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Anstöße SWR1 RP / Morgengedanken SWR4 RP

28APR2025
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Vor Kurzem habe ich mir neue Schuhe gekauft. Beim Anprobieren hab ich ganz genau auf meine Füße geachtet. Wie fühlt sich das Gehen an? Drückt was? Gibt’s Stellen, an denen es reibt?

Normalerweise denke ich nicht viel über meine Füße nach. Wenn ich unterwegs bin, dann laufen die einfach mit. Gut verpackt in Schuhe, die mich schützen. Ich will mich ja nicht unnötig Gefahren aussetzen! Schuhe helfen mir, dass ich mir keine Gedanken über den Boden unter mir machen muss. Wer mal barfuß draußen unterwegs war, weiß, was Schuhe alles abfangen. Wenn ich barfuß bin, spüre ich die Welt direkt. Den heißen Asphalt, den kühlen Boden, die spitzen Kanten. Es gibt keinen Schutzraum mehr zwischen meinen Füßen und der Welt.

Auf diesen Schutzraum will und kann ich nicht verzichten. Denn er gibt mir Sicherheit. Auch mein Glaube kann wie ein Schuh ein solcher Schutzraum sein. Wenn ich überfordert oder verzweifelt bin, kann ich mich darauf verlassen, dass ich geschützt bin. Mein Glaube hilft mir, dass mich die Welt mit ihren vielen spitzen Kanten nicht verletzt.

Doch so hilfreich dieser Schutzraum ist, manchmal mache ich es mir zu bequem darin.

Denn der Glaube ist mehr als ein Schutzraum, er ist auch ein Wagnis, diesen Schutzraum zu verlassen. Das heißt für mich: vielleicht mal ein Gespräch suchen, vor dem ich mich bisher gedrückt habe. Natürlich besteht dabei die Gefahr, verletzt zu werden. Ich denke aber, Gott fordert mich sogar dazu auf: gelegentlich rauszugehen und innerlich aus meinen Schuhen zu steigen. Gott will mich schützen, klar. Aber er will auch, dass ich wachse. Und das gelingt nur, wenn ich es mir im Schutzraum meines Glaubens nicht zu bequem mache.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengedanken SWR4 RP

25JAN2025
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Eine der schönsten Geschichten in der Bibel ist für mich die mit den Emmausjüngern. Beide Männer mussten miterleben, dass in Jerusalem ihr großes Vorbild für eine neue und bessere Welt gewaltsam am Kreuz gestorben ist. Nun sind sie niedergeschlagen und gehen traurig zurück in ihr Dorf. Dann plötzlich, wie aus dem Nichts, schließt sich ihnen ein Fremder an; erst am Ende stellt sich heraus, dass es der auferstandene Jesus ist, den sie zunächst nicht erkennen. Sie laufen gemeinsam weiter und unterhalten sich über das, was geschehen ist. Sie reden und reden. Und genau das fasziniert mich an dieser Geschichte! Der Held der Geschichte, der sich als Sohn Gottes verstanden hat, lässt sich auf ein offenes Gespräch ein. Er gibt sich nicht sofort zu erkennen, er drängt sich nicht auf, um sie gleich zu überzeugen. Nichts davon! Stattdessen ein offenes Gespräch. Der Fremde ist geduldig, er tröstet sie.

Immer wenn ich Menschen begegne, die ihre Religion wie eine Waffe einsetzen, um andere Menschen zu bekehren, muss ich an diese Geschichte denken. Denn die Geschichte sieht den Weg zum Glauben als ein Gespräch unter Freunden. Der Fremde begegnet auf Augenhöhe, menschlich, nahbar, fühlbar. Für mich ist mein Glaube noch immer ein solcher Weg, auf dem ich begleitet werde mit allen meinen Fragen und Zweifeln.

Am Ende der Geschichte mit den Emmausjüngern bitten sie den Fremden, bei ihnen zu bleiben, weil es Abend wird. Erst danach kommt er mit ihnen ins Haus. Gott drängt sich nicht auf, das sagt mir diese Geschichte. Er sucht unsere Augenhöhe und das fasziniert mich so sehr an dieser Geschichte.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengedanken SWR4 RP

24JAN2025
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Einsamkeit ist eines der großen Themen von heute. Wie damit umgehen? Kann Künstliche Intelligenz vielleicht dafür eine Lösung sein? Heute schon wird sie eingesetzt, um einsamen Menschen das Gefühl zu geben, nicht mehr einsam zu sein. Ich kann mittlerweile täuschend echte Gespräche mit Maschinen führen, fast so wie mit richtigen Partnern oder Partnerinnen. Mag sein, dass Einsamkeit so gelindert werden kann.  – Aber möchte ich das wirklich? Mich in Zukunft mit Maschinen unterhalten oder von ihnen sogar umarmt werden, damit ich nicht so einsam bin?

Ich muss an meinen Sohn denken, der manchmal vor dem Schlafengehen noch ein Familienkuscheln einfordert. Wenn Menschen sich gegenseitig drücken und in die Arme nehmen – ist das nicht viel viel mehr wert? Es ist eine Illusion zu denken, dass wir über noch so täuschend echte Maschinen eine Umarmung ersetzen könnten. Einsame Menschen brauchen Menschen, die sie in den Arm nehmen. Ohne Umarmungen fehlen die Nähe und die Wärme. Mir gibt eine Umarmung in manchen Situationen hundertmal mehr als alle einfühlsamen Worte. Eine Umarmung schenkt mir Geborgenheit. Eine Umarmung sagt mir: ich nehme dich an, fühl dich gedrückt.  – Eine Maschine kann mich nicht annehmen, sie kann nur rechnen. Dass ich als Mensch die Umarmung so nötig habe, weiß auch der Gott, an den ich glaube. Deshalb stelle ich mir einen Gott vor, der seine Arme ausstreckt. Sie sind weit und offen für mich und für alle Menschen. Und Gott möchte, dass mich die Energie seiner Umarmung packt und frei und glücklich macht. Immer dann, wenn Menschen sich umarmen und herzen, wird etwas spürbar von dieser göttlichen Lebens-Energie.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengedanken SWR4 RP

23JAN2025
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Heute in einem Monat findet die Wahl zum 21. Bundestag statt. Wie schon bei der letzten Wahl wird es auch dieses Mal nicht leicht werden, eine regierungsfähige Mehrheit zusammenzustellen. Dabei wäre es so wichtig, dass sich die Parteien zusammenraufen. Denn die Herausforderungen sind riesengroß. Für die heiße Phase des Wahlkampfes und für die Zeit danach wünsche ich mir deshalb eines am allermeisten: dass wirklich alle spüren, was auf dem Spiel steht!

Der Westen und sein Lebensmodell der Freiheit stehen auf dem Spiel, und zwar so massiv wie lange nicht mehr. Der Klimawandel bleibt das Thema überhaupt mit allen sozialen Folgen, die sich jetzt schon überall zeigen. Dann die vielen Kriege, Konflikte, Gewalt – und die Frage: wie geht ein gerechter Friede?

Angesichts dieser Megathemen wünsche ich mir Menschen in der Politik, die sich bemühen, das Wohl der gesamten Menschheit nicht aus dem Blick zu verlieren. Ich wünsche mir Menschen an der Macht, die sich für soziale Gerechtigkeit einsetzen und sich dafür stark machen, dass die Menschenwürde unbedingt geachtet wird – weltweit. Ich wünsche mir noch viel mehr Mut, gegen skrupellose Machtgier aufzustehen und sich zur Not dagegen zu wehren. Ich wünsche mir entschlossene Menschen, die sich für eine gute Zukunft einsetzen. Denn ob die Zukunft gut wird, liegt an uns allen!

Dass alles wünsche ich mir als Christ, weil ich glaube, dass meine Wünsche keine Hirngespinste sind. Meine Wünsche kommen aus meiner tiefsten Überzeugung: jeder und jede kann heute schon damit beginnen, die Welt ein klein wenig besser zu machen. Und was im Kleinen gelingt, gelingt vielleicht auch in der großen Politik.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengedanken SWR4 RP

16OKT2024
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Meine Oma ist vor fünf Jahren verstorben. Sie wurde 95 Jahre alt. Diese Woche wäre sie 100 geworden. Ich habe viele gute Erinnerungen an sie. Eine Sache hat mich an ihr immer besonders beeindruckt: meine Oma hatte Humor. Das Leben hatte es nicht immer leicht gemeint mit ihr. Sie wuchs auf einem Bauernhof im Schwarzwald auf und hatte viele Geschwister. Schon als Kind musste sie hart arbeiten. Dann brannte eines Nachts der gesamte Hof ab. Von heute auf morgen stand die bäuerliche Großfamilie vor dem Nichts. Geld für einen Neubau war nicht da. Der Hof wurde aufgegeben. Nach und nach sind dann alle Schwestern und Brüder gestorben. Bis auf eine Schwester, die heute noch lebt, hat meine Oma sie alle überlebt. – Ihren Humor hat sie bis zum Schluss nicht verloren.
Meine Oma war fromm. Ihr christlicher Glaube gehörte einfach zu ihr wie ihr Humor. Dass Gott und Jesus – der Herrgott und Heiland, wie sie sagte – immer da sind und sie durchs Leben begleiten, war für sie völlig klar. Es war so selbstverständlich für sie wie Atmen. Umso mehr bewundere ich heute, wie entspannt sie mit ihrem Glauben umging. Sie war zwar fromm aber nie engstirnig.
Ich finde, Humor ist eine wunderbare Eigenschaft. Humor kann mich freimachen, weil ich mich selbst nicht immer bierernst nehmen muss. Und weil er mir sagt: du wirst sowieso nie alles wissen oder richtigmachen können. Also entspann dich mal ein bisschen! Es gibt so viel Humorlosigkeit, oft bei Menschen, die denken, dass sie besonders fromm oder religiös sind. Gerade denen wünsche ich manchmal mehr Humor. Denn er macht das Leben leichter und menschlicher.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengedanken SWR4 RP

15OKT2024
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Der Herbst ist da und der Sommer – endgültig vorbei. Das merke ich nicht nur an den vielen Schniefnasen um mich herum. Mit jedem neuen Tag bleibt es morgens ein Stück länger dunkel. Und auch abends: vor drei Wochen saßen wir noch draußen mit Freunden im Garten. Heute ist das kaum mehr vorstellbar.
Jedes Jahr wundere mich darüber, wie schnell ich mich innerlich auf neue Jahreszeiten einstelle. Gerade fühlt es sich so an, als wäre der Herbst schon ewig da gewesen. Und mit dem Winter, der bald vor der Türe steht, wird es mir nicht anders gehen. Jede Jahreszeit löst in meinem Inneren offenbar ein natürliches Programm aus, das mich sehr zuverlässig auf die jeweilige Jahreszeit einstellt.
Irgendwie kann ich mich darauf verlassen, dass meine innere Uhr mit dem Rhythmus der Jahreszeiten zusammenpasst. Wenn das Wetter sich ändert, verändert sich auch mein Körper und mein Geist. Beide nehmen den neuen Rhythmus an. Das schöne dabei ist: ich muss dazu gar nichts tun. Es geschieht einfach so. Ich frage mich, warum schaffe ich das?
Mir zeigt das, wie sehr ich als Mensch mit der Natur verbunden bin. Trotz meiner komfortablen Lebenssituation, in der ich den Jahreszeiten nicht schutzlos ausgesetzt bin. Künstliches Licht, Heizungswärme, wetterfeste Gebäude, Kleidung usw. – das alles ist da und ermöglicht mir ein bequemes Leben. Und dennoch: der ganze Komfort ändert ja nichts daran, dass auch ich Natur bin. Dass jedes Atom in meinem Körper zuvor in anderen Organismen gewesen ist, sich jedes Molekül nach meinem Tod wieder neu verbinden wird. Dass der Schöpfer mich also aus der Natur genommen hat und mich wieder in sie zurückgeben wird. Eigentlich müsste ich deshalb sagen: wenn es draußen beginnt zu herbsten, beginne auch ich zu herbsten. Und darf mich schon jetzt darauf freuen, dass jeder Frühlingsanfang, mich wieder innerlich zum Blühen bringt.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengedanken SWR4 RP

14OKT2024
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Erster Schultag! Nach kurzer Zeit wollte mein Sohn seinen Schulweg schon allein gehen. „Nein, das ist doch noch zu früh!“ sag ich. „Lass uns dich doch noch eine Weile begleiten. Bald ist es dann so weit, und du kannst allein gehen.“
Doch mein sechsjähriger Sohn zeigt bereits echte Verhandlungshärte. Zwei Tage nur, dann will er allein gehen! Na gut, mit einem mulmigen Gefühl gebe ich nach. Und so kommt dann viel schneller als vorhergesehen der Tag, an dem er von der Haustür weg in Richtung Schule loszieht.
Schon länger versuche ich mich gedanklich auf diesen Tag einzustellen, um meinen Sohn dann ganz souverän gehenlassen zu können. Doch an diesem ersten Morgen fühlt sich das so gar nicht souverän an. Meine Magengegend bleibt taub und schmerzt. Es ist eben doch nicht alles Kopfsache im Leben. Als mein Sohn schließlich um die Ecke biegt und nicht mehr zu sehen ist, hilft auch mein Winken nichts mehr. Jetzt muss ich also wirklich lernen loszulassen.
Loslassen. Eigentlich klingt das ziemlich einfach. Einen Ball kann man leicht loslassen, er springt auf den Boden und wieder zurück in die Hand. Bei einer Glasflasche ist das schon komplizierter. Wenn ich loslasse, zerbricht die Flasche. Aber einen Menschen loszulassen – für mich eine echte Kunst. Denn ich überlasse ihn sich selbst und kann ihn nicht mehr beschützen. Andererseits: lasse ich nicht los, bleibt er abhängig von mir und das heißt unfrei. Das will ich auf keinen Fall!
Was sich in diesen ersten Tagen in mir abspielt, ist schwer in Worte zu fassen. Da ist meine Vernunft, die klar sagt: loslassen ist lebenswichtig! Da ist aber auch meine Gefühlswelt, die meinen Sohn am liebsten festhalten und beschützen möchte. – Ich weiß, dass es anderen Eltern genau so geht. –
Mir hilft da der Glaube ein bisschen weiter. Er verbindet beide Ebenen in mir: die Vernunft und die Gefühle. Und dieser Glaube sagt mir: übe loszulassen – jeden Tag -, weil du sicher sein darfst, dass Gott da ist, der dich und deinem Sohn begleitet. Das ist keine Garantie. Für mich aber ein echter Anker.

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SWR1 Anstöße sonn- und feiertags

13OKT2024
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In diesen Tagen kommen in Rom viele Frauen und Männer aus aller Welt zusammen. Papst Franziskus hat dazu aufgerufen, sich zu treffen, um gemeinsam zu beraten, wie die katholische Kirche in Zukunft aussehen kann. Angesichts der Krise, in der die Kirche steckt, ist das auch dringend notwendig. Worum es Franziskus geht: die Kirche muss wieder lernen, auf die vielen verschiedenen Stimmen, die es in der Kirche gibt, zu hören.
Es gibt nämlich Gegenden auf dieser Welt, in der die Kirche wächst, zum Beispiel in Indien. Für einige Menschen dort bedeutet das sehr viel. Jungen Frauen zum Beispiel hilft die Kirche, selbstständiger zu werden. Besonders Menschen, die in unteren sozialen Schichten leben, machen engagierte Frauen und Männer der Kirche klar: ihr habt eine unantastbare Würde, die euch von Gott gegeben wurde. Das hat sozialen Sprengstoff. Denn überall auf der Welt profitieren einige Menschen davon, andere Menschen kleinzuhalten. Wo es der Kirche nun gelingt, Menschen klar zu machen, dass sie frei sind und bedingungslos von Gott geliebt, da kann wirklich etwas Gutes entstehen.
Natürlich heißt das nicht, dass damit alles gut ist. Wie oft schon hat sich die Kirche auf die Seite der Mächtigen geschlagen und alle anderen aus dem Blick verloren. Wie oft war sie selbst daran beteiligt, andere zu unterdrücken? Viel zu oft!
Was Franziskus in Rom versucht, ist gerade deshalb so wichtig. Zum ersten Mal sitzen Bischöfe aus aller Welt gemeinsam mit Frauen und Männern an runden Tischen und sprechen ganz offen miteinander. Das hat es so noch nie gegeben. Franziskus hofft, dass daraus etwas Neues entsteht: er nennt das eine synodale Kirche. Das heißt, dass alle in der Kirche dauerhaft und auf Augenhöhe aufeinander hören und voneinander lernen. Nicht nur jetzt in Rom. Sondern immer.
Wenn ich ehrlich bin, klingt das für mich zwar etwas zu schön um wahr zu sein. Aber dass dieser Weg in die richtige Richtung geht. Davon bin ich überzeugt.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengedanken SWR4 RP

13JUL2024
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Als ich noch ein Kind war, erzählte mir meine Tante oft die Geschichte von einem Kobold und einem geheimen Schatz. Ich bin im Schwarzwald großgeworden. Und manche Gegenden dort sind bis heute verwunschen und sagenumwoben. Die Geschichte meiner Tante spielte in der Nähe meines Dorfes. Für mich war diese Geschichte faszinierend, weil am Ende offenblieb, wo der Kobold seinen sagenumwobenen Schatz versteckt hatte. Mit Freunden ging ich danach auf Streifzüge durch die Wälder. Jeder Felsen oder jeder abgestorbene Baumstamm konnte auf das Versteck des Schatzes hindeuten. Und der Kobold musste auch dort irgendwo sein…

Wenn ich heute daran zurückdenke, muss ich schmunzeln. Wie fasziniert meine Freunde und ich von dieser Geschichte waren! Sie hat meine Fantasie angeregt. Und sie hat dazu beigetragen, dass wir tolle Abenteuer erleben konnten. Sie hat geschafft, was nur Geschichten schaffen können: wir haben die Welt um uns herum mit anderen Augen gesehen! Felsen im Wald wurden zu möglichen Verstecken für den Kobold-Schatz. Der Waldabschnitt vor uns konnte der Ort sein, an dem der Kobold heimlich lebte. Die Abdrücke – waren das vielleicht Koboldfußabdrücke? Durch diese Geschichte haben wir die Welt entdeckt. Die Geschichte hat uns ein kleines Stück ins Leben hineinbegleitet.

Heute werde ich regelrecht überschwemmt von Geschichten. Es wird viel Geld damit verdient, mir Dinge zu verkaufen, die in Geschichten verpackt sind. Manche wollen, dass ich extreme Parteien wähle oder Produkte kaufe, die ich nicht brauche. Und nicht jede Geschichte führt mich ins Leben hinein und macht mich neugierig auf die Welt und meine Mitmenschen. Ich denke, dass genau das die Bibel aber will: Geschichten erzählen, die mich ins Leben hineinführen und mich neugierig machen auf diese Welt, die immer neu entdeckt werden kann.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengedanken SWR4 RP

12JUL2024
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Das Achtelfinale zwischen Deutschland und Dänemark wird wahrscheinlich nicht aus sportlichen Gründen in die Geschichte eingehen. 30 Minuten nach dem Start des Spiels musste der Schiedsrichter das Spiel unterbrechen. Der Grund: ein heftiges Gewitter tobte über dem Stadion. Starkregen und Blitze trieben die Mannschaften in die Katakomben zurück. Auch die Zuschauer brachten sich in Sicherheit. 20 Minuten lang hat die Blitz-und-Donner-Pause gedauert.

Für 20 Minuten hatte die Naturgewalt die Regie übernommen. Kein Videoassistent, kein noch so gewiefter Moderator, noch nicht einmal die mächtige UEFA wäre in der Lage gewesen, daran irgendetwas zu ändern. Die sonst so Mächtigen waren plötzlich ohnmächtig.

Für mich war diese Gewitterpause während der Fußball-Europameisterschaft ein gutes Beispiel dafür, wie abhängig ich bin von der Natur. Ich kann sie mir zwar heute oft technisch vom Leib halten. Viel mehr als frühere Generationen das konnten. Ich lebe in einem robusten Haus, ich habe gute Kleidung und es gibt viele verlässliche Vorhersagen. Aber letztendlich bleibe ich von ihr abhängig. Das zeigt sich nicht nur, wenn ein Unwetter über mich hereinbricht. Denn es gibt ja nicht nur die Natur da draußen, sondern ich bin selbst Natur.  Meine eigene Natur wirkt oft leiser und lange unbemerkt. Das zeigt sich besonders daran, dass ich älter werde. Und Menschen, die krank sind, brauche ich nichts von der stillen Gewalt der Natur zu erzählen.

Die Gewalt des Gewitters beim Achtelfinale hat mir wieder einmal klargemacht: wir sind nicht die Herrscher auf Erden. Wir sind nur Geschöpfe. Auch wenn die Technik, die uns davor schützt, ein Segen sein kann – wir sind und bleiben verletzlich und im Angesicht der Kräfte der Natur oft erschreckend klein. Und deshalb bin ich dankbar für jeden Tag.

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