Alle Beiträge

Die Texte unserer Sendungen in den SWR-Programmen können Sie nachlesen und für private Zwecke nutzen.
Klicken Sie unten die gewünschte Sendung an.

Filter
zurücksetzen

Filter

Datum

SWR1

 

SWR4

 

Autor*in

 

Archiv

Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

11MAI2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

„Muss ich eigentlich immer Leistung bringen, um anerkannt zu werden?“ hat neulich einer meiner Schüler gefragt. Ich unterrichte in einer achten Klasse evangelische Religion. Die Jugendlichen habe ich gefragt: Welche Fragen treiben euch um – womit sollen wir uns im Religionsunterricht mal beschäftigen?

„Muss ich eigentlich immer Leistung bringen, um anerkannt zu werden?“ Schnell hat einer der Schüler diese Frage formuliert. Sie hat mich gefreut – und bestürzt. Denn vor mir sind doch Jugendliche – die noch nicht den vollen Leistungsdruck unserer Gesellschaft spüren sollten. Ihr Schulalltag aber ist bestimmt von Klassenarbeiten und Hausaufgaben, von Rangeleien untereinander und der Suche nach einem Praktikumsplatz im Sommer. Und immer wieder werden sie gefragt, was sie später werden wollen und ob ihre Leistungen dafür ausreichen. Da liegt es eigentlich auf der Hand zu fragen: „Muss ich eigentlich immer Leistung bringen, um anerkannt zu werden?“

Ich freue mich darauf, mit den Jugendlichen dieser Frage nachzugehen. Denn sie passt perfekt in den Religionsunterricht. Da geht es schließlich um die großen Fragen des Lebens: Wer bin ich und von wem lasse ich mir sagen, wer ich bin? Was gibt meinem Leben Sinn? Worauf hoffe ich? Und was trägt mich, selbst wenn ich mal scheitere? Gemeinsam nach Antworten zu suchen und dabei noch mehr Fragen zu finden, das begeistert mich. Und ich bin überzeugt, auch für die Jugendlichen lohnt es sich, diesen Fragen nachzugehen. Meine Erfahrung ist: Bekomme ich Anerkennung oder Respekt dafür, dass ich etwas Bestimmtes erreicht oder geleistet habe, dann macht mich das stolz. Ich freue mich, dass andere etwas wahrnehmen und wertschätzen, in das ich viel Arbeit oder Liebe hineingesteckt habe. Aber als Christin glaube ich auch: Die größte Anerkennung wird mir geschenkt. Ganz unverdient und ohne eigenes Zutun. Ich werde geliebt, so wie ich bin – von Menschen und von Gott. Das kann ich mir nicht erarbeiten, nur annehmen und wertschätzen. Gott sei Dank.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39771
weiterlesen...

Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

10MAI2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Acht Minuten still sein und schweigen. Drei Mal am Tag. Diese Erfahrung hat mich geprägt. Als Jugendliche bin ich mit einer Gruppe nach Taizé gereist. Mit tausenden anderen Jugendlichen aus aller Welt haben wir dort eine Woche lang mitgelebt in der ökumenischen Klostergemeinschaft von Taizé. Dreimal am Tag sind alle in der Kirche zum gemeinsamen Gebet zusammengekommen. Das hat unsere Tage strukturiert. Vieles war dabei ungewohnt: So oft in die Kirche zu gehen und dort auch noch auf dem Boden zu sitzen. So viel zu singen, in den verschiedensten Sprachen. Keiner hat gepredigt, sondern alle haben geschwiegen, mehrere Minuten lang. Manchmal ist mir das schwergefallen. Ich war unruhig und ungeduldig und wollte alles lieber tun, als still zu sitzen und zu schweigen. Manchmal sind meine Gedanken umhergewandert und haben zu nichts geführt. Ich hatte den Eindruck: Ich kriege es nicht hin, diese Minuten der Stille richtig zu nutzen. Dabei ging es gar nicht um richtig oder falsch. Und wenn ich umgeguckt habe, dann wusste ich: Anderen geht es ähnlich. Diese Zeit des Schweigens war jedes Mal anders.

Die Minuten der Stille haben sich eingebrannt in meine Erinnerungen. Denn manchmal da wurde es beim Schweigen nicht nur still um mich herum, sondern auch still in mir. Ich bin zur Ruhe gekommen. Und habe die Stille ganz bewusst wahrgenommen. Ich habe gespürt: Ich bin hier. Und Gott ist hier. Das ist genug für diesen Moment. Manchmal hat mich ein Satz aus der Bibel, ein Lied oder ein anderer Gedanke berührt. Manchmal habe ich aber auch einfach gespürt, dass ich behütet und geborgen bin – was auch immer geschieht.

Acht Minuten still sein und schweigen. Drei Mal am Tag. Das hat meinen Glauben geprägt. Worte waren dafür keine nötig. Es brauchte auch nicht die anderen Menschen um mich herum. Aber weil wir alle geschwiegen und für eine Zeit lang still waren, konnte mir das bewusst werden: Ich bin hier und Gott ist hier. Das ist genug für diesen Moment.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39770
weiterlesen...

Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

08MAI2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

„Ist Gott eigentlich ein Mann oder eine Frau?“, hat mein Neffe gefragt. Gleich kurz nach dem Aufwachen. Als Vierjähriger entdeckt er die Welt, fragt viel und will alles verstehen. Heute also: Wie soll er sich Gott vorstellen?

Für meine Nichte war die Sache eindeutig: „Pfrau“ hat sie blitzschnell gerufen. Mit ihren zwei Jahren war für sie entschieden: Gott ist eine Frau – wie sie selbst. Ist doch klar.

Mein Neffe hat sich mit der Antwort seiner kleinen Schwester nicht zufriedengegeben. Vielleicht hat er schon etwas davon geahnt, wie wenig Gott sich festlegen lässt. Auch in der Bibel nicht.

Die Bibel erzählt von Gott in vielen Bildern. Er ist ein mächtiger Herrscher, der Schöpfer der Welt. Gott ist es, der alles sieht und dem nichts verborgen bleibt, dem nichts unmöglich ist. Viele kennen dieses Bild von Gott. Und es tun gut. In einer Welt, in der wir es mit Krisen und Konflikten zu tun haben, kann es helfen, einen so mächtigen und starken Gott an seiner Seite zu wissen. Und auch wenn mein Leben ins Wanken gerät, tut es mir gut, zu wissen: Mein Gott ist kein hilfloser Gott, er stärkt und schützt mich.

Die Bibel findet aber noch mehr Bilder, um von Gott zu reden. Sie kennt Bilder, die voller mütterlicher Fürsorge und voller Wärme sind. Da heißt es: Gott ist wie eine Henne, die ihre Küken bewacht. Oder: Gott tröstet uns, wie einen seine Mutter tröstet. Auch dann, wenn es um die göttliche Weisheit geht, spricht die Bibel von einer Frau. Denn die Menschen zu biblischen Zeiten hatten bei „Weisheit“ ganz klar eine Frau vor Augen. Auch diese Bilder von Gott tun mir gut. Ich brauche Gott nicht nur mit seiner Stärke und Kraft, sondern auch mit all ihrer Weisheit und Geborgenheit.

Dass die Bibel so unterschiedliche Bilder von Gott zeichnet. Das macht mich frei: Gott ist vielfältig. Wenn schon die Bibel kein eindeutiges Bild von Gott hat – dann muss auch mein Bild von Gott nicht eindeutig sein. Ich muss Gott nicht auf ein Geschlecht festlegen. Gott ist nicht Mann oder Frau – Gott ist wie eine Kraft, die meinen Verstand übersteigt und sich nicht klar festlegen lässt. Mit Kindern wie meinem Neffen und meiner Nicht diese Freiheit im Glauben zu entdecken, das macht mir Spaß und bedeutet mir viel.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39769
weiterlesen...

Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

07MAI2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

„Haben, als hätte man nicht.“ Das ist ein Motto, an das ich in letzter Zeit häufiger denke. Es steht in der Bibel und stammt vom Apostel Paulus. Und er meint damit: Habe alles, was du hast, als hättest du es nicht. Lebe dein Leben, als hättest du es nicht. Als würde alles, was du hast oder besitzt, nicht dir gehören. Als wäre es geliehen auf Zeit.

Das klingt pessimistisch und lebensfeindlich, finden Sie? Ja, ich auch. Zumindest im ersten Moment. Denn es erinnert daran, wie endlich und vergänglich alles ist. Mir das vor Augen zu führen, das macht mir Angst. Denn in meinem Alltag spielt so viel, was ich habe, eine wichtige Rolle: Meine Familie und Freunde. Meine Arbeit, die mich erfüllt. All die Erinnerungen an Urlaube und gemeinsame Erlebnisse. Ich kann nicht immer vor Augen haben - und ich will das auch nicht -, dass mir all das letztlich nicht gehört und ich nichts davon für immer festhalten kann. Vermutlich erschreckt mich dieser Satz von Paulus auch deshalb immer wieder.

„Haben, als hätte man nicht.“ Das stößt mich noch auf etwas anderes hin: Das, was ich habe und besitze, ist nicht alles. Vor allem aber: Ich bin mehr als ich besitze. Das, was ich besitze, entscheidet letztlich nicht, wer ich bin und was meinem Leben Sinn gibt. Dass da noch mehr ist, als wir sehen – das hat für mich mit dem Glauben an Gott zu tun. Ich glaube daran, dass bei Gott mehr möglich ist, als ich sehe. Und dass bei Gott andere Dinge zählen als das, was ich habe oder wie ich mich sehe. Mich befreit das: Gott sieht in mir mehr als das, was ich mir gekauft oder erarbeitet habe. Ich habe einen anderen, einen viel größeren Wert.

Na klar: Ich darf das alles genießen. Und ich glaube nicht, dass Gott mir das alles schenkt, damit ich mich nicht darüber freue. Aber zu wissen: Das, was ich sehe, ist nicht alles – das tröstet mich und befreit! Und das ist gut so!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39768
weiterlesen...

Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

06MAI2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Auf meinem Schreibtisch steht ein kleines Stück Holz. Es ist bunt bemalt. Ein Wort steht darauf: HEUTE. Nichts weiter, auch keine Satzzeichen. Nur dieses eine Wort: Heute. Es gibt Tage, da nehme ich die bunten Farben und den Schriftzug überhaupt nicht wahr. Aber meistens bleibt mein Blick immer wieder daran hängen.
„Heute“ lese ich dann. Und denke: „Stimmt, du solltest nicht so viel grübeln über irgendetwas, was du eh nicht mehr ändern kannst.“ Oder ich höre mich in Gedanken sagen: „Mach dir nicht so viele Sorgen, bleib bei dem, was heute ist!“ Statt in Gedanken abzuschweifen, erinnert mich das Stück Holz immer wieder daran, auf „heute“ zu schauen.

Oft denke ich dann auch an einen Satz aus der Bibel: „Macht euch also keine Sorgen um den kommenden Tag – der wird schon für sich selber sorgen. Es reicht, dass jeder Tag seine eigenen Schwierigkeiten hat.“ Mir fällt es schwer, mir keine Sorgen zu machen. Ich bin sozusagen ein Profi im Sorgen machen. Weil das so ist, mag ich diesen Satz. Denn er sagt auch: Es ist okay, wenn ich mir Sorgen mache über das, was heute ist. Ich soll mir nur nicht den Kopf über morgen zerbrechen!

Wenn ich meinen Kalender gucke, dann mache ich mir schnell Sorgen. Da sind schon so viele Termine, manche Wochen sind voller Sitzungen und Besprechungen. Andere Termine habe ich noch gar nicht eingetragen und muss ich noch unterkriegen. Und dann steht noch das nächste größere Projekt an. Geht das gut? Oder habe ich mir zu viel vorgenommen? Zwei Tricks habe ich mir angewöhnt: Ich versuche, nicht so weit vorauszublicken. Und: In meinen Kalender trage mir auch ein, was ich mir privat in meiner Freizeit vornehme: eine Freundin zum Kaffee treffen, eine Radtour machen oder ins Kino gehen. Seitdem fällt es mir leichter, auch beim Blick in den Kalender vor allem auf den Tag heute zu sehen. Schaue ich also nur auf das, was heute ansteht – dann entdecke ich meistens auch etwas, worauf ich mich freue. Etwas, das den heutigen Tag besonders macht und worüber ich mir keine Sorgen machen muss. Wie ist das bei Ihnen? Was macht Ihren Tag heute besonders?

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39767
weiterlesen...