SWR1 Begegnungen

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Winfried Späth kümmert sich in Mainz darum, dass Obdachlose, die verstorben sind, würde voll bestattet werden. Er macht das ehrenamtlich. Sein Leben lang war der 65-jährige Theologe in der Sozialarbeit tätig, jetzt setzt er sich dafür ein, dass Menschen, die auf der Straße gelebt haben, wenigsten im Tod nicht vergessen werden.

Es geht um die Würde des Menschen, die sich auch im Tod zeigt. Und da ist für mich ein Anker die Barmherzigkeit, dass Menschen in aller Würde auch dieser letzte Akt ihres Lebens gestaltet werden kann.

Winfried Späth hat schon oft erlebt, wie würdelos Bestattungen vor sich gehen können. Mitunter werden, wenn keine Angehörigen auf dem Friedhof anwesend sind,  Urnen im Schnelltempo nach einander beigesetzt. Seine Arbeit ist  auch ein Protest gegen würdelose Begräbnisse – heute, am Totensonntag.

Es ist so wichtig, weil ein menschliches Leben, eine menschliche Geschichte, damit zu Ende geht. Es ist ein letzter Akt, bei dem noch einmal der Name, sowohl der Vorname als auch der Familienname genannt wird. Und mein eigener, persönlicher Glaube ist, dass dieser Name als Name mit seiner Lebensgeschichte im Buch des Lebens verzeichnet ist.

Winfried Späth ist Theologe, leitet Trauerfeiern für gewöhnlich mit einem christlichen Kontext. Das ist nicht immer möglich. Kommen zu einer Bestattung wider Erwarten dann doch einige Trauernde, bindet er sie in die Feier mit ein.

Wenn z.B. Angehörige da sind oder auch Bekannte des Verstorbenen, auch das gibt es, dann frage ich durchaus: Haben sie Kontakt gehabt zum Verstorbenen? War er religiös? Wollen wir am Grab ein Gebet sprechen? Aber das lass ich ganz offen und frage, weil ich niemandem im Tod vereinnahmen möchte.

Natürlich will Winfried Späth niemandem seinen Glauben überstülpen, keinem Toten, keiner Trauergemeinde. Doch einmal war er fast zu vorsichtig.

Ich habe jemanden bestattet, und es waren Nachbarn da, und ich habe mich nicht getraut: Soll am Grab gebetet werden? Ich habe am Grab die Panflöte gespielt, (…) und plötzlich merke ich, wie die Nachbarn das Vater unser beten. Da habe ich mich fast geschämt, weil ich ja als Theologe das jetzt nicht angestimmt habe.

Von Gott wird kein Mensch vergessen, da ist sich Winfried Späth ganz sicher. Diese Hoffnung teilen wir beide. Dass Menschen in unserer Zeit einfach vergessen werden, darüber kann er sich empören.

…dass die Anonymität in unserer Gesellschaft deutlich wächst, dass es ganz, ganz viele Menschen gibt, die alleine leben, alleine leben müssen. Oder aber auch in Konfliktsituationen mit ihren Verwandten, dass ganz viele jüngere Menschen sich nicht mehr die Verstorbenen kümmern, dass die Gräber verwaise.

Wie Winfried Späth auf seinen eigenen Tod zugeht und warum sein Flötenspiel am Grab so wichtig ist, dazu mehr nach dem nächsten Titel.

Die Arbeit auf dem Friedhof konfrontiert ihn immer wieder auch mit seinem eigenen Tod.

Ich habe aber Angst vor dem Sterben – so ist es nicht.  Aber ich glaube auch, dass dann ein Engel eine schöne Musik für mich spielen wird. (ab 9’35) Ich habe selbstverständlich die Hoffnung auf Auferstehung, dass meine Lebensgeschichte in guter Weise aufgehoben ist bei Gott.

 Dass das menschliche Leben in guter Weise bei Gott aufgehoben ist, dass glaubt der dreifache Familienvater Winfrid Späth auch für die Menschen, die selbst für sich daran nicht glauben.  Und dennoch liest er bei Trauerfeiern für gewöhnlich keinen biblischen Text vor, um Menschen nicht zu vereinnahmen.

Ich nehme meist literarische Texte, die auch einen transzendenten Hintergrund haben. Da hat sich mit der Zeit eine kleine Sammlung von Texten ergeben, die ich dann verwende.

Winfried Späth liest mir einen Text in Auszügen vor:

Nicht interessant ist keiner auf der Welt

Sein Schicksal gleicht  dem Stern am Himmelszelt

Ein jeder ist sein eigener Planet

Ihm gleicht kein Gestirn, wo er auch geht.

Und stirbt ein Mensch, so wird mit ihm vergehn,

der erste Schnee, wie er ihn einst gesehn,

sein erster Kampf vergeht, sein erster Kuss

dass alles nimmt er mit sich mit, zum Schluss.

An jedem Grab spielt Winfried Späth auf seiner Pan-Flöte. Warum frage ich ihn.

So erlebe ich die Musik wie eine Schale, von der meine persönlichen Gedanken reingelegt werden können; (…) Und so ist diese Musik eine Möglichkeit der neutralen Gestaltung auch dieser Feier.

Dann spielt mir Winfried Späth auf seiner Pan-Flöte vor:

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23179
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