Zeige Beiträge 1 bis 10 von 5637 »
Falsche Erlöser und Messiasse hat es zu allen Zeiten gegeben. Figuren, die den Menschen das Blaue vom Himmel versprochen haben. Und eine große Gefolgschaft um sich versammeln konnten. Nur ihre Versprechungen haben meist nicht lange gehalten. Früher oder später haben sie in den Abgrund geführt. Gerade in der Geschichte der Religionen, im Judentum wie im Christentum und im Islam, ist das immer wieder zu sehen.
Jesus hatte übrigens ein sehr feines Gespür für den Unterschied zwischen Sein und Schein. In seiner Umgebung gab es Leute, gerade auch unter den Spitzen der Gesellschaft, die er wegen ihrer Scheinheiligkeit angegriffen hat. Er hat sie in einem drastischen Bild als weiß „getünchte Gräber“ bezeichnet. Von außen zwar schön anzusehen, inwendig aber - so wörtlich - „voller Totengebein und Unrat.“
Und noch ein anderer Vergleich ist geradezu sprichwörtlich geworden. Seine Warnung vor Wölfen im Schafpelz: „Nehmt euch in acht vor denen, die in Schafskleidern zu euch kommen, inwendig aber sind sie reißende Wölfe“, sagt er einmal.
Wölfe im Schafspelz sind Menschen, deren gefährliche Absichten sich unter einer harmlosen Oberfläche verbergen. Sie lächeln dich an, aber hinter ihrem Lächeln wohnt Grausamkeit. Sie versprechen dir die Lösung deiner Probleme, aber sie bauen nur an ihrer eigenen Macht. Sie berufen sich auf heilige Schriften, aber sie benutzen sie zum eigenen Vorteil. Jesus weiß, dass Verführer und falsche Erlöser nicht so viel Einfluss und Macht hätten ohne die, die ihnen nachlaufen. Darum nennt er einen Maßstab, der zur Unterscheidung hilft. Er lautet: „An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen“. Auf lange Sicht nämlich werden sich die falschen Erlöser selbst entlarven. Schließlich kann man von Dornen keine Trauben ernten, wie Jesus sagt, und von Disteln keine Feigen.
Gute Früchte hervorzubringen, erfordert Fantasie und Anstrengung. Zum Beispiel: Nicht abfällig über andere reden. Dem Schwächeren beistehen. Gesprächsfäden knüpfen, wo sie zerrissen sind. Und so Bausteine liefern zum Frieden.
Und egal ob kleine oder große Frucht: es kommt auf jede einzelne an!
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41796Heute ist sein Gedenktag. Benedikt von Nursia, Begründer des abendländischen Mönchtums. Geboren um das Jahr 480, ist er am 21. März 547 in der von ihm gegründete Abtei auf dem Monte Cassino südöstlich von Rom gestorben.
Trotz der eineinhalb Jahrtausende, die uns trennen, fühle ich mich ihm verbunden. Wohl auch darum, weil ich den größten Teil meines Berufslebens an einem Ort verbracht habe, der durch ihn geprägt ist: Bad Herrenalb im nördlichen Schwarzwald. Vor fast 900 Jahren sind Zisterziensermönche in die damals unwegsame Gegend gezogen, um dort in benediktinischer Tradition ein Kloster zu errichten. Ora et labora, bete und arbeite, darum ist es den Mönchen gegangen.
Von ihrem Kloster steht heute nur noch eine Ruine. Aber im Rundbogen über dem Eingangsportal kann man noch einen Spruch in lateinischer Sprache entziffern: „porta patet, cor magis”: Die Tür ist offen, das Herz noch mehr.
Viele Male bin ich durch dieses Portal gegangen, und immer habe ich dabei gedacht: Was für eine großartige Einladung! Den biblischen Gedanken der Gastfreundschaft auf diese Weise zum Motto zu erheben. Noch etwas anderes beeindruckt mich. Klöster waren ja bald über den ganzen europäischen Kontinent verbreitet – von Spanien bis ins Baltikum, von Schottland bis nach Italien.
Lange bevor es ein vereinigtes Europa gab, standen die Klöster in lebendigem Kontakt zueinander, tauschten Kenntnisse und Fertigkeiten aus. In der Baukunst wie in der Landwirtschaft, im Weinbau wie in der Schreib- und Buchkunst. So ist ein Netz gemeinsamer Ideale und Interessen entstanden; über Ländergrenzen hinweg. Auch das eine wichtige Erinnerung, finde ich, in Zeiten eines weltweit anwachsenden Nationalismus: dass Gemeinschaft und friedlicher Austausch besser sind als Abschottung und Alleingänge. Ich finde, man muss kein Mönch sein, um zu begreifen, dass das Motto „Die Tür ist offen, das Herz noch mehr“ befreiend wirkt und aus manchen Sackgassen, in die wir geraten sind, herausführen könnte.
Gerne denke ich darum heute als evangelischer Christ an Benedikt von Nursia, den Urvater des europäischen Mönchtums.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41795Eines Tages, so erzählt der kurdische Dichter Sherko Bekas, eines Tages saßen ein Blinder, ein Tauber und ein Stummer eine Zeitlang auf einer Parkbank beieinander. Sie saßen aufrecht und waren heiter. Der Blinde sah mit den Augen des Tauben. Der Taube hörte mit den Ohren des Blinden. Der Stumme verstand beide an der Bewegung ihrer Lippen. Alle drei gemeinsam rochen sie den Duft der Blumen.
So stelle ich mir den Frieden vor! Ich glaube auch, wir brauchen solche poetischen Bilder, um den Duft des Friedens nicht aus der Nase zu verlieren. Um uns nicht zu gewöhnen an den Gestank der Missgunst und der Feindseligkeit. Für mich klingt die kleine Geschichte wie ein Widerhall einer biblischen Friedensvision. Die steht im Buch des Propheten Sacharja. Da heißt es: „Ein Mensch wird den andern einladen. Und ihr werdet in Frieden beieinander wohnen unter Weinstock und Feigenbaum.“ Wie schön wäre das, denke ich mir, aber wie weit weg ist das auch!
Dennoch, der Frieden zieht uns an mit seinem Duft. Duftforscher sagen uns, wie wichtig unser Riechvermögen für eine gute Orientierung ist. Wer sich gut riechen kann, bleibt zusammen. Und bildet vielleicht eine Gemeinschaft. Wer sich nicht riechen kann, geht schnell getrennte Wege. So eine friedliche Gemeinschaft ist ja nicht der Normalfall. Eher die Ausnahme. Im Normalfall dominieren unterschwellige und offene Konflikte. Meist geht es dabei um Macht. Um die Vergrößerung des eigenen Terrains. Um Genugtuung für eine Kränkung. Manchmal auch um Rache.
Darum spielt in der Welt der Bibel der Schalom, der Friede, eine so große Rolle. Und meint viel mehr als nur das Schweigen der Waffen. Nämlich Wohlergehen, Glück und Segen, Ruhe und Sicherheit.
Eben weil der Frieden so kostbar ist - das Besondere, nicht das Normale - eben darum brauchen wir solche Visionen, die unser Handeln zu ihm ziehen. Die Lust machen, uns in den Dienst unserer gemeinsamen Sehnsucht nach Frieden und gutem Zusammenleben zu stellen. Wie der Blinde, der Taube und der Stumme auf der Bank. Damit der Frieden nicht verduftet wie ein abgestandenes Parfüm. Sondern uns jeden Tag neu auf den Geschmack bringt.
Das Gedicht entstammt dem Band „Geheimnisse der Nacht pflücken“ von Sherko Bekas, Unionsverlag 2019
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41794Seufzen gehört bei uns zum Programm. Jeden Donnerstagabend treffen wir uns. Es beginnt mit einfachen Übungen, Arme und Beine abklopfen, sich strecken und dehnen in alle Richtungen, den Körper bis in die Finger- und Zehenspitzen mit Luft versorgen, die Stimme lockern. Und irgendwann ist es dann so weit. „Lasst es raus“, sagt unser Chorleiter. Und dann seufzen wir. In den höchsten Tönen. Laut und hemmungslos. Es fühlt sich großartig an. Und für mich ist es jedes Mal viel mehr als eine Übung vor dem Singen. Denn mit jedem Seufzer kann ich wirklich etwas abgeben von dem, was mich belastet, loswerden, was sich im Lauf einer Woche an Verzagtheit und Frust angesammelt hat. Ich lasse es raus in diesem Augenblick und mir wird dabei ganz leicht ums Herz. Erlöst, vergnügt, befreit. Ich brauche diese wöchentliche Übung, denn in meinem Alltag haben Seufzer keinen Platz. Da soll ich mich ja beherrschen. Die Sprache verrät es. Sie sagt: „Mir ist ein Seufzer entfahren“, als ob das etwas Unanständiges wäre und bitte schön unbedingt zu vermeiden! Öffentliches Seufzen ist peinlich. Schon Paulus hat das beobachtet. Im Römerbrief schreibt er: Wir seufzen und stöhnen in unserm Innern. Leise, für uns. Alles fressen wir in uns hinein. Die vielen unterdrückten Seufzer brocken sich dann zusammen und bilden dicke Klumpen im Hals und im Magen. Was immer nur unterdrückt wird, drückt. Deshalb rät Paulus: „Erstickt nicht an Eurem Schmerz. Lasst den Druck raus.“ Genau das tue ich mit meinen lauten Seufzern im Chor. Wer nicht in einem Chor singt und im Seufzen noch ungeübt ist, kann sich anders helfen. Ich empfehle dafür das Evangelische Gesangbuch. Es bietet wunderbare kleine Übungen. Seufzen für Anfänger. Sie müssen nur einmal das Inhaltsverzeichnis aufschlagen beim Buchstaben A. Gleich neun Lieder zur Auswahl. Alle beginnen mit einem Seufzer: „Ach!“ Zum Beispiel: „Ach bleib mit deiner Treue bei uns, mein Herr und Gott. Beständigkeit verleihe, hilf uns aus aller Not.“ Irgendwann geht es dann auch ohne Buch. Denn Seufzen braucht keine Sprache, keine ausformulierten Sätze. Nur einen tiefen Atemzug. Und den Mut, für einen Moment etwas lauter zu werden. Sich öffnen für einen Ton voller Gefühl, ganz tief von innen heraus. Morgen ist wieder Donnerstag: Chor-Tag. Da seufzen wir uns wieder die dicken Klumpen von der Seele. Bis uns ganz leicht wird ums Herz.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41786Fünfzig Jahre lang hat der Stein auf dem Fensterbrett im Wohnzimmer gelegen. Zwischen Zimmerpflanzen und je nach Jahreszeit wechselnden Deko-Teilchen. Jetzt hat ihn mein Mann auf den Stapel gelegt mit den Dingen, die wir mitnehmen möchten. Wir sind dabei, das Haus meiner Schwiegermutter auszuräumen. Sie ist Anfang des Jahres gestorben, und nun hat sich überraschend schnell ein Käufer gefunden. Er hat gute Ideen für einen Umbau. Und es freut uns, dass sich das Haus bald wieder mit Leben füllen wird. Nun also dieser Stein. Ich schaue meinen Mann verständnislos an. Was will er bloß mit dem hässlichen Brocken? „Den hab´ ich mal drüben im Steinbruch gefunden“, sagt er. „Da war ich vielleicht zwölf.“ Sofort sehe ich den Stein mit anderen Augen an. Ist er nicht schön? Tatsächlich etwas ganz Besonderes. So ist das mit den Dingen, die wir im Lauf eines Lebens ansammeln. Manche haben objektiv einen materiellen Wert. Andere sind in diesem Sinn längst wertlos geworden, abgeschrieben. In vielen steckt jedoch eine Geschichte, die sie wertvoll macht für den, der sie kennt. Etliche solcher Geschichten haben wir uns erzählt in den letzten Tagen. Aber die Frage, was wir mitnehmen, bleibt. Was wir behalten, verschenken, wovon wir uns trennen. Soll der Stein noch einmal ein paar Jahrzehnte auf einer Fensterbank verbringen? Solange, bis niemand mehr seine Geschichte kennt? Jesus empfiehlt, sich auf anderes zu konzentrieren. Er sagt: „Häuft keine Schätze auf der Erde an. Hier werden Motten und Rost sie zerfressen und Diebe einbrechen und sie stehlen. Häuft euch vielmehr Schätze im Himmel an. Dort werden weder Motten noch Rost sie zerfressen und keine Diebe einbrechen und sie stehlen.“ Es hört sich so klar und einfach an, was Jesus sagt. Aber kann ein irdischer Stein nicht auch ein himmlischer Schatz sein? Etwa, wenn seine Geschichte auf Gott und den Himmel hinweist? Ich denke an meine Fensterbretter zuhause. Die sind ebenfalls mit bedeutungsschweren Gegenständen bepackt. Wenn ich mir vorstelle, was da auf meine Erben einmal zukommt, bekomme ich gleich ein ganz schlechtes Gewissen. Aber ich hoffe auch, dass das eine oder andere Stück die Geschichte von meiner Himmelssuche weitererzählt. Wenn ich selbst es nicht mehr kann. Mein Mann hat den Stein übrigens in den Garten gesetzt. Erde zu Erde, Stein zu Stein. Aber wer weiß: Vielleicht hebt ihn jemand auf, findet ihn schön und beginnt mit ihm eine neue Geschichte.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41785Poetisch nennt sie sich die „Stadt der Tore, Türme und Giebel“. Und ja, sie ist wirklich ein schmuckes Städtchen mit einer alten Stadtmauer, farbigen Häuserfassaden am Marktplatz und einem Bach, der durch ihre mittelalterlichen Gassen plätschert. Die Stadt Memmingen gibt sich aber auch oberschwäbisch bescheiden, denn sie dürfte sich genauso brüsten, der Ort der ältesten Erklärung der Menschenrechte zu sein. Im Saal der ehemaligen Krämerzunft, den man noch besichtigen kann, haben sich nämlich im März 1525, also vor 500 Jahren, ein paar Dutzend Bauern aus dem ganzen Südwesten getroffen und ihre Forderungen zu Papier gebracht. In zwölf bemerkenswerten Artikeln. Ich staune beim Lesen. Klug und besonnen argumentieren sie. Und sehr selbstbewusst. Lange vor der französischen Revolution, lange vor der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung ist hier zum ersten Mal ein allgemeiner Ruf nach Freiheit formuliert. Gleichheit und Brüderlichkeit stehen noch nicht auf dem Zettel. Denn die Verfasser erkennen die für sie gottgegebene Ordnung der Welt an. Die Verhältnisse auf den Kopf stellen wollen sie nicht. Aber innerhalb dieser bestehenden Ordnung fordern sie gerechte Verhältnisse: Teilhabe an natürlichen Ressourcen wie Wasser, Weideflächen und Wald. Sie verlangen eine angemessene Besteuerung und wenden sich gegen jede Form von Willkür in der Rechtsprechung. Die Leibeigenschaft soll abgeschafft werden, denn, so steht es im dritten Artikel: „Christus hat uns alle erkauft mit seinem kostbaren Blut, den Hirten genauso wie den Höchsten, keinen ausgenommen.“ Die zwölf Memminger Artikel nehmen den Reformator Martin Luther beim Wort. Er hat gerade den Bestseller „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ geschrieben. Wie Luther zitieren die Bauern selbstbewusst aus der Bibel: „Damit ergibt sich aus der Schrift, dass wir frei sind, und das wollen wir sein. Aber nicht, dass wir ganz und gar frei sein und keine Obrigkeit haben wollten. Das lehrt uns Gott nicht.“ Ich finde: Eine grandiose Grundlage für Verhandlungen mit der gegnerischen Seite. Und tatsächlich verhandelt ein Schwäbischer Bund aus Fürsten, Klöstern und Städten mit den Bauern darüber. Aber als manche Bauerngruppen im Freiheitsrausch Burgen und Klöster zerstören und brandschatzen, formieren die Fürsten schnell ihre Heere. Sie beenden den Bauernkrieg mit Gewalt. Der Aufstand von Bauern, Bergarbeitern und Handwerkern wird niedergeschlagen. Aber ihre Ideen wirken fort.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41784Corona braucht niemand mehr – die Pandemie mit vielen Kranken und Toten, mit Lock Down, geschlossenen Schulen und Bahnhöfen – und sogar die Kirchen waren eine Zeit lang zugesperrt. Gottesdienst sonntags nur online oder im Radio oder am Fernsehen. Braucht niemand mehr – obwohl: ein paar Erlebnisse von damals würde ich mir schon nochmal wünschen.
Einen Sonntag mal kurve ich mit dem Rad auf die Piazza vor unserer Kirche – und kann gerade noch bremsen, bevor ich in die Warteschlange fahre. Alle Plätze für die Sonntagsmesse ausgebucht und reserviert – und wer unangemeldet gekommen ist, muss erst mal abwarten. Das war in der zweiten oder dritten Corona-Phase; da durften wir wieder in die Kirchen – aber nur mit Abstand, höchstens auf jeden dritten Platz. Gemeinsames Singen verboten, Friedensgruß oder andere Nähe sowieso. Und tatsächlich gab es Gedränge, gelegentlich. Weil das mit anmelden, Test-Ergebnis vorzeigen, Impfstatus und so einfach bisschen länger dauerte.
Wir werden uns wundern, hab ich damals gesagt, wie leer unsere Kirchen sein werden, wenn sie wieder voll sein dürfen, nach Corona also und allen seinen Folgen. Und tatsächlich: viele haben anscheinend gemerkt, dass es sonntags auch ohne Kirche geht. Die verzichten seither auch weiterhin – ich wünsche ihnen, dass sie die gewonnene Zeit aber auch gut für sich und andere nutzen. Und eigentlich vermisse ich sie!
Manche Kirchen-Gemeinden haben aber auch für sich was gelernt. Bei uns war es so: Ja, die Eingangskontrollen waren lästig in der Corona-Zeit. Aber irgendwie doch auch ganz schön: immer hat dich jemand begrüßt, wenn du in die Kirche kamst. Sollen wir das jetzt auch wieder lassen? In meiner Gemeinde haben sie sich anders entschieden: Jeden Sonntag – oder fast jeden Sonntag – stehen ein oder zwei Menschen vor der Kirche, begrüßen die Leute freundlich, die da kommen, halten die Türen auf, wünschen einen guten Sonntag…
Keine Kontrolle, aus welchem Grund auch immer – einfach nur: herzlich willkommen, schön, dass du da bist – dann lass uns gemeinsam feiern. Denn das ist doch Kirche: jede und jeder ist willkommen – und richtig Sonntag ist jedenfalls für mich nur, wenn wir Gottes Dienst an uns auch gemeinsam feiern. Mir tut es nämlich richtig gut für mein Leben.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41769Vor achtzig Jahren haben die Nazis Gottfried Könzgen ermordet – kurz vor ihrem eigenen Ende, am 15. März 1945 noch. Im Konzentrationslager Mauthausen in Oberösterreich hatten sie ihn – schwer krank schon – Steine schleppen und behauen lassen. Verhaftet hatte die Gestapo Könzgen im August vierundvierzig. Aber schon lange und jetzt wieder lautete der Vorwurf: „unverbesserlicher Katholik“. In den Augen der Hitlerei hatte Könzgen aber noch einen weiteren Makel. „unverbesserlicher Katholik und Zentrumsmann“ war er. Also politisch unterwegs in der damals vor allem katholischen Zentrumspartei, ein bisschen einem Vorläufer der heutigen CDU und CSU. Für die war er im Stadtrat und ein paar Jahre im Landtag …
Für die Nazis gefährlich aber: Gottfried Könzgen, gelernter Weber, studierter Jurist und BWLer, hatte eine führende Rolle in den katholischen Arbeitervereinen. Da hat er vor allem Bildungs-Arbeit gemacht, Vorträge gehalten – und zwar selbstverständlich im Sinne der katholischen Soziallehre; die spricht von der Würde jedes Menschen, von Frieden und Gerechtigkeit, von Mitwirkungs-Rechten der Arbeiterschaft… Es müsse damit gerechnet werden, heißt es in einem Gestapo-Bericht, „dass er in seinen Vorträgen immer wieder in irgendeiner Form gegen die nationalsozialistische Weltanschauung Stellung nehmen wird.“ Da hatte Könzgen sich einer Nazi-Schlägertruppe widersetzt, die einen ArbeiterBildungsVortrag zerschlagen wollten.
Seltsam, dass er dann doch noch lange weitermachen konnte – nur Redeverbot bekam er. Gezielte Einschüchterungs-„Besuche“ hatte die Familie aber immer wieder.
Erst als das Ende des angeblich tausendjährigen Reiches schon ziemlich klar ist, verhaften sie ihn und verschleppen ihn ins KZ. Könzgen schreibt aus der Haft an seinen Sohn von seiner Hoffnung auf Frieden – aber er wusste wohl, dass er dessen Ausbruch kaum noch erleben würde. „Dann werden wir schon klar erkennen,“ heißt es in dem Brief, „dass gerade in der dunkelsten Nacht des Leidens uns am besten und schönsten die Sonne der göttlichen Liebe bestrahlt.“
Eigentlich dringend, dass die Kirche diesen Märtyrer auch ausdrücklich selig spricht und sein Andenken deutlich höher hält – und auch das von manchen anderen Christenmenschen im Widerstand. Gerade in Zeiten wie diesen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41768Er muss sich bedanken bei Polizei und Feuerwehr: Alle haben sich um ihn und sein neunmonatiges Kind nach dem Unfall „super gekümmert“, meint André L. am Tag danach. Sein Auto war mit einem anderen Auto zusammengestoßen. Belebte Straße, viele Schlaglöcher, alles bisschen eng da Der andere Fahrer war schuld – oder hat jedenfalls ein Problem gehabt. André L. hat ein Schleudertrauma – und der kleine Sohn wohl erst mal nur einen Schrecken, höchstens. Alles gut bei beiden.
Allerdings: André sieht – mehr aus dem Augenwinkel zunächst – er hat jedenfalls mitbekommen, dass das gegnerische Auto nach der Kollision wohl ganz außer Kontrolle geraten ist; gerade versinkt es im Weiher neben der Straße. Und weil er selbst und das Kind offenbar kein größeres Problem haben, steigt der Vater aus seinem Wagen aus, springt ins Wasser, taucht kurz und rettet den 89-jährigen Fahrer vor dem Ertrinken.
Keine Ahnung, was André glaubt; gehandelt hat er jedenfalls ziemlich christlich: Sieht einen Menschen in Not oder Gefahr – und greift ohne große Rücksicht auf sich selbst ein und zieht ihn da raus. Das ist „Nächstenliebe“ - gelebte Nächstenliebe.
Der Ort des Geschehens ist übrigens auch neben der Straße ziemlich belebt: Naherholungsgebiet in der Stadt. Ein Café gleich nebenan. Warum bleiben die vielen Leute da in der Sonne auf der Terrasse sitzen, statt einzuspringen? „Nichts gemerkt“ ist ne schlechte Entschuldigung. Smartphones haben einige gezückt; Fotos geschossen oder gefilmt, was da zu sehen war. So was will ich doch schnell verbreiten… Wenigstens behindert haben sie die Rettung hoffentlich nicht!?
Es ist gruselig – da gibt es keine Ausrede. Unabhängig von irgendeiner Religion: Helfen und mithelfen wäre doch einfach nur menschlich gewesen. Jemand hätte sich um das Kleinkind kümmern können, während der Vater den alten Mann rettet. Jemand hätte die Unfallstelle absichern müssen und Polizei und Krankenwagen rufen, sowieso. Nix gesehen – da musst du dich schon wegdrehen, in so einer Situation.
Jesus in der Bibel kommentiert solche Geschichten so: Was ihr dem Geringsten getan habt, also einem Ertrinkenden, einer Hungrigen, anderen ohne Wohnung und Hilfe… was ihr denen getan habt, das habt ihr mir getan; oder eben nicht.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41767
Anfang April vor 80 Jahren ist der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer hingerichtet worden, nach fast zwei Jahre Haft „wegen Zersetzung der Wehrkraft“. Dabei kämpfte er nur für die Absetzung der Nazi-Herrschaft und eine gerechtere Welt. „Widerstand und Ergebung“ waren sein Leben, so hat man seine tiefsinnigen Gefängnisschriften überschrieben. Darin findet sich folgendes Gedicht mit der Überschrift „Christen und Heiden“, eine Art Lebenssumme des Christlichen. Dicht wie ein Telegramm sind diese drei Strophen.
„Menschen gehen zu Gott in ihrer Not, / flehen um Hilfe, bitten um Glück und Brot, / um Errettung aus Krankheit, Schuld und Tod. So tun sie alle, alle, Christen und Heiden.“
Schon dieser Anfang gibt zu denken, denn viele heute gehen nicht mehr zu Gott, in ihrer Not nicht und nicht in ihrem Glück. Am Sprichwort „Not lehrt beten“ ist freilich doch mehr dran, als man denkt. Denn selbst wer an Gott nicht mehr glauben kann oder will, an einen allmächtigen schon gar nicht, braucht Adressaten - für seine Nöte und Bitten und wohl auch für das ebenfalls wichtige „Danke“.
„Menschen gehen zu Gott in Seiner Not, / finden ihn arm, geschmäht, ohne Obdach und Brot, / sehen ihn verschlungen von Sünde, Schwachheit und Tod, / Christen stehen bei Gott in Seinen Leiden.“
Mit dieser zweiten Strophe kommt überraschend gleich die Wende: nicht unsere Not, sondern Seine. Abschied vom allmächtigen Gott, dem Alles-Könner und Alles-Macher. Von Gottes Ohnmacht ist da die Rede, und dass er oder sie eine Schwäche hat für uns und die Welt: Gott selbst in Not ist. Hier im Rheingau, wo ich lebe, gibt es einen alten Wallfahrtsort „Not Gottes“; da pilgern die Leute zum Schmerzensmann Jesus, er „trägt die Sünden der Welt“ und schafft sie weg. Dieser Gott sucht Mitliebende, Mitarbeitende, Mitleidende. Und dann die dritte Strophe:
„Gott geht zu allen Menschen / in ihrer Not, / sättigt den Leib und die Seele mit seinem Brot, / und vergibt ihnen beiden.“
So übernimmt Gott selbst die Regie, und das im Geben und Vergeben, wie es seine Art ist. Das nennen wir Christen dann Ostern, den Anfang der wahren Welt mitten schon in der noch falschen. Dafür hat Bonhoeffer gelebt, das ist das Geschenk des Christlichen, Grund der Hoffnung für alle. Aus Gottes Vergebung zu leben und sie zu bezeugen, das ist es.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41766Zeige Beiträge 1 bis 10 von 5637 »