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20MAI2025
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Frieda und Karl kriegen heute ihren Stolperstein. Die beiden haben in Konstanz gelebt. Beide wurden von den Nationalsozialisten ermordet, und heute ist ihr Tag.

„Stolpersteine“ sind diese quadratischen Messingplaketten, die man immer wieder auf Gehwegen sieht.

Wenn heute Nachmittag für Frieda und Karl neue Stolpersteine verlegt werden, dann kommt der Künstler Gunter Demnig höchstpersönlich und setzt ganz bewusst und sorgsam den handgefertigten goldglänzenden Gedenkstein ins Kopfsteinpflaster oder in ein Loch im Gehweg.

Jedes Mal sind ein paar Leute aus dem Ort dabei und im besten Fall auch Angehörige. Und dann schafft man ein hoffentlich bleibendes Denkmal im Boden, und nennt noch einmal ganz bewusst den Namen und erzählt die Geschichte dahinter. 

Friedas Stein wird in der Konstanzer Marienhausgasse verlegt. Sie war nur 34 Jahre alt, als sie abgeholt wurde. Frieda Böhler hatte psychische Probleme, man hat sie sofort nach der Festnahme umgebracht.

Und in der Hüetlinstraße gibt es den Stein für Karl Lumpp. Er war in einer Pflege-Einrichtung untergebracht und soll dort immer wieder „Mama“ gerufen haben, und „heim, heim“. Ob Karl Lumpp jemals Besuch von seiner Mutter bekommen hat? Auf seinem Stolperstein steht „ermordet am 24.7.1940“.

Mittlerweile gibt es an knapp zweitausend Orten in ganz Europa solche Steine. Die Chancen stehen also gut, dass man einen entdeckt - einen Stolperstein. Und jeder von ihnen erinnert mit einem kleinen Stückchen vergoldeter Erde an eine ganz eigene Persönlichkeit.

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19MAI2025
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Mit der zehnjährigen Tochter zum „Blind Date“?

Gloria und ich haben es ausprobiert. Ich gebe zu, so ganz „blind“ war das Date von Gloria mit ihrer neuen Freundin nicht, aber fast. Die beiden haben sich nur einmal kurz in der neuen Schule gesehen, dann ist Julia krank geworden, und konnte seit September nicht wieder zur Schule. Weil sie ständig erschöpft ist, Kopfschmerzen hat und sich kaum konzentrieren kann.

Gloria und sie haben irgendwann angefangen sich übers Handy Nachrichten zu schreiben. Und ein paar Wochen später kam die Einladung von Julia. Also bin ich mit Gloria zu diesem fast „Blind Date“. Während die beiden Mädchen ein bisschen reden, will ich von Julias Mutter wissen, was mit ihrer Tochter los ist.

Melanie erklärt mir: „Julia hat „CFS“ – das heißt Chronisches Fatigue Syndrom - aber zum Glück nur in einer milden Form.“ „Mild?“, frage ich zurück. „Ja.“ sagt Melanie. „Manche, die an CFS leiden, können gar nicht mehr sitzen, weil es zu anstrengend ist. Viele haben ständig Schmerzen und können kaum noch aus dem Bett.“

Zum Glück ist es bei Julia nicht so schlimm. Deswegen können sich die beiden Mädchen überhaupt besuchen. Aber immer nur kurz und mit möglichst wenig Bewegung. Melanie sagt: „Wir hoffen, dass es irgendwann langsam besser wird. Aber es ist ein Marathon!“

Julias Krankheit ist kaum erforscht, und auch Melanie weiß nicht, wie Julia passend behandelt werden kann. Sie puzzelt sich ihre Infos bei anderen Betroffenen zusammen und sagt: „Die Krankheit zu begreifen ist wirklich schwierig. Nicht einmal die Ärzte können uns groß helfen.“

So wichtig es ist, dass CFS endlich gründlich erforscht wird, so schön und hilfreich ist es auch, wenn Freundinnen, so wie Gloria, dabei bleiben.

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18MAI2025
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Ich hab ein neues Lieblingswort, es heißt „Grundruhe“. Der Kinderliedermacher Rolf Zuckowski hat in einem Interview davon gesprochen, und seitdem will ich sie haben, die „Grundruhe“. Vielleicht sehne ich mich deswegen so sehr nach ihr, weil es sie bei uns zu Hause so selten gibt.

Ich denke da automatisch an Entspannung und genügend Zeit. Rolf Zuckowski ist mittlerweile Großvater und schon Jahrzehnte im Kinderliedergeschäft. Eine Journalistin hat ihn gefragt: „Was ist heute in der Kindererziehung schwerer als früher?“ Er hat darauf gesagt: „Es gibt so viele überfüllte Kinderleben(…) Eine Grundruhe in die Familie zu bekommen, das war wohl noch nie so schwer wie heute.“

Das heißt wohl konkret: Es ist gar nicht leicht die Ruhe zu bewahren und sie auch mal zu verteidigen. Da muss man Nein sagen können. Nein, wenn dein Kind das fünfte Hobby anfangen will oder die Trompetenlehrerin den dritten Extra-Unterricht anbietet. Oder wenn der dreißigste Ausflug im Jahr ansteht, und er eigentlich vor allem Stress bringt. Man muss Dinge weglassen können, auch wenn sie noch so schön sind.

„Grundruhe“ – das klingt danach, dass wir in der Familie komplette Tage frei halten. Damit man sich sogar an einem Mittwochnachmittag mal langweilt und niemand von A nach B gefahren werden muss. Ich weiß, dass das oft nicht geht, aber wenn es doch möglich ist, dann ist das eine Chance. Eine Chance auf Ruhe.

Aber die finde ich vermutlich nur, wenn ich sie immer wieder mit Löwenmut verteidige, die „Grundruhe“.

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17MAI2025
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Es ist das Wochenende der letzten Entscheidungen. Der letzte Spieltag in der 1. und 2. Fußballbundesliga der Männer. In den Tagen danach folgen dann noch die Relegationsspiele. Gerade, wenn es um Auf- oder Abstieg geht, kochen die Emotionen im Stadion hoch. Häufig hagelt es Beleidigungen und Gewaltandrohungen gegen Fans und Spieler des anderen Teams oder sogar Spieler der eigenen Mannschaft.

Schreit im Stadion jemand eine krasse Beleidigung oder lese ich nach dem Spiel online so einen Kommentar, dann frage ich mich immer: warum? Die anderen Fans und die Spieler sind bei aller Emotion doch immer noch meine Mitmenschen. Und wenn es nicht bei Beleidigungen bleibt, sondern sogar handgreiflich wird, dann ist es bei mir völlig rum.

Dass es auch anders geht, haben die Fans des VFL Bochum vor kurzem bewiesen. Beim Abstiegsduell in Heidenheim. Der Heidenheimer Torhüter ist dort nach einem Zusammenprall regungslos auf dem Boden liegengeblieben. Da haben sie diesen Menschen gesehen, der Hilfe gebraucht hat. Das Spiel, die möglichen Punkte – das alles war unwichtig geworden.

Gemeinsam mit den Heidenheimer Fans haben sie den Namen des Torwarts gerufen. Immer und immer wieder. Um ihn zu unterstützen, ihm Kraft zu schenken. Ihm so gute Genesung gewünscht.

Hoffentlich gelingt das heute, an diesem Wochenende und bei den Relegationsspielen dann auch. Dass bei allem Frust oder bei aller Freude, alle im Kopf haben: Die anderen sind schlicht und ergreifend Menschen. Egal, welchen Verein sie anfeuern oder für welches Team sie spielen. Egal, welchen Beruf sie ausüben. Wie viel Geld sie dafür bekommen. Es sind Menschen. Und so sollten wir einander auch behandeln.

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16MAI2025
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„Ach, das ist doch nur billige Jenseitsvertröstung.“ Das hat mir jemand in einem Gespräch vorgeworfen. Und ein bisschen stimmt es ja auch: Denn zum christlichen Glauben gehört für viele, dass alles gut werden wird. Spätestens nach dem Leben hier auf dieser Erde. Drüben im Jenseits, ganz bei Gott. Diese Hoffnung gehört auch zu meinem christlichen Glauben.

Deswegen stimmt die Frage: Was bringt mir der christliche Glaube hier, wenn doch erst im Jenseits alles gut wird? Wenn er nicht hilft, Probleme hier zu lösen. Deswegen: Jenseitsvertröstung. Und die ist billig, weil niemand etwas dafür tun muss. Und weil sie sich ganz leicht aussprechen lässt.

Ich kann den Vorwurf nachvollziehen, aber ich teile ihn nicht. Ganz im Gegenteil. Viele Menschen erleben Ungerechtigkeiten, Leid und Unglück. Manchmal bin ich dem ausgeliefert und kann nichts dagegen machen. Da tröstet es mich, dass ich weiß, dass Gott sich darum kümmern wird. Dass er das einmal gerecht machen wird. Und dass er weiß, wie es mir geht. Mit mir mitleidet. Das gibt mir Kraft für die schweren Zeiten.

Diese Hoffnung allein verändert schon etwas im Jetzt. Aber ich glaube, es geht sogar noch weiter: Wenn bei Gott eines Tages alles gut sein wird, warum sollten wir dann warten? Ich glaube, Gott will das Gute schon jetzt. Für alle. Darum will ich nicht nur hoffen, sondern handeln. Weniger Leid, weniger Ungerechtigkeit. Mehr von dem, was kommt, schon heute sichtbar machen. Genau das erlebe ich auch bei vielen anderen Christinnen und Christen. Aus der Hoffnung aufs Jenseits kommt Motivation für das Gute jetzt.

So hat der Glaube ganz konkrete Auswirkungen auf das Leben heute. Und ist keine billige Jenseitsvertröstung.

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15MAI2025
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Ich möchte mithelfen, dass sich etwas ändert. Es geht um psychische Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen. Und damit sich etwas ändert, muss das Problem bekannter werden.

Ein befreundeter Lehrer hat es einmal so gesagt: „Bei uns an der Schule nimmt es zu. Und oft kann man gar nicht genau sagen, was die Ursache ist.“ Und ein Schulleiter meint dazu: „Dass psychische Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen zunehmen, das merken wir in der Schule schon seit Jahren. Wir merken aber nichts davon, dass die Hilfe für die Erkrankten und ihre Familien ausgebaut wird.“

Damit bringt er das Problem auf den Punkt: Es gibt viel zu wenig Hilfe bei psychischen Erkrankungen. Wartezeiten von einem halben Jahr sind normal, oft noch länger. Für die jungen Menschen im Wachstum und der Entwicklungsphase ist das eine Ewigkeit. Und gleichzeitig leidet die ganze Familie mit. Und nur wenige trauen sich, offen mit der Erkrankung umzugehen. Weil Menschen mit psychischen Erkrankungen oft noch immer stigmatisiert oder ausgegrenzt werden.

Deswegen möchte ich mithelfen, dass sich etwas ändert. Allen Familien mit psychisch erkrankten Kindern will ich Mut machen: Sprecht mit anderen über eure Situation. Zieht euch nicht zurück. Es kann sein, dass manche nicht damit umgehen können und verletzende Sprüche oder Verhalten folgen. Ich bin mir aber sicher: Es gibt viele, die euch unterstützen.

Den Verantwortlichen im Gesundheitswesen möchte ich eine Frage stellen: Warum ist es nicht möglich, dass es mehr Therapieangebote gibt? Wir kämen doch nie auf die Idee, jemandem mit gebrochenem Bein zu sagen, dass der Gips erst in sechs Monaten angelegt werden kann! Warum lassen wir das bei einer psychischen Erkrankung zu?

Und an alle anderen habe ich eine Bitte: Wer mitbekommt, dass es jemandem nicht gut geht, egal ob jung oder alt, geht gut mit ihnen um. Und unterstützt bitte so, wie es die eigenen Kräfte zulassen.

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14MAI2025
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Ich war erst mal komplett perplex, als Andreas angerufen hatte. Wir haben uns noch nie gesehen, kennen uns eigentlich nicht. Meine Telefonnummer hat er online gefunden. Begegnet sind wir uns bisher nur online im Kommentarbereich. Nicht zu einem großen politischen Thema. Sondern zu einer Spielzeugrennbahn. Eigentlich komplett belanglos. Aber wo eine Leidenschaft ist, kann es auch mal intensiv werden. Als unsere Diskussion immer mehr Fahrt aufgenommen hatte, festgerannt war, hat er die Bremse reingehauen und das direkte Gespräch am Telefon gesucht.

45 Minuten hab ich mit Andreas telefoniert. Im direkten Gespräch noch mehr Argumente ausgetauscht, als es online schriftlich möglich war. Und so überrascht ich über seinen Anruf war – und ja, ich fand das zuerst richtig creepy –, so gut war das hinterher. Wir sind uns einig, dass wir in einigen Punkten weiterhin unterschiedlicher Meinung sind. Aber wir verstehen den anderen jetzt besser.

Wenn ich mir andere Onlinediskussionen anschaue, dann bräuchten wir eigentlich mehr Menschen, die wie Andreas sind. Menschen, die direkt miteinander reden – und sich auch verstehen wollen. Immer wieder erlebe ich es eher so, dass sich einige einfach nur empören wollen. Nicht mehr, nicht weniger.

In den 10 Geboten gibt es den Ruhetag von der Arbeit. Vielleicht täte uns als Gesellschaft ein Social Media-Ruhetag gut. Kein fester Tag, sondern jede und jeder für sich. Einfach mal die Bremse reinhauen. Ein Tag, ohne hier und da zu kommentieren, ohne Aufregung. Bremsen. Durchatmen. Und dann ohne Aufregung wieder das Gespräch suchen.

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13MAI2025
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Die Kinder prosten sich zu, stoßen mit den Bechern an – und ich stehe erst mal irritiert daneben. In der Kirche, in meinem Talar. Die meisten der Kinder, acht, neun Jahre alt, haben zum ersten Mal das Abendmahl mitgefeiert. Mit einem Stück Brot und einem Schluck Traubensaft in einem kleinen Becher.

Davor haben wir uns an einigen Nachmittagen damit beschäftigt, was denn das Abendmahl eigentlich ist und warum wir es feiern. Und was soll ich sagen: Die Kinder haben es so gut verstanden. Das Abendmahl ist wie ein festliches Abendessen mit Jesus, zu dem alle eingeladen sind. Wir Christinnen und Christen feiern das in Erinnerung an sein letztes Abendessen mit seinen Freundinnen und Freunden.

Bei diesem Essen waren alle dabei. Auch Petrus, der später sagen wird, er würde Jesus nicht kennen. Oder Judas, das ist der, der Jesus verraten wird. Alle sind dabei. Prosten sich zu, feiern zusammen.

Und genau das haben die Kinder verstanden: Beim Abendmahl sind alle eingeladen. Wir feiern da etwas. Die Gemeinschaft miteinander und mit Jesus. Und wie es bei einer Feier ist: Da prostet man sich auch zu und stößt auch mal miteinander an. Als ich das nach dem ersten Abendmahl mit den Kindern kapiert hatte, war meine Irritation auch gleich verflogen.

Seitdem erlebe ich das Jahr für Jahr: Dass die Kinder, denen ich vom Abendmahl erzähle, das ganz selbstverständlich verstehen. Und so feiern sie Abendmahl miteinander. Sie prosten sich zu, und manchmal stoßen sie auch an: „Lechajim“ heißt ein hebräischer Trinkspruch. Den gab es zu Jesu Zeiten vielleicht noch nicht. Aber er passt zum Abendmahl. „Lechajim“, das heißt: „Auf das Leben!“.

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12MAI2025
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Die Kinder würden am Mittwochabend ohne Trainerin dastehen, im Keller stünde ohne freiwillige Feuerwehr nach dem Unwetter tagelang das Wasser und nach dem Gottesdienst am Sonntag gäbe es keinen Kaffee. Nur drei Beispiele, was uns alles fehlen würde, wenn Menschen sich nicht ehrenamtlich engagieren würden. Im Sport, im kulturellen Bereich, in der Politik, der Gesellschaft und natürlich auch in der Kirche. Überall sorgen sie für ein reiches, breit gestreutes Angebot von Gruppen für jedes Alter und mit verschiedenen Interessen.

Es gibt auch eine ehrenamtliche Aufgabe in der evangelischen Kirche, von der vielleicht nicht viele wissen: Gottesdienste gestalten. Die Menschen, die das ehrenamtlich machen, heißen Prädikantinnen und Prädikanten. Sie haben eine intensive Ausbildung hinter sich. Denn sie suchen Lieder aus, machen sich Gedanken zum Predigttext, schreiben Gebete. Und dann stehen sie, in der Regel sonntags, vor der Gemeinde. Allein das ist für manche zu Beginn schon eine Überwindung: vor anderen Menschen ins Mikrofon sprechen. Etwas von sich und dem eigenen Glauben zu erzählen.

Warum sich Prädikantinnen und Prädikanten und so viele Ehrenamtliche in anderen Bereichen so einsetzen: Es tut anderen gut. Es tut auch mir selbst gut, anderen etwas Gutes zu tun. Und was ich besonders spannend finde: Ich kann im Ehrenamt richtig dazulernen. Wie erstelle ich einen Trainingsplan? Wie kann ich jemanden aus einem brennenden Haus retten? Was haben andere schon zu einer Bibelstelle gedacht? Vom Ehrenamt profitieren im Idealfall also alle.

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11MAI2025
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Menschen liegen auf dem Boden. Vielleicht hat sie vor einem Jahr jemand gesehen. In der eigenen Innenstadt oder irgendwo auf einem Videoclip oder Bild. Viele von denen, die da liegen, haben Schilder dabei. „Hilfe“ steht in Großbuchstaben darauf. Oder „Anerkennung. Aufklärung. Versorgung. Forschung“. Auf einem anderen Schild „Könnt ihr mich jetzt sehen?“, zusammen mit einem Portrait.

Angehörige haben so demonstriert. Nur anstatt wie sonst im Stehen oder mit einem Marsch eben im Liegen. #LiegendDemo haben sie das genannt. Auf den Boden gelegt haben sich die Demonstrierenden für Menschen, die am chronischen Erschöpfungssyndrom leiden. Die Krankheit ist noch schlecht erforscht. Wie es genau dazu kommt, ist deswegen nicht ganz klar. Viele leiden nach einer Virus-Infektion daran. Es gibt deswegen kaum medizinische Hilfe für Betroffene, dabei stellt sich deren Leben auf den Kopf. Darum demonstrieren auch die Angehörigen und nicht die Erkrankten: Die haben nämlich einfach keine Kraft dazu.

Wer am chronischen Erschöpfungssyndrom erkrankt ist, ist nicht einfach nur müde. Es geht weit darüber hinaus. Die Mutter der 17-jährigen Carlotta sagt zum Beispiel:

„Sie hatte Kopfschmerzen, Schwindel, Geräuschempfindlichkeit, hatte angefangen, willkürlich zu zittern, das Bein knickte ihr einfach weg. Das eigene Kind so zu sehen. Wenn sie absolut schwach ist, nicht mehr sprechen kann, weil sie so erschöpft ist, weil ihr Körper nicht mehr funktionieren kann. Sie mit 17 Jahren wieder füttern zu müssen, was ich natürlich tue, um Gottes Willen, aber das geht einem unglaublich an die Substanz.“

Jedes Jahr am 12. Mai erinnern Angehörige an ihre Erkrankten. Sie suchen Hilfe, Verständnis und wollen vor allem auf die Menschen aufmerksam machen, die ihnen wichtig sind. Wollen die sichtbar machen, die selbst keine Kraft dazu haben, sichtbar zu sein. Mit Aktionen wie der #LiegendDemo. Auch in diesem Jahr, heute und morgen.

Quelle: Liegender Protest: Demos für Fatigue-Syndrom-Betroffene in Köln und Bielefeld - Nachrichten - WDR

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