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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

17FEB2024
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Howard Carpendale ist der Held meiner Kindheit und frühen Jugend. Meine erste selbst gekaufte Kassette war von ihm. Vielleicht teilen Sie meine frühere Leidenschaft. Falls Sie aber kein Fan waren oder sind - kommt Ihnen meine Aussage vielleicht eher wie ein Geständnis oder gar eine Peinlichkeit vor.

Aber: Howard Carpendale war nicht nur der Held meiner Kindheit und Jugend, er hat mich im letzten Jahr auch in einem Zeitungsinterview ziemlich beeindruckt. Da ging es um Respekt. Um gesehen, wahrgenommen werden. Und darum, akzeptiert zu werden. Howard Carpendale hat in diesem Interview gesagt, dass er Respekt möchte.

Hintergrund der Geschichte war ein vorangegangenes Gespräch mit einem Journalisten, der eher erstaunt auf ein neueres Lied von Howard Carpendale reagiert hatte. Er war überrascht, weil das Lied ja politisch sei.

Carpendale zählte ihm darauf andere Lieder auf, die aus seiner Sicht politisch sind und die er schon früher veröffentlicht hat.  Und er hat nun im Interview erklärt, was ihn an dieser Situation geärgert hat: Der Interviewer hatte offensichtlich schlecht recherchiert.

Er hatte ein Bild von Howard Carpendale als Wohlfühl-Schlagersänger und zu diesem Bild passen keine politischen Aussagen oder gar komplexere Textzeilen. Das hat Howard Carpendale als respektlos empfunden. Und das kann ich gut verstehen.

Auch ich will gesehen, wahrgenommen werden von meinem Gegenüber und nicht nur als Klebefläche für das Abziehbild, dass der Mensch von mir hat, dienen. Das bedeutet Respekt haben vor anderen Menschen.

Sie wirklich ansehen in all ihrer Komplexität und auch Uneinheitlichkeit. Und dann eben nachfragen, wenn mich etwas irritiert, wenn mich eine Frage umtreibt. Ich kann nachfragen, wenn mich eine Aussage, ein Verhalten oder wie in diesem Fall ein Lied überrascht, bevor ich ein Urteil fälle. Der Journalist hätte fragen können: „Wie haben Sie das gemeint?“ Oder: „Wie kam es zu diesem Song?“ Damit hätte er Interesse gezeigt. Und Respekt.

Gesehen und wahrgenommen werden, ist ein Grundbedürfnis. In der Bibel heißt es dazu: „Du bist ein Gott, der mich sieht“. Oder anders: „Du bist ein Gott, der mich respektiert“. Eine bessere Beschreibung Gottes kann es gar nicht geben.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

16FEB2024
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Wissen Sie, manchmal wäre ich gerne frommer als ich es bin. Also fromm im Sinne von getragen sein von Ritualen und Spiritualität, eingebettet in die gefühlte Anwesenheit Gottes.

Leider ist es aber nicht immer so, oder sagen wir mal: eher selten. Vielleicht sind deshalb diese Momente auch so besonders. Etwas, was ich zum Beispiel immer wieder tue, ist die sogenannte Tageslosung lesen – ein zufällig von der Herrenhuter Brüdergemeine ausgewählter Bibelvers.

Für heute ist es ein Satz aus Psalm 90: „Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden“. Dieser Vers rührt mich immer ganz besonders tief an. „Auf dass wir klug werden…“ Nicht: auf, dass wir klein, demütig oder ängstlich werden. Nein: Auf, dass wir klug werden.  Das Wissen um die Endlichkeit, um das Ende des Lebens, des eigenen und das der anderen, soll uns klug machen.

In mir lösen die Worte zunächst immer ein Gefühl von Trauer aus. Aber diese Traurigkeit regt mich auch zum Denken, zum Suchen an. Ich frage mich, was mir wichtig ist, womit ich meine begrenzte Zeit verbringen will, wen ich um mich haben möchte und mit wem ich diese uns und mir geschenkte Zeit verbringen möchte. Während die Gedanken kreisen, bewege ich mich dann zwischen Melancholie und Euphorie. Melancholie, weil da eben der Gedanke an mögliche Abschiede ist, aber auch Euphorie, weil ich sehe, was mir geschenkt ist, wofür ich dankbar sein kann.

Ich finde das Ergebnis dieser Überlegungen und Gedanken immer bemerkenswert – dieses Bedenken, dass man sterben muss, ist wie ein Kompass. – Es richtet mich für eine Weile in meinem Leben wieder neu aus. Ich achte mehr auf die Mitmenschen und die Zeit, gestalte Beziehungen bewusster und mache auch so manche Dummheit nicht.

Dann fühle ich mich auch Gott näher und in seine Anwesenheit eingebettet. Ja, wahrscheinlich ist es das, was mit klug gemeint ist. Sich der Endlichkeit bewusst, dem Leben und den Menschen zuzuwenden, getragen von Gott. Das ist klug.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

15FEB2024
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Immer wieder begegnen mir Worte, die mir durch Mark und Bein gehen, weil sie soviel an Erfahrung, Wunsch und Wirklichkeit transportieren. Lebenssatt ist so ein Wort. Lebenssatt. Vor kurzem gesagt von einem prominenten Menschen – anlässlich seines achtzigsten Geburtstags.

Lebenssatt als ein Zustand der Zufriedenheit mit sich, der Welt und dem Leben. Gesättigt, wohlgenährt und zufrieden schwingt da für mich mit. Wenn man so auf das Leben blicken kann, ist das ein Geschenk und alles weitere Bonus oder eine Extrarunde.

Das Wort ist deshalb so schön, weil es nicht bedeutet, dass man das Leben satthat, sondern das Gegenteil ist der Fall: Das Leben hat einen gesättigt. Der Appetit ist gestillt. Wenn es ums Essen geht, heißt das, der Bauch ist gut gefüllt, man fühlt sich vielleicht warm, wohlig und auf jeden Fall satt. Das bedeutet nicht, dass man nie wieder etwas essen möchte – aber gerade ist es einfach gut so, wie es ist.

Ich frage mich, ob man diesen Zustand auch erreichen kann, wenn man noch keine achtzig Jahre alt ist. Wenn man vielleicht eigentlich mitten im Leben steht, dieses Leben aber nicht so verläuft, wie man sich das erhofft hat. Z.B. weil man schwer krank ist.  Kann man dann – in diesem Sinne – sagen, dass man lebenssatt ist? 

Bei Anke habe ich das erlebt. Früh hat sie in ihrem Leben die erste Krebsdiagnose bekommen. Und mit Anfang vierzig gab es dann keine Hoffnung mehr.  Wir haben viel zusammen geweint, geklagt und mit Gott gehadert.

Bei einem unserem letzten Treffen war sie ganz aufgeräumt. Sie war bereit zu gehen, auch wenn sie nicht wusste, warum es so sein sollte. Dennoch hat sie zu mir gesagt: „Ich habe in den letzten Wochen nochmal an alles gedacht, was mir lieb und wichtig war in meinem Leben – ich konnte sehen, wie reich mein Leben war, auch in der Kürze. Ich bin lebenssatt. Ich habe das Leben nicht satt – das sicher nicht – aber ich hatte bis hierher ein reiches, sättigendes Leben. Wenn ich nun gehen soll, dann finde ich das richtig doof, aber ich hoffe mal auf eine Fortsetzung. Dann sehen wir uns wieder. Bei Gott.“

Ich bin in Tränen ausgebrochen – und ich hoffe, dass es so sein wird, dass wir uns wiedersehen werden, nachdem auch ich – lebenssatt in Ankes Sinne, zu Gott gegangen bin.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

14FEB2024
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Die größten Schätze findet man nicht – man bekommt sie geschenkt. Wie wahr dieser Satz ist, den man vielleicht von Kalenderblättern kennt, habe ich selbst erlebt. Und zwar mit Engeln.

Meine Großmutter war eine toughe Frau aus Ostpreußen. Auf der Flucht nach dem 2. Weltkrieg hat es sie in die Pfalz verschlagen.

Sie ist überzeugt gewesen, dass ein Engel sie in Ihrem Leben begleitet und geschützt hat. Wenn es besonders schwierig gewesen war oder wenn das Schicksal unbarmherzig zugeschlagen hat, dann war sie sich sicher, dass der Engel auf ihrer Schulter ihr geholfen hat. Es war ihr im Rückblick immer sehr wichtig, dass der Engel den Unterschied gemacht hat – nicht der Zufall oder einfach Glück.

Mich hat das schon als Kind immer etwas irritiert. Ich hatte es nicht so mit Engeln. Aber meine Oma war für mich eine Autorität und wenn sie sagte, dass ihr da ihr Engel geholfen hat, dann habe ich das nicht in Frage gestellt.

Im Laufe der Jahre hat sie als Engel-Fan immer Engel geschenkt bekommen. Figuren, Bilder, usw. Für mich passte das nie so richtig zu ihr. Aber ihr waren diese Engel wertvoll und wichtig. Noch wichtiger aber waren ihr die Geschichten, die sie mit „ihrem“ Engel verbunden hat.

Gegen Ende ihres Lebens hatte sie dann viele der Engelgeschichten vergessen. Ihr verschmitztes und dennoch so überzeugtes „da hat mir mein Engel geholfen“ wurde seltener. Dafür war das Gefühl, ja die Gewissheit getragen und begleitet zu sein, stärker spürbar.

Als meine Oma gestorben ist, war ich mir – trotz meiner Engel-Skepsis - sicher, dass ihr Engel sie mitgenommen hat. Diese Vorstellung war tröstlich für mich – denn ich hatte doch irgendwie das Gefühl, dass mit ihr auch mein Engel mich verlassen hat. Mir ist bewusst geworden, dass sie für mich eine Art Engel gewesen ist, der mich über all die Jahrzehnte, durch all die Widerfahrnisse meines Lebens, begleitet hat.

Meine Oma ist nun schon einige Zeit lang bei Gott, aber ich habe immer wieder das Gefühl, dass ihr Engel jetzt auch nach mir schaut.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

13FEB2024
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Manchmal weiß ich nicht, ob ich Lachen oder Weinen soll. Weinen, weil ich als Pfarrer bedauere, dass es immer mehr Menschen gibt, die mit Kirche und Glauben so wenig oder nichts anfangen können. Dadurch gehen nicht nur Wissen und Tradition verloren, sondern auch ein Schatz und Anker in der Zeit und bei allem, was einem im Leben passiert. Und Lachen, weil es so manchmal zu lustigen Begebenheiten kommt.

Zum Beispiel beim Thema „Engel“. Für manche mag der Glaube an sie kitschig sein und fragwürdig. Aber für andere ist er heilsam und stützend. Aber was ist, wenn ich „Engel“ gar nicht kenne? 

Dann ergeben sich auch lustige Begebenheiten, die einen schmunzeln lassen. Ich hatte da vor Kurzem ein verblüffendes Erlebnis: letztes Jahr an Heiligabend beim Krippenspiel hab ich in der Nähe eines kleinen Jungen gesessen.

Das Schauspiel nahm seinen Lauf, Maria und Josef, Hirten und Schafe, alles was dazu gehört. Und eben auch Engel. Deutlich erkennbar, in Weiß und Gold gekleidet, mit Flügeln auf dem Rücken. Plötzlich hat der Junge neben mir geflüstert: „Mama, die Schmetterlingsmenschen da bei den Hirten und Schafen sind toll – die beschützen Sie und nehmen Ihnen alle Angst weg, da allein auf dem Feld.“

Schmetterlingsmenschen – ich musste mich zusammenreißen, um nicht loszulachen. Und gleichzeitig war ich irgendwie gerührt. Für diesen kleinen Jungen waren die Engel mit ihren Flügeln „Schmetterlingsmenschen“ – aber klar war: Sie schützen und stärken!

Eigentlich eine schöne Idee. Schmetterlinge sind für viele Menschen ein Symbol für die Auferstehung. Etliche Geschichten nehmen die Verwandlung der Raupe in einen Schmetterling als Sinnbild für Tod und Auferstehung. Für den Übergang von einem Zustand der Existenz hier in diesem Leben, in einen anderen Zustand der Existenz bei Gott.

Ob dies dem kleinen Jungen klar war, wage ich zu bezweifeln. Aber ich hoffe, dass ihn Schmetterlingsmenschen auf seinem Weg durch das Leben und darüber hinaus schützen und begleiten.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

12FEB2024
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„Engelsgleich“ – das sage ich manchmal ironisch zu meinen Kindern, wenn Sie mal wieder wie eine Elefantenherde die Treppen runtertrampeln.

Aber woher weiß ich eigentlich, wie das wohl Engel machen würden? Ich habe kein klares Bild von Engeln in meinem Kopf, aber irgendwie bin ich mir sicher, dass Engel nicht stampfen und trampeln würden. Dabei habe ich noch keinen Engel in meinem Leben gesehen. Zumindest keinen, wie wir sie uns oft vorstellen. Mit weißem Gewand und Flügeln und so. Ich weiß nicht, ob Engel groß oder klein, dick oder dünn, ob sie Flügel und einen Heiligenschein haben oder ob sie schweben oder trampeln.

Was ich aber schon oft erlebt habe, ist, dass mir andere Menschen zu Engeln geworden sind. Sie waren da in Situationen, in denen ich sie nicht erwartet hätte, sie aber brauchte.

Als einer meiner Söhne schwer krank war und ich mit ihm im Krankenhaus war – da kamen zwei Engel zu mir. So habe ich es erlebt. Es waren zwei Menschen aus der Kirchengemeinde, die mich im Krankenhaus besucht haben. Dadurch wurden Sie in diesem Augenblick irgendwie zu Engeln für mich.

Unerwartet, einfach da, für eine kurze Zeit Begleitung und dann wieder in den Hintergrund getreten. Vielleicht kennen Sie das auch – Menschen, die einem in wichtigen – manchmal sehr kurzen Augenblicken – zu Engeln werden. Mal weisen sie einem nur den Weg, mal helfen sie einem in einer sehr schwierigen Situation.

Und auch wenn meine Kinder nicht engelsgleich die Treppen hinunterschweben, so sind sie für mich doch immer wieder meine Engel.

Ich hoffe einerseits, dass auch sie immer wieder Menschen begegnen, die ihnen zu Engel werden. Ich hoffe andererseits aber auch, dass sie immer mal wieder für andere Menschen Engelsfunktionen haben können.

Und so sollen sie ruhig elefantengleich die Treppen herunter trampeln, wenn sie dann engelsgleich den Menschen begegnen.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

30SEP2023
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Kirchliche Traditionen sind mir wichtig. Ich bin damit aufgewachsen und oft erlebe ich sie als Schatz und als Teil meiner kindlichen Erinnerung. Das Erntedankfest spielt dabei eine ganz besondere Rolle. In dem kleinen bäuerlichen Dorf meiner Kindheit und Jugend wurde der Altar mit vielem geschmückt, was Feld, Sträucher und Bäume in der Herbstzeit zu bieten haben. Für mich war diese Jahreszeit im Dorf eine der schönsten Zeiten im Jahr. Wenn die anderen Kinder und ich durch die Wiesen gestreunert sind, haben wir uns an roten Äpfeln und reifen Birnen satt gegessen und wenn wir Lust hatten, konnten wir den Bauern helfen bei der Ernte oder beim Heu machen. So - vielleicht ein kleines bisschen verklärt - erinnere ich mich an meinen Herbst in Jugendtagen.

Das Erntedankfest steht vor der Tür. Bei dem Gedanken daran wird mir warm ums Herz. Wenn ich dann in die Kirche gehe merke ich, wie gut mir Danken tut. Egal, wie ich mich gerade fühle, wie stressig die Zeit ist oder wie gut oder auch wie blöd es im Job läuft.

Selbst in einer Zeit, die mit viel Trauer und Verlust verbunden war, stellt sich das kleine Gefühl des Dankes ein. Wenn ich sehe, wie mein Leben bisher verlief, wenn ich schaue, was es in meinem Leben alles gibt, wofür ich dankbar sein kann, fühlt sich mein Herz ganz warm an.
Dieses Gefühl der Dankbarkeit kann entstehen, weil ich auf mich und mein Leben schaue - ungeachtet dessen, was andere haben oder können.   Wenn ich an meine Freunde und meine Familie denke – an das Leben das mich umgibt – dafür bin ich dankbar.

Auch der bewusste Blick an Erntedank auf das zurückliegende Jahr, auf die Ernte des Jahres, auf das was ich erlebt und auch durchlebt habe, was ich überstanden und genossen habe - der Blick auf die Ernte des Jahres schafft Gelassenheit, genährt aus dem warmen Gefühl des Dankens.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

29SEP2023
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Dass Sabine und Wolfgang als Paar eine schwierige Zeit durchmachen, konnte man sehen, hören und auch deutlich fühlen. Aber es war eigentlich wie so oft im Freundeskreis – man hat es wahrgenommen, sich zurückgehalten und abgewartet – was sollte man auch tun.

Dann kam dieser eine Abend: Wir sitzen zu sechst zusammen – drei Paare -, essen Fondue. Irgendwann fängt irgendjemand an von früheren Treffen zu erzählen, von gemeinsamen Essen, Umzugsaktionen usw.. Es kommt wie so oft eins zum anderen. Wir schwelgen in Erinnerungen. Ich finde solche Gespräche immer schön – zumal aus den Rückblicken ganz oft auch neue Ideen entstehen, was wir zusammen machen, gestalten oder erleben wollen.

An diesem Abend war es ein bisschen anders. Wir kommen von Stöckchen auf Hölzchen und dann merken wir vier Anderen, dass wir uns eigentlich allein unterhalten. Sabine und Wolfgang haben sich ausgeklinkt, sind in ihr eigenes Gespräch vertieft. Gerade weil wir wissen, dass es ihnen miteinander gerade nicht besonders gut geht, reden wir anderen vier weiter, als wäre nichts. Wir starten keinen Versuch, sie in unser Gespräch miteinzubeziehen.  Der Abend dauert lange. Ist schön. Beim Nachhausegehen sehe ich Wolfgang nach Sabines Hand greifen.

Das war vor vier Jahren. Vor kurzem, – wieder beim Fondue – spreche ich Wolfgang an, als wir beide alleine in der Küche sind. Er erinnert sich auch genau an den Abend. Für ihn war es die Wende in ihrer Ehekrise An diesem Abend hatten er und Sabine plötzlich - durch die vielen guten Erinnerungen, die am Tisch präsent waren – auch wieder einen Blick für ihre gemeinsame Geschichte. Was sie schon alles Schönes gemeinsam erlebt, was sie Schwieriges zusammen durchgestanden haben.

Und es wurde ihnen bewusst, wie wertvoll sie in guten wie in schlechten Zeiten füreinander waren. Dieser gemeinsame Blick zurück hat ihnen die Kraft gegeben für den gemeinsamen Blick nach vorne! Dieser gemeinsame Blick zurück auf alte, bereits gegangene Wege, hat neue Wege eröffnet. Zueinander.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

28SEP2023
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Es schmerzt mich immer noch ein bisschen, wenn ich von Markus und Sandra erzähle. Beides liebenswerte, zugewandte Menschen – ein Traumpaar hatte man gesagt. Nach einigen Jahren waren die Traumkinder gekommen – ein Junge und ein Mädchen. Glückliche Familie. Wie im Film. Und plötzlich – die Trennung. Dann die Scheidung. Rosenkrieg, Sorgerechtsstreit inklusive – auch wie im Film.

Die Freundschaften haben sich sortiert und mein Kontakt mit Markus ist abgebrochen. Ich habe es bedauert. Noch Jahre später hat man bei Sandra die Trauer gespürt und die Frage nach dem „Warum“. Sie hat öfter gesagt: „Und plötzlich war die Hoffnung weg – es war hoffnungslos.“ Dieser Satz hat sich mir eingeprägt, weil ich damals spüren konnte, dass es wohl diesen einen Moment gab, in dem ihr klar wurde, dass die Ehe gescheitert war. Sie hat dann immer noch weitergesprochen und gesagt: „Es ist einfach keiner mehr auf den Anderen zugegangen.“ Und – hat sie hinzugefügt: „Gehe auf deinen Partner zu – immer – jeder Schritt ist ein Hoffnungsschimmer, egal wie schrecklich der Streit ist“.

Das hat mich berührt. Gänsehaut. Seither denke ich bei Konflikten und Streit oft an dieses Gespräch mit Sandra. Sicher hat Sie nicht gemeint, dass man bei jedem Streit nachgeben und zurückstecken soll   – das wäre zu einfach und glaube ich auch falsch.

Nein, bei allem Streit und Ärger, sich vielleicht eine Auszeit nehmen – fünf Minuten oder auch einen Tag - Abstand gewinnen und dann aber immer wieder einen Schritt ins Gespräch machen – sich nicht verschließen - das ist ein Hoffnungsschimmer. Ich denke dann auch an die Welt an das große Miteinander. Jeden Schritt, den man auf einen anderen Menschen zum Gespräch macht – ist ein Hoffnungsschimmer für die Welt.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

27SEP2023
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Die ersten Blätter sind gelb und rot gefärbt. Nicht nur in den Wäldern, auch an den Rebstöcken ist der Herbst besonders schön und eindrücklich. Da kann man die Fülle und das Glück des Herbstes voll empfinden. Es riecht ein wenig erdig und nach der Trockenheit des Sommers ist nun die Feuchtigkeit da. Obst, Gemüse, Wein duften, sind erntereif oder schon in den Keller und den Kühlhäusern gelagert.

Abends genieße ich momentan gerne die letzten Sonnenstrahlen des Tages mit einem Glas in der Hand. Beim Anblick des roten Sonnenuntergang am Horizont lasse ich die Gedanken schweifen und bewundere Gottes wundervolle Schöpfung. So oder so ähnlich sieht der perfekte Herbsttag für mich aus.

So oder so ähnlich finde ich – sollte auch der Herbst des Lebens sein. Die Früchte sind gewachsen und reif, die Ernte wird eingebracht und eingelagert zur Nutzung und zum Genuss. Nichts mehr müssen aber vieles können. Das ist für mich der Herbst des Lebens.

So sieht mein Freund Thomas das auch: Von turbulenten Zeiten in Familie und im Beruf kann er berichten – von Erfolgen aber auch von Niederlagen. Aber jetzt im Herbst des Lebens, sagt er: „Weißt du, ich weiß was ich kann und auch, was ich nicht kann. Ich sehe, was ich Gutes erreicht habe und lebe mit dem, was nicht gelungen ist. Ich muss mich nicht mehr beweisen oder messen nur um des Wettbewerbs, des Vergleichs willen.

Ich will das, was ich kann, sinnvoll einsetzen, will die Welt noch gestalten. Meine kleine Welt. Mit meinen Gaben. Und dabei meine Schwächen, die ich inzwischen ja auch gut kenne - vermeiden. Ich habe vieles in meinem Leben gelernt, so manchen Rückschlag eingesteckt, aber auch vieles erreicht. Nun darf ich die Ernte einfahren. Muss eigentlich nichts mehr, kann aber vieles. Das ist ein schönes, ein gutes Gefühl.“

Nichts mehr müssen aber vieles können. Das ist eine schöne Vorstellung vom Herbst des Lebens.

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