagsärger, den kleinen Missgeschicken und Misserfolgen?

Ich bin gerade mal wieder einem Mann begegnet – allerdings in Buchform -, den seine Zeitgenossen als heftigen und leidenschaftlichen Menschen beschreiben. Aus ärmlichen Verhältnissen hat er sich hochgearbeitet, schreibend, schriftstellerisch.

Von einem Wort Friedrich Hebbels will ich reden, jenem so oft einsamen Dichter.  Zeitweise war der einzige Gesprächspartner, dem er alles anvertraute, sein Tagebuch. „Es soll ein Notenbuch meines Herzens sein", notiert er, „und die Töne meines Herzens wiedergeben."

Allerdings nicht in erster Linie, um dort all das Widerwärtige und Misstönende des Alltags aufzubewahren, sondern – so schreibt er – „zu meiner Erbauung in künftigen Zeiten".

Vielleicht auch ein Stück weit, um sich selbst immer wieder zu ermahnen und zu erinnern: „Klage nicht zu sehr über einen kleinen Schmerz; das Schicksal könnte ihn durch einen größeren heilen!"

Ja, es gibt Missliebiges, fast jeden Tag. Aber wenn wir es nach dem ersten Ärger ins rechte Licht rücken, in die richtige Relation bringen, dann können wir doch in den meisten Fällen sagen: Ich kann es aushalten. Oder: Es geht vorüber! Oder: Mit Geld ist es wiedergutzumachen!

Vielleicht möchten Sie sich diese Selbstermahnung Friedrich Hebbels merken: "Klage nicht zu sehr über einen kleinen Schmerz;

das Schicksal könnte ihn durch einen größeren heilen!"

 

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Quelle: Hebbel, Tagebücher. Nach der historisch-kritischen Ausgabe von R. M. Werner, 4 Bde., 1903-04. 1857

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22AUG2025
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Um endlich ihrem Widersacher auf die Spur zu kommen, installierte eine Angestellte eine versteckte Kamera in ihrem Büro. Irgend ein Schmutzfink beschmiert in ihrer Abwesenheit den Bildschirm mit Obszönitäten und wühlt in ihren Unterlagen. Doch die Foto-Falle wurde vorzeitig entdeckt. Nun wird die Frau aufgrund ihres Fehlverhaltens selber sanktioniert. Der Schuss ging sozusagen nach hinten los.

Mich erschüttert dieser Vorgang. Mobbing am Arbeitsplatz treibt Betroffene so in die Enge, dass sie die Konsequenzen ihres Handelns manchmal nicht mehr überblicken. Wer am Arbeitsplatz von Kollegen oder Vorgesetzten angemacht, schikaniert und gequält wird, ist  - auf sich allein gestellt - mit der Abwehr überfordert. Wir von der  Betriebsseelsorge machen daher diesen Menschen Mut, ihre Scham zu überwinden, sich zu outen und Hilfe zu suchen, bevor sie seelisch noch mehr Schaden nehmen.

Immer wieder mahnen wir die Vorgesetzten: Mobbing ist ein Führungsproblem und schon rein betriebswirtschaftlich katastrophal!. Die Gemobbten sind schwer geschädigt, werden seelisch und körperlich krank und fallen aus. Die Mobber aber sind voll damit ausgelastet, neue Schikanen auszuhecken. Das alles rechnet sich doch nicht! Nur wenn Menschen sich am Arbeitsplatz wohlfühlen, anerkannt und geschätzt sind, geben sie ihr Bestes. Wird ein solches Wohlfühlklima durch Mobbing gestört, geht´s um klare Kante: „Wer mobbt, der fliegt!“

Nicht weniger deutlich erinnern wir Betriebs- und Personalräte an ihre Verantwortung: Ihr seid die gewählten Vertrauensleute: Sorgt dafür, dass es den Menschen am Ort der Arbeit gut geht. Mobbing ist Missbrauch und darf nicht geduldet werden. Auch und gerade jetzt nicht, wo Arbeitsplätze in Gefahr sind. Da rettet nur der Zusammenhalt, die Solidarität.

Denen aber, die andere drangsalieren, möchte ich als Seelsorger ins Gewissen reden: „Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem andern zu“. Das lernt man eigentlich schon im Kindergarten!

Die Bibel wird noch deutlicher: „Wer einen Schwachen bedrückt, schmäht den, der ihn geschaffen hat“, steht im Buch der Sprüche (14,31). Das heißt: Wer einem anderen ins Gesicht schlägt, schlägt Gott ins Gesicht, denn er hat uns ja nach seinem Bild geschaffen.

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21AUG2025
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„Ein Mann, ein Wort, eine Frau ein Wörterbuch", meint mein Nachbar und will sich mit diesem zweifelhaften Sprichwort dafür entschuldigen, dass er lieber schweige als rede. Dass Worte verletzen können, weiß jeder, aber ebenso kränkend kann es sein, wenn einer, wortkarg und einsilbig, sich vor jedem wirklichen Gespräch drückt.

Es lohnt sich, immer wieder darüber nachzudenken, welche Gewalt unseren Worten innewohnt: den Worten, die wir einander sagen und ebenso den Worten, die wir einander vorenthalten.

Ich will mir hier die lyrischen Worte der Dichterin Ina Seidl ausleihen. Sie schreibt:

Im Wort ruht Gewalt

wie im Ei die Gestalt;

wie das Brot im Korn,

wie der Klang im Horn,

wie das Erz im Stein,

(…)  –

wie der Tod im Gift

und im Pfeil, der trifft –

Mensch! Gib du acht,

eh du es sprichst,

dass du am Worte

nicht zerbrichst!

 Für einen solch sorgsamen Umgang mit Worten braucht‘s kein Rhetorikseminar. Man kann auch einen alten Weisheitslehrer befragen, zum Beispiel Jesus Sirach, der 200 Jahre vor Christus eine Art Lehrbuch mit praktischen Ratschlägen verfasst hat. Wenn Sie die Einheitsübersetzung des Alten Testaments aufschlagen, lesen Sie dort:

„Im Wort wird die Weisheit erkannt und Erziehung in dem, was die Zunge spricht“ (Sirach 4,24).

„Deshalb lege deine Worte auf die Goldwaage!“ (Sirach 28,25).

„Ein verständiges Herz erkennt die falschen Worte“. (Sirach 36,21).

Der Weisheitslehrer weiß auch um unsere menschliche Schwäche:  

„Oft entfährt einem ein Wort, das nicht so gemeint war; denn wer hat noch nicht mit der Zunge gesündigt?“ (Sirach 19,16).

Dann aber  mahnt er:

„Halte dein Wort aber auch nicht zurück und verbirg deine Weisheit nicht.“ (Sirach 4,23).

Wie schön wäre es, wir würden heute diese mehr als 2000 Jahre alten Empfehlungen aus dem Buch Sirach in die Gegenwart holen, indem wir sie beherzigen.

Ein letztes Zitat:

„Gilt nicht ein Wort mehr als eine gute Gabe? Ein freundlicher Mensch gibt sie beide“ (Sirach 18,17).

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20AUG2025
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Eine Altersdepression kann jeden erwischen. Vor allem jene älteren Menschen, die in ihrem Leben viel bewirkt, bewegt und nach vorne gebracht haben. Obwohl es ihnen sogar noch gelungen ist, ihr Lebenswerk in jüngere Hände zu übergeben, bricht plötzlich die Nacht über sie herein.

Zugegeben: Auch ich fürchte manchmal den Tag, an dem mir die Arbeit aus den Händen gleitet, weil die Kräfte schwinden. Falle ich dann möglicherweise seelisch in ein tiefes Loch? So wie der Beter in Psalm 71, der inständig zu Gott ruft: „Verwirf mich nicht in meinem Alter, lass mich nicht fallen, Gott, wenn ich schwach und grau werde, lass mich nicht im Stich!“ (9).

Vielleicht sollten alte Menschen in eine neue Rolle hineinfinden. Ich wünsche mir heute zum Beispiel viele „zornige“ Alte, die in Kirche und Gesellschaft ihren Mund auftun. Sie können es sich leisten, unbequem zu werden. Denn sie müssen nicht mehr befürchten, dass sie drangsaliert und benachteiligt werden oder gar ihren Job verlieren. Nun ja – vielleicht belächelt man sie als alte Trottel und Datter-Greise – da muss man durch!

In diesen kriegerischen Zeiten sind es wir, die Alten, die den Krieg oder zumindest seine schrecklichen Folgen noch kennen. Wir sollten am lautesten lamentieren und protestieren, aufstehen gegen den Krieg und für den Frieden. Wer sich als Kind noch an das Geheul der Sirenen und die Nächte im Luftschutz-Keller erinnert, darf das nicht für sich behalten. Aufschreien müssen alle, die im Krieg ihren Vater verloren haben, der völlig sinnlos auf einem Schlachtfeld verblutet ist. Und laut werden sollten erst recht jene, die unter entsetzlichen Qualen aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Mich macht die Kriegslüsternheit dieser Tage rasend, und ich fühle: es ist ein „heiliger“ Zorn.

Der aber muss von der anderen Alterstugend der Bibel durchdrungen sein, von der Alters-Weisheit. Die findet die richtigen Worte, die aufrütteln und nachdenklich machen.

Wenn alte Menschen in eine neue Rolle hineinfinden, bleibt ihnen vielleicht erspart, in Schwermut zu versinken. Mögen sie ein wenig jenen göttlichen Trost erfahren, den Jesaja den Grauhaarigen zuspricht: „Bis in euer Alter will ich euch tragen, bis ihr grau werdet, bin ich bei euch“ (Jesaja 46,4).

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19AUG2025
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Anna kommt aus der Arztpraxis. In der Hand hält sie das Rezept, das der Drucker gerade für sie ausgedruckt hat. Medizinischer Alltag landauf landab. Jeder kennt so ein Rezeptblatt. Doch was die Hausärztin Anna heute verordnet hat, ist ungewöhnlich. Unter der Abkürzung RP – sie steht für das lateinische Wort recipe und bedeutet: „nimm“ – lese ich:

„3 Monate Geduld".

Anna berichtet mir hoch erfreut, dass ihre wunderbare Ärztin ihr gesagt habe, wenn das zur Schmerzlinderung nicht ausreiche, könne sie gerne noch ein Folge-Rezept gleichen Inhalts verordnet bekommen.

Geduld hat man – oder eben auch nicht. Man kann sie nicht auf Knopfdruck erzwingen.

Geduld meint bekanntlich die Fähigkeit, ruhig und gelassen zu bleiben. Dinge so zu akzeptieren, wie sie sind, Schwierigkeiten, Leiden oder lästige Situationen ein Stück weit auszuhalten, ohne in Panik zu geraten. Sie gilt als Tugend, die mit Ausdauer und  Durchhaltevermögen verbunden ist und es ermöglicht, unangenehme Situationen zu meistern und auf Ergebnisse zu warten, ohne sich zu ärgern oder zu verzweifeln.

Was für eine Hilfe, wenn man Geduld nicht machen muss, sondern geschenkt bekommt. Und sei es auch nur symbolisch: Geduld auf Rezept. Das kann helfen,  negative Emotionen wie Angst, Ärger oder Sorge und Schmerz zu reduzieren.

Auch wenn wir nicht Arzt von Beruf sind, können wir einander heilsame Rezepte schenken. Auf denen steht dann beispielsweise – ich zitiere aus einem Brief des Apostels Paulus  –:  Liebe, Freude, Friede, oder auch: Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue. (Galaterbrief 5,22).

Keine Kassenleistungen, aber lauter Dinge, die wir einander geben können. Und die so viel leichter fallen, wenn man sie geschenkt bekommt.

Es sind die Früchte eines guten Miteinanders, eines guten Geistes, wie Paulus sagt. Sie heilen. Und man braucht dafür nicht mal zur Apotheke zu gehen.

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