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08MAI2024
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Morgen wird in den Kirchen ein etwas merkwürdiges Fest gefeiert: Christi Himmelfahrt. Die Christen feiern, dass Jesus 40 Tage nach seiner Auferstehung zurück in den Himmel gekehrt ist.

Die Bibel beschreibt das so: Bei den Jüngern herrscht Gefühlschaos. Erst mussten sie mitansehen, wie Jesus am Kreuz gestorben ist und dann taucht Jesus nach drei Tagen plötzlich wieder auf. Obwohl er tot war, können die Jünger ihn jetzt immer wieder live erleben und mit ihm sprechen. Mehr als einen Monat geht das so. Am Tag der Himmelfahrt treffen sie sich mit Jesus auf einem Berg. Und obwohl sie ihn dort stehen sehen, können sie wieder nicht begreifen, dass Jesus wirklich auferstanden ist.

Jesus spürt das und macht seinen Freunden ein Versprechen, dass sich nach diesen aufwühlenden Tagen wie Balsam für die Seele anfühlen muss. Er sagt: „Macht euch keine Sorgen. Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“

Klingt nach einem Happy End. Erst das Leiden und Sterben, dann die Auferstehung. Und am Ende sind alle für immer glücklich miteinander vereint.

Doch genau in diesem Augenblick macht Jesus einen Abgang. Eben noch hat er versprochen, für immer bei seinen Freunden zu bleiben und zack, weg ist er. In der Bibel heißt es: Jesus verschwindet in den Wolken. Nur: Wenn Jesus weg geht, wie will er dann für immer bei den Jüngern sein? 

Ich verstehe das so: Jesus ist damals zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmen Ort Mensch geworden. Die Himmelfahrt öffnet seine Geschichte noch einmal. Denn nun will Jesus nicht nur bei seinen Jüngern, sondern bei allen Menschen sein. Und das kann er erst, wenn er wieder bei Gott, bei seinem Vater, ist. Dann kann er tatsächlich zu jeder Zeit in den Herzen aller Menschen sein.

Wie Jesus bei allen gleichzeitig sein kann, das erkläre ich mir durch einen Vergleich. Ich denke, das ist in etwa so wie mit der Liebe. Wir alle lieben ganz unterschiedliche Menschen, aber jeder weiß, was Liebe ist. Und ich glaube, so wie diese eine Idee der Liebe in den unterschiedlichsten Menschen präsent ist, so kann Jesus bis heute bei ganz unterschiedlichen Menschen sein.

Morgen an Christi Himmelfahrt wird dieses ganz besondere Versprechen gefeiert. Es gilt für immer und für alle: „Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“ 

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07MAI2024
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Ein Sommer vor einigen Jahren: Ich bin auf Familienurlaub in Österreich. Meine kleine Nichte und ich machen einen Spaziergang. Emelie ist drei Jahre alt und einfach nur niedlich. Irgendwann stehen wir vor einer kleinen Dorfkirche. Emelie fragt: „Was ist das?“ Ich überlege kurz und antworte: „Da wohnt der liebe Gott.“ Sie schaut mich kritisch an und fragt: „Kennst du den?“

„Wen?“, frage ich, „Gott?“ Emelie nickt.

Ich muss lachen. Und dann fange ich an zu überlegen. Klar, wenn man weiß, wo jemand wohnt, dann muss man denjenigen ja wohl irgendwoher kennen. Das hat meine Nichte schon richtig verstanden.

Tja, kenne ich Gott? Gesehen habe ich ihn noch nie, aber wie man ihn kennenlernt, weiß ich glaube ich schon: Wenn man, wie meine kleine Nichte anfängt, nach ihm zu fragen.

Man kann Gott bestimmt durch viele Dinge kennen lernen: durch die Bibel zum Beispiel oder andere Leute, die an Gott glauben. Aber ganz am Anfang, wenn ich jemanden kennenlernen will, muss ich selbst Fragen stellen: Wer ist Gott, wie ist der so und wo wohnt der eigentlich?

So habe ich vor kurzem auch eine neue Freundin kennengelernt. Eben durch die typischen Smalltalkfragen. Das war nichts Großartiges. Aber diese ersten Fragen waren wichtig und irgendwann sind unsere Gespräche länger geworden.

Wie würde wohl so ein erster Smalltalk mit Gott aussehen? Das kann ich mir schwer vorstellen. Zum Glück gibt es aber jemanden, der dafür wie geschaffen ist: Jesus. Denn Jesus ist auf die Welt gekommen, um den Menschen zu zeigen, wie Gott ist. Also frage ich ihn und stelle mir vor, wie er antwortet: „Jesus, wer ist Gott?“ – „Gott ist die Liebe.“ „Und wie ist Gott so?“ „Wie ein guter Vater, mitfühlend, barmherzig und gerecht.“ „Ok, aber wo wohnt Gott eigentlich?“ „Gott wohnt in dieser kleinen Dorfkirche, und in jedem Menschen. Und ganz bestimmt kannst du Gott in deinem Herzen finden. Du musst dich nur auf die Suche machen.“

Wenn ich mir diese Unterhaltung vorstelle, dann merke ich: Wer Gott kennen lernen will, der muss in die Tiefe gehen und kommt nie an ein Ende. Weil da immer noch mehr ist als man zu kennen glaubt.

In der Bibel gibt Jesus mir Hoffnung, dass es sich trotzdem lohnt, immer wieder nach Gott zu suchen und zu fragen. Er verspricht mir: „Wer bei Gott anklopft, der wird nicht abgewiesen. Dem wird aufgetan. Wer Gott sucht, der wird ihn finden.“

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06MAI2024
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In der Bibel lesen ist für mich wie reisen: Beides mache ich gerne und beides ist manchmal echt keine Kaffeefahrt!

Ich stand einmal völlig verloren am Stadtrand von Hanoi in Vietnam und wusste nicht mehr weiter. Ich wollte zu einem großen Busbahnhof, aber weit und breit war kein einziger Bus zu sehen. Oder in Malaysia: Da hatte ich mit Freundinnen eine Regenwaldwanderung geplant. Auf einem Hochstand übernachten und Dschungeltiere beobachten – so hatten wir uns das vorgestellt. Gesehen haben wir zwei Tage nichts außer Tausende von Blutegeln.  

Wenn ich in der Bibel lese, stoße ich auch immer wieder auf Schwierigkeiten. Bei den Psalmen im Alten Testament zum Beispiel. Diese alten Lieder und Gebete sind oft wunderschön geschrieben, wie beispielsweise der Psalm 139, wo es heißt: „Wie schwierig sind für mich, o Gott, deine Gedanken, / wie gewaltig ist ihre Zahl! / Wollte ich sie zählen, es wären mehr als der Sand. / Käme ich bis zum Ende, wäre ich noch immer bei dir.“ So schön, dieser Text.

Aber schon im nächsten Psalm stolpere ich plötzlich über ziemlich drastischen Rachefanasien. Dort steht: „Gott lasse glühende Kohlen auf die Feinde regnen. Er stürze sie hinab in den Abgrund, sodass sie nie wieder aufstehn."

Ehrlich gesagt: Diese Passagen in der Bibel irritieren mich total. Aber wie beim Reisen machen grade die Schwierigkeiten das Bibellesen für mich erst zum Abenteuer. Damals in Hanoi, als ich auf der Suche nach dem verschwundenen Busbahnhof war, hat mir am Ende eine einheimische Familie geholfen. Und nach dem stundenlangen Kampf gegen die Blutegel im Malaysia wusste ich erst, was ich alles schaffen kann.

Wenn ich unterwegs bin, stellt sich die Welt immer wieder dem, was ich erwarte, in den Weg. So ähnlich macht die Bibel es auch, wenn ich in ihr lese.

Und genau das macht es so spannend. Denn wenn es schwierig wird, gibt es vermutlich genau dort etwas zu entdecken, durch das ich etwas Neues über mich und Gott erfahren kann.

Die biblischen Psalmen fordern mich zum Nachdenken heraus, vor allen an den Stellen, wo sie so deutliche Worte finden. Es gibt in der Welt so viel, von dem ich mir leidenschaftlich wünsche, dass es verschwindet. Gewalt z.B. oder Egoismus. Und wenn mir Unrecht und Grausamkeit begegnen, bitte ich Gott dann nicht in ähnlicher Weise, dass diese feindlichen Kräfte „nie wieder aufstehn“?

Vielleicht kann ich die schwierigen Verse in den Psalmen so verstehen. Aber ehrlich gesagt: Zu einer fertigen Antwort bin ich noch nicht gekommen. Auf meiner Reise durch die Bibel ist für mich noch lange kein Ende in Sicht.

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03MAI2024
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Ich weiß nicht, wie es einmal bei Gott im Himmel sein wird. Aber eines weiß ich: Bei Gott im Himmel steht ein großer Krug. Und in diesem Krug sammelt Gott alle Tränen, die ich im Laufe des Lebens geweint habe. Wie ich auf so eine Idee komme? Das steht in der Bibel, im Psalm 56. Dort betet ein Mensch zu Gott: „Du sammelst meine Tränen in deinen Krug, ohne Zweifel, du zählst sie“ (Ps.56,9)

Das muss jemand geschrieben haben, der oft im Leben geweint hat. Vielleicht hat dieser Mensch, der den Psalm 56 geschrieben hat, viel Leid erlebt. Vielleicht hat er Krieg erfahren und gesehen, wie Menschen um ihn herum getötet wurden. Vielleicht musste er viel zu oft an einem Grab stehen und einen Menschen beerdigen, den er geliebt hat. Vielleicht hat er große Angst gehabt um sein Leben oder das Leben anderer. Oder er hat Missbrauch und Gewalt erlebt. Vielleicht war er einfach tief einsam, weil da niemand war, der ihn verstanden hat und ihn geliebt hat. Und so hat er weinen müssen. Am Tag und vor allem nachts. Weil die Seele vor Schmerz schrie. – Jetzt aber schreibt er so einen Satz über Gott: „Du sammelst meine Tränen in deinen Krug, ohne Zweifel, du zählst sie“. Vielleicht hat er an manchen Tagen an Gott gezweifelt, aber er hatte eine große Hoffnung: Keine einzige Träne ist jemals umsonst geweint. Keine Träne geht verloren und wird vergessen. Gott selbst sammelt alle Tränen in seinem Krug. Man sammelt ja meistens das, was einem wertvoll ist. Briefmarken, Porzellan, kostbare Gemälde. Unsere Tränen sind Gott wertvoll. Wie Gold oder Perlen. Ich finde diesen Gedanken unheimlich tröstlich. Ich verstehe manchmal ja nicht, warum mir Gott ein Leiden oder einen Schmerz zumutet. Aber auch wenn ich das nicht verstehe, dann sind meine Tränen trotzdem Gott nicht egal. Im Gegenteil. Sie sind ihm wertvoll. Er sammelt sie. Er zählt sie. Er hütet sie. Und er wird mir am Ende alle meine Tränen abwischen. Auch das steht in der Bibel.

Wenn ich also einmal in den Himmel komme, dann will ich zu dem Krug gehen, in dem Gott meine Tränen gesammelt hat und Gott danke sagen, dass er auch im Schmerz bei mir war.

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02MAI2024
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Als Kind habe ich Fahrradfahren gelernt. Und dabei ein ganz einfaches Prinzip verstanden: Auf das, was ich schaue, in diese Richtung bewege ich mich auch. Damals habe ich kapiert: Ich muss beim Fahrradfahren immer schön vor mich auf die Straße schauen. Dann fahre ich auch schön auf der Straße entlang. Wenn ich aber nach rechts oder links blicke und mir zu lange einen Baum ansehe, während ich fahre, dann lenke ich mein Fahrrad ganz unwillkürlich auch in Richtung Baum. Das kann daneben gehen. Und ich lande im Graben. Wohin ich schaue, dahin fahre ich auch.

Dieses einfache Prinzip finde ich heute überall in meinem Leben wieder: Was ich anschaue, das bestimmt meine Richtung. Es bestimmt mein Denken und es bestimmt mein Leben. Ich kann zum Beispiel immer auf das schauen, was andere Menschen mehr haben als ich: Mehr Geld vielleicht, das schönere Auto, die tolleren Reisen, das Haus, von dem ich immer geträumt habe. Oder ihre Kinder sind erfolgreicher und sie selbst sind gesünder als ich oder sehen besser aus.  Wenn ich zu lange in diese Richtung schaue, dann werde ich unwillkürlich neidisch.

Oder eine andere Möglichkeit: Ich blicke ständig in den Spiegel und frage mich: Sehe ich gut aus? Habe ich das Beste aus meinem Körper gemacht? Wirke ich noch jugendlich und attraktiv? Oh wehe, wenn die ersten Falten kommen, der Bauch hängt und das Alter seine Spuren hinterlässt. Dann werde ich unglücklich über mich selbst. 

Als Christ habe ich zum Glück noch eine ganz andere, dritte Möglichkeit. Ich kann auf Gott schauen. Der Beter des Psalms 34 sagt: „Wer auf Gott schaut, strahlt vor Freude“ (Ps.34,6) Wenn ich auf Gott schaue, dann sehe ich, wie er mich sieht: Ich erkenne, dass er mich geschaffen hat, so wie ich bin, mit allen Ecken und Kanten und Falten und Runzeln. Ich sehe, dass er mich auch so liebt, wie ich bin. Ich verstehe, dass er mir alles gibt, was ich zum Leben brauche. Wenn ich auf Gott schaue, verschwindet die Unzufriedenheit, und der Neid und die Selbstzweifel. Ich bin dankbar für das, was ich habe und freue mich über mein Leben.

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01MAI2024
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In Bamberg, ganz in der Nähe vom Dom, hängt ein kleiner gelber Briefkasten der Post. Er wird jeden Tag um 14:45 Uhr geleert. Auf die Klappe, durch die man seine Briefe einwerfen kann, hat jemand mit dickem Filzstift zwei Worte geschrieben: „nur Liebesbriefe“.

Ich finde das eine wunderbare Idee. Wie wäre es denn, wenn in alle unsere Briefkästen tatsächlich nur Liebesbriefe eingeworfen würden? Keine Rechnungen. Keine Mahnungen an Menschen, die ihre Kosten nicht bezahlen können, weil das Geld nicht reicht. Keine Abschiedsbriefe, die anderen das Herz brechen. Keine Briefe voller Hass und Ablehnung und böser Worte. Wie wäre es, wenn es verboten wäre, das alles in den Briefkasten zu werfen. Nur Liebesbriefe. Dann wäre diese Welt wohl ein bisschen besser. Es gäbe weniger Angst, weniger Leid, weniger gebrochene Herzen, weniger Hass. Weniger verletzte Menschen. Leider ist das nur ein unrealistischer Traum und ganz bestimmt werden auch in diesen Briefkasten in Bamberg viele Briefe eingeworfen, die keine Liebesbotschaft vermitteln. Aber eigentlich ist das schade.

Doch der Gedanke lässt mich trotzdem nicht los. Wir müssen ja nicht gleich Liebesbriefe schreiben. Aber wie wäre es denn, wenn wir mehr darauf achten würden, wie wir unsere Briefe und Nachrichten formulieren. Der Ton macht doch die Musik. Wie wäre es, wenn eine Rechnung oder Mahnung mit einem Angebot zur Hilfe verbunden wäre. Oder eine Kritik gleichzeitig auch Verständnis zeigt für den anderen Menschen. Wie wäre es, wenn wir in unseren Briefen und Nachrichten darauf achten würden, keine verletzten Worte zu benutzen, auch dann, wenn uns der andere Mensch geärgert und verletzt hat. Ich muss dabei an Jesus denken, der einmal gesagt hat: „Segnet die, die euch verfluchen und betet für die, die euch beleidigen“ (Lk.6,28) Rechnungen, Mahnungen, Abschiede und Streit wird es immer geben. Doch selbst, wenn es mir schwer fällt, ich kann anderen Menschen auch in schwierigen Situationen gute und freundliche Worte sagen und schreiben. Denn der Ton macht die Musik.

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30APR2024
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Ich habe neulich den Prospekt eines Wellness-Hotels aus Österreich aus meinem Briefkasten gefischt. Da verspricht das Hotel himmlische Momente zwischen Bergen und Seen. Wer für einige Nächte ein Zimmer bucht, der darf sich auf eine Sauna und ein Dampfbad freuen und sich mit Speisen aus einer exquisiten Küche verwöhnen lassen. Aber ich habe festgestellt, dass ich gar nicht nach Österreich reisen muss, um himmlische Momente zu erleben. Es geht auch einfacher und kleiner. In einem anderen Prospekt bietet eine Schokoladenmanufaktur Pralinen an, die ebenfalls himmlische Momente versprechen. Mich hat das nachdenklich gemacht. Was sind eigentlich „himmlische Momente“ und gibt es so etwas auch in meinem Leben?

„Himmlische Momente“ haben ja etwas mit dem Himmel zu tun. Mit dem Ort, in dem manchmal Verliebte schweben. Der Himmel ist auch ein Bild für alles Schöne und Gute und Friedliche und für den Ort, wo alle unsere Wünsche und Sehnsüchte erfüllt werden. Und der Himmel ist der Ort, von dem wir sagen, dass dort Gott wohnt. Gibt es in meinem Leben Momente, wo ich etwas von diesem Himmel spüre - ein kleines Stück Himmel? Mir fällt dazu schon das ein oder andere ein. Morgens vor dem Haus in der Sonne sitzen mit einem Kaffee in der Hand. Abends ein kühles Bier. Ein Musikstück hören, das tief meine Seele berührt. Eine Szene in einem Film, die mich zu Tränen rührt. Eine Umarmung eines lieben Menschen. Davon würde ich reden, wenn mich jemand nach meinen himmlischen Momenten fragt.

Ich denke, fast jeder Mensch sehnt sich nach solchen Momenten. Die Werbung in meinem Briefkasten zeigt das. Aber ich glaube, wenn wir aufmerksam durch den Tag gehen, dann kann jeder von uns ab und zu solche himmlischen Momente entdecken. Augenblicke, die das eigene Herz berühren und mich dankbar machen. Momente voller Schönheit und tiefem Frieden. Ja, ich glaube, dass Gott es ist, der uns manchmal diese himmlischen Momente schenkt – vielleicht sogar in einem Wellnesshotel oder bei einem Stück Schokolade. Einfach so, weil er sich daran freut, wenn wir solche Momente erleben.

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29APR2024
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Als ich klein war, da war Samstag immer Badetag. Nicht nur in meiner Familie, auch in anderen Familien war das so. Immer samstags wurde die Badewanne eingelassen und dann war Badetag. Nicht etwa am Montag oder am Mittwoch. Niemand wäre auf die Idee gekommen, unter der Woche ein Vollbad zu nehmen. Das war reiner Luxus und reiner Genuss. Das gab es nur am Samstag. - Samstag war auch Kehrwoche. Da wurde der Hof und die Straße gefegt. Am Sonntag sollte schließlich alles sauber und adrett sein: Der Hof, die Straße und ich auch.

Heute ist das anders. Gebadet wird bei uns auch mal montags oder mittwochs. Und die Nachbarn fegen die Straße, wenn sie gerade Zeit dazu haben. Viele Menschen haben immer noch feste Gewohnheiten, aber sie bestimmen selbst, wann sie was tun. Ich zum Beispiel trinke morgens immer zuerst eine große Tasse Brennnesseltee. Und dann lese ich die Tageszeitung. Sonntags nach dem Gottesdienst gönne ich mir einen Kaffee. Und am Samstag nach Möglichkeit die Sportschau. Solche festen Gewohnheiten brauche ich in meinem Leben. Sie ordnen den Wochenverlauf und das Leben. Sie geben meinem Leben Struktur und Sicherheit.

Auch in meinem Glauben gibt es feste Gewohnheiten. Man kann sie auch als Rituale bezeichnen, also Dinge, die ich immer wieder tue. So lese ich jeden Morgen ein Bibelwort aus dem Losungsbuch. Das stärkt mich für den Tag. Jeden Tag spreche ich auch das Vaterunser. Und Sonntag ist Gottesdienst. Ein Ritual, das ich immer noch mit vielen Menschen teile, die erleben, wie gut ihnen das gemeinsame Singen und Beten tut.

Ich weiß, dass Rituale auch ganz anders aussehen können: Zum Beispiel täglich die Radioandacht hören, meditieren, oder eine Kerze anzünden. Der Glaube aber braucht feste Gewohnheiten und Rituale. Sie geben dem Glauben Halt und Struktur und helfen mir gerade in schweren Zeiten, an Gott festzuhalten. Denn es gibt ja Tage und Wochen, da fällt es mir schwer zu glauben, dass Gott da ist und es gut mit mir meint. Wenn ich dann nicht solche festen Gewohnheiten hätte, dann könnte es schnell passieren, dass ich meinen Glauben verliere. Feste Gewohnheiten und Rituale schützen darum meinen Glauben und erhalten mir mein Vertrauen zu Gott.

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26APR2024
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Jetzt, im April, starten wieder die Weinwanderungen. In meiner Umgebung wird überall eingeladen, durch die Weinberge zu wandern: am Rhein, an der Ahr oder an der Mosel.

Manchmal begleiten die Winzer selbst diese Wanderungen. Sie erzählen von der anstrengenden Arbeit im Weinberg. In den Steilhängen an Ahr und Mosel bedeutet einen Weinberg zu pflegen Handarbeit!  Und die meisten Winzer arbeiten mit Leidenschaft.

Weinbau gibt es schon seit tausenden von Jahren und auch in der Lebenswelt Jesu waren Traubenernte und Weinherstellung eine bekannte Arbeit.  Und Jesus nimmt das, was er in seiner Umwelt sieht, gerne als Anlass und Gleichnis, um von Gott zu erzählen. So sagt er:

„Ich bin der wahre Weinstock und mein Vater ist der Winzer […]Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht; denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen.“ (Joh 15,1.5) 

Menschen, die in Weinlandschaften leben, können das leicht nachvollziehen. Ein Weinstock kann nur Frucht bringen, wenn er kultiviert und beschnitten wird. Der Winzer kümmert sich um jeden einzelnen Weinstock: schaut ihn an, beschneidet ihn, schaut, was ihm zum Wachstum hilft. Braucht er noch Dünger, braucht er mehr Wasser? Gibt es noch Triebe, die nur Kraft kosten, aber keine Frucht tragen? Der Winzer hat all das im Blick. So können sie gut Frucht tragen, ohne sich gegenseitig zu behindern.

Wie der Winzer auf jeden einzelnen Weinstock schaut, so schaut Gott auf uns. In Jesus Christus dürfen wir etwas von Gottes Liebe und seiner Zuneigung zu uns Menschen erkennen. Jesus Christus zeigt uns, wie wir miteinander leben können, um Gottes Willen zu tun. Er sagt: „Das ist mein Gebot, dass ihr einander liebt, so wie ich euch geliebt habe“ (Joh 15,12).

Wenn uns das gelingt, dann sind wir fruchtbare Reben. Und wenn die Weinreben reiche Frucht bringen, dann geht es den Menschen gut, dann gibt es genügend Nahrung für alle. Und Jesus macht es ganz konkret, was es bedeutet, in Verbundenheit mit dem Weinstock zu leben: Liebet einander, wie ich euch geliebt habe!  Das ist ein hoher Anspruch, der sich aber jeden Tag in kleine konkrete Taten umsetzen lässt.

Wenn ich mir das nächste Mal im Weinberg die Rebstöcke anschaue, werde ich einen Moment darüber nachdenken: wie schaue ich die Menschen an, die mir begegnen? Mit meinem kritischen Blick oder mit dem liebevollen Blick Gottes? Als Kinder Gottes sind wir alle miteinander verbunden, wie die Reben mit dem Weinstock. Gut so, oder?

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25APR2024
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Heute Abend treffen wir uns wieder zum meditativen Tanzen. Wir- das sind 8 bis 10 Frauen – alle über 60, manche sind schon verwitwet.

90 Minuten lang tauchen wir ein in die Musik, die uns beim Tanzen begleitet. Die ist ganz unterschiedlich: rockig, traditionell, meditativ oder klassisch.

Meditiatives Tanzen bedeutet, sich der Musik anzuvertrauen und mit den anderen im Kreis in Einklang zu kommen. Gemeinsam nach rechts und links, vorwärts und zurück zu tanzen. Die Schritte sind sehr einfach und doch ist es dem meditativen Tanzen eigen, dass es keine Ablenkung, keine anderen Gedanken zulässt. Man muss ganz im hier und jetzt sein und kann nicht darüber nachdenken, was es zum Abendessen gibt. Sobald ich mir überlege, welchen Tanz ich als nächstes vorschlage, gerate ich aus dem Takt. Das ist das Geheimnis des Tanzes: im Hier und Jetzt sein.

Und das sind alle, die dabei sind. Niemand lässt sich von seinen körperlichen Einschränkungen abhalten. Und gelegentlich kann ich in den Schritten und Bewegungen der Frauen erahnen, wie sie sich als junge Frau vor 40 oder 50 Jahren mit Freude auf der Tanzfläche bewegt haben. Das ist schön und es hebt in diesem Moment alle zeitliche und körperliche Begrenzung auf.

Sich im Tanz zu verlieren, das kann wie ein Gebet sein. Ganz bei sich sein, ganz in diesem Moment sein, es mit Hingabe tun – das ist für mich Gebet.

Diese Erfahrung beschreibt Madeleine Delbrêl, eine Frau, die immer versucht hat, Glauben und Alltag miteinander zu verbinden in einem Gebet so:

„Uns bleibt es überlassen, [… ] fröhliche Menschen zu sein,

die ihr Leben mit dir, tanzen.

Um ein guter Tänzer zu sein,

muss man nicht wissen, wie es weiter geht - mit dir wie anderswo,

Man muss folgen, fröhlich sein, leicht sein,

und vor allem nicht steif sein.

Man darf nicht nach Erklärungen fragen,

in Bezug auf die Schritte, die dir zu tun gefallen.

Man soll nicht um jeden Preis vorwärtskommen wollen,

sondern es annehmen, sich nach links und rechts zu wenden.

[…] Und das wären alles nur sinnlose Schritte,

wenn die Musik nicht eine Harmonie daraus machen würde.“*

Miteinander zu tanzen, sich den Tanzschritten und der Melodie anzuvertrauen, aber auch der Gemeinschaft, das tut jeder von uns gut.

Aus dieser Erfahrung lässt sich Kraft schöpfen und die Hingabe an das Hier und Jetzt, relativiert manchen Ärger und manche Sorge in diesen 90 Minuten. Für mich ist das Tanzen auch eine Gebetserfahrung, eine Ermutigung und eine Stärkung. 

Ich freue mich auf das Tanzen heute – und ich wünsche Ihnen, dass auch Sie solche Oasen im Alltag finden, in denen sie aufatmen und sich freuen können.

*Madeleine Delbrêl, in: Rita Knöppfler-Parsons, Madeleine Delbrêl. Das Aggiornamento der Demut in ihrem Leben und in ihren Schriften, München 2006, 114-120.

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