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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP
In manchen Ländern feiert man intensiv Geburtstag, in anderen eher den Namenstag. Heute dürfen alle feiern, die Lydia heißen. Lydia ist nicht nur – wie ich finde - ein schöner Name, er ist mir auch wichtig geworden, weil mich die Lydia, von der die Bibel erzählt, so beeindruckt.
Oft kommen Frauen ja eher zu kurz in der Geschichtsschreibung und auch in der Bibel. Ist eine Frau dann die Hauptperson in einer Geschichte, muss sie schon wirklich sehr großen Eindruck hinterlassen haben. So wie Lydia.
Sie ist eine Geschäftsfrau gewesen. Sie hat mit einem der wertvollsten Färbemittel der damaligen Zeit gehandelt: Purpur. Diesen Job zu haben, als Händlerin auch über die Region hinaus unterwegs zu sein, und sich durchzusetzen als Frau in der damaligen Zeit, das finde ich beeindruckend. Ich denke, sie ist eine faszinierende Person gewesen. Beschrieben wird sie als gottesfürchtig – also mit starker Haltung, ihr Wirken an Werten orientiert.
Ich bin froh, an solchen Namenstagen wie heute, an Menschen wie Lydia erinnert zu werden. Denn ich brauche Vorbilder. Lydia hat mit beiden Füßen im Leben und Geschäft gestanden. Sie hat ein Haus geleitet, was in damaliger Zeit eigentlich nur den Männern vorbehalten war. Ein Haus zu leiten hieß, Verantwortung zu übernehmen: für alle Familienmitglieder und die Angestellten.
Diese Lydia hat irgendwann beschlossen, Christin zu werden. Sie wollte den neuen Weg gehen, weil er für sie richtig und gut war. Und so hat sie sich taufen lassen. Zusammen mit allen, die zur Familie gehörten. Ein mutiger Schritt.
Heute ist ihr Namenstag. Lydia: Beispiel einer Unternehmerin mit Verantwortung, Liebe, Klarheit und Mut.
Ich wünsche Ihnen heute diesen Mut und diese Standhaftigkeit, gerne auch die Geschäftsfähigkeit von Lydia. Setzen Sie sie ein, beim Gestalten unserer Welt. Setzen Sie sie ein, für eine gute Welt, so dass auch unsere Enkel und die Enkel unserer Enkel, die Welt gut gestalten können!
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Heute spreche ich mal über das Schöne im Leben. Einfach den Blick wenden und schauen, was es noch so gibt außerhalb von schlechten Nachrichten und Katastrophenmeldungen. Nicht um das auszublenden oder zu ignorieren, sondern um die Gesamtheit – um alles in den Blick zu bekommen. In einer Zeitschrift habe ich vor kurzem über neue Forschungen gelesen. Sie zeigen, dass der Mensch sich gerade in schwierigen Zeiten für andere Menschen einsetzt und nicht nur an sich selbst denkt. Ich finde das schön. Es macht mir Mut.
Auch meine Großmutter hat mir viele Geschichten von ihrer Flucht erzählt, in denen es um Zusammenhalt in der Not geht. Um aufeinander aufpassen und einander unterstützen – zumindest bei denen, die gemeinsam in Not sind. Sie halten zusammen – auch wenn die Bauern nicht immer Milch geben oder geben konnten für die Neugeborenen. Oft haben alle nicht genug, aber dennoch gibt es immer wieder diejenigen, die von ihrem Wenigen etwas abgeben.
Wie gesagt: Ich will nicht die Augen verschließen vor der Welt und der Schlechtigkeit, die es auf Erden gibt – es tut mir nur in seiner Ausschließlichkeit nicht gut. Es zehrt an meiner Seele und setzt den Stachel des Egoismus in mein Herz. Nach dem Motto, wenn es eh dem Ende zu geht – dann muss ich schauen, dass es mir noch gut geht. Und das will ich nicht. Ich will leben und lieben, die Welt gestalten und enkeltauglich machen. In Gemeinschaft handeln und feiern und das in Frieden und Gerechtigkeit und nicht in Unterdrückung und Krieg.
Damit ich das kann und hoffnungsfroh bleibe, schaue ich bewusst immer wieder nach etwas Schönem am Tag, mal die Blumen auf dem Feld, mal der Kaffee mit einem Freund oder die Minuten der Ruhe beim Sonnenuntergang mit meiner Frau. Inseln des Friedens und der Harmonie. Zeiten, den Akku aufzutanken und den Glauben nicht zu verlieren, sondern um Kraft zu schöpfen, damit ich glaubensheiter und hoffnungsfroh die Welt zu einem besseren Platz gestalte. Ich hoffe für Sie, dass auch Sie solche Inseln des Schönen in Ihrem Leben haben, die Sie Hoffnung schöpfen lassen, damit wir gemeinsam die Welt friedlicher und enkeltauglich gestalten.
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Stellen Sie sich vor, Sie haben ein Kind, genauer eine Tochter. Vielleicht müssen Sie es sich nicht vorstellen, vielleicht haben Sie eine Tochter. Jedenfalls: Diese Tochter schreibt Tagebuch – jeden Tag schreibt sie das auf, was sie erlebt hat, was sie bewegt. Jahre später finden sie die Tagebücher Ihrer Tochter und Sie fangen an zu lesen. Irgendwann blättern Sie eine Seite um, und die nächste Seite ist leer.
Die Eintragungen hören plötzlich auf. So wäre es Morgen gewesen. Am 1. August 1944 – heute vor genau 80 Jahren - hat Anne Frank zum letzten Mal in ihr Tagebuch geschrieben. Die Seite für den 2. August ist leer. Weil Anne zusammen mit ihrer Familie und Freunden entdeckt wurde. Im Hinterhaus, in dem sie sich versteckt hatte, um nicht deportiert und getötet zu werden. Anne und die anderen waren Juden und wurden von den Nazis gesucht. Im Februar oder März 1945 ist Anne schließlich an den Folgen der Misshandlung durch die Nazis im KZ Bergen-Belsen gestorben.
Ich gebe zu, das ist harter Tobak am Morgen. Aber wichtig, damit sowas nie wieder passiert. Damit nie mehr Menschen verfolgt werden, aus welchen Gründen auch immer. Es gibt keine Gründe, die es rechtfertigen, Menschen die Menschenrechte abzuerkennen, Menschen zu ent-würdigen.
Und nun die gute Nachricht: Wir leben in einer Demokratie, die wir gestalten, die wir gemeinsam entwickeln, damit wir als Menschen gut zusammenleben. Deshalb dulden wir keine Gewalt, Hetze oder Verfolgung. Deshalb sprechen wir miteinander – auch bei ganz unterschiedlicher Meinung.
Und wir tun dies, damit unsere Welt Zukunft hat – damit wir Zukunft haben.
Hoffnung ist der Vorgeschmack, die Aussicht, der erste Geruch einer neuen Wirklichkeit. Ich persönlich habe Hoffnung, weil ich glauben kann. Hoffnung auf eine enkeltaugliche Welt, auf Frieden und Gerechtigkeit oder wie es in der Bibel heißt: Darauf, dass Wolf und Schaf zusammenleben.
Und was ist Ihre Hoffnung? Was lässt Sie sich einsetzen für Demokratie, Zusammenhalt und Zukunft?
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Ab und zu stöbere ich gerne im Internet, was an einem bestimmten Datum in den letzten Jahren, vor Jahrzehnten oder Jahrhunderten passiert ist. Dabei stoße ich immer wieder auf Interessantes, Skurriles, Erfreuliches. Aber natürlich gibt es auch das Gegenteil: Heute vor fast 100 Jahren z.B. wurde die NSDAP größte Fraktion im deutschen Reichstag. Und wir wissen, was folgte, wie schrecklich die folgenden Jahre waren – nicht nur für Deutschland.
Die Kriegsvorbereitungen haben begonnen, politisch und sozial unliebsame Menschen wurden verfolgt, gefoltert und getötet. Die Nazis haben außerdem über sechs Millionen Juden vernichtet. Hinzu kamen noch Sinti und Roma, Homosexuelle, Behinderte, Kommunisten und zig Millionen Menschen im Zweiten Weltkrieg.
Alles hat begonnen mit einer schwachen Demokratie. Mit Wahlen, die von vielen nicht ernst genommen wurden. Dann die langsamen Veränderungen im politischen Diskurs, der öffentlichen Sprache bis hin zu ersten Übergriffen und Einschüchterungen von politischen Gegnern.
Ich stelle mir das wie einen schleichenden Prozess vor, bei dem man sich langsam gewöhnt: gewöhnt an die verschärfte rassistische und menschenverachtende Sprache. Daran, dass Politiker immer stärker geschützt werden müssen, weil sie häufiger Opfer von Gewalttaten werden. Man nimmt es zunächst vielleicht erschreckt wahr – aber dann kommt die nächste Nachricht, die nächste Herausforderung, die nächste Bedrängnis von Außen und irgendwie lernt man, damit zu leben.
Ich will nicht, dass es uns heute auch so ergeht. Ich habe Angst um unsere Demokratie, um unsere Gesellschaft, um unser Miteinander. Aber Angst ist kein guter Ratgeber. Anders als mein Glaube. Jesus hat gesagt: „Liebe Gott von ganzem Herzen und deinen Nächsten wie dich selbst“ Das gibt mir Hoffnung. Christinnen und Christen, die nach diesem Gebot Jesu leben, können andere Menschen nicht verfolgen, foltern und vernichten. In Deutschland gibt es allein in den sogenannten beiden großen Kirchen fast 40 Millionen Christinnen und Christen – dadurch sollte doch meine Angst vor einer neuen unmenschlichen Herrschaft in Deutschland weggewischt werden.
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„Herbie – der tolle Käfer“ Einer der Lieblingsfilme meiner Kindheit. Seitdem träume ich davon, mal einen Käfer zu fahren. Geschafft habe ich es tatsächlich bis heute nicht. Für mich ist der Käfer als Kind und Jugendlicher ein Ewigkeitsprodukt gewesen.
Ihn hat es – in meiner Erinnerung - schon immer gegeben. Er ist Hauptdarsteller in Filmen gewesen, wurde noch im 21. Jahrhundert hergestellt, aber nun nicht mehr.
Mittlerweile ist es 21 Jahre her, dass der letzte Käfer vom Band gelaufen ist. In Mexiko. Denn in Europa war die Produktion schon viele Jahre vorher eingestellt worden. Und damit ist der Käfer irgendwie für mich ein Sinnbild dafür, dass alles irgendwann endet.
Und das ist auch gut so. Denn wäre er ewig produziert worden, der Käfer – hätte er nicht zur Legende werden können. Nur dadurch, dass er nicht mehr produziert wird, dass es ein Ende hatte und dass es dadurch immer weniger gibt, bleibt er weiterhin etwas Besonderes.
Immer wieder fällt mir auf, dass gerade die Endlichkeit etwas Wertvolles ist. Endlichkeit schafft Einmaligkeit, gibt vielem seinen Wert. Wenn alles immer und jederzeit zu erhalten, zu machen und zu wiederholen wäre, hätte es nicht diese Einmaligkeit.
Ich werde nie einen neuen Käfer besitzen oder fahren und ob es mir je gelingt, irgendwann mal in einem alten zu sitzen, ist nicht sicher. Denn auch meine Zeit ist begrenzt, ist endlich.
Sollte ich es aber tatsächlich irgendwann schaffen, wird es etwas ganz Besonderes sein, den Motor anzuwerfen und – wahrscheinlich ziemlich gemütlich - durch die Straßen zu fahren. Könnte ich das ständig wiederholen, wäre das „Besondere“ vermutlich bald weg.
Und deshalb versuche ich so auch die Zeiten mit Menschen zu sehen, selbst die Zeiten, die nicht so toll sind – als Momente, die nicht wieder kommen und deshalb wertvoll sind.
Und das treibt mich dazu, die Zeit, die einem bleibt, gut zu nutzen. Sie kommt nicht wieder und alles hat ein Ende. Und vielleicht kann ich ja mal in einem Käfer fahren zusammen mit Menschen, die mir wichtig sind – das wäre für mich eine Win-Win Situation.
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Bekannt ist er vor allem als Kinderbuchautor geworden: Emil und die Detektive, Das doppelte Lottchen oder auch Drei Männer im Schnee. Bücher, die Erich Kästner berühmt gemacht haben. Heute vor 50 Jahren ist er gestorben – aber sein Werk lebt.
Kästner selbst hat nicht nur gute Zeiten in seinem Leben gehabt. In der Nazi-Diktatur hat er der Verbrennung seiner Bücher zugesehen. Und hat vor der Frage gestanden: bleiben oder auswandern.
Wie es für Kästner wirklich war, wie er sich gefühlt hat, wie er die inneren Kämpfe für sich gelöst hat? Ich weiß es nicht. Aber dass es ihn beschäftigt hat, ist sicher. Sein Buch „Fabian – Geschichte eines Moralisten oder der Gang vor die Hunde“ macht das deutlich.
Ich habe mich schon oft gefragt, wie ich mich damals verhalten hätte in der Nazi-Diktatur. Wäre ich geblieben oder gegangen? Wäre ich im Widerstand gewesen? Hätte ich weggesehen? Oder hätte ich mitgemacht oder gar die Unmenschlichkeit vorangetrieben.
Fragen die mich sehr persönlich treffen: Wer bin ich – wirklich? Wie stark ist meine Haltung? Was ist mir wichtiger: mein eigenes Wohlergehen oder das aller? Würde ich gehen oder bleiben? Wäre ich bereit, wenn ich nicht kämpfe – dann mein Land zu verlassen. Alles Fragen nach meiner Haltung, nach meinem christlichen Glauben.
Gehen oder bleiben? Was tun, wenn das Klima rauer wird? Wenn die Falschen an der Macht sind, wenn die christlichen Werte unter Druck geraten? Was tun, wenn Bücher verbrannt, Menschen verfolgt, verraten, remigriert oder vernichtet werden?
Gehen oder bleiben? Hinsehen oder wegducken? Fragen eines Moralisten – um es mit Erich Kästner zu sagen. Aber auch Fragen an jede Christin und jeden Christen.
„Liebe Gott und liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ D.h. für mich: Bleibe in enger Beziehung zu Gott, gestalte deine Beziehung zum Nächsten liebevoll und achte dabei auch auf Dich.
Gehen oder Bleiben? Hinsehen oder Wegducken? Ich muss als christlicher Mensch entscheiden. Gehen oder Verändern – wie halten Sie es?
https://www.kirche-im-swr.de/?m=40402SWR1 Anstöße sonn- und feiertags
Heute vor 73 Jahren hat sich die Welt verändert. Am 28. Juli 1951 wurde das „Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge“ verabschiedet. Besser bekannt als, „Genfer Flüchtlingskonvention“. Dieses Dokument, das auch von Deutschland unterzeichnet wurde, garantiert Flüchtlingen ihre Rechte.
Für mich wird in der Genfer Flüchtlingskonvention Nächstenliebe konkret. Nächstenliebe, wie Jesus sie gemeint hat. Nochmal so richtig deutlich geworden, ist mir dies letztens mitten in der Nacht. Bei einer langen und lebhaften Diskussion mit meinem Sportkollegen Georg.
Auf der einen Seite der Gedanke: „eigentlich müsste man doch als Christ gut und selbstlos handeln“. Auf der anderen Seite dann aber die Frage, ob es vielleicht auch ein Zuviel des Guten gibt. Ob es sein kann, dass ein Land irgendwann an seine Grenzen kommt, dass der Zusammenhalt gefährdet ist. Es ging hin und her – so wie es am Stammtisch eben zugeht.
Irgendwann hat Georg dann gemeint: „Seien wir ehrlich, was wir hier machen ist genau das, was die Schriftgelehrten, die Theologen zur Zeit Jesu gemacht haben. Wir diskutieren nur rum, um uns zu schützen.
Sie haben damals auch das Interesse gehabt, gut zu handeln und zu leben, um dann nach dem Tod zu Gott zu kommen. Und um diese Spannung auszuhalten, mussten sie genau schauen, was richtig und falsch ist, wann sie sich wirklich um die Anderen, um den Nächsten kümmern sollten und wann es nicht ihre Verantwortung sei.“
Zu diesem Zeitpunkt war mir noch nicht ganz klar, worauf das hinausläuft – aber dann hat Georg weitergesprochen: Weißt du, als Jesus gefragt wurde „Wer ist mein Nächster“ hat er ja mit einer Geschichte geantwortet, der Geschichte vom barmherzigen Samariter. Der Samariter, ein Ausländer im Land Jesu, nicht wirklich gut angesehen, hat einem Verletzten und Ausgeraubten einfach geholfen. Er hat das Elend und Leid gesehen und ist nicht vorbeigelaufen wie die anderen vor ihm.
Er hat nicht die Frage nach Verantwortung, Regeln oder Geld gestellt. Er hat nicht seine Bedürfnisse über andere gestellt, sondern er hat einfach geholfen. So muss es sein. Für mich, dich, Deutschland und alle anderen.
Ich finde: da hat Georg recht und deshalb erinnert mich der Tag heute ganz besonders an die Nächstenliebe, zu der Jesus uns aufgerufen hat.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=40401Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP
„Von jetzt auf gleich war alles anders.“ Wenn ich diesen Satz in Trauer- oder Seelsorgegesprächen höre, geht er mir immer sehr nahe. Das Klingeln an der Tür und Polizei und Pfarrerin überbringen die Todesnachricht. Der Abschied für immer von der Familie und Freunde, um auf die Flucht zu gehen, ob damals aus der DDR oder heute aus Syrien - ohne Rückkehr. Die Gewissheit, dass ein geliebter Mensch gestorben ist. Die Trennung, die für die eine Person aus dem Nichts kommt.
Momente im Leben, die alles auf den Kopf stellen. Momente der totalen Veränderung. Momente, die einem den Boden unter den Füßen wegziehen. Momente, ab denen nichts mehr ist, wie es war. Sie sind schrecklich und grausam. Und oft fragen Menschen sich, wie es weitergehen, wie sie weiterleben sollen.
In Seelsorgegesprächen ist dies meist ein ganz besonderer Moment. Ich spüre die Bodenlosigkeit, die Angst, in dieses Loch zu stürzen und darin gefangen zu bleiben. Einsam. Verlassen. Unverstanden.
Mir kommen dann oft die Worte in den Sinn, die Jesus kurz vor seinem Tod am Kreuz gesprochen hat: „Mein Gott, mein Gott warum hast du mich verlassen“ – Dieser Satz – Ein Zitat aus Psalm 22 - bringt für mich diesen Moment des totalen Verlassenseins von Gott und der Welt auf besondere Weise zum Ausdruck.
Momente, die einem den Boden unter den Füßen wegziehen, sind kaum zu ertragen. Das weiß auch der Gott, der da am Kreuz hing.
Manchmal gelingt es in solchen Seelsorgegesprächen auch darüber zu sprechen. Über dieses Gefühl der Verlassenheit, das auch Jesus erlebt hat.
Und manchmal – nicht immer - gibt es den Augenblick, in dem sich dann das Gespräch weitet. Indem der Blick über den Tod hinausgeht. Indem der Blick von der Verlassenheit am Kreuz, der Verlassenheit in diesen Momenten der Bodenlosigkeit weiter geht – bis zur Auferstehung. Nicht „nur“ am Ende aller Tage. Auch zu einer möglichen Auferstehung mitten im Leben. Wenn dieser Moment in einem Gespräch erscheint, danke ich innerlich Gott.
Diese Momente der Auferstehung wünsche ich allen Menschen, die den Moment der Bodenlosigkeit erlitten haben.
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„In der Ruhe liegt die Kraft.“ Oh, wie habe ich es gehasst, wenn meine Großmutter diese Worte zu mir gesagt hat.
Inzwischen kann ich den Satz besser verstehen. Rückblickend muss ich ja auch zugeben, dass sie ihn immer in Momenten gesagt hat, in denen ich ziemlich hektisch war. Manchmal gar panisch. Der Satz ist immer dann gefallen, wenn ich entweder ganz begeistert losgelegt habe, voller Energie, enthusiastisch, aber auch planlos. Oder sie hat ihn gesagt, wenn ich panisch war, weil ich etwas vergessen oder falsch gemacht hatte, wenn zum Beispiel für die Schule noch schnell eine Hausaufgabe gezaubert werden musste.
In solchen Momenten hat mich meine Großmutter dann unterbrochen: „In der Ruhe liegt die Kraft.“ Ich denke heute viel an sie, mein „Ich“ aus Kinderzeiten hat eben doch noch ganz schön viel mit dem erwachsenen „Ich“ zu tun. Auch heute kenne ich die Begeisterung, lege manchmal los, ohne groß nachzudenken. Mittlerweile geht zwar seltener etwas schief, meist habe ich sogar einen Plan und die Erfahrung tut das ihrige. Aber wenn etwas nicht so läuft, ich etwas vergessen habe, oder ich merke, da muss jetzt ganz schnell etwas passieren – dann ist es oft wie früher: hektisch und planlos. Dann höre ich die Stimme meiner Großmutter sagen: „In der Ruhe liegt die Kraft.“
Dieser Satz, manchmal ärgert er mich, weil er mich ausbremst. Aber meistens schleicht sich dann ein zweiter Satz in meine Gedanken, den ich schon lange sehr schätze: „Nur wer betet, erhält die notwendige Kraft.“
In Momenten der Panik, der Hektik oder Überforderung innezuhalten, zu beten ist klug, um aus dem Gebet zu Gott dann Kraft zu schöpfen für die Aufgabe, die vor mir liegt. Diesen Moment des Krafttankens, ordnen und einsortieren wünsche ich Ihnen heute auch bei Ihren Aufgaben, die vor Ihnen liegen. Denn so hat sich der Satz meiner Großmutter für mich verbunden mit meiner Bitte: Gott, Bitte lass mich zur Ruhe kommen. Denn: In der Ruhe liegt die Kraft.
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Meine Kollegin Tina ist ein wandelndes Stopp-Schild. Nein, kein Verkehrszeichen. Ich meine: Wenn sie ansetzt zum Sprechen, kommt fast immer ein Ja, ABER! Heißt ja mit anderen Worten: Stopp! Lass uns nochmal nachdenken…..
Sie können mir glauben: oft und ausgiebig habe ich mich darüber schon geärgert. Denn dieses gedankliche Stopp-Zeichen – das mag ich eigentlich nicht. Ich komme mir dann so ausgebremst vor.
Manchmal war ich sogar schon genervt, bevor ich zu einer Besprechung mit Tina gegangen bin. Spätestens aber wenn sie den Mund aufgemacht hat, habe ich mich dann geärgert.
Ich gebe es zu: Ein Teil des Problems lag durchaus bei mir. Aber mein Ärger – manchmal auch mein Frust war aufgrund der vielen Erfahrungen einfach da.
Bis zu dem Tag, an dem eine Kollegin zu mir gesagt hat: „Florian, Gott hat alle Menschen geschaffen und ich gehe davon aus, dass er sich dabei etwas gedacht hat. Vielleicht übersiehst du etwas bei all deinem Ärger.“
Das begleitet mich seither. Immer wenn es zu einem dieser nervigen Momente kommt, so einem Stopp-Moment, erinnere ich mich an diese Sätze. Ich atme durch und lasse mich auf das „Stopp“nein. Ich spreche mit Tina – oder wem auch immer - die Idee, das Anliegen, den Plan nochmal durch. Denke nochmal nach.
Mittlerweile kann ich so ein „Stopp“ besser annehmen. Ich sehe es als Chance, einen Augenblick innezuhalten, zu überlegen: ist das der richtige Weg?
Und ich kann zustimmen: Ja, Gott wird sich dabei etwas gedacht haben, Menschen wie Tina zu erschaffen, die mich zu einer Pause anhalten, zum Innehalten. Damit ich nochmal nachdenke, bevor ich dann weitermache. So oder so.
Inzwischen sehe ich Tina bei allen möglichen Gelegenheiten manchmal vor meinem geistigen Auge. Wie sie das Wort ergreift und zum Stopp-Schild wird. Und da hat Gott sicher recht – es ist wichtig, dass es solche Menschen gibt. Die sagen: Hey, denk nochmal nach! Und sei offen dafür, deinen Plan auch nochmal zu ändern. Gott wird sich ja hoffentlich auch etwas dabei gedacht haben, als er mich erschaffen hat.
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