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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Heute ist Welttag der Menschenrechte. Dieser Tag erinnert die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die am 10. Dezember 1948 durch die Vereinten Nationen verabschiedet worden ist. Die Menschenrechte gelten für jeden Menschen, ohne irgendeinen Unterschied, etwa nach Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion oder sexueller Orientierung. Die 30 Artikeln der Erklärung gewährleisten das Recht auf Freiheit und Sicherheit, die Gewissens- Religions- und Meinungsfreiheit, das Verbot von Sklaverei und Folter, das Recht auf Arbeit, Bildung und Gesundheit.

Dieser Welttag erinnert an diese Erklärung, weit mehr nimmt dieser Tag die Verletzung der Menschenrechte heute und weltweit in den Blick. Sinti und Roma werde noch immer verachtet, es gibt Kinderarbeit und Kindersklaven. Flüchtlinge finden keinen Schutz, homosexuelle Menschen werden diskriminiert, Menschen werden wegen ihrer Religion hingerichtet. –Waffen zu exportieren lohnt sich immer mehr, am besten in die Krisenregionen unserer Welt. - Die Erklärung der Menschenrechte liegt 58 Jahre zurück, und wir sind offenkundig keinen Schritt weiter.

Auch in unserem Land werden Menschenrechte mit Füssen getreten. Das Recht auf Arbeit ist nicht für alle gegeben, Gesundheit wird für viele zum Luxusartikel. Dass Frauen und Männer in unserem Land für die gleiche Arbeit nicht denselben Lohn bekommen, ist ein Skandal an sich. Menschenwürdige Pflege im Alter muss immer mehr eingeklagt werden. Das Menschenrecht auf Familie wird zur Farce, wenn Kinder zu erziehen zur Armutsfalle wird. So gesehen ist jeden Tag „Welttag der Menschenrechte“.

Die Menschenrechte gelten lokal, regional, universal. Und sie gelten immer. Jeder Mensch hat Rechte. Ob er gesund ist oder krank. Ob er jung ist oder alt. Ob im Norden oder im Süden geboren. Jeder Mensch hat Menschenrechte – aus einem einzigen Grund: Weil er ein Mensch ist.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

„Weihnachten weltweit“ – so lautet der Titel einer ökumenischen Aktion für Kinder zwischen drei und sieben Jahren. Angesprochen sind somit vor allem die Kindergärten und Kindertagesstätten, aber auch die Familien.

Bei der Aktion „Weihnachten weltweit“ dreht sich alles um fair gehandelten Weihnachtsschmuck, der selbst gestaltet werden kann. Pappmasche-Kugeln, Sterne und Engel können bestellt und dann verziert und bearbeitet werden. Der Kreativität der Kinder sind dabei keine Grenzen gesetzt.

Beim Basteln erfahren die Kinder auch etwas von der Lebenssituation von Kindern in anderen Ländern.  Dass viele Kinder an keinen gedeckten Tisch sitzen dürfen, weil das Nötigste fehlt, dass Bildung und Schulunterricht  keineswegs selbstverständlich sind. Das Kinder arbeiten müssen, damit es zum Leben für die Familie reicht. Weil Kinder es dann meist ganz genau wissen wollen, erfahren sie auch etwas darüber, wie in Indien, Peru oder Kuba die Menschen Weihnachten feiern.

Die Kinder dürfen ihre Basteleien gerne mit nach Hause nehmen. Wer aber seine kreativen Werke auf dem nächstgelegenen Weihnachtsmarkt verkaufen und das Geld dann spenden will, der kann das gerne tun.

„Weihnachten weltweit“ erinnert daran, dass wir Weihnachten nicht im luftleeren Raum feiern können und dürfen. Weihnachten ist nicht in erster Linie das Fest der Geschenke; es ist das Fest, das dazu aufruft, solidarisch zu werden mit Menschen in Not. Hierzulande und weltweit.

„Weihnachten weltweit“ – es ist gut, dass Kinder schon früh daran erinnert werden.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

„In vier Monaten ist Ostern wieder vorbei!“ – Das schnappte ich die Tage in Mainz in einer Straßenbahn auf. „In vier Monaten ist Ostern wieder vorbei!“ – Ich war regelrecht erschrocken. Als ich wieder bei mir war, dachte ich trotzig: Aber jetzt ist Advent!

Jetzt ist jetzt. Advent ist im Dezember, auch wenn das Weihnachtsgebäck schon im September im Supermarkt ausliegt und Weihnachtsmärkte schon Mitte November öffnen. Da ist es doch kein Wunder, dass wir nicht im Heute leben, sondern permanent an das denken, was noch kommt. An Weihnachten denken wir schon an Neujahr, an Neujahr an die Fassenacht, zeitgleich liegen die ersten Osterhasen aus. Und noch einmal: Jetzt ist Advent!

„Advent heißt: Warten können.“ So habe ich das einmal für mich festgelegt.  Warten können und warten lernen. Zur Ruhe kommen und erleben, was jetzt ist, was es jetzt gibt: Dunkelheit und Kälte, helle Lichter und heißer Punch, kurz: Warten können.

Wer wartet, braucht Wartestationen, Orte, wo er zur Ruhe kommen kann. In meiner Kirchengemeinde in Nieder-Olm gibt es an jedem Tag im Advent  eine solche Haltestelle. Familien laden am frühen Abend ein, vor ihrem Haus zusammen zu kommen, still zu werden, zu warten, Texte zu hören und Adventslieder zu singen. Vor allem die Kinder sagen immer wieder, dass sie es kaum erwarten können, dass endlich Weihnachten wird. Dass es Geschenke gibt.  Und doch: Jetzt ist Advent.

Ich brauche solche Haltestationen, um besser warten zu lernen. Um zur Ruhe zu kommen. Um auszuhalten, dass Weihnachten noch nicht ist. So kommt auch der Advent zu seinem Recht. Die Vier Wochen vor Weihnachten gilt es also nicht, irgendwie hinter sich zu bringen. Mal schnell im Sauseschritt Weihnachten zu begehen. Nein: Diese Tage sind Haltestellen, unterbrechen unsere Sehnsucht, schon wieder woanders sein zu wollen. Und nochmals: Jetzt ist Advent.

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SWR1 Begegnungen

„Im Advent – da setzte ich mich einfach mal in den Som!“

Ich spreche mit Margit Grom. Die katholische Religionslehrerin ist seit 2 Jahren in Pension. Die Adventszeit war für die 3-fache Mutter schon immer eine ganz besondere Zeit. Die Tage vor Weihnachten sind umtriebig und hektisch, aber das alles gehört für Margit Grom zum Advent dazu:

Wir feiern an Weihnachten die Geburt Jesu Christi, es ist ein Geburtstag. Und ich finde, ein Geburtstag muss vorbereitet werden, jedes Fest wird vorbereitet. Und wenn man es unterdiesem Gesichtspunkt sieht, ist die Hektik eigentlich nicht wegzudenken. Wenn man ein Geburtstagsfest für einen  besonderen Gast vorbereitet, der sich wohl fühlen soll, wird viel getan und gemacht, und es kommt eine gewisse Hektik auf.

Advent heißt übersetzt „Ankunft“. Im Advent warten viele Menschen auf die Ankunft Jesu, auf das Fest der Geburt Jesu. Warten können – das ist ein Thema für Margit Grom.

Es gibt viele, die nicht mehr warten können. Das wird auch von der Werbung suggeriert: Du kannst alles gleich haben, du kannst alles kaufne,  du kannst es auf Raten bekommen, dieses Erwarten können, dieses sich freuen auf etwas – das fällt Vielen sehr schwer.

Die Hektik und die Unmöglichkeit, warten zu können – jedes Jahr auf Neue nehme ich mir vor, da etwas zu ändern, den Advent anders zu gestalten. Die Mainzerin Margit Grom macht das so:

Ich lass ganz bewusst die Woche von Terminen frei, konzentrier mich auf die Adventszeit, mit nem Spaziergang, um über den Weihnachtsmarkt zu gehen, oder in den Dom zu gehen. Es ist wunderschön im Dom, (wenn da nur die Kerzen brennen, der dunkle Dom, das hat so ne ganz andere Atmosphäre), sich einfach in die Bank zu setzten, mal still zu sein, seinen Gedanken freien Lauf zu lassen, und zu sagen: Jetzt bin ich hier. Jetzt bin ich ruhig. Vielleicht in einem Gebet mit Gott in Verbindung treten. Und einfach alles da lassen.

Jetzt ist noch nicht Weihnachten, jetzt ist Advent. Das sagt sich Margit Grom immer wieder ganz bewusst, und bei einem Satz schüttelt sie sich regelrecht:

In 4 Monaten ist Weihnachten. Oder ganz schlimm finde ich’s, wenn der Weihnachtsbaum an Silvester Luftschlagen hat. Da werden Zeiten miteinander vermischt, und die Besonderheit der Zeit, z.B. der Weihnachtszeit oder von Fassenacht soll seinen Raum haben – das gehört da einfach nicht hin.

Margit Grom lebt in Mainz-Kastel in einer Kirchengemeinde und engagiert sich dort. Sie erinnert sich gerne an besonders gestaltete Gottesdienste im Advent:

Früher gab es Meditationsgottesdienste, (…) die habe ich auch sehr gerne mitgestaltet. Wo man meditiert hat über ein Lied: Es kommt ein Schiff geladen – und hat die einzelnen Strophen betrachtet. Die waren immer sehr schön. Die waren toll!

„Frauentragen – das war ein schöner Brauch!“

Für die 61-jährige Theologin Margit Grom ist der Advent als Mutter und als Religionslehrerin schon immer eine besondere Zeit. Sie ist in einer katholischen Familie groß geworden. Sie erinnert sich noch gut:

Ich musste Flöte spielen, oder ich durfte Flöte spielen. Die Kerzen wurden angezündet. Meine Eltern haben viel Wert darauf gelegt, dass es ruhig war. Es war ne richtigschöne Wartezeit auf Weihnachten. Irgendwann war meine Puppe verschwunden, dann wusste ich: An Weihnachten kommt sie bestimmt gut angezogen wieder.Und der Adventskalender: Ich habe mich riesig gefreut, wenn ich den aufmachen durfte und da war nur – in Anführungszeichen „nur“ – ein Bildchen drin. Und es war ne große Freude. Brauchte kein Schokoladen-Kalender zu sein.

Im Advent gibt es unterschiedliche Bräuche. Die Gottesdienste ganz früh am Morgen gehören dazu, auch in meiner Gemeinde kommen da Menschen zusammen, um den Advent zu feiern. Margit Grom bedauert, dass es eine Tradition in ihrer Gemeinde nicht mehr gibt.

Und zwar war das das Frauentragen, dass eine Marienstatue von Familie zu Familie gegangen ist. Wie die Herbergsuche. Dann wird eine Statue von einer Familie oder einer Einzelperson zu einem bestimmten Zeitpunkt hingetragen. Was mich beeindruckt hat: Es war kein Abgeben an der Tür, sondern es kam zu einem Zusammensein. Man hat ein Lied gesungen, ein Gebet gesprochen. Man kam einfach ins Gespräch.

In den Gottesdiensten im Advent singt die Gemeinde ganz besondere Lieder. Der Advent wäre kein Advent ohne sie. Margit Grom kommt bei zwei Liedern ins Schwärmen:

 „Es kommt ein Schiff geladen“, weil es mich sehr berührt. Natürlich auch: „Macht hoch die Tür“, das ist klar, das ist der Klassiker. Das habe ich auch gerne mit den Kindern in der Schule gesungen.

Advent und Weihnachten sind auch Kommerz – da sind wir uns beide einig. Das sollte nicht im Vordergrund stehen.  Dass eine gewisse Hektik zum Advent dazugehört, weil ein großes Geburtstagsfest vorbereitet sein will, das habe ich von Margit Grom gelernt. Der Advent bleibt eine ganz besondere Zeit.

Ich freue mich sehr auf den Advent, jetzt noch mehr, als ich noch berufstätig war, war es stressiger. Aber da ich in der Schule mit Kindern arbeiten konnte, und wir uns auf Weihnachten vorbereitet haben und die Adventszeit so gestaltet haben, dass sie besinnlich ist: Dass wir die Vorfreude auf Weihnachten spüren konnten.

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SWR1 Begegnungen

Winfried Späth kümmert sich in Mainz darum, dass Obdachlose, die verstorben sind, würde voll bestattet werden. Er macht das ehrenamtlich. Sein Leben lang war der 65-jährige Theologe in der Sozialarbeit tätig, jetzt setzt er sich dafür ein, dass Menschen, die auf der Straße gelebt haben, wenigsten im Tod nicht vergessen werden.

Es geht um die Würde des Menschen, die sich auch im Tod zeigt. Und da ist für mich ein Anker die Barmherzigkeit, dass Menschen in aller Würde auch dieser letzte Akt ihres Lebens gestaltet werden kann.

Winfried Späth hat schon oft erlebt, wie würdelos Bestattungen vor sich gehen können. Mitunter werden, wenn keine Angehörigen auf dem Friedhof anwesend sind,  Urnen im Schnelltempo nach einander beigesetzt. Seine Arbeit ist  auch ein Protest gegen würdelose Begräbnisse – heute, am Totensonntag.

Es ist so wichtig, weil ein menschliches Leben, eine menschliche Geschichte, damit zu Ende geht. Es ist ein letzter Akt, bei dem noch einmal der Name, sowohl der Vorname als auch der Familienname genannt wird. Und mein eigener, persönlicher Glaube ist, dass dieser Name als Name mit seiner Lebensgeschichte im Buch des Lebens verzeichnet ist.

Winfried Späth ist Theologe, leitet Trauerfeiern für gewöhnlich mit einem christlichen Kontext. Das ist nicht immer möglich. Kommen zu einer Bestattung wider Erwarten dann doch einige Trauernde, bindet er sie in die Feier mit ein.

Wenn z.B. Angehörige da sind oder auch Bekannte des Verstorbenen, auch das gibt es, dann frage ich durchaus: Haben sie Kontakt gehabt zum Verstorbenen? War er religiös? Wollen wir am Grab ein Gebet sprechen? Aber das lass ich ganz offen und frage, weil ich niemandem im Tod vereinnahmen möchte.

Natürlich will Winfried Späth niemandem seinen Glauben überstülpen, keinem Toten, keiner Trauergemeinde. Doch einmal war er fast zu vorsichtig.

Ich habe jemanden bestattet, und es waren Nachbarn da, und ich habe mich nicht getraut: Soll am Grab gebetet werden? Ich habe am Grab die Panflöte gespielt, (…) und plötzlich merke ich, wie die Nachbarn das Vater unser beten. Da habe ich mich fast geschämt, weil ich ja als Theologe das jetzt nicht angestimmt habe.

Von Gott wird kein Mensch vergessen, da ist sich Winfried Späth ganz sicher. Diese Hoffnung teilen wir beide. Dass Menschen in unserer Zeit einfach vergessen werden, darüber kann er sich empören.

…dass die Anonymität in unserer Gesellschaft deutlich wächst, dass es ganz, ganz viele Menschen gibt, die alleine leben, alleine leben müssen. Oder aber auch in Konfliktsituationen mit ihren Verwandten, dass ganz viele jüngere Menschen sich nicht mehr die Verstorbenen kümmern, dass die Gräber verwaise.

Wie Winfried Späth auf seinen eigenen Tod zugeht und warum sein Flötenspiel am Grab so wichtig ist, dazu mehr nach dem nächsten Titel.

Die Arbeit auf dem Friedhof konfrontiert ihn immer wieder auch mit seinem eigenen Tod.

Ich habe aber Angst vor dem Sterben – so ist es nicht.  Aber ich glaube auch, dass dann ein Engel eine schöne Musik für mich spielen wird. (ab 9’35) Ich habe selbstverständlich die Hoffnung auf Auferstehung, dass meine Lebensgeschichte in guter Weise aufgehoben ist bei Gott.

 Dass das menschliche Leben in guter Weise bei Gott aufgehoben ist, dass glaubt der dreifache Familienvater Winfrid Späth auch für die Menschen, die selbst für sich daran nicht glauben.  Und dennoch liest er bei Trauerfeiern für gewöhnlich keinen biblischen Text vor, um Menschen nicht zu vereinnahmen.

Ich nehme meist literarische Texte, die auch einen transzendenten Hintergrund haben. Da hat sich mit der Zeit eine kleine Sammlung von Texten ergeben, die ich dann verwende.

Winfried Späth liest mir einen Text in Auszügen vor:

Nicht interessant ist keiner auf der Welt

Sein Schicksal gleicht  dem Stern am Himmelszelt

Ein jeder ist sein eigener Planet

Ihm gleicht kein Gestirn, wo er auch geht.

Und stirbt ein Mensch, so wird mit ihm vergehn,

der erste Schnee, wie er ihn einst gesehn,

sein erster Kampf vergeht, sein erster Kuss

dass alles nimmt er mit sich mit, zum Schluss.

An jedem Grab spielt Winfried Späth auf seiner Pan-Flöte. Warum frage ich ihn.

So erlebe ich die Musik wie eine Schale, von der meine persönlichen Gedanken reingelegt werden können; (…) Und so ist diese Musik eine Möglichkeit der neutralen Gestaltung auch dieser Feier.

Dann spielt mir Winfried Späth auf seiner Pan-Flöte vor:

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SWR1 Begegnungen

„Der Whisky ist ein Produkt der Klöster und Kirchen!“

Ich treffe mich mit  Wolfgang Rothe. Er ist katholischer Pfarrer und arbeitet als Seelsorger in München.  Bekannt geworden ist er als sog. „Whisky-Vikar“, also als ein Mann, der sich bei diesem hochprozentigen Getränk ganz besonders gut auskennt. Für Wolfgang Rothe hat der Whisky eine besondere Spiritualität. Er nennt den Whisky deshalb auch „Wasser des Lebens“. Als Theologe ist mir der Begriff bekannt, und frage nach, als ich den Whisky-Vikar in München besuche.

Das war eine Analogie zum biblischen Wasser des Lebens, mit der das Wasser der Gnade, des Heils beschrieben wird. Und so wie eben das Taufwasser das Lebend der Seele erfrischt, so sollte eben das Wasser des Lebens aus dem Gerstenmalz das irdische Leben erneuern und erleichtern.

Zunächst wurde der Whisky aus Wein hergestellt, aber das war sehr teuer, erklärt mir Wolfgang Rothe. Es waren Kirchenmänner, die einen Weg gefunden haben, Whisky preiswerter herstellen zu können.

Irgendwann ist ein schottischer oder irischer Mönch auf die geniale Idee gekommen, dass das Ganze auch mit Getreide geht, also aus gegorenem, eingemaischtem Gerstenmalz. Und dieser hochprozentige Alkohol, der dann eben in den Krankenstationen verwendet wurde, hat den Menschen Linderung oder Heilung ihrer Krankheiten gebracht, und so das Leben neu geschenkt. (Deshalb haben die Mönche diesem Destillat den Namen „Wasser des Lebens“ gegeben.)

Pfarrer Rothe bringt seine Whisky-Kenntnisse in Seminaren unter die Leute. Als Theologe will er nicht nur informieren über Herstellung und Qualitätsstandards. Für den 59-jährigen, der in Marburg an der Lahn geboren wurde, ist der Whisky eine Art Gleichnis für das ganze Leben.

Whisky muss, um zu dem zu werden, was er sein soll, viele Jahre in dunklen, abgeschiedenen Fässern reifen, also in einer Zeit scheinbarer Untätigkeit, scheinbarer  Isolation geschieht Entscheidendes, geschieht Wesentliches. Das ist bei uns Menschen auch oft der Fall. Wir erleben Phasen, in denen wir uns vom Leben abgeschnitten fühlen, Krankheiten, gescheiterte Beziehungen, nicht erfüllte Karrierewünsche – alles Phasen des Lebens, die uns sinnlos, nutzlos erscheinen. Aber wenn man sie recht betrachtet, kann man gerade in solchen Phasen reifen und sehr viel an neuer Lebensenergie gewinnen.

Weil der Whisky in seiner Reifung selbst durch dunkle Räume gehen musste, kann er therapeutisch wirken.

Im Grunde ist der Whisky erfunden worden aus dem Geist christlicher Nächstenliebe, weil die Mönche Menschen helfen wollten. Weil sie in ihren Krankenstationen Menschen aufgenommen haben, die an Krankheiten gelitten haben und ihnen helfen wollten. Da liegt der Ursprung des Whiskys. So kann man durchaus sagen, dass der Whisky ein Produkt von Kloster und Kirche ist.

„Die Fülle des Whiskys lenkt den Blick automatisch auf Gott!“

Pfarrer Wolfgang Rothe  steht mit dem Whisky auf Du und Du, hat darüber ein Buch geschrieben. „Wasser des Lebens. Einführung in die Spiritualität des Whiskys – so lautet der Titel. Der Whisky ist für ihn auch deshalb spirituell, weil er Menschen öffnet für Begegnungen mit anderen Menschen. Mehr noch:

Alles, was eine Begegnung beinhaltet, das ist auch offen für eine Begegnung mit Gott, gerade, was den Whisky betrifft. Man hat in einem Glas Whisky die Fülle, die Vielfalt, die Harmonie der Schöpfung im Kleinen vor sich. Und diese Fülle und Harmonie der Schöpfung, die lenkt den Blick doch fast ganz automatisch auf den Schöpfer und damit auf Gott.

Ein Leben ohne Whisky kann Wolfang Rothe sich durchaus vorstellen, aber er will es nicht.

Es würde mir etwas sehr wichtiges fehlen, nämlich die Begegnungen mit sehr vielen Menschen, die ich erst durch den Whisky kennengelernt habe.

Wir trinken bei unserem Gespräch in München keinen Whisky, dafür ist es viel zu früh am Tag. Wolfgang Rothe erzählt mir aber von seinem ersten Glas. 

Als dann nach dem Essen Whisky gereicht wurde, habe ich mich nicht getraut, abzulehnen.  Aber als ich dann den Whisky im Glas hatte, da hab‘ ich gemerkt, dass das was ganz Besonderes war, da war irgendwie mein Interesse geweckt. Das war für mich so ne Art Offenbarung.

Wenn Menschen zu seinen Whisky-Seminaren kommen, dann kann Pfarrer Rothe ihnen zeigen, wie die Katholische Kirche auch sein kann: Locker und offen für alle. Die Freude spüre ich bei unserem Gespräch in München, mit ihm, dem Whisky-Vikar.

Ich bin ganz froh über den Begriff Whisky-Vikar, weil er verhindert, dass man mich Whisky-Papst nennt. Das wäre mir etwas zu hoch gegriffen.

Alkohol-Missbrauch ist in unserer Gesellschaft weit verbreitet. Ob er den Alkoholismus mit seiner Begeisterung für den Whisky nicht kleinrede, frage ich  ihn.

Alkohol ist in jedem Fall eine Gefahr. Das sage und schreibe ich überall, wo ich nur kann. Deswegen ist auch ein ganz wichtiger Aspekt der „Spiritualität des Whisky“  die Mäßigung. Echter Genuss braucht nicht die Masse. Der Maßstab des Genusses ist nicht die Masse, sondern die Mäßigung. Von etwas zu viel konsumiert, stumpft man ab und der Genuss geht verloren.

Mäßigung – bei aller Begeisterung für den Whisky. Das gilt für so Vieles im Leben, geht es mir durch den Kopf. Und wie Mäßigung ganz leicht gelingen kann, das erzählt er mir zum Schluss unseres Gespräches in einem Witz:

Da war einmal ein schottischer Vater, der die vielköpfige Kinderschar zu sich rief und ihnen eine Tafel Schokolade präsentierte. Die Kinder schauten ganz begierig auf die Tafel. Der Vater  brach sie auf, gab jedem Kind ein Stückchen, die Kinder steckten die Schokoladestücke schnell in den Mund und schauten ganz begierig auf das, was noch übrig war. Doch Vater packte die Tafel sorgfältig wieder ein uns sagte: „Der Rest schmeckt genauso!“

 

(Lit.: Wolfgang F. Rothe, Wasser des Lebens, Einführung in die Spiritualität des Whiskys, St. Ottilien 2016)

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SWR1 Begegnungen

„Sakramente muss man spüren!“

Er ist ein Multi-Talent der besonderen Art:  Er ist  Buch-Autor, Talk-Master, Hobby-Kellner auf der Münchner Wiesn – und: Katholischer Pfarrer mitten in München. Dem 56-jährigen Priester Rainer Schießler ist nichts zu viel – rund um die  Uhr ist  er im Einsatz. Das soll auch so sein, sagt er mir, als ich ihn in München besuche.

Ich hab‘ nen  guten Hausarzt, der ist auch bereit, 24 Stunden für seine Leute da zu sein. Ich glaube, ich wäre nicht Priester, um mich zu fragen, ob das gut ist. Ich muss entscheiden, was notwendig ist. Wenn 24 Stunden notwendig sind, um meinen Dienst zu tun, dann muss ich das tun. Ich bin nicht wegen dem Geld Priester geworden, ich bin nicht Priester geworden um des Ruhmes oder der Macht willen, sondern um der Menschen willen.

Deshalb gibt es keinen Anrufbeantworter im Pfarramt St. Maximilian, sondern bei einem Anruf trifft man auf einen lebenden Menschen – meist auf Pfarrer Rainer Schießler. Er ist Priester geworden, um bei den Menschen zu sein. In den glücklichen Stunden des Lebens, aber auch dann, wenn gestorben wird und Menschen trauern.  Taufe, Hochzeit und Krankensalbung – das sind wichtige Sakramente der Kirche.  „Sakramente muss man spüren!“, sagt Pfarrer Schüßler. Wichtig ist,

…dass es keine rituellen Handlungen sein dürfen, die einfach über mich ergossen werden. Dass ein Brautpaar, das vor mir kniet, spürt, da passiert was mit uns, wir gehen da verändert raus. Dass mein Kranker spürt, und mag die Krankheit  noch so ekelhaft und noch so auszehrend sein, seine Würde nicht verliert, weil Gott sie mit ihm teilt. Das geht aber nur, wenn es eine direkte Begegnung ist, d.h. keine Angst vor Berührung, offene Sprache, nicht am Buch kleben.

Das gilt auch für die Predigt. Pfarrer Schießler ist wortgewaltig, das merke ich schnell. Die Kirche in St. Maximilian ist am Sonntag voll, wenn dort Gottesdienst gefeiert wird. Wichtig ist in besonderer Weise die Predigt.

Eine Predigt ist dann gut, wenn sie Menschen nicht kalt lässt, wenn sie etwas bewegt. Oder anders gesagt: Eine Predigt, die nicht bewegt, ist nicht einmal für die Katz! Eine gute Predigt ist eine Predigt, wo sie rausgehen und spüren, der hat mir jetzt gesagt, dass ich wichtig bin.

Rainer Schießler ist ein Leute-Priester im besten Sinn des Wortes: bei den Menschen, mit den Menschen, für die Menschen. Deshalb ist er Pfarrer geworden. Wann kommt er zur Ruhe, frage ich mich und ihn, und er nennt das tägliche Gebet  des katholischen Priesters, das jedem angeraten ist.

Es ist für mich wie ein Haltegerüst, das du auch in die Hand nehmen musst, wenn du stockmüde bist. Für mich ist es kein Runterbeten, auch keine Pflichterfüllung, sondern einfach eine ganz besondere Art der Kommunikation mit Gott, so wie ein Ehemann zu seiner Frau mehrfach am Tag sagt,  wie sehr er sie schätzt.

 Kommunikation mit Gott – diesen Gedanken vertiefen wir in unserem Gespräch. Kommunikation – das heißt nicht, permanent zu reden.

Es gibt die stumme Sprache mit Gott zu beten. Die schönste Form des Betens ist das Staunen. Ich kann ohne Gott nicht sein. Und wenn er sowieso bei mir ist, dann kann ich auch nicht ohne Kommunikation mit ihm sein.

„Den Epilog schreibt Gott selbst!“

Ich spreche mit Rainer Schießler, einem der bekanntesten Pfarrer Deutschland, wie es im Klappentext seines Bestsellers heißt. Der Titel „Himmel, Herrgott, Sakrament“ umreißt die Arbeit des 56-jährigen Priesters. Und eine eigene Talkshow hat e rauch. „Pfarrer Schießler – Gäste und Geschichten“, so lautet die Sendung im Bayrischen Fernsehen. Er möchte, dass seine Kirche in der Verkündigung auch unkonventionelle Wege geht – und hat nur einen Wunsch:

Hab den Menschen im Blick. Vertrau auf seine Fähigkeiten, vertrau auf seine Bedürfnisse, vertrau auf seine Ehrlichkeit, auf seine Offenheit, häng dein Tun nicht an Prinzipien, Vorschriften und Paragraphen, sondern konzentrier dich nur diesen Menschen,  dass wir jeden Katechismusabsatz und jeden Kirchenrechtsartikel abklopfen: dient er den Menschen? Kann er dem einzigen Maßstab eines Jesus von Nazareth, nämlich der Liebe, bestehen, oder nicht. Wenn nicht – sofort was ändern. Gnadenlose Offenheit, schonungsloses Hinwenden zum Menschen.

Die Menschenfreundlichkeit Gottes – die hat Pfarrer Schießler im Blick bei allem, was er tut. Das führt zu einem kritischen Blick auch auf die eigene Kirche. Wie wird die Kirche von morgen sein?

Ich weiß, diese Kirche wird da sein, und zwar ganz anders. Das Einzige, was mir stinkt, ist, dass ich vielleicht nicht mehr da bin. Aber ich weiß, diese Kirche wird sich radikal ändern. Und wir sind schon mitten drin im Veränderungsprozess. (…) Diese Kirche wird eine unglaubliche Öffnung hinlegen.

Ein Pfarrer ist oft mit dem Leid und Tod anderer Menschen konfrontiert. Schwieriger wird das, wenn man den eigenen Tod bedenkt. Nicht so bei Pfarrer Schießler.

Ich schließe mich dass Romano Guardini an, der gesagt hat: Wir werden vor Gott stehen, und das wird auch viele unangenehme Fragen geben, da werden wir – wie man in Bayern sagt – zu Wasser gelassen. Da kriegen wir die Hosen ausgezogen. Das ist kein Problem. Ich habe auch Fragen. Das Gericht ist der Epilog, der wird ganz am Schluss geschrieben. Das kann ich nicht mehr selber schreiben. Den schreibe ich mit Gott zusammen. Da geht es um Vollendung.

Derzeit feiert München die Wiesn, und Pfarrer Schießler opfert seinen Jahresurlaub, um dort als Kellner zu arbeiten. Mitten im Leben, nahe am Menschen – näher als im Bierzelt geht es eigentlich nicht. Das verdiente Geld und das Trinkgeld spendet er für soziale Projekte. Morgen ist letzter Wiesn-Tag, und er freut sich schon auf die Wiesn 2017:

Nach der Wiesn hast du zwei Wochen Pause, da kannst du das Wort Wiesn nicht hören. Du freust dich über das viele Geld, das du verdient hast, das bringst du stolz zur Bank, aber spätestens Ende Oktober fängst du schon wieder an, die nächste Wiesn mit dir rum zu tragen. Spätestens ab Januar fängst du an, die Tage rückwärts zu zählen.

(Rainer M. Schießler, Himmel, Hergott, Sakrament, Auftreten statt austreten, Kösel, München 2016)

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Mit dem Motto „Meine Welt ist bunt!“ wirbt die Katholische Hochschule in Mainz für einen neuen Studiengang. Der startet im September und heißt ganz genau: „Sozialwissenschaften: Migration und Integration“. Junge Leute wenden sich dabei grundsätzlich der Thematik der Zuwanderung in unser Land. So Flüchtlinge qualifiziert sind und die deutsche Sprache beherrschen, können auch sie dieses Studium aufnehmen.

Zuwanderung ist ein weites Feld. Der neue Studiengang qualifiziert Menschen für die Arbeit mit Zuwanderern. Deshalb stehen Psychologie, Pädagogik und andere sozialen Studienfächer im Mittelpunkt. Sie können nach Abschluss des Studiums Ehrenamtliche, die sich in der Flüchtlingsarbeit engagieren, unterstützen. Die ehrenamtliche Arbeit ist wichtig, doch ohne Begleitung durch Fachleute stößt sie oft an ihre Grenzen. Nach dem Studium finden die „Migrationsexperten“ einen Arbeitsplatz  in Verbänden und Kirchen, in Kommunen und Parteien. Dass sie dringend gebraucht werden, steht außer Frage.

Ich finde es gut, dass sich eine kirchliche Hochschule der Flüchtlingsarbeit öffnet und Führungskräfte für die Integration von Einwanderern ausbildet. Menschen, die nach einer abenteuerlichen Flucht nach Deutschland gelangt sind, brauchen Hilfe und Unterstützung. Die Kirchen können dabei nicht außen vor bleiben. „Ich war fremd, und ihr habt mich aufgenommen.“, heißt es im in der Bibel. Wenn die Kirchen Geld und Personal zur Verfügung stellen, um Flüchtlinge aufzunehmen und integrieren zu können, dann nehmen sie diese biblische Aussage ernst.

Fremde aufnehmen, Zuwanderer integrieren -  der neue Studiengang an der Katholischen Hochschule in Mainz macht möglich, dass diese Unterstützung zukünftig noch effektiver erfolgen kann.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Einmal im Jahr, wenn irgend möglich, ziehe ich mich für eine paar Tage zurück. Am liebsten in ein Kloster. Eine Woche schweigen, kein Handy, kein Radio, nichts.

Mein Umfeld reagiert Jahr für Jahr belustigt. Das könne ich gar nicht, schon gar nicht als Hörfunk-Mensch. Schließlich sei doch „Reden mein Beruf“. Doch abringen lasse ich mich davon nicht. Eine Woche Schweigen, auch in diesem Jahr.

Mir tut das Schweigen gut. Ich komme zu mir, genieße die Stille eines Klosters, schwinge ein in Gebetszeiten und Gottesdienste einer klösterlichen Gemeinschaft. Ich habe Zeit, unendlich viel Zeit. Müssen muss ich gar nichts. Wenn ich spazieren gehen möchte, gehe ich spazieren. Wenn ich ein Buch lesen möchte, tue ich das. Wenn ich müde bin, dann lege ich mich ins Gras. Ich hab‘ doch Zeit!

Was in der Welt geschieht, bekomme ich nicht mit. Ich habe mich vom Trubel der Welt abgemeldet, und erstaunlicherweise geht die Welt nicht unter. Im Gegenteil, sie dreht sich einfach weiter.

Mein Schweigen setzt eigene Akzente. Was bislang eher nebenher geschieht, steht jetzt im Mittelpunkt: Ruhe, Zeit. Ich habe auch Zeit, zu beten. Es wird in diesen Tagen intensiver.  Die Ruhe und die Zeit führen mich zu einem Dauergespräch mit Gott. Beten ist Beziehungspflege mit Gott. Ich kann diese Beziehung pflegen, weil ich Zeit habe. Das gelingt mir schweigend besonders gut. Die Themenpalette ist breit, wir haben ja schließlich Zeit. Dinge klären sich, mein Blick wird wieder frei. Eine wichtige Entscheidung, die ich lange vor mir hergeschoben habe, kann endlich gefällt werden. Wurde ja auch Zeit!

Natürlich könnte ich nicht ein ganzes Leben so leben – schweigend. Aber einmal im Jahr, eine ganze Woche, brauche ich eine solche Auszeit. Dann halte ich inne, weil ich innen anhalte.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Über die Homepage unseres Fußballvereins hat er sich gemeldet – der Vater von Samer, einem neun-jährigen Syrer, den es nach Nieder-Olm verschlagen hat. Ob er denn in einer unserer Jugendmannschaften Fußball spielen könne. Natürlich geht das, und so besuche ich die Familie, um den Nachwuchskicker mit Kickschuhen und Sportkleidung auszustatten. Wir haben überzählige Trikotsätze zu hauf, so dass dies kein Problem ist. Stolz lässt er sich im Originaltrikot des FSV Nieder-Olm fotografieren.

Ein paar Tage später hole ich Samer zum ersten Training von Zuhause ab. Anfangs sprudelte es nur so aus ihm heraus – die Spannung war groß. Je näher wir dem Sportplatz kamen, desto leiser wurde er. Als der Fußballplatz in Sichtweise war, fand seine linke Hand meine rechte. Der Jugendtrainer stellte Samer kurz vor und erzählte knapp, welche Fluchtmonate hinter ihm und seiner Familie lagen. Es wurde ganz still auf dem riesigen Platz.

Nach dem Training wollte ich Samer wieder abholen. Doch die Mannschaft spielte ein bisschen länger als geplant, und so konnte ich sehen, wie schnell er sich in das Mannschaftstraining einfügen konnte. Der Trainer fragte zum Schluss, ob Samer wieder kommen dürfe, und alle schrien: „Ja!“ Seitdem trainiert Samer zweimal die Woche mit seinen 12 Fußball-Kameraden.

Kurz vor den Sommerferien erhielt ich eine Mail des Trainers. Samer habe sich gut eingefunden. Um auch spielberechtigt zu sein, braucht er einen Pass, möglichst schnell, denn nach der Sommerpause geht es dann gleich los. Das wurde  unbürokratisch geklärt, und jetzt kann der syrische Bub es kaum erwarten, an einem richtigen Spieltag mit seinen Kameraden aufzulaufen.

Samer, ein neunjähriger Junge aus Syrien, hat es vor 8 Monaten nach Nieder-Olm verschlagen. Jetzt hat er Fußballkameraden als Freunde. Schon mal ein guter Start.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22753
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