Alle Beiträge

Die Texte unserer Sendungen in den SWR-Programmen können Sie nachlesen und für private Zwecke nutzen.
Klicken Sie unten die gewünschte Sendung an.

Filter
zurücksetzen

Filter

Datum

SWR1

   

SWR4

  

Autor*in

 

Archiv

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

20APR2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Manchmal sitze ich frühmorgens stumm vor Gott – das Morgenlob bleibt mir im Halse stecken. Die Schreckensnachrichten aus Gaza und der Ukraine haben mir die Sprache verschlagen und treiben mir Tränen in die Augen. Tief in meinem Innern spüre ich, wie in mir die Wut zu rumoren beginnt. Die Wut diesen Verbrechern gegenüber, die Kriege auslösen und Massenmord befehlen. Dann geht es mir wie Schwester Gabriela in Jerusalem. Auch sie könne das, was nur eine Autostunde von ihr entfernt geschieht, „nicht einfach weg- oder schönbeten“, schreibt sie. In den ersten Kriegstagen habe sie nur schweigend unter dem Kreuz Jesu ausgeharrt. 1)

In meiner Sprachlosigkeit greife ich dann doch zum Andachtsbuch, um einen Psalm zu beten. Viele dieser Verse sind ja auch in Kriegszeiten entstanden und künden von Ohnmacht und Verzweiflung. Gott war schon den Frommen von damals ein Rätsel: Hat er uns denn gänzlich vergessen, hadert einer von ihnen, „ist er denn blind?“ (Psalm 94,9)? „Wie lange dürfen die Gottlosen noch lachen?“, klagt ein anderer (Psalm 94,3). Gott, der Gerechte, „hasst doch alle, die Unrecht und Gewalt lieben?“ (Psalm 5,5-6). Wie lange sollen die denn noch die „Oberhand behalten?“, lese ich in Psalm 3. Nun spüre ich: Ich bin nicht allein in meiner Abscheu und in meinem Hass gegen die Kriegstreiber. Ich darf den sogar zulassen. 

Manchmal helfen mir diese Vorbeter dann doch ins Gebet hinein. Einer fleht Gott an:

Erhebe dich endlich! Bestrafe die Bösen und vergiss die Hilflosen nicht! Zerbrich die

Macht dieser Gottlosen, damit sie aufhören!“ (Psalm 10).

Die meisten dieser jüdischen Gebete finden am Ende dann doch wieder zurück ins

Vertrauen zu Gott. „Völker sind in Aufruhr und Königreiche zerfallen“ heißt es in Psalm 46. „Die Erde vergeht, doch der allmächtige Herr bleibt bei uns und ist unser Schutz. Er zerbricht die Kampfbögen der Feinde und spaltet ihre Speere, er verbrennt die Streitwagen im Feuer“ (Psalm 46).

Beten in Kriegszeiten! Wenn Sie mögen und sich ein paar Minuten Zeit nehmen, dann klicken Sie heute mal hinein in den Psalm 46. Mir schenkt er Trost und Zuversicht.

-------------------------------------------------------------------------------------------------

  • „Beten in Zeiten des Krieges“ – in „Publik-Forum“ Nr. 1/2024
https://www.kirche-im-swr.de/?m=39717
weiterlesen...

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

19APR2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Wer von Gott und der Welt verlassen, also Gott los-geworden ist und sich in der Welt nicht recht beheimatet fühlt, den beneide ich nicht. Es lebt sich meines Erachtens schwer mit solchen Leerstellen. Ich beobachte, dass Menschen sich oftmals mit Ersatz begnügen, mit sogenannten Glücksbringern zum Beispiel. 39 Prozent der Frauen und 21 Prozent der Männer in Deutschland bezeichnen sich selbst als abergläubisch. Sie erhoffen sich Gutes von vierblättrigen Kleeblättern, tragen ihr Sternzeichen um den Hals oder führen einen Talisman mit sich.

Dadurch fühlen sie sich beschützt und weniger allein. „Ja, er soll mir Glück bringen", sagte mir eine Schülerin, mit Blick auf den kleinen Teddybär, der sie zu ihren schriftlichen Abiturprüfungen begleiten soll, die am Montag beginnen.  

Meinem eigenen, ziemlich nüchternen Weltbild sind solche Vorstellungen eher fremd. Wenn ich mich bewahrt und behütet fühle, ist kein Schlüsselanhänger daran beteiligt. Und wenn der 13. Tag eines Monats auf einen Freitag fällt, denke ich allenfalls an den Spruch meines alten Lehrers, der uns versicherte, für ihn sei das immer ein Glückstag, weil er einst an einem solchen Tag seine Frau kennengelernt habe. Ich bedaure nur, dass mir ansonsten vom Unterricht nicht mehr viel im Gedächtnis hängen geblieben ist. Bis auf einen anderen Spruch, den ich auch ihm verdanke. Es ist ein Zitat des Dichters Emanuel Geibel – um die Mitte des 19. Jahrhunderts der erfolgreichste Dichter seiner Zeit:

"Glaube, dem die Tür versagt,

steigt als Aberglaub' ins Fenster.

Wenn die Götter ihr verjagt,

kommen die Gespenster."

Es genügt offenbar nicht, die Seelenfenster einfach offen stehen zu lassen, wenn man die Kirchentür endgültig hinter sich zugeschlagen hat. Wahrsager, Gurus und Sterndeuter, die  versprechen, die Zukunft vorauszusagen, können Menschen in Abhängigkeiten bringen und Ängste verstärken. Angeblich sind gerade die Menschen, die sich für besonders aufgeklärt halten, anfällig für Seelenfänger und ihre Heilsversprechen.

Dagegen ist der Teddy in der Abi-Klausur harmlos. Falls er nichts nützt, so schadet er wenigstens nicht. Da bin ich mir ziemlich sicher.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39716
weiterlesen...

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

18APR2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

„Weh denen, die Böses gut und Gutes böse nennen, die aus Finsternis Licht und aus Licht Finsternis machen, die aus sauer süß und aus süß sauer machen!", lese ich im Alten Testament beim Propheten Jesaja (5,20).

Es sind so viel böse Worte im Umlauf. Und damit meine ich als Schwabe nicht in erster Linie den Moschdkobf, dia Beisszang oder an Endaglemmr. Solche Worte haben ja meist noch etwas von der Restwärme des Dialekts an sich. Ich meine die kleinen Worte, die Adjektive, die eine Eigenschaft, ein Attribut bezeichnen. Man schreibt sie normalerweise klein –, aber sie haben große Wirkung: Gute Absichten, Sachverhalte, Tatsachen und Verhaltensweisen lassen sich durch ein einziges böses Beiwort zerstören.

Man kann eine vernünftige Forderung als populistisch abtun und dem, der sie sagt damit unredliche Absichten unterstellen. Man kann das Verhalten einer fürsorglichen Mutter als übergriffig abwerten und einen sprachlich gewandten Redner manipulativ nennen. Man kann dem Papst einen primitiven Pazifismus unterstellen und die Forderung nach Gesprächen statt Geschützen zynisch nennen. Die Beispiele lassen sich fortsetzen.

Jesaja und andere biblische Botschafter warnen davor. „Es gibt Menschen, die ruhen nicht, ehe sie jemanden zu Fall gebracht haben", heißt es da (Sprüche 4,17), und Jesaja meint, wer solche Worte benutzt, „sinnt auf Tücke, um Menschen zu verderben mit falschen Worten". Der Edle, so  schreibt er, „hat edle Gedanken und beharrt bei Edlem" (32,7-8).

Edel ist es, beim Urteilen und Verurteilen sachlich zu bleiben und nicht in die Kiste der Bösartigkeit zu greifen. Schenken Sie den kleinen Worten Ihre Aufmerksamkeit. Achten Sie darauf, wer sie wann und wie benutzt. Und wenn Sie solche selbst verwenden, wählen Sie lieber die edlen, statt solche, die nur verurteilen, vernichten und entwerten.

Hinweise:

David Rivkin and Peter Berkowitz: “The Primitive Pacifism of Pope Francis'  Wall Street Journal, vom 13. Dezember 2023

Franz-Josef Bormann, Jahresbericht 2022/23: Kath. Erwachsenenbildung Diözese Rottenburg-Stuttgart,

  1. V. , Seite 32:

https://taz.de/Boris-Palmer-und-die-Coronakrise/!5682102/

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39715
weiterlesen...

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

17APR2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Es ging um einen Bleistift. Genauer gesagt um einen Hotel-Bleistift, der auf dem Zimmer lag. Diesen Bleistift durften die drei Geschwister im Grundschulalter nach Rückfrage an der Rezeption mit nach Hause nehmen. Es war irgendwie ein ganz besonderer Bleistift, aber er hat den sechs kleinen Kinderhänden nicht lange genug standgehalten, ging kaputt und war die Ursache dicker Tränen, zumal auch noch Grippe im Hause herrschte und alle Kinder krank.

Ersatz war zu beschaffen. Man suchte daraufhin zwar nicht nach einer Stecknadel im Heuhaufen, sondern nach einem Stift im Internet. Da gab es so viele Schreibgeräte wie es Strohhalme gibt auf einem gut gefüllten Heuboden. Nur: Der gesuchte Bleistift war nicht darunter.

Aber fündig wurde man schließlich doch. Nächster Schritt: Kontaktaufnahme mit dem Hotel. Dort hat man in der Direktion und an der Rezeption bekanntlich eine Menge an Problemen und Aufgaben zu bewältigen. Das große Tagungshaus und der anstehende Erweiterungsbau fordern alle Kräfte.

Doch zwei besondere Menschen kümmerten sich dort um einen besonderen Stift. Ob sie wohl geahnt haben, dass es ganz große Kümmernisse gibt, die tief in die Seele einschneiden – und die mit einem Bleistift zu lindern sind? Und so ging ein kleines Paket auf die Reise zu den Kindern.

„Lasset die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht …" - so überliefert der Evangelist Lukas Worte von Jesus (Lukas 18,16).

Wer sich ein wenig auskennt mit den Nöten von Kinderseelen – Großeltern oder auch Kindergärtnerinnen und Hotel-Fachleute zum Beispiel –, der kann sich, ganz jesusähnlich,  seinen Mitmenschen zuwenden und ist dienstbar aus Liebe, einer Liebe, die sich hinunterbeugt auf die Augenhöhe von Kindern.

Ich glaube, wer zu einem solchen Blick fähig ist, der erkennt die Kinderseele auch dann in den Menschen, wenn diese schon ganz groß und erwachsen geworden sind. 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39714
weiterlesen...

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

16APR2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Kriege morden nicht nur Menschen, sie schänden auch die Schöpfung im Übermaß. Im ersten Kriegsjahr in der Ukraine wurden um die 150 Millionen Tonnen Co2 ausgestoßen – so viel wie in ganz Belgien im selben Zeitraum.[1]) Rüstung und Militär sind für sechs Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich. Dabei sind die Kriegsfolgen mit ihren katastrophalen Zerstörungen, verheerenden Bränden oder berstenden Staudämmen gar nicht miteingerechnet. Von den kolossalen Umweltbelastungen des Wiederaufbaus ganz zu schweigen. Kriege zerstören ganze Öko-Systeme – die Lebensgrundlage auch für zukünftige Generationen. Sie machen alle Bemühungen um eine intakte Umwelt zunichte und geben die Klima-Ziele der Lächerlichkeit preis.

Geradezu pervers die Bemühungen der Rüstungsindustrie um mehr Nachhaltigkeit: Kampfjets mit tödlichen Waffen an Bord, aber Bio-Sprit im Tank. Panzer – volles Rohr, aber solarbetrieben, Haubitzen mit Öko-Plakette oder was? Mensch und Schöpfung überleben nur, wenn dieses ganze Teufelszeug vom Erdboden verschwindet.

An dieser Stelle schalte ich eine Vermissten-Anzeige: Wo bleiben sie denn, die Umwelt-Schützer und die Aktivisten der „letzten Generation“? Wann endlich demonstrieren sie vor Kasernen und Truppenübungsplätzen? Wann haken sie sich bei den Friedensbewegten unter und machen mit ihnen gemeinsame Sache? Krieg darf um Gottes, um der Menschen und um der Schöpfung willen einfach nicht sein!

Als Christ bewahre ich mir die biblische Vision und bete darum, dass wir „Schwerter zu Pflugscharen und Spieße zu Sicheln umschmieden“. „Rüstungskonversion“ sozusagen. Davon träumt der Prophet Micha (Micha 4,3) im Alten Testament. Nur so wird am Ende, wie er meint, „ein jeder unter seinem Weinstock und seinem Feigenbaum wohnen können“

Ein Bild des Friedens – für Mensch und Natur.

 

[1]  https://table.media/climate/analyse/russlands-ukraine-krieg-hat-gravierende-klimaauswirkungen/

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39713
weiterlesen...

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

15APR2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Ich höre die alte Geschichte von Kain und Abel. Manchmal ist mir Kain näher als Abel, weil mir die biblische Erzählung aus dem Alten Testament mehr von seinen Gefühlen mitteilt als von jenen seines Bruders Abel. Ihn erschlägt er aus Neid, weil er sich von Gott weniger gesehen fühlt als Abel, den er bevorzugt glaubt.

Menschen sagen mir, es ist so verdammt schwer auszuhalten, dass es andern fortwährend so gut geht und sie – selbst bei Gott – eine Vorzugsstellung inne zu haben scheinen. Ihnen gelingt alles; ihr Leben ist eine Abfolge bereichernder Erlebnisse, glücklicher Begegnungen, schöner Reisen. –

Ja, das gibt es, und es kann einen bitter werden lassen, wenn man selbst nicht auf der Erfolgsspur unterwegs ist. Muss man sich nicht zu allem Übel auch noch von Gott persönlich benachteiligt fühlen wie Kain? Hat ER die Glücklosen unter uns weniger lieb? – Menschen, von denen das Alte Testament berichtet, mag es so vorgekommen sein.

Aber dann blättern wir weiter in der Bibel und schlagen das Neue Testament auf. Fast jede Seite dort erzählt von Jesus, und seine Lieblinge sind eindeutig: „Kommt her zu mir, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken. Ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen“, lese ich im Matthäus-Evangelium (11,28). Unmissverständlich gibt Jesus zu erkennen: „Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken. Ich bin nicht gekommen, Gerechte zu rufen, sondern Sünder“ (Markus-Evangelium 2,17).

Ins Heute übertragen heißt das: Ihr seid eindeutig meine Lieblingsmenschen. Ihr seid mir besonders ans Herz gewachsen. Ich will Eure Belastungen mittragen!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39712
weiterlesen...

Anstöße sonn- und feiertags

14APR2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Ostern hat in den Evangelien ein Nachspiel: Immer wieder, so wird erzählt, taucht der  auferstandene Christus unvermutet im Kreis seiner Anhänger auf. Die stehen noch gewaltig unter Schock, denn in Jerusalem haben sie den hingerichtet, der ihre ganze Hoffnung war. Und nun steht er, der „Meister“, plötzlich wie aus dem Nichts in ihrer Mitte – dringt durch Wände und verschlossene Türen. Die Versammelten spüren: Er ist da, anders zwar als zu seinen Lebzeiten, aber er ist es, gibt sich selbst zu erkennen. Sie erschrecken sich zu Tode. Er aber wünscht ihnen Frieden (Lukas 24,36; Johannes 20,19; 20,21; 20,26). Daran erinnert bis heute der „Friedensgruß“ in der katholischen Messe, den die Gläubigen einander mit einer freundlichen Geste weitergeben.   

Also „Friede, Freude, Eierkuchen?“ „Friede“ ist in der Bibel mehr als eine Schleckerei. Er meint Glück, Wohlergehen, Zu-frieden-heit, wie die deutsche Sprache treffend sagt. Friede bedeutet, dass Leben gelingt und Beziehungen tragen. Er beginnt im eigenen Herzen. Wer mit sich selbst im Reinen ist, sich aushalten kann auch mit seinen Macken und Fehlern, der wird auch mit andern im Frieden leben, weil er sie achtet und respektiert. Achtung und Respekt sind auch die Basis für das friedliche Zusammenleben der Völker. Friede ist für Christen nicht zuletzt Friede mit dem „Gott des Friedens“, „der seine Sonne aufgehen lässt über Gute und Böse und regnen lässt über Gerechte und Ungerechte“, wie Jesus einmal sagt (Matthäus-Evangelium 5,9).

Zwei Milliarden Getaufte würden zu einer weltweiten „Friedensbewegung“, wenn sie Frieden in ihrem Alltag leben. Da bliebe für Bosheit und Hass kaum noch Raum. Denn das ist mein Verdacht: Es ist zu viel Unfriede in der Welt. Der verdichtet sich in den Knallköpfen unfähiger Politiker immer wieder zu einem explosiven Gemisch, das sich dann in verbrecherischen Kriegen entlädt.

Friede im eigenen kleinen Leben bedeutet, einem streitsüchtigen Nachbarn doch die Hand hinzureichen. Einen lächerlichen Erbschaftsstreit zu begraben, weil wir nackt und bloß, wie wir gekommen sind, auch wieder gehen müssen. Friede heißt: sprechen, verhandeln, sich aussöhnen, für Ausgleich sorgen, mit Kompromissen leben.  

Friede ist kein Wort – Friede ist ein Programm. Daran denke ich, wenn ich heute der Gemeinde zuspreche: „Der Friede des Herrn sei allezeit mit Euch!“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39711
weiterlesen...

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

10FEB2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Neulich kam ich zu einem Termin zu spät, weil auf dem Navi meines Smartphones plötzlich  Werbung aufgeploppt war, die mir die Sicht auf die Wegbeschreibung versperrte. Ich habe mich prompt verfahren und unnütz Zeit verloren. -

Ich frage mich, was wir eigentlich früher mit der übrigen Zeit gemacht haben, als wir sie noch nicht opfern mussten für die täglichen Dienste an Computern, Druckern, videokonferenz-tauglichen Kameraeinstellungen und all den Gerätschaften, die es – gefühlt – bis vor kurzem noch gar nicht gab.

Wohin man auch kommt, sitzt ein Mensch geduldig vor einem Gerät – und wartet, wartet, wartet, immer in der Hoffnung, dass es schließlich doch das tun möge, was man von ihm verlangt.

Ja, ich weiß, Computer und Smartphones wollen einfühlsam behandelt werden. Sie verlangen zarte Tastendrucke und viel mehr Geduld, als wir sie für gewöhnlich unseren nächsten Mitbewohnern zuteilwerden lassen. Wer schon etwas älter ist, hat vermutlich mindestens vier Drucker als Partner gehabt und Originaltinten gekauft, die teurer sind als Champagner. Und dann streiken diese Kerle mit Vorliebe, wenn es wirklich eilig ist.

Passenderweise sehe ich in diesem angespannten Moment in meinem Andachtsbuch einen Satz von Paulus. Er schreibt in seinem zweiten Brief an seine Gemeinde in Korinth (6,4): „In allem erweisen wir uns als Diener Gottes: in großer Geduld, in Bedrängnissen, in Nöten, in Ängsten." 

Es gibt ja all die großen Schrecken, die auszuhalten schon sehr viel Geduld von uns abverlangt. Krieg und Klima und Krankheit und Kummer aller Art. Geduld auch noch im Kleinen – also im Umgang mit Geräten, die nicht so wollen wie wir? Ist vielleicht ein bisschen viel verlangt - und doch zuweilen hilfreich.

Denn manchmal braucht es gar keinen technischen Support und keinen System-Administrator, sondern tatsächlich nur ein wenig Geduld. Auf wundersame Weise funktionieren Menschen und Geräte wieder ganz einwandfrei, wenn man ihnen nur ein wenig Zeit und Geduld entgegenbringt!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39296
weiterlesen...

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

09FEB2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Steffi steht am Herd. Sie bereitet das Abendessen vor. Ihr Mann wird gleich von der Arbeit nach Hause kommen, ihr Sohn Tobias vom Sport – und Laura, die Tochter, vom Geigenunterricht. Vom Küchenfenster dringen die gewohnten Geräusche von draußen herein. Das Martinshorn von Polizei, Feuerwehr oder Krankenwagen nimmt sie schon gar nicht mehr bewusst wahr. Es gehört fast schon zur täglichen Geräuschkulisse der Straße.

Aber heute kommt Steffi plötzlich in den Sinn, wie das sein würde, wäre man selbst mal betroffen. – Nein, diesen schrecklichen Gedanken mag sie gar nicht an sich heranlassen. Auch ein Unglück, über das in den Nachrichten berichtet wird, ist Gott sei Dank meistens woanders und man selbst darin nicht involviert.

Auf einmal überkommt Steffi ein tiefes Gefühl der Dankbarkeit. Sie werden später beim Abendessen alle beisammen sein. Es ist so selbstverständlich, es ist so alltäglich, so 'normal'.

Und doch auch wieder nicht. Das Tuten des Martinshorns bedeutet, dass diese Normalität, diese selbstverständliche Alltäglichkeit für irgend jemanden unterbrochen wird. Irgendwo hat es gebrannt, ist ein Unfall passiert, hat es Blechschaden, Ärger oder Schlimmeres gegeben. – Plötzlich wird Steffi bewusst, dass Normalität ein Geschenk ist und großes Glück darin liegt.

Wenn alle vier Familienmitglieder am Abend wieder gesund zusammenfinden dürfen – so wie an ungezählten Tagen und Abenden zuvor, dann haben sie allen Grund, sich darüber zu freuen. Selbst heftige Diskussionen oder Streit, wie es ihn an manchem Familientisch zuweilen gibt, gehört zu einer Normalität, die uns dankbar machen kann.

Dankbar dafür, dass wir leben und sind, da sein dürfen, weitermachen dürfen, als sei nichts gewesen, obwohl doch jeden Tag so viel gewesen ist, so viel Unfälle, so viel Krankheit, so viel Unglück, so viel Tränen.

Wir sind verschont geblieben, denkt Steffi, als später alle da sind. Und sie ist an diesem Abend so froh und glücklich wie schon lange nicht mehr. Sie ist einfach dankbar. Und so ereignet sich, was das Sprichwort besagt: „Dankbarkeit ist der Schlüssel zum Tor der Freude!"

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39295
weiterlesen...

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

08FEB2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Das war in den letzten Jahren kaum noch ein Thema, aber nun zittern wieder Tausende um ihren Arbeitsplatz. In großen Kaufhäusern gehen die Lichter aus, es fließen Tränen bei Verkäuferinnen. Sie haben jahrelang zusammengearbeitet und wiederholt auf Lohn und Freizeit verzichtet, um so den Laden am Laufen zu halten. Aber was kümmert das die Investoren!

Im Automobilbau schlägt die längst prophezeite „Transformation“ voll durch: E-Autos fahren nun mal ohne Anlasser, Vergaser und Getriebe. Wo ganze Komponenten entfallen, verschwinden auch Arbeitsplätze. Damit nicht genug: Die verdammten Kriege mit ihren Auswirkungen haben Deutschland fast über Nacht in eine wirtschaftliche Rezession hineingetrieben. Was dann in Zukunft noch die KI – die „Künstliche Intelligenz“ – am Arbeitsmarkt anrichten wird, ist noch gar nicht raus.

An Erwerbsarbeit hängen aber nicht nur Arbeitseinkommen, sondern auch Rente und soziale Sicherheit. Mehr noch: Arbeit vermittelt Anerkennung und gesellschaftliches Ansehen. Man ist wer, wenn man was schafft. Wenn nun Menschen ihre Arbeit verlieren, kommt es darauf an, sie in dieser Not aufzufangen, ihnen Mut zu machen, denn Leben ist mehr als Arbeit.

Wirtschaft und Gesellschaft aber werden sich darauf einstellen müssen, Erwerbsarbeit neu und anders zu verteilen: Warum nicht eine „Vier-Tage-Woche“ dort, wo sie praktikabel und profitabel erscheint? Gefragt sind neue Modelle intelligenter Arbeitszeitverkürzung am Tag, in Wochen und Monaten oder Jahren, natürlich mit ausreichendem Einkommen. Als Sofortmaßnahme aber sei empfohlen: Schluss mit immer noch mehr Arbeitsverdichtung, die den einen die Arbeitsplätze nimmt und den andern die Arbeit zur Hölle macht. 

Die schwerste Herausforderung aber wird sein, junge und ältere Arbeitslose für jene Berufe zu qualifizieren, in denen es alle Hände voll zu tun gibt: Arbeit in der Pflege, in Handwerk oder Dienstleistung wie zum Beispiel der Gastronomie.

„Arbeitslosigkeit ist kein unabwendbares Schicksal“, schrieben die beiden großen Kirchen schon vor Jahrzehnten in einem mutigen Sozialwort. [1]) Es sei Sache der Politik, dass alle Arbeitsfähigen auch Arbeit finden.

[1]     „Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit“ – Wort des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bischofskonferenz“ – 1997, Kap 167

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39294
weiterlesen...