Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP
Acht Minuten still sein und schweigen. Drei Mal am Tag. Diese Erfahrung hat mich geprägt. Als Jugendliche bin ich mit einer Gruppe nach Taizé gereist. Mit tausenden anderen Jugendlichen aus aller Welt haben wir dort eine Woche lang mitgelebt in der ökumenischen Klostergemeinschaft von Taizé. Dreimal am Tag sind alle in der Kirche zum gemeinsamen Gebet zusammengekommen. Das hat unsere Tage strukturiert. Vieles war dabei ungewohnt: So oft in die Kirche zu gehen und dort auch noch auf dem Boden zu sitzen. So viel zu singen, in den verschiedensten Sprachen. Keiner hat gepredigt, sondern alle haben geschwiegen, mehrere Minuten lang. Manchmal ist mir das schwergefallen. Ich war unruhig und ungeduldig und wollte alles lieber tun, als still zu sitzen und zu schweigen. Manchmal sind meine Gedanken umhergewandert und haben zu nichts geführt. Ich hatte den Eindruck: Ich kriege es nicht hin, diese Minuten der Stille richtig zu nutzen. Dabei ging es gar nicht um richtig oder falsch. Und wenn ich umgeguckt habe, dann wusste ich: Anderen geht es ähnlich. Diese Zeit des Schweigens war jedes Mal anders.
Die Minuten der Stille haben sich eingebrannt in meine Erinnerungen. Denn manchmal da wurde es beim Schweigen nicht nur still um mich herum, sondern auch still in mir. Ich bin zur Ruhe gekommen. Und habe die Stille ganz bewusst wahrgenommen. Ich habe gespürt: Ich bin hier. Und Gott ist hier. Das ist genug für diesen Moment. Manchmal hat mich ein Satz aus der Bibel, ein Lied oder ein anderer Gedanke berührt. Manchmal habe ich aber auch einfach gespürt, dass ich behütet und geborgen bin – was auch immer geschieht.
Acht Minuten still sein und schweigen. Drei Mal am Tag. Das hat meinen Glauben geprägt. Worte waren dafür keine nötig. Es brauchte auch nicht die anderen Menschen um mich herum. Aber weil wir alle geschwiegen und für eine Zeit lang still waren, konnte mir das bewusst werden: Ich bin hier und Gott ist hier. Das ist genug für diesen Moment.
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