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20JAN2025
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Die Demokratie sei gefährdet. Das lese ich immer wieder und das bekomme ich auch in vielen persönlichen Gesprächen mit. Viele, die um die Demokratie besorgt sind, halten heute den Atem an: Der 47.te Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika wird heute vereidigt.

Doch wann sind Demokratien eigentlich bedroht? 
Was macht Demokratie im Kern aus?

Sind es die Wahlen - wenn Präsidenten oder Parteien vom Volk frei und geheim gewählt werden? Das gehört bestimmt zur Demokratie. Doch Wahlen allein schützen nicht vor Verbrechern an der Macht und verbrecherischen Gesetzen.

Bertold Brecht (1898 – 1956) hat es angesichts der Wahlerfolge der Nationalsozialisten einmal so ausgedrückt: „Die dümmsten Kälber wählen ihre Schlächter selber.“

Trotz möglicher Verblendungen des Wahlvolkes ist mir die Demokratie heilig.
Aus einem Grund: Es ist eine Form der politischen Herrschsaft, in der ohne Waffengewalt etwas verändert werden kann – ohne Blutvergießen.

In der Demokratie wird Macht auf Zeit verliehen und durch Wahlen bestätigt oder wieder entzogen.
Das ist für eine Demokratie wirklich unverzichtbar: den Sieg der anderen Seite anzuerkennen. Und das schließt ein: Verlieren können!

Hier, so habe ich den Eindruck, liegt der Knackpunkt, an der eine Demokratie zerbrechen kann.

Es ist darum ein Segen für den Erhalt einer Demokratie, wenn sich Demokraten ihre Niederlage eingestehen und sie akzeptieren. Auch wenn es schwer fällt.


Was das mit Religion zu tun hat? Erst einmal gar nichts.
Religiös begründete Theokratien haben die Macht des Allerhöchsten schnell auf Diktatoren übertragen. Unbefristet. Das passiert bis heute. Zum Unheil der Menschen.

Doch ich glaube,  der entscheidende Punkt zur Bewahrung einer Demokratie ist im Christentum fest verankert:
Jesus, der Sohn Gottes, ist einer, der Macht abgegeben hat.

Er ist diesen Weg konsequent gegangen - bis ans Kreuz auf Golgatha – und hat so Unterlegenen gezeigt: Selig sind, die auch verlieren können!

Sie sind nicht von Gott verlassen.

Im Gegenteil: Gott wird die Erniedrigten erheben!


Wo dieser Geist lebendig ist, kann Demokratie blühen!

Können Frieden und Gerechtigkeit unter Menschen aufblühen...

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18JAN2025
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Es gibt im Krieg keinen Urlaub! Steht in der Bibel. Im Alten Testament, im Buch Kohelet. Ich bin zufällig auf diesen Satz gestoßen und er hat mich völlig umgehauen. Richtig getroffen irgendwie. Es gibt im Krieg keinen Urlaub. Der Satz macht klar, wie ausweglos Krieg ist. So empfinde ich es auch aktuell. Fast schon drei Jahre tobt der Krieg Russlands gegen die Ukraine. Mehr als ein Jahr bekämpfen sich Israel und die Hamas, und der Konflikt zieht immer größere Kreise. Ein Ende, geschweige denn eine Lösung ist nicht in Sicht. Im wahrsten Sinne des Wortes aussichtslos. Ich schalte inzwischen sogar manchmal ab, wenn es um die Kriege geht. Ich bekomme gar nicht mehr alles mit, weil es mir zuviel ist. Aber die vom Krieg Betroffenen können das nicht.
Es gibt im Krieg keinen Urlaub - das hat mich richtig wachgerüttelt.

Mit den vielen Krisenherden weltweit sind tagtäglich Millionen Menschen beschäftigt. An der Front, im Krankenhaus, auf dem Friedhof, in der Politik. Niemand von ihnen hatte einen Tag Erholung! Ich meine jetzt nicht den Fronturlaub, sondern Ruhe, nur tun, was ich möchte und was anderes sehen. Raus aus meinen Abläufen, was Neues erleben. Dafür gibt’s keine Chance im Krieg. Verdammt zum Bleiben und Aushalten und im schlimmsten Fall zum Sterben und zum Trauern.

Sie merken schon, ich bin angefasst und manchmal schon aus der Ferne so kriegsmüde. Und das klingt überheblich denen gegenüber, die es nicht sein können.

Was tun? So richtig weiß ich es nicht. Der Bibeltext vom Urlaub im Krieg bringt weitere Beispiele für Situationen die aussichtslos sind. Da heißt es: „Es gibt keinen Menschen, der Macht hat über den Wind, sodass er den Wind einschließen könnte. Es gibt keine Macht über den Sterbetag.“ Aber der Text geht natürlich noch weiter. „Gott hat die Macht über das Leben und den Tod.“ Und das heißt: an Gott festhalten und die schönen Momente, die freudigen Situationen erkennen und davon zehren. Aber gibt es das überhaupt im Krieg?

Ein befreundeter Fotograf hat in der Ukraine im Krieg fotografiert. Und es ist erstaunlich: auf seinen Bildern ist so viel Leben. Viele Mini-Augenblicke, die den Menschen Hoffnung und sogar Freude bereiten. Ein alter Mann tanzt mitten in Lwiw auf der Straße. Familien sitzen in der Sonne mit einem großen Eis in der Hand. Ein Paar geht Hand in Hand in einer wunderschönen Allee spazieren. Zwei Männer stehen vor der Tür, rauchen und kugeln sich vor Lachen. Solche Bilder sind für mich echte Hoffnungsbringer. Und ich bete darum, dass alle Menschen, die im Krieg leben müssen, viele kleine Momente erleben, die sie daran erinnern, dass sie lebendig sind. Denn rundherum gilt: es gibt im Krieg keinen Urlaub.

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17JAN2025
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Die Jünger hatten keine Wahl. Die Geschichten, in denen Jesus seine ersten Jünger beruft, sind mir auch ein bisschen suspekt. Jesus spricht sie an und sofort lassen sie alles stehen und liegen und gehen mit?! Ihre Jobs, ihre Familien, das frühere Leben alles egal. Das hat ja auch was guruhaftes. Eine Person bindet alles an sich, und der Rest fällt hinten runter. Mir ist schon klar, dass Jesus sehr besonders war, und die Jünger erkannt haben, dass da was Göttliches im Spiel ist. Irgendwie hatten sie wohl keine Wahl.

Die haben wir aber. Früher als gedacht, nächsten Monat, wählen wir den nächsten Bundestag. Dass wir eine Wahl haben, ist für mich das allergrößte. Ich kenne es gar nicht anders - Gott sei Dank. In meinem Leben hatten Menschen immer die Möglichkeit, mitzubestimmen, ihren Teil beizutragen. Wenn Bundestagswahl war, hat es bei uns Zuhause wochenlang kein anderes Thema mehr gegeben. Fernseh-Debatten, Kommentare, die Zeitungen, alles wurde auf mögliche Wahlentscheidungen hin beobachtet und dann diskutiert. Heiße Zeiten früher bei uns zuhause.

Und auch heiße Zeiten jetzt bei uns gesellschaftlich. So gefährdet war unsere Demokratie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht. Und der ist das schrillste Alarmzeichen überhaupt. Ich kann nicht nachvollziehen, dass so laut nach Beschränkungen und harter Hand geschrien wird. Viel lauter als die Stimmen, die sich wünschen mitzubestimmen, in einer freien und toleranten Gesellschaft zu leben. Ich sehe auch, dass nicht alles rund läuft bei uns in Deutschland. Aber deshalb so weit gehen, andere abzuwerten und wegzuschicken und auf einen deutschen Alleingang zu setzen? Das kann nicht die Lösung sein. Demokratie heißt direkt übersetzt „Herrschaft des Volkes“. Ja klar, ich höre schon: „Dann lasst auch jetzt das Volk entscheiden und wenn viele rechtsnationale Parteien wählen, dann wisst Ihr Bescheid.“ Ja, einerseits.
Andererseits heißt Demokratie, also „Herrschaft des Volkes“, dass ich alle im Blick haben muss, also das ganze Volk. Dass es um das Gemeinwohl geht. Darum, dass unsere Gesellschaft zusammenhält und zusammenwächst. Dass wir uns sehen und miteinander klarkommen, auch wenn wir unterschiedlich denken und aus unterschiedlichen Ländern kommen. Und es geht darum, dass wir frei leben können. Wo, mit wem und wie wir wollen. Diese große Errungenschaft bin ich nicht bereit, aufzugeben.

Die Jünger damals hatten keine Wahl. Aber wir haben sie heute. Und damals wie heute ist es doch eine gute Richtschnur, was Jesus umgetrieben hat: Gott und die Menschen und wie sie in einer Gesellschaft zueinander finden.

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16JAN2025
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Ich betrete einen fensterlosen Raum, stecke in einem Schutzanzug mit Helm und Visier. An der Wand hängen verschiedene Werkzeuge, zum Beispiel ein Hammer oder ein Baseballschläger.
Es kann losgehen. Ich wähle den Baseballschläger und kloppe drauf los. Irgendwann mit lautem Gebrüll. Mal so richtig die Wut rauslassen.

Ich bin in der Randalezentrale. Das ist ein sogenannter „Wutraum“ im Ruhrgebiet. Solche Räume gibt es aber auch an anderen Orten in Deutschland. Und das sind wirklich bewusst eingerichtete Räume mit gebrauchten Gegenständen, die kaputt gehen dürfen. Alte Fernseher, Regale, Glasbausteine, Geschirr, Waschbecken.

Wut ist oft ein Tabu. Aber wir kennen das ja alle – wie geht man damit jetzt sinnvoll um?
Eine Möglichkeit sind diese Wuträume.
Interessant ist, dass viele Frauen diese Räume nutzen, v.a. von Frauen, die in sozialen Berufen arbeiten: Lehrerinnen, Erzieherinnen, Altenpflegerinnen. Frauen, die sehr gefordert sind, die viel helfen und viel geben und die hier ihren Stress abbauen. Psychologen sagen, dass das einmalig richtig gut tun kann. Schwierig wird es dann, wenn Körper und Geist sich diesen Mechanismus merken, und ich dann irgendwann zuhause die Kaffeetasse an die Wand schmeiße, weil ich gespeichert habe, dass das gut tut.

Ich verstehe, warum so viele Leute die Randalezentrale nutzen. Sich körperlich austoben, Kraft aufwenden, einfach mal was kaputt machen, das hat mir sogar Spaß gemacht. Aber es bleibt auch ein bisschen Sorge vor zu großem Spaß daran, was kaputt zu machen. Weil es in meinem normalen Leben keine Lösung ist. Da muss ich selbst runterfahren oder andere Wege finden, mit meiner Wut umzugehen. Wütend sein ist ja per se nicht schlecht. Ich gehe manchmal einfach alleine in einen Raum, einfach weg. Manchmal werde ich auch stumm, spreche gar nicht mehr oder ich gehe raus und fege.

In die Randalezentrale kann ich nicht immer gehen. Wut gehört zum Leben und es ist sinnvoll, sie ins Leben zu integrieren - damit sie auf Dauer kein Eigenleben entwickelt.

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15JAN2025
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Glückwunsch – schon einen halben Monat haben sie doch wohl gehalten, die guten Vorsätze aus der Silvester-Nacht und vom Neujahrs-Tag. Hoffentlich. Also weniger am Computer oder am Tablet gesessen und gedaddelt; weniger oder gleich gar kein Alkohol mehr und sowieso keine Zigaretten… Solche typischen Neujahrs-Vorsätze. Und mehr Bewegung, also dreimal die Woche für eine halbe Stunde stramm laufen oder schwimmen; Länger schlafen… Ist doch total vernünftig, oder?

Ja – und leider leider: bei einigen schon wieder vorbei, vergessen, leider keine Zeit gehabt oder gefunden und und und – die Erklärungen und Entschuldigungen sind mindestens so beliebt wie das Lotto mit den GutenVorsätzen in der Silvesternacht.

Die Wissenschaft kann erklären, warum es allzu häufig so läuft – obwohl jede und jeder weiß, wie dringend die eine oder andere Veränderung wäre. Und es schon erlebt hat. Wie schön es war, nach der Arbeit heimzukommen in die eigene Wohnung ohne Räuchergestank. Bisschen lockerer auf den Beinen zu sein, mit dem ersten Kilo weniger. Es sind die Gewohnheiten, egal ob gute oder schlechte; auch die schlechten belohnt sich der Mensch immer wieder mit den sogenannten Glückshormonen – auch wenn er oder sie das als falsch erkannte trotzdem weiter tut oder das Richtigere doch seinlässt. Das hat sich tief in die Seele eingraviert; und das macht es sehr anstrengend, sowas zu löschen oder wenigstens zu überschreiben mit neuen besseren Gewohnheiten.

Aber ja: es gäbe einen Weg, sich selbst und das eigene Leben zu bessern; nachhaltig und ohne das blöde Gefühl von „war wieder nix“. Da ist ein Gefühl „Ich muss was ändern“ – manchmal von anderen angestupst; das bringt zum Nachdenken: Was habe ich davon für Vorteile? Manchen hilft es, mit jemand anders darüber zu reden. Christenmenschen tun das gelegentlich in der Beichte – und lassen sich da noch zusätzlich Gottes Unterstützung und Segen zusagen.

Dann braucht es einen Plan mit kleinen konkreten Schritten – und vielleicht finde ich auch jemand, die oder der mich unterstützen könnte. Und dann: üben üben üben – mit möglichst viel Geduld. Und wie gesagt: in kleinen Schritten. Gelegentlich mal fünf Minuten zur Ruhe kommen; bewusst abends auf den Tag zurückblicken und vielleicht sogar beten.

Irgendwann darfst du dich freuen – über die eigene Stärke und vielleicht sogar über das Geld, das jetzt mehr in der Kasse bleibt…

Nochmal anfangen damit? Ist ja erst Mitte Januar heute…

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14JAN2025
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An der Wand hinter meinem Schreibtisch hängt ein Krippen-Kreuz; aus Holz, schlicht geschnitten, wie mit einer leichten Abwärts-Bewegung an den beiden Armen… Krippen-Kreuz, habe ich es eben genannt. Denn das ist schon besonders an diesem Teil: Das Holz ist mindestens zum dritten Mal verwendet und wiederverwendet – auch schon deswegen also ein sehr nachhaltiges Kreuz. Zwischendurch war es mal Teil einer Weihnachtskrippe…

Ursprünglich eingesetzt war es wohl im Bergbau, unter Tage – als Stütze für das Gestein, unter dem die Bergleute die Kohle weggebaggert hatten. Das Holz haben sie dann rausgeholt und über Tage weiter gebraucht; häufig verfeuert – manchmal aber auch verbaut. In meiner Heimatgemeinde im Ruhrgebiet etwa im Stall einer riesigen Krippenlandschaft – mit hunderten Figuren abenteuerlich und liebevoll gestaltet, echt sehenswert.

Bei einer gründlichen Renovierung gab es dann einen neuen Stall – bisschen weniger wuchtig; und das Holz von Dach und Wänden haben sie nochmal weiter gebraucht: Daraus haben findige Heimwerker und andere Profis eben Kreuze gefräst, gehobelt, gesägt und zusammengefügt – eins davon ist das in meinem Arbeitszimmer. Wobei mir wichtig ist: nur das Kreuz – kein Gekreuzigter, kein Crucifixus. Weil das leere Kreuz mir sagt: Jesus ist durch den Tod hindurch in das neue Leben gegangen. Ja: Er ist da ermordet worden, vor den Augen der ganzen Welt. Aber wie er solidarisch mit allen Menschen gestorben war, so ist er den Menschen voraus zu Gott und in Gottes Liebe hineingegangen und lebt für die Menschen – bleibt mit uns auf dem Weg, immer.

Mein Krippenkreuz erinnert daran und an meinen Glauben; und weil es mal Teil des Stalles in der Krippe war, verbindet es Tod und Auferstehung nochmal handgreiflich mit dem Kind Jesus, dessen Geburt unter widrigen Umständen und ganz ohne Himmelbettchen und Babywippe die Christenheit an Weihnachten gefeiert hat.

Und das Krippenkreuz geht ja noch ein Stück weiter: Unter Tage, in der Steinkohle hat es schwere Lasten getragen und Menschen geschützt – war einfach Teil der menschlichen Arbeitswelt. Leben und Tod und Auferstehung gehören zusammen – dürfen Christenmenschen glauben und hoffen; und dass das ganze Leben und die ganze Welt gut aufgehoben ist in Gottes liebevoller Hand.

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13JAN2025
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Ob er so heiter war, wie sein Name suggeriert? Könnte ja sein: Hilarius hat er geheißen; der Heitere. Bischof ist er gewesen, jedenfalls der erste uns noch heute bekannte in der Christlichen Gemeinde im römischen Pictavium – heute Poitiers in Westfrankreich. Als Bischof hat er übrigens auch den Ex-Offizier Martinus getauft, das ist der, der seinen Mantel geteilt hatte – aber heute blicken wir mehr auf den Skeptiker Hilarius.

Weil der 13. Januar ist nämlich auch der Internationale Tag der Skeptiker; und Skeptiker war Hilarius im vierten Jahrhundert auch. Hatte Philosophie studiert – hatte also jedenfalls einen kritischen Blick entwickelt auf menschliche Fragen und Lebensumstände. Und mit diesem kritischen Blick das Christentum für sich entdeckt – das muss damals viel rationaler erschienen sein als die römisch-keltische Götterwelt um ihn herum.

Er ist aber skeptisch geblieben und kritisch – aufmerksam und gläubig. Hat sich in einem nur scheinbar theologischen Streit gegen den Kaiser aufgestellt und ist prompt verbannt worden – Wahrheit war ihm wichtiger als Gehorsam. Gesunde Skepsis, jedenfalls aus heutiger Sicht. Und das bei einem Menschen mit einer wichtigen Rolle in der Christenheit?

Das scheint auf den ersten Blick ein Widerspruch – eigentlich ist doch „Glauben“, dass ich auch Unbeweisbares für wahr halte; das glatte Gegenteil von Skepsis. Ja und Amen – das gilt als Kurzformel des Glaubens. Ein Skeptiker oder eine Skeptikerin wird doch zumindest vorsichtiger sein: Vielleicht ist es aber doch nicht ganz so oder ein wenig anders… – statt die Sachen und die Lehren und Behauptungen einfach zu akzeptieren.

Ehrlich gesagt, würde ich mich eher auf der vorsichtigen Seite sehen, eher auf der Skeptiker-Seite – am liebsten allerdings heiter dabei. Wenn wir über Fragen von Glauben und Kirche diskutieren: immer mit der Haltung: könnte sein, dass du doch mehr Recht hast als ich. Wenn beide Seiten das mit einem Lächeln sagen – natürlich ohne gleich vom eigenen Standpunkt abzurutschen – also mit einer gewissen Heiterkeit: dann wären sie am Internationalen Skeptiker-Tag nah bei Hilarius, dem heiteren Bischof von Poitiers.

Ich wünsche allen, gerade auch den skeptischen Menschen einen heiteren Montag!

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11JAN2025
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Früher dachte ich, es sind anonyme Mächte und Gewalten, die Unheil in der Welt auslösen. Neulich bin ich auf ein Wort gestoßen, das hat mich nachdenklich gemacht.
Eine Weisheit von Rabbiner Elazar HaKappa. Der soll einmal gesagt haben: Neid, Begierde und das Streben nach Ehre* bringen den Menschen aus der Welt. (Pirke Avot IV.28)

Wieso das denn? Menschen, die etwas begehren und dabei auch nach Anerkennung streben – haben doch auch schon viel Positives bewegt.
Ist es der »Neid«, der diese Antriebe vergiftet? Und so fatale Folgen haben kann, dass man aus der Welt fällt? Die Grundlagen für´s Leben verliert?

In den Zehn Geboten begegnet der Neid an letzter Stelle. In der Tradition der Kirche gilt er als eine der Todsünden. Nicht ohne Grund, denke ich. Es geht beim Neid um Grenzüberschreitungen – kleine und große Angriffe auf das Leben der Anderen. Eroberungen. Um sich selber groß zu machen.
Neid begehrt das Gut der Anderen. Das können Besitztümer sein, das können aber auch liebste Menschen sein: Kinder, Ehegatten, Freunde. Einfach alles, was zu einem Anderem gehört. Neid verbunden mit Begierde und dem Streben nach Ruhm – das kann zu einer explosiven Mischung werden. Was da in der Seele von Menschen passiert, kann gewaltige Auswirkungen haben. Kann Unfrieden stiften. Das Leben zur Hölle machen. Menschen aus der Welt bringen, wie Elazar HaKappa sagt.

Wie wir auch jetzt sehen können: Wenn mächtige Diktatoren von Neid und Begierde und der Sucht nach Ehre durchdrungen sind – dann kann das schreckliche Folgen haben.
Was sich da in einem Einzelnen zusammenbraut, kann katastrophale Folgen für die ganze Welt haben: Kriege um Rohstoffe, um Einflusssphären und Ruhm.
Das ist eine schreckliche Erkenntnis. Oder auch eine heilsame? Mit dem Wort von HaKappa lerne ich auch: Es fängt im Menschen an – im Innern des Einzelnen. In mir.
Also frage ich mich:
Wo kommt bei mir Neid auf? Wo das Begehren nach dem, was Andere haben?
Diese Antriebe können meinen Frieden vertreiben – mich aus der Bahn werfen. ((Dagegen kann ich was tun! ))
Auf dieser Baustelle will ich mich im neuen Jahr engagieren.


*andere Übersetzung: Ehrgeiz

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10JAN2025
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Ich besitze ein kleines Buch, das mich immer wieder aufrüttelt. Blauer Leineneinband – Taschenformat. Passt in jede Jackentasche. Auf dem Buchrücken ist eingeprägt: „Großer Gott wir loben dich.“ So beginnt ein uralter Choral. Er ist in allen Kirchen und weit darüber hinaus bekannt. Als mir eine Frau das Buch für eine Gesangbuchausstellung gebracht hat, ahnte ich noch nichts von seinem Inhalt.

Auf den ersten Blick ein schönes kleines Buch: In Weimar gedruckt. Im Verlag »Der neue Dom«. Erscheinungsjahr: 1941.
Ein Gesangbuch aus Kriegszeiten. Erst das Inhaltsverzeichnis hat mich stutzig gemacht. Im zweiten Abschnitt heißt es: „Volk vor Gott“ und „Weihe der Arbeit“.
Und zum Schluss:  „Von frommer deutscher Lebensart“ – „Lieder der Kameradschaft“. Und das in einem Kirchengesangbuch?
Ich bin dann bald darauf gestoßen: Es ist das Gesangbuch der sogenannten »Deutschen Christen« gewesen. Das war damals eine Strömung in der Evangelischen Kirche, die NS-Ideologie und christlichen Glauben miteinander verbinden wollte. Das stieß damals auf große Resonanz. Zehntausende dieser Liederbücher sind gedruckt worden.
Ein Ziel dieser Strömung war es, alles Jüdische aus dem Christentum zu verbannen. Ein unsinniges und widerliches Vorhaben.
Manches kommt sehr unscheinbar daher. Die Zeit nach dem Christfest heißt in der Kirche »Epiphaniaszeit« – also:  Zeit der Erscheinung Jesu Christi in der Welt.
Hier im Gesangbuch der »Deutschen Christen« wird daraus „Im Licht“.
Im Lied für Epiphanias »Wie schön leuchtet der Morgenstern“  – wird die Zeile – „Du Sohn Davids aus Jakobs Stamm“ – ersetzt durch „Du hohe, klare Himmelssonn“.

Das Lichtsymbol steht ohne jeden Bezug zur biblischen Geschichte, ohne mit einem Wort die Herkunft von Jesus zu erwähnen. Kein Stern von Bethlehem und kein Sohn Davids aus Jakobs Stamm. Der Jude Jesus wird so „arisiert“. Das war das erklärte Ziel.

Mir wird daran klar: Symbole können – vom Ursprung loslöst – in ihr Gegenteil verkehrt werden. Es können daraus dann beliebig erbauliche oder auch hasserfüllte Rituale wachsen. Mich friert´s bei diesem unbiblischen Lichtkult.

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09JAN2025
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Ist der Glanz der Weihnachtszeit schon wieder verflogen? In der ersten Arbeitswoche nach den Festtagen? Oder gibt es noch etwas, das weiter leuchtet? Mich begleiten weiterhin sehr besondere Lichter der Christnacht. Ich habe sie an Heiligabend gesucht und gefunden.

Ich sollte meine Mutter nicht allein lassen in ihrem Haus. Nicht einmal für ein paar Stunden. Sie ist auf intensive Pflege und menschliche Nähe angewiesen. Sonst bekommt sie panische Angst. Gleichzeitig wollte ich so gerne an Heiligabend zu einem Gottesdienst in meinen Wohnort aufbrechen –  dort eine ökumenische Messe mitfeiern. Aber das ist ein weiter Weg über die Autobahn.

Am Vortag sah es noch so aus, als würde nichts draus. Der Kreis der Pflegenden hatte zwar schon ein enges Netz an Einsätzen eingeplant – (noch häufiger als sonst). Aber für die Zwischenzeiten hatte ich einfach niemanden. Dann kam der Tipp: Fragen Sie doch einmal beim Hospizdienst. Das war am späten Nachmittag des 23.ten Dezember! Wer kann da noch spontan Zeit einplanen?

Doch schon bald rief bei mir eine Ehrenamtliche vom Hospizdienst an - ganz aus unserer Nähe. Sie könne nach dem Heiligabend in der Familie bei meiner Mutter sein, bis ich zurück bin. Das war mein großes Weihnachtsgeschenk. Ganz unverhofft.

Auf der Rückfahrt habe ich vom Auto aus bei meiner Mutter angerufen. Ich konnte sogar mit ihr und ihrer Begleiterin ein paar Sätze sprechen. Und hatte das Gefühl: Die Angst meiner Mutter vorm Alleinsein war wie weggeblasen. Und meine Sorgen auch. Bei meiner Rückkehr habe ich meine Mutter entspannt erlebt. Keinerlei Bitterkeit, keinerlei Vorwürfe.

Ich bin so beeindruckt, wie Ehrenamtliche vom Hospizdienst Menschen in Not unterstützen - wie zugewandt, wie einfühlsam. Im Gespräch, beim Vorlesen  –  oder in der Stille, wortlos. „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist!“, heißt es in der Bibel. Schon gar nicht in der Not. Und: Was ihr den Bedürftigen getan habt, das habt ihr mir getan“, hat Jesus einmal gesagt.

Sein Licht leuchtet in allen, die der Seele einen Halt und ein Zuhause geben. Dieses Licht der Weihnacht scheint weit ins neue Jahr hinein. 

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