Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

15FEB2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Immer wieder begegnen mir Worte, die mir durch Mark und Bein gehen, weil sie soviel an Erfahrung, Wunsch und Wirklichkeit transportieren. Lebenssatt ist so ein Wort. Lebenssatt. Vor kurzem gesagt von einem prominenten Menschen – anlässlich seines achtzigsten Geburtstags.

Lebenssatt als ein Zustand der Zufriedenheit mit sich, der Welt und dem Leben. Gesättigt, wohlgenährt und zufrieden schwingt da für mich mit. Wenn man so auf das Leben blicken kann, ist das ein Geschenk und alles weitere Bonus oder eine Extrarunde.

Das Wort ist deshalb so schön, weil es nicht bedeutet, dass man das Leben satthat, sondern das Gegenteil ist der Fall: Das Leben hat einen gesättigt. Der Appetit ist gestillt. Wenn es ums Essen geht, heißt das, der Bauch ist gut gefüllt, man fühlt sich vielleicht warm, wohlig und auf jeden Fall satt. Das bedeutet nicht, dass man nie wieder etwas essen möchte – aber gerade ist es einfach gut so, wie es ist.

Ich frage mich, ob man diesen Zustand auch erreichen kann, wenn man noch keine achtzig Jahre alt ist. Wenn man vielleicht eigentlich mitten im Leben steht, dieses Leben aber nicht so verläuft, wie man sich das erhofft hat. Z.B. weil man schwer krank ist.  Kann man dann – in diesem Sinne – sagen, dass man lebenssatt ist? 

Bei Anke habe ich das erlebt. Früh hat sie in ihrem Leben die erste Krebsdiagnose bekommen. Und mit Anfang vierzig gab es dann keine Hoffnung mehr.  Wir haben viel zusammen geweint, geklagt und mit Gott gehadert.

Bei einem unserem letzten Treffen war sie ganz aufgeräumt. Sie war bereit zu gehen, auch wenn sie nicht wusste, warum es so sein sollte. Dennoch hat sie zu mir gesagt: „Ich habe in den letzten Wochen nochmal an alles gedacht, was mir lieb und wichtig war in meinem Leben – ich konnte sehen, wie reich mein Leben war, auch in der Kürze. Ich bin lebenssatt. Ich habe das Leben nicht satt – das sicher nicht – aber ich hatte bis hierher ein reiches, sättigendes Leben. Wenn ich nun gehen soll, dann finde ich das richtig doof, aber ich hoffe mal auf eine Fortsetzung. Dann sehen wir uns wieder. Bei Gott.“

Ich bin in Tränen ausgebrochen – und ich hoffe, dass es so sein wird, dass wir uns wiedersehen werden, nachdem auch ich – lebenssatt in Ankes Sinne, zu Gott gegangen bin.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39276
weiterlesen...