SWR1 Begegnungen

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„Der Whisky ist ein Produkt der Klöster und Kirchen!“

Ich treffe mich mit  Wolfgang Rothe. Er ist katholischer Pfarrer und arbeitet als Seelsorger in München.  Bekannt geworden ist er als sog. „Whisky-Vikar“, also als ein Mann, der sich bei diesem hochprozentigen Getränk ganz besonders gut auskennt. Für Wolfgang Rothe hat der Whisky eine besondere Spiritualität. Er nennt den Whisky deshalb auch „Wasser des Lebens“. Als Theologe ist mir der Begriff bekannt, und frage nach, als ich den Whisky-Vikar in München besuche.

Das war eine Analogie zum biblischen Wasser des Lebens, mit der das Wasser der Gnade, des Heils beschrieben wird. Und so wie eben das Taufwasser das Lebend der Seele erfrischt, so sollte eben das Wasser des Lebens aus dem Gerstenmalz das irdische Leben erneuern und erleichtern.

Zunächst wurde der Whisky aus Wein hergestellt, aber das war sehr teuer, erklärt mir Wolfgang Rothe. Es waren Kirchenmänner, die einen Weg gefunden haben, Whisky preiswerter herstellen zu können.

Irgendwann ist ein schottischer oder irischer Mönch auf die geniale Idee gekommen, dass das Ganze auch mit Getreide geht, also aus gegorenem, eingemaischtem Gerstenmalz. Und dieser hochprozentige Alkohol, der dann eben in den Krankenstationen verwendet wurde, hat den Menschen Linderung oder Heilung ihrer Krankheiten gebracht, und so das Leben neu geschenkt. (Deshalb haben die Mönche diesem Destillat den Namen „Wasser des Lebens“ gegeben.)

Pfarrer Rothe bringt seine Whisky-Kenntnisse in Seminaren unter die Leute. Als Theologe will er nicht nur informieren über Herstellung und Qualitätsstandards. Für den 59-jährigen, der in Marburg an der Lahn geboren wurde, ist der Whisky eine Art Gleichnis für das ganze Leben.

Whisky muss, um zu dem zu werden, was er sein soll, viele Jahre in dunklen, abgeschiedenen Fässern reifen, also in einer Zeit scheinbarer Untätigkeit, scheinbarer  Isolation geschieht Entscheidendes, geschieht Wesentliches. Das ist bei uns Menschen auch oft der Fall. Wir erleben Phasen, in denen wir uns vom Leben abgeschnitten fühlen, Krankheiten, gescheiterte Beziehungen, nicht erfüllte Karrierewünsche – alles Phasen des Lebens, die uns sinnlos, nutzlos erscheinen. Aber wenn man sie recht betrachtet, kann man gerade in solchen Phasen reifen und sehr viel an neuer Lebensenergie gewinnen.

Weil der Whisky in seiner Reifung selbst durch dunkle Räume gehen musste, kann er therapeutisch wirken.

Im Grunde ist der Whisky erfunden worden aus dem Geist christlicher Nächstenliebe, weil die Mönche Menschen helfen wollten. Weil sie in ihren Krankenstationen Menschen aufgenommen haben, die an Krankheiten gelitten haben und ihnen helfen wollten. Da liegt der Ursprung des Whiskys. So kann man durchaus sagen, dass der Whisky ein Produkt von Kloster und Kirche ist.

„Die Fülle des Whiskys lenkt den Blick automatisch auf Gott!“

Pfarrer Wolfgang Rothe  steht mit dem Whisky auf Du und Du, hat darüber ein Buch geschrieben. „Wasser des Lebens. Einführung in die Spiritualität des Whiskys – so lautet der Titel. Der Whisky ist für ihn auch deshalb spirituell, weil er Menschen öffnet für Begegnungen mit anderen Menschen. Mehr noch:

Alles, was eine Begegnung beinhaltet, das ist auch offen für eine Begegnung mit Gott, gerade, was den Whisky betrifft. Man hat in einem Glas Whisky die Fülle, die Vielfalt, die Harmonie der Schöpfung im Kleinen vor sich. Und diese Fülle und Harmonie der Schöpfung, die lenkt den Blick doch fast ganz automatisch auf den Schöpfer und damit auf Gott.

Ein Leben ohne Whisky kann Wolfang Rothe sich durchaus vorstellen, aber er will es nicht.

Es würde mir etwas sehr wichtiges fehlen, nämlich die Begegnungen mit sehr vielen Menschen, die ich erst durch den Whisky kennengelernt habe.

Wir trinken bei unserem Gespräch in München keinen Whisky, dafür ist es viel zu früh am Tag. Wolfgang Rothe erzählt mir aber von seinem ersten Glas. 

Als dann nach dem Essen Whisky gereicht wurde, habe ich mich nicht getraut, abzulehnen.  Aber als ich dann den Whisky im Glas hatte, da hab‘ ich gemerkt, dass das was ganz Besonderes war, da war irgendwie mein Interesse geweckt. Das war für mich so ne Art Offenbarung.

Wenn Menschen zu seinen Whisky-Seminaren kommen, dann kann Pfarrer Rothe ihnen zeigen, wie die Katholische Kirche auch sein kann: Locker und offen für alle. Die Freude spüre ich bei unserem Gespräch in München, mit ihm, dem Whisky-Vikar.

Ich bin ganz froh über den Begriff Whisky-Vikar, weil er verhindert, dass man mich Whisky-Papst nennt. Das wäre mir etwas zu hoch gegriffen.

Alkohol-Missbrauch ist in unserer Gesellschaft weit verbreitet. Ob er den Alkoholismus mit seiner Begeisterung für den Whisky nicht kleinrede, frage ich  ihn.

Alkohol ist in jedem Fall eine Gefahr. Das sage und schreibe ich überall, wo ich nur kann. Deswegen ist auch ein ganz wichtiger Aspekt der „Spiritualität des Whisky“  die Mäßigung. Echter Genuss braucht nicht die Masse. Der Maßstab des Genusses ist nicht die Masse, sondern die Mäßigung. Von etwas zu viel konsumiert, stumpft man ab und der Genuss geht verloren.

Mäßigung – bei aller Begeisterung für den Whisky. Das gilt für so Vieles im Leben, geht es mir durch den Kopf. Und wie Mäßigung ganz leicht gelingen kann, das erzählt er mir zum Schluss unseres Gespräches in einem Witz:

Da war einmal ein schottischer Vater, der die vielköpfige Kinderschar zu sich rief und ihnen eine Tafel Schokolade präsentierte. Die Kinder schauten ganz begierig auf die Tafel. Der Vater  brach sie auf, gab jedem Kind ein Stückchen, die Kinder steckten die Schokoladestücke schnell in den Mund und schauten ganz begierig auf das, was noch übrig war. Doch Vater packte die Tafel sorgfältig wieder ein uns sagte: „Der Rest schmeckt genauso!“

 

(Lit.: Wolfgang F. Rothe, Wasser des Lebens, Einführung in die Spiritualität des Whiskys, St. Ottilien 2016)

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22998
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