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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW
„Dunkel-Flaute“ – mit diesem Kunstwort beschwören die Skeptiker der „Erneuerbaren Energien“ immer mal wieder einen bevorstehenden „Black out“. Klar, an kurzen und bewölkten Wintertagen schwächeln die Solaranlagen, und bei Flaute dreht sich kaum ein Windrad.
„Dunkel-Flaute“ beschreibt aber auch treffend die gegenwärtige politische Großwetterlage. Verheerende Kriege breiten ein Leichentuch über ganze Völker und bedrohen den Weltfrieden. Hunderttausende kommen völlig sinnlos ums Leben. Als die größten Umweltverschmutzer befeuern Rüstung und Krieg auch die weltweite Klima-Katastrophe. Sie tragen ebenso die Hauptschuld für Kindersterblichkeit, Hunger und Elend in der Welt. - Und kaum ein Lüftchen regt sich, um eine solch verbrecherische Politik zu stoppen.
„Dunkel-Flaute“ liegt auch über vielen Gemütern. Lähmende Angst oder eine dumpfe Wut verdichten sich zu völkischem Nationalismus bin hin zu hasserfülltem Rassismus. Immer mehr Staaten driften nach rechts. Allenthalben übernehmen gewählte Despoten die Macht und verdunkeln die Aussicht auf ein friedliches Miteinander.
Bei den „Erneuerbaren Energien“ würde die „Dunkel-Flaute“ ihre Schrecken verlieren, könnte man Strom massenhaft speichern. Da sind wir als Menschen besser dran. Wir haben ein großes, weites Herz, das alles in sich aufnehmen kann, was uns Gutes widerfährt: Worte des Dankes und der Anerkennung und Momente des Glücks. Jeder Gruß, der von Herzen kommt, jede freundliche Geste, die Fröhlichkeit, das Lachen der Kinder sind aufgeladen mit enormer Energie. Sogar Tränen der Trauer und des Leids, erst recht Zuspruch und Trost wirken wie Generatoren. Es ist vor allem die Liebe. Im Geben und Nehmen verströmt sie eine geheimnisvolle Kraft.
Die spüre ich auch im Gebet, wenn ich jenes „Lade-Kabel“ einstöpsle, das mich mit Gott verbindet. Ich vertraue dabei auf die Zusage Jesu: „Bleibet in mir, dann bleibe ich in euch“ (Johannes-Evangelium 15,4).
Wenn wir all diese Energiequellen zusammenschalten, gehen die Lichter nicht aus. Mit diesem „Massenspeicher“ in unseren Herzen können wir jeder „Dunkel-Flaute“ trotzen, können aushalten und standhalten.
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Da stirbt mit gerade einmal 49 Jahren der Betriebsratsvorsitzende eines größeren Unternehmens bei einer Herzklappen-Operation. Er war sehr beliebt und geschätzt in der Belegschaft und bei der Geschäftsführung – ein Mann klarer Worte und im Umgang mit allen immer fair und verlässlich.
Bei einem Besuch auf der Palliativ-Station eines städtischen Krankenhauses erfahre ich von einer jungen Mutter, 33 Jahre alt, zwei Kinder im Alter von 8 und 10 Jahren, ihr Mann derzeit arbeitslos. Sie hat eine nicht mehr therapierbare Krebs-Erkrankung und ihre Tage sind gezählt.
Seit Jahren begleite ich einen Vater, mit fürsorglichen Händen und einem Herz voller Liebe im Hinblick auf seinen kleinen Sohn. Er kann ihn seit fast zwei Jahren nicht mehr sehen. Behörden, Ämter, Juristen sind gut mit dem Fall beschäftigt. Fakt ist: Auch der Bub, noch im Kindergartenalter, vermisst seinen Papa. Gott sei Dank tut sich momentan was, und Treffen sind wieder möglich.
Solche Geschichten sind für mich als Seelsorger mein tägliches Brot, und ich kann sie nicht einfach in einer Schublade entsorgen. Die politische Großwetterlage, die Kriege und Krisen, die Nachrichten in der Zeitung, die Berichte von leidenden Tieren, ja, „die Seufzer der bedrängten Kreatur"– sie lassen mich nicht kalt. Und doch nützt es wenig, das eigene Mitleiden noch obendrauf zu packen.
Was hilft mir? – Wenn ich mich verstanden fühle. Wenn ich auf Worte stoße, die meine eigene Bedürftigkeit benennen und ernst nehmen. Worte, die nicht damit einverstanden sind, dass alles Schwere nur zu schlucken sei. Ich will das Bedrückende und Belastende nicht beiseiteschieben, nur manchmal loslassen können und von Zeit zu Zeit ganz kindlich um frischen Wind im Seelenhause beten, so wie Paul Gerhardt es getan hat inmitten aller Dramen des 30-jährigen Krieges:
Gott „gebe uns ein fröhlich Herz,
erfrische Geist und Sinn.
Und werf all Angst, Furcht, Sorg und Schmerz
in Meeres Tiefe hin."
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Am Eingang der Stuttgarter Eberhardskirche trifft man auf einen Stolperstein ganz eigener Art: Ein mächtiger Quader – aus der Kirchenmauer herausgebrochen – ragt quer in den Fußweg und gebietet Halt. Blickt man nun in die Mauernische hinein, steht man Aug in Aug dem früheren Staatspräsidenten und Widerstandskämpfer Eugen Bolz gegenüber. Die bronzene Büste lässt erkennen, was ihm Hitlers Folterknechte an Schmerz und Schmach zugefügt hatten, bevor er auf den Tag genau – heute vor 80 Jahren – in Berlin-Plötzensee ermordet wurde.
Im Jahr 1881 in Rottenburg geboren, trat Eugen Bolz als junger Jurist der christlichen Zentrumspartei bei, wurde Abgeordneter im Landtag von Württemberg, später Justiz- und Innenminister und Staatspräsident.
Mit der Machtübernahme 1933 drängten ihn die Nazis aus dem Amt. Im Juni desselben Jahres inszenierten faschistische Horden auf Geheiß von oben vor St. Eberhard in Stuttgart einen Volksauflauf. So konnte man den bekennenden Christen nach der Messe vor aller Augen verhaften und auf dem Hohenasperg in „Schutzhaft“ nehmen.
1941 kam Eugen Bolz mit dem Widerstandskreis um Carl Friedrich Goerdeler in Verbindung. Man hatte ihn nach dem Umsturz für ein Ministeramt vorgesehen. Als 1944 das Attentat auf Hitler missglückte, wurde Bolz als „Mitwisser“ verhaftet und vom tobenden Blutrichter Freisler zum Tode verurteilt.
Für mich ist das Denkmal vor St. Eberhard ein doppeltes Mahnmal: Da hat einer die Kirchenmauer von innen aufgesprengt. Der christliche Glaube lässt sich nicht in Domen und Kathedralen verwahren. Er drängt hinaus in die Gesellschaft. „Politik ist für mich nichts anderes als praktische Religion“, bekannte Eugen Bolz.
Und das zweite Vermächtnis: „Der Nationalsozialismus ist rein heidnisch und eine Zusammenarbeit mit diesem unmöglich“, so Eugen Bolz wörtlich.1) Das will ich den Christenmenschen ins Stammbuch schreiben, die heute mit rechtsradikalen Wiedergängern sympathisieren. Wer sie wählt, wird zum Steigbügelhalter.
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1) Bolz in einer Rede in Ehingen im Oktober 1923 lt. Kompetenzzentrum für geschichtliche Landeskunde im Unterricht (KM) www.landeskunde-bw.de
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In der Wertschöpfungskette der Wirtschaft rangiert die menschliche Arbeit an erster Stelle. Sie verwandelt das „tote Kapital“ der Anteilseigner in Güter und Dienstleistungen und erzeugt so den gewünschten „Mehrwert“. Solange es gut geht….
Was aber, wenn nun diese verdammten Kriege in der Welt die Lieferketten unterbrechen, die Energie verteuern, die Absatzmärkte ruinieren? Oder wenn ein brutaler kapitalistischer Vernichtungswettbewerb ganze Unternehmen zum Absturz bringt? Dann ist die Arbeit plötzlich nichts mehr wert, und man kann sich nicht schnell genug von ihr trennen.
Daher zittern und zagen viele Beschäftigte zurzeit wieder um ihre Arbeitsplätze. Massenhaft werden Stellen abgebaut, Betriebe umstrukturiert, geschlossen oder ins Ausland verlagert.
Hört die Wert-schätzung auf, wenn die Wert-schöpfung entfällt? Da haben sich Menschen oft jahrzehntelang eingebracht mit Mühe und Fleiß, mit ihrer Verantwortung und ihrem Können. Und nun werden Leistungserbringer über Nacht zu „Leistungsempfängern“ degradiert. Geraten auch in seelische Not, wie ich als Betriebsseelsorger immer wieder erfahre. Sich nicht mehr gebraucht zu fühlen, sondern nur noch zur Last zu fallen – das tut weh!.
Ich appelliere zuerst an die Arbeitenden selbst: Verkauft euch nicht unter Wert! Steht solidarisch zusammen und kämpft mit euren Gewerkschaften um jeden einzelnen Arbeitsplatz! Oft werden Stellen abgebaut, die Arbeit aber bleibt und wird auf noch weniger Schultern verteilt. Lasst euch ja nicht auseinanderdividieren! Wo kein Betriebsrat existiert, wird es höchste Zeit, einen solchen zu wählen. Sonst guckt man bei Konkurs auch noch ohne Abfindung in die Röhre.
Ich appelliere aber auch an die Arbeitgeber: Es geht nicht an, dass man Menschen entlässt und weiterhin fette Vorstandsgehälter bezieht und milliardenschwere Dividenden ausschüttet. Derweil Klein- und Mittelständler oft ihr eigenes Vermögen angreifen, um ja keine Kündigungen aussprechen zu müssen.
Wenn die Wertschöpfungskette reißt – warum auch immer – darf man die Wertschätzung nicht unterbrechen. Denn die menschliche Arbeit, betont die christliche Sozialethik eindringlich, ist allemal wertvoller als Kapital.
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„Ich bin beschenkt worden mit der Gabe, glauben zu können. Gott nenne ich meinen Vater, Jesus seinen Sohn, und der Heilige Geist ist für mich eine wirkende Kraft. Ich glaube übrigens auch, dass es unheiligen Geist gibt, und dass der in unserer Welt wirkt – nichts Gutes, wie ich meine."
Es ist ein älterer Mann, der mich nach dem Gottesdienst anspricht und von seinen Glaubenserfahrungen erzählt: „Von manchen Zeitgenossen", sagt er, „werde ich betrachtet, als sei ich intellektuell ein wenig minderbemittelt. Sie bemitleiden mich als rückständig, irgendwie nicht ganz auf der Höhe der Zeit, weil Kirche mir noch immer wichtig ist.“
Ja, die Sprache der alten biblischen Texte sei oft ungewohnt, meint er, aber sie bedeuteten ihm mehr als zeitgeistige Floskeln. „Es gibt Freunde“, fährt er fort, „die das nicht verstehen können. Sie lehnen ab, was sie gar nicht kennen, und ihnen scheint lächerlich, woran ich glaube. Ich sei wohl hinter der Aufklärung stecken geblieben, meinte einer, obwohl ich doch ansonsten normal sei."
Manchmal habe er das Gefühl, meint mein Gesprächspartner, sich für seinen Glauben rechtfertigen zu müssen. Er sei kein besserer Mensch oder klüger als der Durchschnitt, aber er denke doch, dass er etwas habe, was andern abgeht: nämlich ein Gegenüber, das ihn über sich selbst hinausweist.
„Immer bloß sein eigener Herr sein zu müssen, immer selbst die Spitze der Weisheit und Erkenntnis darzustellen, das kommt mir eng vor", sagt der Mann und ergänzt: „Ich brauche etwas Größeres als mich, jemand der väterlich und wohlwollend über mir steht. Ein Gegenüber, dem ich mich rückhaltlos anvertrauen kann und das mich oft auch infrage stellt. Mir tut es auch gut, wenn ich an IHN abgeben kann, was für mich allein zu groß und zu schwer ist."
Solche Gespräche wie dieses, fordern und beschenken mich als Seelsorger. Ich stehe ja nicht drüber, weiß als Pfarrer nicht automatisch mehr als die andern Gotteskinder.
Aber gerne wiederhole ich die Worte, die meinem Gesprächspartner so wichtig waren: „Es ist ein Geschenk, glauben zu können. Das bringt Tiefe ins Leben, Geborgenheit, Liebe."
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41419Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW
Die Bibel erzählt im „Buch Daniel“ (Kap.5) eine gespenstische Geschichte: Der babylonische König Belsazar, ein kriegslüsterner Machtprotz im 6. Jahrhundert vor Christus, feiert mit seinen Vasallen eine Gala. Man besäuft sich mit Wein aus liturgischen Gefäßen, die man aus dem Jerusalemer Tempel geraubt hatte. Doch plötzlich erscheint an der Wand eine Geisterhand und kritzelt: „Mene-Tekel“. Auf Deutsch: Deine Tage, König, sind gezählt, du wurdest gewogen und zu leicht befunden. Der „entfärbt sich“, übersetzt Martin Luther, wird kreidebleich, so fährt ihm der Schreck in die Glieder. Die Party ging abrupt zu Ende, und um den König wars geschehen.
Eine grandiose Performance, finde ich. Ich wünschte mir eine solche Installation in Trumps „Oval Office“, in Putins Kreml und in allen Regierungszentralen: „Mene-Tekel“ an der Wand und auf allen Bildschirmen, wenn die Machthaber Krieg führen, statt zu verhandeln, die Welt zu Tode rüsten, statt Hunger und Elend zu bekämpfen und den Klima-Wandel zu stoppen. Wenn sie sich selber gottgleich produzieren, statt dem Gemeinwohl zu dienen.
Die Frage ist nur: Wer führt diese Geisterhand? Wer schreibt das „Mene-Tekel“ an die Wand? Das Volk natürlich, denn in der Demokratie sind wir der Souverän und haben das Sagen. Das passt machtbesoffenen Despoten gar nicht in den Kram. Doch auch demokratische Regierungen spuren nur dann, wenn sich die da unten immer wieder lautstark artikulieren, sonst regieren die da oben am Volk vorbei. Ja – Demokratie ist schrecklich anstrengend, aber nur so funktioniert sie.
Bitter, wie Jesus von Nazareth die politische Klasse seiner Zeit beschreibt: „Ihr wisst doch: Die Herrscher richten ihre Völker zugrunde. Bei euch soll es anders sein: Wer unter euch groß sein will, der sei euer Diener, und wer unter euch der Erste sein will, der sei euer Knecht“ (Matthäus-Evangelium 21,26-27).
Dieser Geist qualifiziert für ein Regierungsamt. Wenn nun bald ein neuer Bundestag zu wählen ist, messe ich die Kandidatinnen und Kandidaten an ihrer Dienstbereitschaft. Abgeordnete müsste man an ihrer Demut und das heißt – alt-deutsch – an ihrem „Dien-Mut“ erkennen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41418SWR1 Anstöße sonn- und feiertags
Kirchensprache kann gelegentlich Allergien auslösen. Ebenso wie Politikersprech: Eine Wortwahl, die zuweilen nervt, weil sie sich abgenutzt hat durch übermäßigen Gebrauch, und die weitgehend kraftlos geworden ist durch sattsam bekannte Worthülsen, floskelhafte Wendungen, sinnentleerten Wortnebel.
In unseren kirchlichen Kreisen liebt man zum Beispiel Sätze, die beginnen mit: Wir müssen … oder – etwas weichgespülter – wir dürfen …. Beziehungsweise: Wir dürfen nicht … Man kann dann beliebig anhängen, was gerade passt.
Da heißt es dann oft: Wir müssen hoffen. Wir müssen vertrauen.
Wir dürfen unsere Zuversicht nicht verlieren, wir dürfen neuen Mut fassen.
Das haben Sie auch alle schon mal so oder ähnlich gehört.
Wie gesagt, das kann nerven. Auch wenn der Inhalt vielleicht nicht falsch ist, so stören doch die mitgedachten Ausrufungszeichen solcher Sätze.
Es kann eine allergische Reaktion hervorrufen, wenn man dauernd was soll. Diese gut gemeinten Leerformeln, diese verordnete Aufforderung zum Positiven passt halt sehr oft einfach nicht. Nicht zu den eigenen Erfahrungen, nicht zur aktuellen Lebenssituation, nicht zu den persönlichen Glaubenswegen. Sie scheint mir auch nicht stimmig im Hinblick auf die psychologische Grundausstattung der Spezies Mensch: Liebe und Mitgefühl können nicht verordnet werden. Mut und Zuversicht auch nicht. Vertrauen in die Zukunft entsteht nicht dadurch, dass man in der Predigt dazu aufgefordert wird. Hoffnung lässt sich nicht herbeireden.
Ich möchte sagen: Du lebst in der Freiheit der Kinder Gottes und musst erst mal gar nichts. Nichts leisten, nichts beweisen, nichts dir aufzwingen lassen.
Ich meine, allen, die predigen und allen, die zuhören tut es gut, wenn Sprache kraftvoll und ehrlich ist. Etwa so wie die Worte der Psalmen oder des Propheten Jesaja. - Mir jedenfalls ist eine alte Wahrheit stets lieber als eine moderne Sprechblase.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41417Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW
Kleiner Ausflug in die Berge. Die Seilbahn bringt mich schnell und mühelos nach oben. Dort erwartet mich eine Vielzahl von Wegen. 14 verschiedene zeigen die Holzschilder, eine verwirrende Fülle, die mich etwas ratlos macht. Gut, ganz lange Touren scheiden heute erst mal aus, aber welche von den kürzeren soll ich wählen?
Da fällt mein Blick auf ein weiteres Schild: "Glaubensweg". Ein einfacher, knapp vier Kilometer langer Rundweg von anderthalb Stunden mit gerade mal 70 Höhenmetern rauf und runter. Sechs Besinnungsstationen zu Werten und Themen des Lebens laden dazu ein, diese friedliche Landschaft auf sich wirken zu lassen und über sich nachzudenken, den Glauben neu zu entdecken oder zu vertiefen. Es gibt Impulse zu Themen wie Freiheit, Geborgenheit, Grenzen, Offenheit - und die Skulpturen, Tafeln oder Mitmach-Stationen sind kreativ und künstlerisch ansprechend gestaltet.
Die erste hat mich ganz besonders berührt: Sie bot, vier Meter abseits des Wanderweges, eine grandiose Aussichtsplattform hinunter ins knapp 1.800 Meter tiefer liegende Tal. Nur: im dichten Nebel zeigte sich erst mal: gar nichts! Meine Glaubenswegstation war quasi verhüllt. Das lag logischerweise am Wetter. Am späteren Nachmittag, als sich die Sonne wieder zeigte, erlebte ich an genau derselben Stelle mit klarem Blick ins Weite ein Bilderbuchpanorama. Kaum konnte ich mich losreißen von diesem Ort.
Andere Wanderer gingen vorüber an dieser Stelle, weil der Wanderweg nicht unmittelbar daran vorbeiführte. Ihnen entging dieser Blick in die Ferne, der so viel Orientierung, Schönheit, Weite und Ausblick bot.
Es fällt Ihnen, die Sie mir zuhören, sicher nicht schwer, Parallelen zu ziehen zu unserem Leben, zu dem, was wir sehen oder auch nicht, zu den Dingen, die wir links liegen lassen, die uns den Blick verstellen, die wir übersehen, die uns nebulös erscheinen können.
Ich möchte uns allen Glaubenswege mit Ausblick ans Herz legen, ganz gleich ob auf den Bergen oder in den Tälern unseres Lebens ...
https://www.kirche-im-swr.de/?m=40610Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW
In einer Legende aus dem 14. Jahrhundert terrorisiert ein Problem-Wolf eine ganze Region im oberitalienischen Gubbio. Er reißt nicht nur Schafe und Ziegen, sondern fällt auch über Kinder und Erwachsene her. Sein Tod ist bereits beschlossene Sache. Da betritt der Bettelmönch Franz von Assisi die Bühne und bietet sich als Vermittler an. Allen Warnungen zum Trotz nähert er sich todesmutig und unbewaffnet diesem zähnebleckenden Höllenhund und spricht ihn an: „Komm her zu mir, Bruder Wolf! Im Namen Jesu Christi befehle ich Dir, weder mir noch andern ein Leid anzutun“.
Kaum zu fassen: Lammfromm legt sich der Wolf dem Heiligen zu Füßen. Dann prasselt eine Strafpredigt auf ihn nieder: „Du Räuber, du Mörder, du hast den Tod verdient. Aber hör zu: ich will zwischen dir und den Menschen Frieden stiften.“ Der Wolf habe mit dem Kopf genickt, erzählt die Legende, und Franziskus die Tatze gereicht. Dann folgte er ihm in die Stadt, die ihm nun umsonst Kost und Logis gewährte. Und seitdem war Friede.
Eine Legende – zu schön, um wahr zu sein. Aber sie verrät, wie Frieden geht. Wahrer Friede ist immer ein Verhandlungsfrieden, denn ein Sieg- oder Unterwerfungsfriede mit Gewinnern und Verlierern ist reiner Etikettenschwindel. Franz von Assisi brennt für den Frieden und weiß Gott an seiner Seite. Das macht ihn mutig und stark, beiden Kontrahenten entgegenzutreten und ihnen erst mal den Marsch zu blasen. Dann aber macht er vernünftige Angebote. Die gibt’s zwar für keine Seite zum Nulltarif. Aber lieber einen Kompromiss, als sich weiter zu zerfleischen. Und siehe da: Beide können nun in Frieden miteinander leben.
Hat ein Wolf mehr Grips im Schädel als wir Menschen? Die gegenwärtigen Kriege lassen mich am gesunden Menschenverstand zweifeln. Immer noch Granaten statt Diplomaten! Das wird nichts!
„Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen“, forderte vor bald 300 Jahren der große Denker und Philosoph Immanuel Kant. Für ihn war klar: Friede fällt nicht vom Himmel, er müsse vielmehr „stets neu gestiftet“ werden.
Der Meinung ist auch Jesus von Nazareth: „Glücklich sind, die Frieden stiften“, sagt er, „denn Gott wird sie seine Kinder nennen“ (Matthäusevangelium 5,9 – Elberfelder Bibel).
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"Achtet, die sich unter euch mühen, ehrt sie in Liebe. Haltet Frieden untereinander. Weist die Nachlässigen zurecht, jagt allezeit dem Guten nach, seid dankbar in allen Dingen ..."
Auch wer kein gläubiger Christ ist, wird nichts gegen diese Paulus-Worte einzuwenden haben, die der Apostel ungefähr im Jahr 50 nach Christus an seine Gemeinde in Thessalonich schrieb (1.Thessalonicherbrief 5, 12-18). Lauter vernünftige Gedanken für ein gedeihliches Zusammenleben aus einem der frühesten schriftlichen Dokumente des Christentums.
Auf Anhieb fallen einem sofort zahllose Beispiele ein, wo diese Ratschläge nicht befolgt werden: in der Missachtung derer, die sich redlich mühen, überall da, wo Unfrieden herrscht, in aller Gleichgültigkeit gegenüber Nachlässigen, in der Undankbarkeit, die so vielen Menschen weh tut:
Da hat einer Stunden seiner Freizeit geopfert für selbstlose Hilfe in der Nachbarschaft, aber kaum ein "Danke!" bekommen. - Und der ehrenamtliche Einsatz am Krankenbett war den Kindern kein freundliches Wort wert. - Das liebevoll ausgesuchte und verpackte Geschenk zur Erstkommunion wurde achtlos beiseite gelegt. - Man hat nie mehr was gehört von dem seltenen Buchexemplar, das zeitaufwendig besorgt worden war, für den Jubilar. - Die nette und geistreiche Rede zur Verabschiedung der Kollegin – in spärlichen Freizeit-Stunden ausgearbeitet - fand zwar Anklang, aber kein Dankeswort von ihr. - Der köstliche selbstgebackene Kuchen für den Gemeindenachmittag wurde gerne gegessen, aber von niemandem kam ein Wort der Anerkennung. - Die Liste ließe sich unbegrenzt fortsetzen.
Ich frage mich, warum bleibt die positive Resonanz so oft aus? Sie kostet ja nicht mal Geld, nur ein Wort, notfalls reichen fünf Buchstaben, mit herzlicher Wärme ausgesprochen: D A N K E !
Eine solche Geste der Dankbarkeit zeigt - über das bloße Wort hinaus: Ich habe wahrgenommen, was du getan hast. Ich schätze und achte dich dafür, und ich freue mich daran. Wo dies tatsächlich der Fall ist, sollte es auch ausgesprochen werden. Paulus meint: "Seid dankbar in allen Dingen; denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus für euch." (1. Thessalonicherbrief 5,18)
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