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Als Pfarrerin und damit Person des öffentlichen Lebens werden regelmäßig wilde, lustige und auch verletzende Gerüchte über mich verbreitet. Oft kann ich drüber lachen. Doch manchmal geht es zu weit: Dann, wenn sich Gerüchte über angebliche Liebschaften mit verheirateten Männern hartnäckig halten. Dann bin nämlich nicht nur ich betroffen. Dann sind mehrere Personen involviert, auf deren Leben und Beziehung dieses Gerücht großen, oft folgenschweren Einfluss hat! Ich lebe in einem Dorf und bin selbst Mensch. Mich interessieren Dorfklatsch und Tratsch natürlich auch. Und auch mir fällt es manchmal schwer die Klappe zu halten! Aber ich sehe, was Gerüchte anrichten können, und deshalb weiß ich auch: wir sollten alle immer zweimal nachdenken, bevor wir Dinge rumerzählen!
Um darauf aufmerksam zu machen, bin ich letztes Jahr zur Fasnacht als Gerüchte-Köchin gegangen. „Ich koche jedes Gerücht“ stand auf meinem Kochlöffel, und auf meiner Kochschürze standen allerhand Dorf-Gerüchte. Viele haben darüber gelacht. Manch einer hat sich vielleicht auch ertappt gefühlt.
Ich hätte als Überschrift auf die Schürze auch groß eines der Zehn Gebote drüberschreiben können: "Du sollst nicht falsch Zeugnis reden, wider deinen Nächsten." (2.Mose 20,16) Menschen haben von je her über andere geredet und hergezogen. Das machen wir irgendwie gerne. Nicht immer mit böser Absicht. Ganz oft erscheint es uns als harmlos, aber für die betroffene Person ist es eben ganz und gar nicht harmlos!
Also habe ich mir angewöhnt mich selbst zu hinterfragen: „Warum erzähle ich das überhaupt? Und schadet es der Person, wenn ich so was von ihr erzähle? Verletzt es sie oder andere? Das hat mich schon mehr als einmal vor unsinnigem Gerede gestoppt. Denn auch eine Pfarrerin ist nur ein Mensch. Also lasst uns lieber was Anständiges kochen. Gerüchte sind meistens ungenießbar!
https://www.kirche-im-swr.de/?m=4180118 Jahre lang hat die Frau mit ihren Rückenschmerzen gelebt. Ist nur gebückt gelaufen. Als sie dann hört, dass Jesus in der Stadt ist, nimmt sie allen Mut zusammen. Sie vertraut darauf, dass er ihr helfen wird. Und Tatsache: Jesus sieht sie, ruft sie zu sich, und heilt sie. Diese Geschichte in der Bibel ist für mich nicht nur eine weitere Heilungsgeschichte, sondern auch eine Geschichte über Frauen und das Aushalten.
Frauen sind in der Lage, unglaublich viel stillschweigend zu tragen. Das ist eine Erkenntnis, die ich aus zehn Jahren seelsorgerlicher Arbeit mitnehme. Frauen tragen alle Lasten des Alltags: Die eigenen Sorgen, die ihrer Kinder und die ihrer Männer. Sie tragen Zukunftsängste und Geldnöte. In ihrem schweren Rucksack haben Familientragödien, Misshandlungen und Demütigungen ihren Platz. Oft tragen sie das alles ungesehen. Kein Gejammer. Einfach weitertragen. Ich dachte immer, dass sei im Zeitalter von Insta, wo Menschen alles von sich teilen und kein Geheimnis aus ihren Belastungen machen, nicht mehr so. Aber da habe ich mich so was von getäuscht. Es gibt unendlich viele Frauen, die sich schämen für ihre Lasten – selbst dann, wenn sie sie nicht verschuldet haben. Ich erlebe und spreche mit Frauen, die gezielt Dinge verbergen, um nicht als schwach, faul oder unfähig abgestempelt zu werden. Man möchte mit seinen Nöten nicht gesehen werden, weil die Angst vor Verurteilung so groß ist.
Darum liebe ich die Geschichte von der Frau mit dem gekrümmten Rücken so. Weil sie sich raus aus dem Schatten traut und sich mit ihrer Last Jesus zeigt – und er sie heilt.
Ich wünsche mir, dass wir Frauen unsere gekrümmten Rücken sichtbar machen. Dass wir die Scham beiseiteschieben und zeigen, wie schwer unser Gepäck ist. Dass wir Freundinnen und Männer bitten mitzutragen und darauf vertrauen, dass sie es tun werden. Und dann lernen wir einander zu heilen. Jesus würde das sicher gefallen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41800Ich habe etwas Unanständiges getan: Ich habe einen goldenen Gebärmutter-Kerzenständer in die Kirche gestellt. Ich hatte den besonderen Leuchter bei einer Influencerin gesehen und war sofort begeistert. Ich hab‘ ihn in den Kirchraum gestellt und das in meiner Story auf Instagram festgehalten. Welch Provokation! Es dauerte nicht lange, da hatte ich auch schon die ersten empörten Nachrichten in meinem Postfach. Männer schrieben mir, dass sie ja auch keinen Penis-Kerzenständer in die Kirche stellen würden. Da musste ich doch echt lachen. Es ist erstaunlich, wieviel Unwissenheit in Bezug auf die weibliche Anatomie noch besteht. Die Gebärmutter liegt im Unterleib und gehört zu den inneren Geschlechtsorganen. Und während Penisse gerne mit gewissem Stolz überall, besonders an öffentlichen Toiletten hingekritzelt werden, sollen sich Frauen nicht nur für ihre äußeren, sondern auch für ihre inneren Geschlechtsmerkmale schämen. Jahrhundertlang wurden die weiblichen Geschlechtsorgane als Pforte zur Sünde gesehen.
Doch das war nicht immer so. Im Alten Europa und später im alten Ägypten und Babylonien wurde die Gebärmutter häufig mit Symbolen der Welt- und Gottesbilder verbunden. Das Innere der Frau wurde gefeiert, verehrt, als göttlich angesehen! Die Gebärmutter: ein Heiliger Raum, das erste Zuhause aller Menschen. Der Ort des Lebens, der Schöpfung, aber auch ein Ort des Leidens und des Todes.
Auch die Bibel spricht positiv vom Mutterleib, denn hier geschieht immer wieder Gottes Schöpfung. Leider wurden in der frühen Kirche nicht diese positiven Bilder aus der Tora übernommen, sondern vor allem Vorstellungen davon, wann eine Frau rein ist. Diese negativen und schambehafteten Bilder prägen noch heute unsere Gesellschaft.
Deswegen stelle ich provokativ einen Gebärmutter-Kerzenleuchter in unsere Kirche. Heiliger Raum, Schöpfungskraft, Zuhause: das alles passt gut in die Kirche. Und damit auch die Gebärmutter.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41799Lautes Lachen im Konfi-Unterricht. Die 13-jährige Amelie verkündet: „Ich werde mal Pfarrerin; da arbeite ich nur am Wochenende und alle müssen mir im Gottesdienst eine Stunde lang zuhören!“ Ich lache mit und denke mir kurz: Spannend, wie mein Beruf von anderen wahrgenommen wird. Was mich aber wirklich freut, ist, dass sich aus ihrer Aussage heraus ein spannendes Gespräch rund um das Thema Gottesdienst ergibt. „Mal im Ernst, Frau Schimmel, was bringt eigentlich Gottesdienst?“, fragt sie weiter, und die anderen nicken. Wir überlegen also miteinander, was das genau ist: Gottesdienst.
Schnell sind sich alle Konfis einig, dass das für sie eine meist langweilige Stunde ist, in der viel gebetet wird. Außerdem wird gesungen. „Ein Dienst an Gott halt, sagt doch schon der Name“, wirft Manuel ungeduldig ein.
Ist es tatsächlich nur ein Dienst an Gott? Ich hake nach. „Was hätten wir Menschen, denn dann davon? Denkt doch mal an alles, was ihr von Jesus gelernt habt.“ Da spucken meine pfiffigen Konfis alles aus, was sie so wissen: Dass es Jesus cool findet, wenn wir unseren Nächsten lieben, wenn wir anderen helfen, sogar dann, wenn wir sie nicht mögen. „Jesus ist für den Dienst am Menschen“, fasst eine weitere Konfirmandin unser Gespräch richtig gut zusammen. „Und im Gottesdienst hören wir ja von diesem Jesus, der uns zeigt, wie wir das machen.“ Zum Schluss erzähle ich ihnen noch, dass Jesus einmal gesagt hat: „Was ihr für einen meiner Brüder oder eine meiner Schwestern getan habt (…), das habt ihr für mich getan.“ (Mt 25,40) Wenn ich also einem Menschen etwas Gutes tue, tue ich das auch für Gott. Menschendienst ist Gottesdienst. Und das findet nicht nur am Sonntag statt, sondern die ganze Woche.
„Ach nee“, ruft Amelie wieder rein, „dann werde ich doch nicht Pfarrerin! Die ganze Woche Gottesdienst, das ist mir dann doch zu anstrengend!“
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41798Neulich hatte ich ein langes Gespräch mit einer Freundin übers Fasten in der Passionszeit. Ihr war das alles zu viel. „In meinem Kopf ist seit Wochen Weltuntergangsstimmung“, sagte sie „und jetzt auch noch Passionszeit! Die Welt versinkt gefühlt im Chaos, ich bin gefangen in einer dicken Wolke aus negativen Gedanken und dann soll ich fasten? Ne! Das ist mir too much! Wenn ich jetzt noch auf Süßes oder Schoki verzichten muss, dann habe ich ja gar keinen Grund mehr, mich am Leben zu erfreuen. Ich streike: Ich faste nicht.“ Ich habe ihr dann erzählt, dass es beim Fasten gar nicht unbedingt nur um das Verzichten gehen muss und was es inzwischen für alternative Ideen gibt: Fasten, um sich zu verändern, ohne auf Nahrungsmittel und Leckereien zu verzichten. Fasten, indem ich auf das schaue, was wirklich wichtig ist im Leben.
Die Fastenzeit vor Ostern ist an Jesu Zeit in der Wüste angelehnt. Da hat er zwar auch auf Essen und Trinken verzichtet, aber vor allem hat er die Zeit genutzt, um seinen Blick neu auszurichten. Genau das kann auch Vorbild für ein Fasten sein: Die Welt eine Weile lang anders zu betrachten, über meinen Glauben nachzudenken; auch über den Sinn und Unsinn des Lebens.
Da hat meine Freundin die Augenbraue hochgezogen. „Wie soll das gehen? Das klingt kompliziert. Und dann muss ich ja wieder über ernste Dinge nachdenken, denen ich doch zurzeit eigentlich lieber entfliehen möchte!“ Ich habe sie dann unterbrochen und erklärt, dass ihr niemand vorschreibt, über Ernsthaftigkeiten nachzudenken. Und habe ihr davon erzählt, dass ich seit ein paar Jahren Pessimums faste. Das heißt, ich suche mir jeden Tag bewusst eine Sache heraus, die mich optimistisch stimmt. Allein bei der Suche danach stelle ich fest, wie viel Wunderbares unsere Welt zu bieten hat. Und das verändert mich zum Positiven. Es geht mir nicht darum, die Welt rosarot und naiv zu betrachten. Es geht um Dankbarkeit. Um Hoffnung. Um den Mut weiterzumachen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41797Die Komikerin Cordula Stratmann bringt in Formaten wie „Last One Laughing“ ein Millionenpublikum zum Lachen. Schon bei „Zimmer frei“ oder der „Schillerstraße“ fand ich sie genial. Immer volle Attacke aufs Zwerchfell. Die Meisterin der ausdrucksstarken Mimik hat ein wunderbares Grinsen – und als ich sie für ein Interview treffe, da sagt sie mir, dass das auch zu ihrer Lebensphilosophie gehört. Cordula Stratmann fordert: „Grundsätzlich hochjazzen die Mundwinkel, wenn du das Haus verlässt – Tür abschließen, Treppe runtergehen und sofort den Nächsten angrinsen auf der Straße – grins dich durch dein Leben.“* Aber das heißt nicht: Probleme weglächeln, sondern die Dinge angehen. Das ist ihr ganz wichtig. Sie findet deshalb auch den Satz „Naja, hoffen wir mal das Beste“, in einer Welt voller Krisen nicht mehr passend. Sie fordert: „Sei du Teil vom Besten! […] Wir können jetzt nicht mehr lange rumüberlegen mit: Die Welt ist aber bisschen krass geworden, hui, da fühl ich mich jetzt nicht wohl mit – nein! Guck dich bitte ab sofort um – rechts und links, sei sofort an der Ampel freundlich zu jemandem, lasse sofort jemanden an der Kasse vor, wenn er nur ein Teil hat. Oder da oben schreien schon wieder die Kinder, das wird mir zu laut – dann geh hoch und frag, ob du helfen kannst. Vielleicht bin ich gerade gestört von einem Problem, um das ich mich auch kümmern kann.“* Mir imponiert diese Kombination aus beherztem Anpacken und einer „heiteren Grundierung“ des Alltags, wie Cordula Stratmann es nennt. Liebe deinen Nächsten und lache, so oft du kannst – ich glaube, beides tut der Seele gut.
*https://www.kirche-im-swr.de/beitraege/?id=41698
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41753Dieser Film hat mich verändert: „Heldin“, seit Ende Februar im Kino. Ich werde darin mitgenommen auf eine Schicht der Pflegefachkraft Floria in der Chirurgie. Ich eile mit der jungen Frau im blauen Kittel auf der Kinoleinwand über den Krankenhausflur. Spüre dank der grandiosen Leistung der Hauptdarstellerin Leonie Benesch hautnah, wie sehr sie helfen möchte. Aber auch wie der Druck mit jeder Minute auf Station wächst – wieder klingelt eine Patientin, weil sie Schmerzen hat, wieder kommt ein Notfall rein, muss jemand für den OP vorbereitet werden - und die Abendrunde ist nicht mal halb geschafft. Pflegenotstand hatte ich vorher schon im Kopf verstanden. Nachdem ich „Heldin“ gesehen habe, fühle ich ihn körperlich.
Hinter jeder Tür in dem langen Klinikflur, die wir mit Floria durchschreiten, treffen wir auf menschliche Schicksale: Die junge Mutter, bei der der Krebs wieder da ist und deren Hand Floria hält oder den einsamen Mann, den niemand besucht und der sie fragt: „Sind sie morgen wieder da?“
Das ist kein Krankenhauskitsch, denn es gibt sie wirklich, die wunderbaren Idealisten in Helferberufen. Die da sind, wenn Menschen sie brauchen. Der Film ist eine Liebeserklärung an sie. Ich kenne viele davon im echten Leben. Aber die große Gefahr ist, dass diese Menschen in einem kranken System selbst unter die Räder kommen. Aufgerieben zwischen Empathie und Erschöpfung.
Vor genau fünf Jahren standen in Deutschland während des ersten Lockdowns viele Menschen auf ihrem Balkon, haben den Pflegekräften applaudiert. Seither sind die Heldinnen und Helden der Krankenhäuser, Altenheime und mobilen Sozialstationen wieder weitgehend in Vergessenheit geraten. Gesellschaftliche Anerkennung und angemessene Arbeitsbedingungen – schön wäre es. Ich gebe zu, dass ich das Thema Pflegenotstand auch nicht mehr so auf dem Schirm hatte. Nachdem ich „Heldin“ gesehen habe, ist das anders.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41752Kinder, die unter unmenschlichen Bedingungen auf Kakaoplantagen in Westafrika schuften für unsere Schokoriegel. Fabriken in Bangladesch, die wegen Sicherheitsmängeln einstürzen und Menschen begraben, die unsere Kleider genäht haben. Oder ein mit Arsen, Blei und Quecksilber vergifteter Rio Doce in Brasilien, nachdem in einer Eisenerzmine ein Damm gebrochen ist – all das sollte es nicht mehr geben. So hatte man es in der EU im vergangenen Jahr beschlossen. Im sogenannten „Lieferkettengesetz“ sollten in der Wirtschaft Menschenrechte und Umweltstandards besser kontrolliert werden. Die „Initiative Lieferkettengesetz“*, in der Hilfswerke wie "amnesty international", "Brot für die Welt" oder "Misereor" genauso aktiv sind wie die Kirchen, die deutsche Umwelthilfe oder der DGB, sieht diesen großen Erfolg nun aber in Gefahr: Unter dem Stichwort Bürokratie abzubauen und die Wirtschaft zu entlasten, sollen auch die entscheidenden Punkte aus dem Gesetz ausgehebelt werden. Das würde das Lieferkettengesetz zu einem zahnlosen Papiertiger machen - auf dem Rücken unschuldiger Kinder und der Schwächsten.
Ich finde als EU-Bürger und als Christ: Das darf nicht sein! Schon im Alten Testament forderte Gott im Buch des Propheten Jesaja aller Unterdrückung ein Ende zu setzen. Für die gerade begonnene Fastenzeit sind diese Verse aus der Bibel für mich ein wichtiger Kompass. Da spricht Gott: „Das ist ein Fasten wie ich es liebe. Die Fesseln des Unrechts zu lösen. […] Unterdrückte freizulassen, jedes Joch zu zerbrechen. […] Dann wird dein Licht hervorbrechen wie das Morgenrot.“ (Jes 58,6-8)
*https://lieferkettengesetz.de/
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41751Jesus hat eine dreijährige Tochter, unterrichtet Französisch, Italienisch und Latein in Bendorf bei Koblenz und ist Fan von Borussia Mönchengladbach – zumindest der Darsteller von Jesus bei den Passionsspielen in Rieden in der Eifel, Claudio. Der 40-Jährige ist in Rieden geboren. Und dort werden seit über 100 Jahren die letzten Tage im Leben des Jesus von Nazareth auf die Bühne gebracht - fast das ganze Dorf ist dabei. Auch dieses Jahr wieder – Samstag war Premiere und bis Ostern ist das Stück zu sehen. Für Claudio ist das aber mehr als Schauspiel. Er sagt: "Diese Rolle ist anders. Wenn man an diesem Kreuz hängt, nach oben guckt und sagt: Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun." Für Claudio ist das die Schlüsselszene der Passion. Denn das Kreuz ist für ihn ein Symbol der Hoffnung. Eine Antwort auf die Frage: Gibt es ein Leben nach dem Tod? Claudio glaubt: Ja! Da kommt was, wie auch immer dieses Leben in der Liebe Gottes aussehen wird.
Ebenfalls mit dabei ist Berthold, seit zwei Jahren Rentner, aber immer noch ein Rocker, der mit seinen langen Haaren und seiner Heavy-Metal-Vergangenheit optisch wunderbar ins Ensemble passt. Er ist kein regelmäßiger Kirchgänger, aber bei den Passionsspielen dabei zu sein, bedeutet ihm trotzdem viel. Er spielt Simon von Cyrene - das ist der Mann, der Jesus hilft, das Kreuz zu tragen, als Jesus dafür zu schwach ist und hinfällt. So ein Typ ist auch Berthold: „Ich gucke auch nicht weg, wenn was passiert, wenn jemand Hilfe braucht“, sagt er und findet die Symbolik seiner Szene auch wichtig für unser Miteinander heute.
Die Passion führt die Menschen im Ort zusammen. Das schätzt auch Tobias – der 36-jährige Familienvater spielt den Jünger Johannes. Und erfreut sich, dass seine Kinder und die vielen Kinder, die selbst mitspielen beim Volk, so die Osterbotschaft kennenlernen. Eine Botschaft sich auf dieser Welt mehr zu helfen – und eine Botschaft, die hoffen lässt, auf ein Leben, sogar über diese Welt hinaus.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41750Ich habe mir das Video schon um die 20 Mal angeschaut*: Mariann Budde, die Bischöfin von Washington, predigt beim Gottesdienst zur Amtseinführung des neuen Präsidenten Donald Trump. Der sitzt zusammen mit Melania, J.D. Vance und dessen Frau und seiner Entourage in der ersten Bank und kann nicht weglaufen. Eine Kameraeinstellung zeigt die zierliche Frau am Ambo. Die andere fängt die verachtenden, genervten und eiskalten Blicke von Trump und seiner Gefolgschaft ein, während Bischöfin Budde auf „Mercy“ zu sprechen kommt – auf einen Kernbegriff des christlichen Glaubens: Mercy. Barmherzigkeit. Erbarmen. Ein uralter Begriff. Der an diesem Morgen so hell leuchtet, wie lange nicht mehr. Weil er den Nerv trifft. Budde sagt: „Im Namen Gottes bitte ich sie um Barmherzigkeit für die Menschen in unserem Land, die jetzt Angst haben.“ Und dann nennt sie sie beim Namen: Menschen, die tagsüber in der Fleischindustrie arbeiten oder die Tische in Restaurants abwischen, nachdem US-Bürger dort gegessen haben. Oder nachts die Schicht in Krankenhäusern übernehmen oder Büros reinigen: Die nun fürchten das Land verlassen zu müssen oder von ihren Kindern getrennt zu werden, weil sie keinen Pass haben. Und sie bittet für schwule, lesbische oder transgender Menschen, die Angst haben, dass da wieder einer vorschreibt, wen sie zu lieben haben und wen nicht. Knapp zwei Monate nach Amtsantritt sehe ich keinerlei Anzeichen dafür, dass Trump und seine Leute Mariann Budde zugehört haben. Im Gegenteil. Aber: Millionen Menschen in den USA und rund um den Globus haben zugehört. Und es liegt nun an uns allen mehr denn je zusammenzuhalten, uns nicht spalten zu lassen, das Gute zu bewahren und diese Botschaft zu leben-, jede und jeder an seinem Ort: Mehr Mercy wagen!
*Instagramkanal von Mariann Budde (@mariannbudde)
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