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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

13JUL2024
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Joachim – diesen Namen haben mir meine Eltern gegeben. Und es ist der gleiche Name, den auch mein Patenonkel hatte. Ich bin froh, dass ich nur diesen einen Namen habe. Weil er mich immer an meinen Patenonkel erinnert. Leider habe ich ihn nicht besonders lange gekannt.

Jedes Jahr erinnere ich mich an den Tag, an dem sich für mich, meine Eltern und meine Großeltern vor mittlerweile 57 Jahren das Leben schlagartig verändert. Ich bin damals fast 6 Jahre alt und kann es zuerst gar nicht verstehen, dass sich so viel ändert. Mein Patenonkel Joachim kommt mit 23 Jahren bei einem Autounfall ums Leben.

Er hatte den gleichen Vornamen wie ich, Joachim. Was lag da näher, meine Großmutter zu trösten mit dem Satz: „Du hast doch noch mich, noch einen Joachim.“

Erst viel später habe ich die wirkliche Tragweite verstehen können. Er war das jüngste Kind meiner Großeltern neben seinen zwei Schwestern. Meine Mutter war die älteste Schwester. 1943, also mitten im zweiten Weltkrieg, wird er in Elbing in der Nähe von Danzig geboren, heute ist es polnisch und heißt Elblag.

Er ist noch ganz klein, als meine Großmutter mit den drei Kindern flieht und einen der letzten Züge erreicht, die nach Berlin fahren. 1952 wird dann Kassel die neue Heimat, weil mein Großvater bei Henschel Arbeit im Lokomotivbau findet.

Das Gesellenstück von meinem Patenonkel, einen glänzenden Hammerkopf, habe ich heute noch auf meinem Schreibtisch liegen, eine schöne Erinnerung. Alles ist gut gegangen bis dahin. Und dann ein Autounfall in Trier, wo er bei der Bundeswehr war.

Zur Beerdigung durfte ich damals nicht mit, meine Eltern wollten uns Kinder noch ein wenig schützen vor der Erfahrung des Todes, aber irgendwie hat mir immer etwas gefehlt, der letzte Abschied. Sehr häufig sind wir an seinem Grab gewesen. Das gibt es jetzt schon lange nicht mehr. Gerne erinnere ich mich an ihn. Er hat mir zum Beispiel die Liebe zur Modelleisenbahn mitgegeben. Wenn ich meine Modelleisenbahn heute fahren lasse, erinnert es mich an ihn und ich frage mich, wie es gewesen wäre, wenn er heute noch leben würde. Er wäre jetzt 80 Jahre alt.

Mein Name erinnert mich bis heute an ihn.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

12JUL2024
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"Hallo, das darf doch jetzt nicht wahr sein. Da kommt mein Bruder nach Hause und mein Vater hat nichts Besseres zu tun, als ein Fest zu feiern. Weil er ihn heil zurückbekommen hat. Dabei hat der doch nur Mist gebaut.“

Vielleicht ahnen Sie es schon: Ich erzähle Ihnen gerade eine Geschichte aus der Bibel. Sie kennen sie unter dem Namen „Der verlorene Sohn“ oder auch „der barmherzige Vater“. Ich wähle heute nicht den Blick vom Vater oder dem verlorenen Sohn, sondern vom zweiten, älteren Sohn. Vermutlich ungewöhnlich, aber ich finde sehr aufschlussreich.

Während der jüngere Sohn sich das Erbteil auszahlen lässt, fortzieht und alles verprasst, um dann wieder zum Vater zurückzukommen und darum zu bitten, eine Anstellung zu bekommen, bleibt der ältere Sohn. Als der verlorene Sohn wieder zurückkommt, feiert der Vater ein großes Fest mit ihm, weil er ihn gesund wieder in die Arme schließt.

Der ältere Sohn hingegen will nicht mitfeiern. Er hat die ganze Zeit für den Vater gearbeitet, also alles richtig gemacht. So zumindest die landläufige Deutung.

Wenn ich die Perspektive zum älteren Sohn wechsele, stelle ich ziemlich schnell fest, dass der Vater zwar sagt: „Alles was mein ist, ist auch dein.“ Auch der ältere Sohn kann sich das Geld nehmen, um mit seinen Freunden ein Fest zu feiern. Vielleicht wünscht er sich aber, dass der Vater ihm mal etwas schenkt und ihm damit Achtsamkeit entgegenbringt. Ich kann mir auch vorstellen, dass er gerne mal was ganz anderes machen würde, so wie sein jüngerer Bruder. Aber er hatte nie den Mut dazu.

Manchmal ist es gut, die Perspektive zu wechseln. Auf relativ einfache Weise kann ich da einige Dinge neu erleben und erfahren.

Besonders bei Konflikten ist das ein Mittel, was gut zum Ziel führen kann, nämlich zu einem Kompromiss zu kommen, mit dem beide Parteien leben können. Mit einem Perspektivwechsel kann ich mich aus der Sicht des anderen in den Sachverhalt hineinversetzen und vielleicht spüren, dass das, was dem anderen wichtig ist, gar nicht so unannehmbar ist. Und ihn so besser verstehen.

So kann ich bei der Geschichte vom verlorenen Sohn feststellen, dass dieser ältere Sohn, der immer beim Vater bleibt, doch auch irgendwie verloren ist, nur auf eine ganz andere Art. Und auch er braucht die Hilfe und das gute Wort des Vaters.

Jetzt verstehe ich ihn noch viel besser. Und ich hoffe, dass der Vater auch ihn in die Arme nimmt und mit ihm feiert.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

11JUL2024
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Sie schießen wie Pilze aus dem Boden, Baustellen, überall in der Stadt. Bauarbeiter, die die Straße und die Bürgersteige aufreißen, um neue Rohre, Leitungen und Glasfaser zu verlegen. Lärm, Schmutz, schlechte Luft…

Muss das jetzt sein?

Muss das jetzt sein, denke ich auch, wenn mit einem neuen Projekt quasi eine „Baustelle“ auf meinem Arbeitsplatz Einzug hält, oder - wie vor eineinhalb Jahren – die sanitären Anlagen im Pfarrhaus umgebaut und erneuert werden mussten. Wäre es nicht noch ein bisschen so gegangen?, habe ich mich gefragt. Und die ehrliche Antwort ist: Nein!

Baustellen sind zwar nichts, wonach ich mich sehne. Denn Baustellen bringen eben Schmutz und Unordnung in den Tagesablauf.

Aber, Baustellen bringen auch etwas Neues. Wenn die Straße neu gebaut ist und es sich super darauf fahren lässt, bin ich richtig froh. Das neue Arbeitsprojekt entwickelt sich mittlerweile sehr gut. Und wenn ich ins Bad gehe, freue ich mich jedesmal, weil es einfach schön geworden ist. Ohne Baustelle wäre hier zumindest nichts besser geworden.

Gustav Heinemann, lange Jahre sehr aktiv in der evangelischen Kirche und von 1969 bis 1974 Bundespräsident, hat das einmal so in Worte gefasst: „Wer nichts verändern will, wird auch das verlieren, was er bewahren möchte.“

Meine Schwiegermutter hat nie lange gezögert. Wenn sie etwas neu machen wollte, dann hat sie geplant und es bald umgesetzt. Zu ihr in die Wohnung zu kommen hat manches Mal eine Überraschung gebracht.

Ich tue mir da oft viel schwerer und warte ewig ab. Und das, obwohl ich ahne, wie schön es hinterher sein wird. Aber da ist dieser innere Schweinehund, den es zu überwinden gilt. Ich schaffe es am besten, wenn ich einfach mal an einer Ecke anfange. Jetzt ist der Startpunkt gesetzt und das Ziel greifbar. Und wenn es fertig ist, bin ich glücklich und stolz auf mich selbst.

Baustellen kosten Zeit, schaffen Verdruss, fordern heraus.

Aber Baustellen bedeuten auch, ich mache mich und mein Umfeld fit für die Zukunft.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

10JUL2024
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Ich singe gerne, ich singe oft. Beim Singen komme ich auf andere Gedanken, dabei scheint manches viel fröhlicher. Das war schon zu meiner Grundschulzeit so. In unserem Klassenzimmer stand ein Flügel und unser Klassenlehrer forderte uns jeden Tag zu Beginn auf, uns drum herum zu stellen und dann haben wir gemeinsam gesungen. Da haben wir jeden Morgen unseren Spaß gehabt und sind so richtig wach geworden. Und aus unserer Klasse ist eine tolle Klassengemeinschaft geworden, das Singen hat uns zusammengeschweißt. Bis heute habe ich die Melodien im Kopf und von den meisten Liedern kann ich zumindest die erste Strophe immer noch auswendig.

Heute höre ich ganz oft von verschiedenen Menschen, dass sie nicht singen können. Aber beim Singen geht es erstmal nicht darum, jeden Ton zu treffen. Beim Singen geht es um so viel mehr, Gemeinschaft und Vertrauen. Und wenn ich mich traue, auch mal die schiefen Töne zu riskieren, dann kann einiges passieren.

In einem Lied von Johann Gottfried Seume aus dem Jahr 1804 heißt es in der ersten Strophe:

„Wo man singet, da lass dich ruhig nieder,

ohne Furcht was man im Lande glaubt;

wo man singet, wird kein Mensch beraubt,

böse Menschen haben keine Lieder.“

Wenn Menschen miteinander singen, dann fühlen sie sich sicher. Ich finde, das ist ein interessanter Gedanke. Ich erinnere mich da sofort an Nachtwanderungen mit Kindern, bei denen sie lauthals singen. Da verschwindet die Angst vor der Dunkelheit schnell. Ältere Menschen singen gerne Volkslieder, weil sie den Text kennen und sich dabei sicher und weniger vergesslich fühlen.

Oder heute Abend im Halbfinale - bevors losgeht und die beiden Mannschaften und auch die Fans ihre Nationalhymne singen - sich nochmal voll konzentrieren, die Anspannung loslassen und sich so sicherer und mehr als Team fühlen.

Ich wünsche mir, dass Sie sich auch trauen zu singen. Das bringt so viel Freude und hebt die Stimmung. Probieren Sie es einfach mal. Singen Sie ein Lied mit, das im Radio gespielt wird und das sie kennen. Vielleicht können sie sich so Luft machen, wo ein Gedanke sonst immer drückt und sich so sicherer und stärker fühlen.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

09JUL2024
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Es grünt und blüht. Mittlerweile ist auch in Furtwangen im Schwarzwald der Sommer angekommen. Jeden Morgen weckt mich ein vielstimmiges Konzert aus Vogelkehlen.

Ein Paar Rotschwänzchen machen mir dabei eine besondere Freude. Jedes Jahr kommen sie wieder und suchen sich direkt unter dem Vordach vom Pfarrhaus einen Nistplatz.

Dort sind sie beschützt, sicher vor Unwetter und auch vor Katzen und anderen Tieren. Wenn ich ins Haus hinein oder hinaus gehe, verhalten sie sich ganz still und warten ab, bis ich wieder verschwunden bin. Es braucht schon eine Zeit, bis ich auch hinter der offenen Tür stehen kann und ganz still beobachte, was das Vogelpärchen so macht. Wenn ich den beiden so zuschaue, dann muss ich immer wieder an einen Psalm denken, der von Vögeln spricht, die ihr Nest im Haus Gottes haben. Es ist der Psalm 84 und dort heißt es: „Wie liebenswert ist deine Wohnung, Herr der Heerscharen. Auch der Sperling findet ein Haus und die Schwalbe ein Nest für ihre Jungen.“ In einem liebevollen Nest, zu Hause bei Gott – was für ein schönes Bild.

So wie die Vögel brauchen auch wir Menschen ein gutes und sicheres zu Hause. Wenn wir in unsere Welt hineinschauen und die Nachrichten hören, dann scheint aber alles gar nicht so sicher zu sein. Umso mehr sehnen wir uns dann nach Sicherheit. Manche fordern, doch endlich die Grenzen dicht zu machen und unliebsame Personen einfach auszuweisen – um sicherer und besser leben zu können. „Wir selbst sollen zuerst kommen“, lautet die Forderung. Aber die Parole „wir zuerst“, eint nicht wirklich, sondern spaltet eher, weil viele dabei auf der Strecke bleiben. Und so kann doch kein liebevolles Zuhause aussehen.

Unsere Welt ist näher zusammengerückt und was wir brauchen, das ist ein aufeinander zugehen und den Kontakt mit den anderen, damit wir auch wirklich zusammenwachsen. Das gibt Sicherheit! Denn Freunde können miteinander die Welt gestalten und sich gegenseitig behüten. Die Europameisterschaft, die ja gerade in Deutschland stattfindet, lässt uns das auch am Tag des ersten Halbfinales ganz praktisch erfahren. Feiern mit vielen Menschen aus vielen anderen Ländern. Und die sollen sich hier auch sicher und willkommen fühlen können, wie die Vögel im Nest unter meinem Pfarrhausdach.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

08JUL2024
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„Weihnachten komme ich wieder.“

Sage ich meinen Eltern, als ich von meiner Geburtsstadt Kassel nach Freiburg zum Studium fahre. Es ist der Sommer im Jahre 1984 und ich habe eine tolle Zeit vor mir, die viele neue Erfahrungen bringen wird. Für mich ist es ein wichtiger Schritt, um selbständig zu werden. 500 km weit weg von zu Hause. Ich kann nicht mal eben nach Kassel fahren.

Rückblickend weiß ich, dass es für meine Mutter eine Zeit war, die ihr auch etwas Angst gemacht hat. Mehrmals hat sie mich gefragt, ob ich nicht doch mal nach Hause kommen will. Sie ist ein Mensch gewesen, der gerne geklammert hat. Gerade deshalb habe ich diesen Abstand gebraucht. Telefoniert habe ich immer wieder mal mit ihr.

Es hat mir gut getan, und es hat auch ihr gut getan. Ich bin davon überzeugt, dass ich nur auf diese Weise frei und unabhängig werden konnte. Und es hat auch später im Leben immer wieder Situationen gegeben, in denen sie mich am liebsten wieder bei sich gehabt hätte. Mehrmals hatte ich das Gefühl, dass sie mir eigene Entscheidungen nicht zugetraut hat.

Mittlerweile bin nicht nur ich, sondern sind auch meine eigenen Kinder erwachsen. Sie haben sich ein eigenes Leben aufgebaut. Gerade wegen meiner eigenen Erfahrungen habe ich ihnen immer sehr viel Freiraum für eigene Entscheidungen gelassen. Und ich spüre ihre Dankbarkeit dafür.

Ich bin davon überzeugt, dass sich in solchen Entscheidungssituationen zeigt, ob ich bereit bin, meine Kinder frei und selbständig werden zu lassen. Das ist manchmal schwer und tut auch ein bisschen weh. Aber schon bei der Geburt der Kinder müssen sich Eltern im Klaren sein, dass die Kinder im Lauf der Zeit ein eigenes Leben haben werden.

Lange schon ist mir ein Spruch von Khalil Gibran im Sinn: „Solange deine Kinder klein sind, gib ihnen Wurzeln, wenn sie größer werden, schenk ihnen Flügel.“ Und ich möchte es sogar noch verstärken: Kräftige Wurzeln und tragfähige Flügel.

Ich freue mich, dass meine Kinder alleine weit fliegen und ich bin stolz, dass sie so kräftige Wurzeln haben und wissen, dass sie egal wann und wo und warum bei mir Halt finden, wann immer sie es brauchen.

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SWR4 Abendgedanken

12APR2024
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„Geht hin, ihr seid gesendet“. Mich begeistert dieser kurze Satz immer wieder. Das ist früher das Ende jedes Gottesdienstes gewesen: „Ite, missa est.“ Und das heißt: „Geht, seid gesendet!“ Mit diesen Worten hat auch Jesus selbst seine Schülerinnen und Schüler hinaus in die Welt gesendet. Sie sollen das, was sie von Jesus gelernt und erfahren haben, nicht für sich behalten. Sie sollen es weitergeben, andere davon begeistern.

Ich erinnere mich noch gut an meine Ausbildungs- und Studienzeit. Da habe ich viel gelernt. Und mit dem Abschluss habe ich dann die Aufgabe bekommen, es nicht für mich zu behalten, was ich gelernt habe. „Geh, du bist gesendet!“ Vielleicht denken Sie jetzt, na klar, der ist ja Pfarrer geworden, da muss er das ja auch. Ich bin davon überzeugt, dass das für die meisten Berufe gilt. Und je freudiger sich Menschen auf den Weg machen, desto besser werden sie den Draht zu den Menschen finden, denen sie gerade begegnen.

Sicher, es gibt immer wieder Situationen, wo das nicht so gut gelingt. Da hören die anderen gar nicht zu. Haben so viel anderes zu tun, dass sie sich gar nicht die Zeit nehmen. Oder lehnen sogar ganz ab. Das kann ziemlich entmutigen.

Da braucht es Mut und Zuversicht, weiterzumachen und nicht aufzugeben. Vielleicht mit anderen zusammen. Gemeinsam lassen sich Rückschläge leichter verarbeiten.

Jesus weiß das. Deshalb hat er seine Jüngerinnen und Jünger mindestens zu zweit auf den Weg geschickt. Und er hat ihnen eine Zusage mit auf den Weg gegeben: Wo zwei oder drei in meinem Namen zusammen sind, da bin ich mitten unter ihnen. Das gibt Mut und Kraft auch in katastrophalen Zeiten, die wohl zu unserem Leben dazugehören. Ich glaube fest daran: Jesus legt auf diesem Weg jedem die Hände auf die Schultern und sagt leise: Du bist nicht allein, du bist geliebt. Halte durch.

Jesus sendet uns, jeden Tag neu. Um den Menschen Hoffnung zu bringen, wenn sie nicht mehr weiterwissen. Eine Welt zu bauen, die innere Leere nicht mehr mit Geld oder Drogen ausgleicht. Eine Welt mit erfüllendem Miteinander, mit dem Einzigen, das unsere Sehnsucht wirklich stillen kann: gelebte Liebe.

Ich höre Jesus sagen: Leute, wir sind alle eins. Eins mit Gott und eins mit allen anderen hier. Macht keine Unterschiede zwischen den anderen Menschen und schon gar nicht untereinander. Bei euch soll es nicht so sein.

Und jetzt: macht euch auf die Socken. Geht hin, ihr seid gesendet.

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SWR4 Abendgedanken

11APR2024
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Hat das jetzt unbedingt sein müssen? Ich habe mich das schon oft gefragt, wenn Dinge passiert sind, die meine ganze Planung durcheinanderbringen. Es hätte doch so schön sein können.

Das haben sich die Jünger bestimmt auch gefragt, nachdem Jesus gestorben war. Er ist zwar auferstanden, das hat wieder Hoffnung gegeben. Aber trotzdem müssen die Jünger sich jetzt alleine auf den Weg machen. In der Bibel lese ich, wie sie zum Tempel gehen. Dort erzählen sie von Jesus. Und von Gott. Sie wissen, dass Jesus lebt. Das gibt ihnen Kraft, Mut und Zuversicht. Jeden Tag lassen sich tausende Menschen taufen. Begeistert sind sie. Was für eine wunderbare Ausstrahlung haben diese Jünger gehabt.

Den religiösen Führern und Priestern ist das suspekt. Sie fürchten, dass sie bald keine Bedeutung mehr haben könnten. Schließlich sehen sie sich als einzig wahre Hüter des Glaubens. Deshalb verbieten sie den Jüngern mit Strafen, diese Botschaft von Jesus weiter zu erzählen.

Aber die lassen sich nicht einschüchtern, und die Zahl der Begeisterten wächst weiter. Es heißt ja, nichts ist stärker als eine Idee, deren Zeit gekommen ist. Jesus ist nicht nur eine Idee, sie kennen ihn persönlich. Seine Botschaft heißt Liebe. Und diese Liebe ermöglicht Leben auf eine ganz neue Art, helfen und füreinander da sein. Das spüren die Menschen und wollen auch so leben.

Deshalb versuchen die religiösen Führer, die Jünger und Anhänger Jesu zu verfolgen, sie ins Gefängnis zu bringen, zu foltern und umzubringen. In der Hoffnung, die Angst vor solchen Mitteln stoppt die Botschaft Jesu.

In vielen Ländern unserer Erde, beherrscht von autoritären Führern, ist solch ein Vorgehen bis heute an der Tagesordnung. Alexei Nawalny in Russland ist ein ganz aktuelles Beispiel dafür. Die Hoffnung soll gebrochen werden, denn sie setzt große Kräfte frei. Und vor diesen Kräften haben die Herrscher Angst.

Ich hoffe sehr, dass den Gefängnisaufsehern es auch heute nicht gelingt, den Widerstand gegen solche Führer zu brechen. Dass die Hoffnung überlebt.

Eine Szene im Film „Der Herr der Ringe“ scheint mir hier ganz gut zu passen. Da sagt der arg gebeutelte Held Frodo zum Zauberer Gandalf: „Ich wünschte, all das wäre nie passiert.“ Und Gandalf antwortet ihm: „Das tun alle, die solche Zeiten erleben. Aber es liegt nicht in ihrer Macht, das zu entscheiden. Du musst nur entscheiden, was du mit der Zeit anfangen willst, die dir gegeben ist.“

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SWR4 Abendgedanken

10APR2024
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Angst – plötzlich ist sie da. Weil es dunkel wird. Weil ich eine wichtige Entscheidung treffen muss und nichts falsch machen will. Weil die Welt so trostlos erscheint. Angst kann lähmen. Dann fällt es immer schwerer, etwas zu tun. Und genau das will ich nicht.

Die jüdische Dichterin Mascha Kaléko drückt es wunderbar aus in ihrem Gedicht „Rezept“: „Zerreiß deine Pläne. Sei klug. Und halte dich an Wunder. Sie sind lange schon verzeichnet im großen Plan. Jage die Ängste fort. Und die Angst vor den Ängsten.“

Die Angst der Jünger vor 2000 Jahren ist groß. Weil alle ihre Hoffnungen mit Jesus von Nazareth am Karfreitag am Kreuz gestorben sind. Zu bedrohlich scheint die Macht ihrer Verfolger. Wie sollen sie jetzt weitermachen, wo Jesus nicht mehr als Mensch unter ihnen ist.

Da gibt ihnen Maria von Magdala ein wenig Halt zurück. Sie ist dem auferstandenen Christus begegnet und berichtet ihnen davon. Es ist wirklich so, wie er gesagt hat. Der Tod ist nicht das Ende. Aber diese Botschaft muss erst einmal bei ihnen ankommen. Das stellt alles auf den Kopf. Das müssen sie erst einmal begreifen. Jesus weiß das. Er hilft ihnen, indem er sich ihnen immer wieder zeigt.

Auch in meinem Leben gibt es Situationen, wo ich meine Pläne zerreißen muss. Eine Krankheit, die mich ins Bett zwingt. Ein Blechschaden am Auto, der einen Werkstattbesuch unausweichlich macht. Das fällt mir nicht leicht. Schließlich scheint doch alles so perfekt organisiert.

Uns Menschen fällt die unsichere Situation in unserer Welt schwer. Es macht vielen Angst vor der Zukunft. Das ist wie ein Weg durch eine dunkle Zeit.

Jeder hofft, dass bald das Ende erreicht ist. Am liebsten wäre vielen ein Wunder. Das ihnen die Angst nimmt und wieder Zuversicht gibt.

Da spüre ich. Ostern hat mir wieder Kraft und Zuversicht gegeben. So kann ich  durch die Welt gehen und sagen: Ja, es sieht schlimm aus in der Welt, aber wo immer ich bin, ist Gott. Wo Hoffnung und Mut fehlen, werde ich versuchen, Licht zu sein. Osterlicht. Und das Licht, das durch mich scheint, wärmt mich selbst gleich mit. Gott ist mein Wunder.

Daran halte ich mich - gegen alle Angst.

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SWR4 Abendgedanken

09APR2024
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Jesus ist von den Toten auferstanden. 50 Tage lang feiern wir in den Kirchen Ostern. Auferstehung – ist das nicht krass und zu schön, um wahr zu sein? Das kann doch gar nicht sein. Das soll ich glauben – ist doch total abgefahren, oder?

In der Bibel ist es Thomas, der das nicht so recht glauben kann. Die anderen Jünger erzählen ihm, dass Jesus auferstanden ist und lebt. Und dass sie ihn gesehen haben. Aber er, er kann das nicht glauben….

Ich hätte das in dieser Situation bestimmt auch nicht so einfach geglaubt. Und ich verstehe Thomas. Er hat so gezweifelt, dass er erst die Wundmale der Nägel sehen will. Er will Beweise! Sonst kann er nicht glauben.

Acht Tage später erscheint Jesus seinen Jüngern erneut. Er lädt Thomas ein: „Komm, leg deine Hände in die Wunden.“ Ich frage mich, was Thomas wohl in dem Moment empfunden hat: Das muss ihn doch zutiefst verstören. Was nicht sein kann, geschieht hier. Der gekreuzigte Jesus steht lebendig vor ihm, hält ihm seine Wundmale hin. Gibt ihm die Beweise, die er haben will.

Thomas sagt, dass er nun glauben kann. Woraufhin Jesus sagt: „Weil du gesehen hast, darum glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben“. Also alle, die nicht in die Wunden Jesu fassen können, die seine Wundmale nicht sehen können. Alle, auch wir im Jahr 2024.

Der Zweifel bleibt. An manchen Menschen nagt er besonders, wenn sie an den eigenen Tod denken und an das mögliche Leben danach: Mag sein, dass Jesus dieses Wunder erfahren hat. Mag sein, dass die Jünger ihn gesehen haben.

Aber wird Gott auch mich auferwecken? Wird er alle retten und zu sich holen, die heute in den Schrecken des Krieges, bei Unfällen oder am Ende ihres Lebens sterben? Nicht immer kann ich das glauben, auch wenn ich es gern würde. Manchmal quält mich die Frage, wie diese Zukunft wohl sein wird. Ich habe kein klares Bild von ihr, ich kann sie nicht sehen. Mir fehlt die Fantasie, um mir dieses ewige Leben bei Gott irgendwie vorzustellen.

Der Zweifel bleibt. Manchmal ist er ein Ausdruck der Sehnsucht, zu glauben. Jesus lässt den skeptischen Thomas schauen, er verurteilt ihn nicht für seinen Zweifel. Damit würdigt er diese Sehnsucht. Thomas braucht sich für seinen Zweifel nicht zu schämen. Und wir auch nicht. Denn Jesus nimmt uns an wie wir sind. Und da gehören Zweifel dazu. Wenn wir sie zulassen, durchdringen, kommen wir zu neuen Einsichten. Und manchmal auch zu neuem Glauben.

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