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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

27JUL2024
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Batsch – batsch – batsch – so tönt es dieser Tage allabendlich von Terrassen und Balkonen. Klingt nach Beifall, ist aber pure Notwehr. Denn in der Nähe von Bächen, Tümpeln und Seen haben in diesem Sommer die Mücken die Lufthoheit übernommen. Da werden sogar Tierfreunde zu Massenmördern.

Mir kommt die Taktik dieser Quälgeister bekannt vor. Auch im menschlichen Miteinander tut man sich ähnlich weh. Immer und immer wieder wird man gepiekst und schmerzlich an irgendetwas erinnert, was längst vergessen schien. Hab ich dich damals nicht mit einem anderen erwischt? Dabei wurde dieser Vorfall nach einer gründlichen Aussprache beigelegt. Bist du nicht an der Stelle von der Straße abgekommen, ein Gläschen zu viel und so? Hast Du mich nicht kürzlich unendlich blamiert und mich im Regen stehen lassen? Du Feigling hast dich ja nicht einmal gewehrt, sondern den Schwanz eingezogen, und, und, und, zum tausendsten Mal! Man bekommt scheinbar nie genug davon, sein Gegenüber permanent und genüsslich an sein Versagen, an dunkle Stunden in seinem Leben zu erinnern und bei jeder passenden Gelegenheit zu sticheln. Das ist nicht nur lästig, das tut vielmehr verdammt weh und saugt Lebenskraft ab.

Wie bei der Mückenplage gibt’s nur eine einzige wirksame Gegenstrategie, nämlich die Brutstätten in Wasserlachen und stinkenden Pfützen trockenzulegen. Das bedeutet, immer noch schwelende Konflikte aufzuarbeiten, beharrlich miteinander zu reden und notfalls auch Hilfe von außen in Anspruch zu nehmen. Am Ende bleibt vielleicht nur, einander zu verzeihen. Denn unser Leben erspart uns leider nicht, dass wir immer wieder aneinander schuldig werden.

 „Herr, wie oft muss ich dem, der an mir schuldig geworden ist, verzeihen?“, fragt Petrus einmal seinen Meister. „Reicht vielleicht siebenmal?“ Und Jesus kontert: „Nicht siebenmal, sondern siebzigmal siebenmal“ (Matthäus-Evangelium 18,21-22).

Heftig. Aber Verzeihen und um Verzeihung zu bitten, ist immer noch besser, als nochmals siebzigmal siebenmal gepiesackt zu werden.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

25JUL2024
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Immer wieder erzählen mir ältere Menschen, wie viel sie in Kindertagen gespielt hätten. Sogar dort, wo im elterlichen Betrieb oder in der Landwirtschaft alle mitanpacken mussten, blieb noch Zeit für Elferraus, Mikado, Halma, Dame, und andere Brett- und Gesellschaftsspiele, die heute vielleicht viele nicht mehr kennen. „Auch all die Spiele im Freien", erzählt mir eine Großmutter, „haben die Nachmittage unserer Kindheit durchsonnt. Mit Kreide zeichneten wir Hüpfkästchen auf Bürgersteige und Hofeinfahrten, spielten Fangen, Verstecken und stundenlang Ball und wetteiferten um erste Plätze in Sachen Geschicklichkeit und Schnelligkeit."

Der öffentliche Straßenraum macht das heute schwer, und die Familien sind kleiner geworden. Es fehlen Gleichaltrige in der Nachbarschaft, und – es fehlt insbesondere schon bei den Kindern an freier Zeit. Sie ist mehr verplant als bei den Kindern damals. Und: Sie wachsen auf in einer Welt, die von Bildschirmen und künstlich erzeugten Inhalten dominiert wird.

Heranwachsende verbringen durchschnittlich über acht Stunden am Tag mit Unterhaltungsmedien. Das kann sehr angenehm sein, ablenken, trösten, informieren, Spaß machen; aber gerade deshalb auch gefährlich und zur Droge werden. 

In der Studie „Jugend in Deutschland 2024“ stimmte über ein Drittel der Jugendlichen  der Aussage zu: „Mein Nutzungsverhalten des Smartphones könnte man Sucht nennen“.

Wenn Eltern sich hier oft wehr- und hilflos fühlen, kann ich das verstehen. Selbst erschöpft und überfordert können sie nicht jeden Tag die fehlenden Spielkameraden ersetzen. Was sie aber tun können: die Essens- und Schlafenszeiten handyfrei halten. Bekanntlich erzieht nichts so nachhaltig wie Vorbilder, gute und schlechte.

Vor allem aber sind Institutionen, Schule und Politik gefordert. Konzentration, Impulskontrolle, Geschicklichkeit, Urteilskraft, ganz besonders aber die seelische Gesundheit unserer Kinder stehen in direktem Zusammenhang mit ihrem Medienkonsum.1) Das sollte den Verantwortlichen in den Kultusministerien nicht egal sein.

Das Einfachste wäre es, wie in anderen europäischen Ländern, handyfreie Schulen zu schaffen. Als Eltern könnten Sie das bei der Schulleitung Ihrer Kinder auch hierzulande einfordern.

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1) Jonathan Haidt in seinem gerade auf Deutsch erschienenen Bestseller „Generation Angst – wie wir unsere Kinder an die virtuelle Welt verlieren

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

24JUL2024
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Wer allsonntäglich unsere Gottesdienste besucht, ist mit der Liturgie gut vertraut. Wer hingegen eher selten oder anlässlich einer Familienfeier da hineingerät, mag sich fremd fühlen. Das Vokabular spricht ihn nicht an, die Texte sind ihm unbekannt, die Lieder kennt er nicht – und die meisten Leute um ihn herum auch nicht. Die Antworten, die sie im Chor sprechen, hat er nicht parat. Er weiß nicht, wo er aufstehen muss, ob gar Hinknien verlangt ist, wann er sich setzen darf oder ob er fremden Leuten beim Friedensgruß die Hand reichen soll. Er fühlt sich unsicher, beklommen, unwohl. Das ist keine einladende Kirche, nicht sein Verein, wie er bei sich denkt – und Gott ist weit weg. Jedenfalls empfindet er das so.

Es geht auch anders. Ich nahm einmal an einem „alternativen“ Gottesdienst teil. Ganz oben auf dem Liedblatt stand zu lesen: „Sie können in diesem Gottesdienst nichts falsch machen."

Wie befreiend wirkt ein solcher Satz: an einem Ort zu sein, wo nicht Regeln und Anpassung das Wichtigste sind, sondern die „Freiheit der Kinder Gottes“, die der Apostel Paulus in seinen Briefen so oft betont. Man weiß ja, je größer die Angst ist, Fehler zu machen, umso höher die Wahrscheinlichkeit, dass sie einem tatsächlich passieren.

Kirche sollte Freiräume ermöglichen, wo immer es geht, zuerst in ihrem eigenen Laden und gerne auch in ihren Gottesdiensten. Berührungsängste mit Gott muss auch der vermeintlich Gottferne nicht haben. Gott, so glaube ich, kommt es nicht auf die liturgische Korrektheit an. Ihm genügt, wenn Du Dein Handy ausschaltest und Dich ganz ohne Zwang einfach einlässt auf das, was Dir entspricht. Dich ganz unverkrampft anrühren lässt von einem Gebetsanliegen, einer Liedmelodie, einem Bibelwort, oder einem einfallenden Lichtstrahl. Und gerne darfst Du auch bleiben lassen, was Dich befremdet. Wer Unbehagen spürt, wer Bedenken hat, darf nachdenken, darf selbst weiterdenken, darf nachfragen.

Ja, dafür wünschte ich mir mehr Raum in unseren Kirchen und Gottesdiensten. Und allen immer wieder die Erfahrung, an Orten zu sein, wo sie nichts falsch machen können.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

23JUL2024
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Im letzten Vers von Psalm 137 verflucht der Beter die Zwingherren von Babylon, die Israel niedergemacht, den Tempel zerstört und das Volk ins Exil verschleppt haben. Und preist dann den Menschen selig, der zur Strafe die Kinder Babylons „am Felsen zerschmettert“. Geht’s noch? Da stockt mir das Blut in den Adern.

Genauso wie jüngst, als in Kiew 50 schwerkranke Kinder unter den Trümmern einer Klinik verschüttet wurden. Kranke Gehirne, die einen so mörderischen Angriff befohlen und ausgeführt haben. Ich fürchte: Wer Kinder mordet, scheut vor nichts mehr zurück. Die ziehen das durch, denen traue ich zu, dass sie am Ende auch ganze Völker vernichten und der Planet in einem gigantischen Atompilz verglüht.

John F. Kennedy, der damalige Präsident der USA, konnte im Jahr 1962 in letzter Sekunde ein solches Inferno noch einmal abwenden, und stellt ernüchtert fest: „Entweder schafft die Menschheit den Krieg ab, oder der Krieg schafft die Menschheit ab“. Da sind wir grade auf dem besten Weg, wenn es nicht endlich gelingt, die tödliche Spirale Gewalt-Gegengewalt zu unterbrechen und in Verhandlungen einzutreten.

Was diese verdammten Kriege anrichten, ist einfach nur entsetzlich: Hunderttausende von Toten, Verwundeten, Verstümmelten. Abgrundtiefer Hass und Feindschaft auf Jahrzehnte hinaus. Wir rauben unseren Kindern die Zukunft, verpulvern den Reichtum der Schöpfung, zerstören das Klima – wie sollen die auf einem solchen Trümmerhaufen weiterleben?

Und darum muss Schluss sein – an allen Fronten, und zwar sofort! Im Gebrüll von Kanonen und Raketen kann man nicht miteinander reden. Über Massengräbern gleich gar nicht, da kann man nur noch weinen.

Einer muss anfangen, aufzuhören – so verstehe ich das Gebot der Feindesliebe Jesu: Aufeinander zugehen, miteinander reden, nach Kompromissen suchen. Einer wollte mit der Bergpredigt Politik machen. Aber er lebt nicht mehr, der ehemalige russische Präsident Michail Gorbatschow. Er sagte, die Bergpredigt Jesu wäre „das wirksamste Überlebensprogramm der Menschheit“. Das glaube ich auch.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

22JUL2024
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Eine starke Frau, an die sich die Kirche heute erinnert: Maria aus Magdala, die Begleiterin Jesu – gebildet, gut betucht und ihm in Liebe verbunden. Heilige oder Hure? Mit den Männern in der Gefolgschaft Jesu muss es damals schon ordentlich gerappelt haben. Ein späterer Papst verwechselte dann Maria – vermutlich absichtlich – mit einem  stadtbekannten Strichmädchen aus Jerusalem, einer „Sünderin“, heißt es im Lukas-Evangelium (7.36-50).

Inzwischen längst rehabilitiert, wird Maria aus Magdala als „Apostelin“ verehrt und als eine der ersten und wichtigsten Zeuginnen der Auferstehung Jesu gefeiert. Die Erzählung vom Ostermorgen (Johannesevangelium (20,11-18) geht mir immer unter die Haut: Unterwegs um Jesus den letzten Liebesdienst zu erweisen und seinen Leichnam zu salben – erschrickt Magdalene zu Tode: Das Grab ist leer. Nun hat sie nicht einmal mehr einen Ort für ihre Trauer. Weinend spricht sie den Mann an, den sie für den Friedhofsgärtner hält: Wo hast du den Leichnam hingelegt, ich will ihn holen. Der schaut ihr in die Augen und nennt plötzlich ihren Namen: „Maria“. „Rabbuni“, geliebter Meister, bricht es da aus ihr heraus. Gar kein Zweifel - er ist es, er lebt, er nennt sie beim Namen. In diesem Moment müssen wohl alle Saiten ihrer verwundeten Seele ins Schwingen geraten sein. Wie auf einem Resonanzboden klingt wieder, was die beiden miteinander verbunden hat.

Auferstehung, sagt mir diese Geschichte, ist mit dem Verstand nicht zu erfassen, sie ist un-begreiflich. „Rühr mich nicht an“, mahnt Jesus. Ich bin nicht mehr der Alte im Kleid der Vergänglichkeit. - Aber man kann Auferstehung erahnen, und zwar im Widerhall der Liebe, wenn in mir nachklingt, was mich mit einem lieben Verstorbenen im Leben verband.

Damit mache ich Trauernden Mut. Der Mutter, die weinend und voll inniger Liebe das Foto ihres so früh verstorbenen Jungen küsst. Dem alten Mann, der täglich das Grab seiner Frau besucht und es liebevoll pflegt. Dem Kind, das um seine verstorbene Mutter weint. Hört ihr? Trauer ist der Nachhall der Liebe. Und Liebe ist stärker als der Tod.

Das lässt mich hoffen: Gott ist die Liebe, glauben wir. Dann verbindet uns die Liebe mit ihm, und wir werden leben – über den Tod hinaus. 

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

20APR2024
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Manchmal sitze ich frühmorgens stumm vor Gott – das Morgenlob bleibt mir im Halse stecken. Die Schreckensnachrichten aus Gaza und der Ukraine haben mir die Sprache verschlagen und treiben mir Tränen in die Augen. Tief in meinem Innern spüre ich, wie in mir die Wut zu rumoren beginnt. Die Wut diesen Verbrechern gegenüber, die Kriege auslösen und Massenmord befehlen. Dann geht es mir wie Schwester Gabriela in Jerusalem. Auch sie könne das, was nur eine Autostunde von ihr entfernt geschieht, „nicht einfach weg- oder schönbeten“, schreibt sie. In den ersten Kriegstagen habe sie nur schweigend unter dem Kreuz Jesu ausgeharrt. 1)

In meiner Sprachlosigkeit greife ich dann doch zum Andachtsbuch, um einen Psalm zu beten. Viele dieser Verse sind ja auch in Kriegszeiten entstanden und künden von Ohnmacht und Verzweiflung. Gott war schon den Frommen von damals ein Rätsel: Hat er uns denn gänzlich vergessen, hadert einer von ihnen, „ist er denn blind?“ (Psalm 94,9)? „Wie lange dürfen die Gottlosen noch lachen?“, klagt ein anderer (Psalm 94,3). Gott, der Gerechte, „hasst doch alle, die Unrecht und Gewalt lieben?“ (Psalm 5,5-6). Wie lange sollen die denn noch die „Oberhand behalten?“, lese ich in Psalm 3. Nun spüre ich: Ich bin nicht allein in meiner Abscheu und in meinem Hass gegen die Kriegstreiber. Ich darf den sogar zulassen. 

Manchmal helfen mir diese Vorbeter dann doch ins Gebet hinein. Einer fleht Gott an:

Erhebe dich endlich! Bestrafe die Bösen und vergiss die Hilflosen nicht! Zerbrich die

Macht dieser Gottlosen, damit sie aufhören!“ (Psalm 10).

Die meisten dieser jüdischen Gebete finden am Ende dann doch wieder zurück ins

Vertrauen zu Gott. „Völker sind in Aufruhr und Königreiche zerfallen“ heißt es in Psalm 46. „Die Erde vergeht, doch der allmächtige Herr bleibt bei uns und ist unser Schutz. Er zerbricht die Kampfbögen der Feinde und spaltet ihre Speere, er verbrennt die Streitwagen im Feuer“ (Psalm 46).

Beten in Kriegszeiten! Wenn Sie mögen und sich ein paar Minuten Zeit nehmen, dann klicken Sie heute mal hinein in den Psalm 46. Mir schenkt er Trost und Zuversicht.

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  • „Beten in Zeiten des Krieges“ – in „Publik-Forum“ Nr. 1/2024
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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

19APR2024
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Wer von Gott und der Welt verlassen, also Gott los-geworden ist und sich in der Welt nicht recht beheimatet fühlt, den beneide ich nicht. Es lebt sich meines Erachtens schwer mit solchen Leerstellen. Ich beobachte, dass Menschen sich oftmals mit Ersatz begnügen, mit sogenannten Glücksbringern zum Beispiel. 39 Prozent der Frauen und 21 Prozent der Männer in Deutschland bezeichnen sich selbst als abergläubisch. Sie erhoffen sich Gutes von vierblättrigen Kleeblättern, tragen ihr Sternzeichen um den Hals oder führen einen Talisman mit sich.

Dadurch fühlen sie sich beschützt und weniger allein. „Ja, er soll mir Glück bringen", sagte mir eine Schülerin, mit Blick auf den kleinen Teddybär, der sie zu ihren schriftlichen Abiturprüfungen begleiten soll, die am Montag beginnen.  

Meinem eigenen, ziemlich nüchternen Weltbild sind solche Vorstellungen eher fremd. Wenn ich mich bewahrt und behütet fühle, ist kein Schlüsselanhänger daran beteiligt. Und wenn der 13. Tag eines Monats auf einen Freitag fällt, denke ich allenfalls an den Spruch meines alten Lehrers, der uns versicherte, für ihn sei das immer ein Glückstag, weil er einst an einem solchen Tag seine Frau kennengelernt habe. Ich bedaure nur, dass mir ansonsten vom Unterricht nicht mehr viel im Gedächtnis hängen geblieben ist. Bis auf einen anderen Spruch, den ich auch ihm verdanke. Es ist ein Zitat des Dichters Emanuel Geibel – um die Mitte des 19. Jahrhunderts der erfolgreichste Dichter seiner Zeit:

"Glaube, dem die Tür versagt,

steigt als Aberglaub' ins Fenster.

Wenn die Götter ihr verjagt,

kommen die Gespenster."

Es genügt offenbar nicht, die Seelenfenster einfach offen stehen zu lassen, wenn man die Kirchentür endgültig hinter sich zugeschlagen hat. Wahrsager, Gurus und Sterndeuter, die  versprechen, die Zukunft vorauszusagen, können Menschen in Abhängigkeiten bringen und Ängste verstärken. Angeblich sind gerade die Menschen, die sich für besonders aufgeklärt halten, anfällig für Seelenfänger und ihre Heilsversprechen.

Dagegen ist der Teddy in der Abi-Klausur harmlos. Falls er nichts nützt, so schadet er wenigstens nicht. Da bin ich mir ziemlich sicher.

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18APR2024
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„Weh denen, die Böses gut und Gutes böse nennen, die aus Finsternis Licht und aus Licht Finsternis machen, die aus sauer süß und aus süß sauer machen!", lese ich im Alten Testament beim Propheten Jesaja (5,20).

Es sind so viel böse Worte im Umlauf. Und damit meine ich als Schwabe nicht in erster Linie den Moschdkobf, dia Beisszang oder an Endaglemmr. Solche Worte haben ja meist noch etwas von der Restwärme des Dialekts an sich. Ich meine die kleinen Worte, die Adjektive, die eine Eigenschaft, ein Attribut bezeichnen. Man schreibt sie normalerweise klein –, aber sie haben große Wirkung: Gute Absichten, Sachverhalte, Tatsachen und Verhaltensweisen lassen sich durch ein einziges böses Beiwort zerstören.

Man kann eine vernünftige Forderung als populistisch abtun und dem, der sie sagt damit unredliche Absichten unterstellen. Man kann das Verhalten einer fürsorglichen Mutter als übergriffig abwerten und einen sprachlich gewandten Redner manipulativ nennen. Man kann dem Papst einen primitiven Pazifismus unterstellen und die Forderung nach Gesprächen statt Geschützen zynisch nennen. Die Beispiele lassen sich fortsetzen.

Jesaja und andere biblische Botschafter warnen davor. „Es gibt Menschen, die ruhen nicht, ehe sie jemanden zu Fall gebracht haben", heißt es da (Sprüche 4,17), und Jesaja meint, wer solche Worte benutzt, „sinnt auf Tücke, um Menschen zu verderben mit falschen Worten". Der Edle, so  schreibt er, „hat edle Gedanken und beharrt bei Edlem" (32,7-8).

Edel ist es, beim Urteilen und Verurteilen sachlich zu bleiben und nicht in die Kiste der Bösartigkeit zu greifen. Schenken Sie den kleinen Worten Ihre Aufmerksamkeit. Achten Sie darauf, wer sie wann und wie benutzt. Und wenn Sie solche selbst verwenden, wählen Sie lieber die edlen, statt solche, die nur verurteilen, vernichten und entwerten.

Hinweise:

David Rivkin and Peter Berkowitz: “The Primitive Pacifism of Pope Francis'  Wall Street Journal, vom 13. Dezember 2023

Franz-Josef Bormann, Jahresbericht 2022/23: Kath. Erwachsenenbildung Diözese Rottenburg-Stuttgart,

  1. V. , Seite 32:

https://taz.de/Boris-Palmer-und-die-Coronakrise/!5682102/

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

17APR2024
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Es ging um einen Bleistift. Genauer gesagt um einen Hotel-Bleistift, der auf dem Zimmer lag. Diesen Bleistift durften die drei Geschwister im Grundschulalter nach Rückfrage an der Rezeption mit nach Hause nehmen. Es war irgendwie ein ganz besonderer Bleistift, aber er hat den sechs kleinen Kinderhänden nicht lange genug standgehalten, ging kaputt und war die Ursache dicker Tränen, zumal auch noch Grippe im Hause herrschte und alle Kinder krank.

Ersatz war zu beschaffen. Man suchte daraufhin zwar nicht nach einer Stecknadel im Heuhaufen, sondern nach einem Stift im Internet. Da gab es so viele Schreibgeräte wie es Strohhalme gibt auf einem gut gefüllten Heuboden. Nur: Der gesuchte Bleistift war nicht darunter.

Aber fündig wurde man schließlich doch. Nächster Schritt: Kontaktaufnahme mit dem Hotel. Dort hat man in der Direktion und an der Rezeption bekanntlich eine Menge an Problemen und Aufgaben zu bewältigen. Das große Tagungshaus und der anstehende Erweiterungsbau fordern alle Kräfte.

Doch zwei besondere Menschen kümmerten sich dort um einen besonderen Stift. Ob sie wohl geahnt haben, dass es ganz große Kümmernisse gibt, die tief in die Seele einschneiden – und die mit einem Bleistift zu lindern sind? Und so ging ein kleines Paket auf die Reise zu den Kindern.

„Lasset die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht …" - so überliefert der Evangelist Lukas Worte von Jesus (Lukas 18,16).

Wer sich ein wenig auskennt mit den Nöten von Kinderseelen – Großeltern oder auch Kindergärtnerinnen und Hotel-Fachleute zum Beispiel –, der kann sich, ganz jesusähnlich,  seinen Mitmenschen zuwenden und ist dienstbar aus Liebe, einer Liebe, die sich hinunterbeugt auf die Augenhöhe von Kindern.

Ich glaube, wer zu einem solchen Blick fähig ist, der erkennt die Kinderseele auch dann in den Menschen, wenn diese schon ganz groß und erwachsen geworden sind. 

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16APR2024
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Kriege morden nicht nur Menschen, sie schänden auch die Schöpfung im Übermaß. Im ersten Kriegsjahr in der Ukraine wurden um die 150 Millionen Tonnen Co2 ausgestoßen – so viel wie in ganz Belgien im selben Zeitraum.[1]) Rüstung und Militär sind für sechs Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich. Dabei sind die Kriegsfolgen mit ihren katastrophalen Zerstörungen, verheerenden Bränden oder berstenden Staudämmen gar nicht miteingerechnet. Von den kolossalen Umweltbelastungen des Wiederaufbaus ganz zu schweigen. Kriege zerstören ganze Öko-Systeme – die Lebensgrundlage auch für zukünftige Generationen. Sie machen alle Bemühungen um eine intakte Umwelt zunichte und geben die Klima-Ziele der Lächerlichkeit preis.

Geradezu pervers die Bemühungen der Rüstungsindustrie um mehr Nachhaltigkeit: Kampfjets mit tödlichen Waffen an Bord, aber Bio-Sprit im Tank. Panzer – volles Rohr, aber solarbetrieben, Haubitzen mit Öko-Plakette oder was? Mensch und Schöpfung überleben nur, wenn dieses ganze Teufelszeug vom Erdboden verschwindet.

An dieser Stelle schalte ich eine Vermissten-Anzeige: Wo bleiben sie denn, die Umwelt-Schützer und die Aktivisten der „letzten Generation“? Wann endlich demonstrieren sie vor Kasernen und Truppenübungsplätzen? Wann haken sie sich bei den Friedensbewegten unter und machen mit ihnen gemeinsame Sache? Krieg darf um Gottes, um der Menschen und um der Schöpfung willen einfach nicht sein!

Als Christ bewahre ich mir die biblische Vision und bete darum, dass wir „Schwerter zu Pflugscharen und Spieße zu Sicheln umschmieden“. „Rüstungskonversion“ sozusagen. Davon träumt der Prophet Micha (Micha 4,3) im Alten Testament. Nur so wird am Ende, wie er meint, „ein jeder unter seinem Weinstock und seinem Feigenbaum wohnen können“

Ein Bild des Friedens – für Mensch und Natur.

 

[1]  https://table.media/climate/analyse/russlands-ukraine-krieg-hat-gravierende-klimaauswirkungen/

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