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SWR3 Gedanken

28AUG2023
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Es ist noch früh am Tag, aber der Zug, mit dem ich zur Arbeit fahre, ist schon halbvoll. Menschen mit Rucksäcken, Wanderstöcken, robusten Schuhen sitzen da. Menschen, die ihr Arbeitsleben offenkundig hinter sich haben. Die nun ihre freie Zeit genießen und, wie es scheint, auch ihr Leben. Beneidenswert, hab ich erst gedacht. Bis mir einfiel, dass ich ja schon in ein paar Jahren selbst dazugehöre. Ob ich dann auch hier im Zug sitze? Mit Proviant und Sonnencreme im Rucksack, und nicht wie jetzt, mit Arbeitsmappe und Laptop? Keine Ahnung. Denn was ich dann tun will, wenn ich nur noch frei habe, jeden Tag, darüber hab ich bisher kaum nachgedacht.

Dabei hat alles im Leben seine Zeit. Das hat ein Weiser in der Bibel schon vor zweieinhalbtausend Jahren gesagt. Klingt zwar banal. Ist aber oft so verdammt schwer zu akzeptieren. Dass etwas vorbei ist im Leben, unwiderruflich. Die ewige Jugend, die leider doch nicht so ewig ist. Eine langjährige Freundschaft. Oder eben der Job, der zwar stressig ist, meinen Tagen aber auch Sinn gibt. Das Gefühl, gebraucht zu werden. Klar ist: Jeder Abschied im Leben erinnert mich auch ein bisschen daran, dass ich selber endlich bin. Oder, wie es der Weise aus der Bibel sagt: Dass alles im Leben letztlich wie ein Windhauch ist. Nach dem freilich immer etwas Neues beginnt. Und warum eigentlich nicht mit Proviant und Sonnencreme frühmorgens im Zug.

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SWR3 Gedanken

27AUG2023
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Für mich war es ein kleines Déjà-vu, als ein großer Discounter kürzlich neun ausgewählte Produkte eine Woche lang zum „wahren Preis“ verkaufen wollte. Zu einem Preis also, in den auch die Kosten für Ressourcenverbrauch und Umweltverschmutzung eingepreist sind. Vor drei Jahren nämlich hatte das Hilfswerk Misereor schon mal vorgerechnet, wieviel ein Kilo Fleisch eigentlich kosten müsste, wenn es gerecht zugehen soll für die Natur und die Bauern: Fast dreimal so viel wie heute!

Man kann die Aktion des Discounters als PR-Gag abtun. Schließlich sind es ja gerade die mächtigen Handelsketten, die oft brutal die Preise drücken. Trotzdem, finde ich, hat die Aktion den Finger in eine Wunde gelegt. Weil schon lange etwas gewaltig schief läuft bei unseren Lebensmitteln. Weil vor allem Fleisch und Milchprodukte viel zu billig verkauft werden. Die allermeisten Bauern wollen die Natur ja bewahren, von der sie leben. Wollen, dass es ihren Tieren gut geht. Aber sie müssen von ihrer Arbeit auch leben können. Und ich als Verbraucher? Ich wünsche mir das auch und wäre sogar bereit, für hochwertige Lebensmittel mehr zu zahlen. Ich weiß aber auch, dass das nicht alle können. Dass es darum nötig ist, dafür zu sorgen, dass sich alle Menschen hochwertiges Essen auch leisten können. Was es dazu bräuchte: Einen echten Systemwechsel bei unseren Lebensmitteln. Eine offenbar kaum lösbare Aufgabe. Die Schöpfung, die Gott uns Menschen anvertraut hat, bleibt zwar kostenlos. Sie zu schützen und zu bewahren allerdings hat ganz klar einen Preis.

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SWR1 Begegnungen

27AUG2023
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Verena und Marcus Berres Foto: Martin Wolf

Ich treffe die beiden in einem lauschigen Eckchen des Schöpfungsgartens, den Verena und Marcus Berres hinter der Martinsbasilika in Bingen am Rhein angelegt haben. Er ist Gärtnermeister und sie Gartenbautechnikerin und zusammen haben sie ein kleines Paradies geschaffen. Mitten in der Stadt. Insekten schwirren herum. Eine Amsel sucht nach Würmern und unter einem Strauch wuselt eine Spitzmaus.
Früher war hier eine Freifläche, die zwar der Kirchengemeinde gehörte, den Stadtbewohnern aber eher als Hundeklo diente. Bis sie vor über zehn Jahren eingezäunt und mit einer Hecke umgeben wurde.

VB: Und dann schlummerte sie aber die vielen Jahre vor sich hin. Und vor drei Jahren dachten wir uns, als wir in diesen Garten kamen: Das ist so ein schöner Fleck Erde, hier können wir mehr draus machen… und hatten die Idee, dass wir hier einen artenreichen Garten anlegen, der aus ganz vielen verschiedenen Bereichen besteht.

Denn das erklärte Ziel der beiden war es, einer großen Vielfalt an Leben Platz zu bieten.

VB: Wir haben verschiedene Insektenhotels, in denen sehr viele verschiedene Insekten wohnen. Wir haben diese Wiese, haben ein paar Obstbäume drauf gepflanzt. Wir haben verschiedene Wildsträucher, die den Insekten im Frühjahr und den Vögeln im Herbst Nahrung bieten. Wir haben einen Sandweg für bodenbewohnende Insekten, eine Trockenmauer, haben auch Totholzhaufen in dem Garten verteilt, die auch wieder verschiedenen Insekten Unterschlupf bieten. Also eine richtig große Menge von Kleinstbiotopen.

Dahinter, erklärt mir Marcus Berres, steht aber noch eine größere Idee, die sie den Besuchern gerne mit auf den Weg geben möchten.

MB: Hier ist ja eine Insel entstanden mit vielen Arten. Und unsere Idee oder unser Wunsch ist jetzt natürlich auch, dass viele Leute, die einen kleinen Garten haben, von mir aus nur zwei Quadratmeter vor der Tür haben, an der Straße oder den Balkon, die eine Terrasse haben, das zu Hause gestalten. Dass in der Stadt verteilt viele kleine Inseln entstehen, wo die Tiere, die Vögel, die Käfer von Insel zu Insel sich hinbewegen können. Und dann entsteht so ein Netz in der Stadt, dass immer wieder ein Anlaufpunkt da ist für die Tiere.

Und zwar mit ganz einfachen Möglichkeiten. Denn jeder kann zuhause selbst mitmachen und Platz schaffen für möglichst viel Leben.

VB: Wenn ich sehr wenig Platz habe, würde ich immer als erstes mit Wasser beginnen. Ob es eine Vogeltränke ist oder ein kleiner Teich, man kann auch einen Kübel irgendwo hinsetzen. Mancher sagt, ich habe hier keine Lust auf Pflege. Okay, dann stellt man ein Insektenhotel hin oder einen Nistkasten. Wer sich gerne intensiver damit beschäftigen möchte, setzt Pflanzen oder pflanzt Sträucher.

MB: Organisches schaffen, lebendig oder tot. Egal. Einfach ein Totholzhaufen in die Ecke legen für Käfer. So viel wie möglich begrünen, dass die Stadt kühl wird, dass da Verdunstung ist, das wäre das Wichtigste. Weg mit dem Beton.

Und sogar das vermeintliche Unkraut am Gehwegrand kann da helfen, erklären mir die beiden. Wenn ich es nicht sofort rausreiße, sondern einfach mal stehen lasse.

Was so ein Garten uns über die Schöpfung erzählt und was er mit uns Menschen macht, dazu gleich mehr.

Teil 2

Ich treffe Verena und Marcus Berres im Schöpfungsgarten hinter der Basilika in Bingen, den sie gemeinsam angelegt haben. Im April erst wurde ihr Projekt mit dem Umweltpreis des Bistums Mainz ausgezeichnet. Und da wir schon vom Unkraut auf dem Gehweg sprachen. Gibt’s das denn überhaupt? Unkraut?

MB: Aus Sicht von Menschen? Ja, da gibt es Unkraut aber eigentlich gibt es kein Unkraut, wir machen Wildkräuter oder Kräuter, die da so wachsen zum Unkraut. Und das kommt ja auch erst dann in Massen, wenn wir die Flächen verändern. Wenn ich ein Blumenbeet grabe und habe eine ganz saubere Fläche, dann kommen natürlich zuerst die Unkräuter und vermehren sich wie verrückt. Das würde in der freien Wiese nie passieren, dass sich so eine Art wie verrückt aussät.

Damit aber genau das nicht passiert, kann man auch hier, in diesem kleinen Schöpfungsgarten, nicht einfach alles so wachsen lassen, wie es will. Denn es gibt invasive, also eingeschleppte Pflanzen.

VB: Wenn natürlich eine invasive Art in einen wilden Garten Einzug hält, dann holen wir die raus. Das haben wir letztes Jahr auch gemacht, denn sonst wäre das ja alles überwuchert von einer Art. Und dann sage ich nicht, das ist Gottes Schöpfung, die lasse ich jetzt stehen, sondern dann ziehe ich die raus.

Wenn ich nun diesen Schöpfungsgarten besuche. Was finde ich da und was erzählt mir so ein Garten vielleicht auch über die Schöpfung?

MB: Tolle Blüten, viele Blumen, Insekten, kleine Nager, Vögel. Man wundert sich dann immer wieder. Also ich bin, weil wir eben auch über Schöpfung sprachen, immer wieder fasziniert, wie brillant manche Blüte ist. Wie das alles so durchdacht ist.

VB: Wenn man sich mal die Zeit nimmt und die Muße, so einen Blütenstand anzuschauen, dann braucht man gar keine Worte drum machen, dann versteht man, was Schöpfung ist. Man könnte sich fragen, was hat der Schöpfer sich dabei gedacht? Ich denke manchmal, er hat vielleicht einfach nur Spaß gehabt dran. Das macht einen richtig glücklich, wenn man es anschaut. 

Dass dieser Schöpfungsgarten ein echtes Herzensprojekt der beiden ist, das spürt man sofort. Und auch mir geht das Herz auf, wenn ich diesen Garten voller Leben auf mich wirken lasse. Markus Berres bringt es auf den Punkt.

MB: Für mich ist da, da ist irgendwas und das finde ich einfach toll. Der Garten, der macht ja was mit uns. Wir betreten den Garten nicht mit unseren Füßen. Man kann den auch mit dem Herzen betreten. wenn ich in den Garten gehe, da fahre ich einfach runter. Ich bin total entspannt, freue mich und es ist wunderschön.

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SWR1 3vor8

23JUL2023
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Wer einen Garten hat kennt das vielleicht. Wenn ich im Frühjahr etwa Möhren aussähe, dann treiben mit der ersten Wärme nicht nur die Gemüsepflanzen aus, sondern auch all das Unkraut, das ich dort nicht haben will. Das nervt. Aber weil ich als Laie das eine vom anderen kaum unterscheiden kann, lasse ich lieber die Finger davon. Bevor ich mit dem Unkraut am Ende auch das junge Gemüse ausreiße.

Das Unkraut einfach stehen lassen, das fordert auch der Bibeltext, der heute Morgen in den katholischen Gottesdiensten zu hören ist. „Lasst beides wachsen bis zur Ernte“, heißt es da in einem Gleichnis, das Jesus seinen Zuhörern erzählt. Und erst dann trennt das Gute vom Schlechten. Nun will Jesus natürlich keine Gartentipps geben. Ihm geht es um nichts weniger als das Himmelreich, wie er es nennt. Denn auch dort sei es eben wie bei einem Feld, auf dem die guten Pflanzen neben dem Unkraut wachsen.

Wenn ich das Bild in meine Welt übersetze, dann kann das zum einen bedeuten: Dieses Himmelreich ist längst da. Es ist hier, mitten unter uns. Das Gute ist nur oft zwischen Bosheit, Elend und Krieg versteckt und kaum zu entdecken. Zum anderen aber heißt das, dass auf Gottes großem Acker auch Platz sein darf für alle. Für die Menschen, die ich liebe und in meiner Nähe haben möchte. Die ein echter Segen sind, ein Vorgeschmack des Himmels sozusagen. Aber eben auch für all die anderen, die mich nerven, mir das Leben schwer machen. Ich kann sie mir vielleicht vom Leib halten oder kritisieren. Nur aus der Welt schaffen kann ich sie nicht. Soll ich auch gar nicht. Weil diese Welt halt kein Reservat der Guten und Reinen ist, in dem nur die einen erwünscht sind, die anderen aber nicht. Und auch, wenn mein Urteil über einen anderen Menschen längst feststeht, ich diesen Widerling am liebsten aus meinem Umfeld entfernen, bildlich gesprochen also ausreißen möchte - bei Gott muss das noch lange nicht so sein. Vorsicht also vor vernichtenden Urteilen über andere. Das endgültige Urteil über ein Menschenleben steht allein Gott zu.

Was bleibt mir also? Die in meiner Umgebung, die mich stören und auf die Palme bringen, auszuhalten. Das ist oft leichter gesagt als getan. Aber es macht diese Welt zu einem einzigen, großen Trainingscamp für die Toleranz. Für die Fähigkeit, uns gegenseitig zu ertragen. Am Ende ist das wohl die einzige Möglichkeit, in Frieden miteinander auszukommen.

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SWR4 Sonntagsgedanken

16JUL2023
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Ein Schreiner, der aus altem Abbruchholz neue Möbel baut und es so vor dem Verbrennen rettet, sagt in einer Doku des SWR: „Man sieht einfach am Ende des Tags immer, was man gemacht hat. Und das ist was, das befriedigt mich selbst, weil ich sagen kann: Ich hab heute wieder was geschaffen, und das ist cool.“  Ich kann den Mann gut verstehen. Dass es ihn zufrieden macht, wenn er abends konkret vor sich sieht, was er gemacht hat und manchmal beneide ich ihn auch darum. Denn viele Menschen, die auch den ganzen Tag hart arbeiten, können das oft nicht so klar sagen. Ein Lehrer etwa, der jeden Tag die Schülerinnen und Schüler, die da vor ihm sitzen, motivieren muss und nicht weiß, was von seinem Unterricht bei ihnen hängen bleibt. Die Ärztin im Krankenhaus, die nur selten erfährt, ob ein entlassener Patient zuhause wieder ganz gesund geworden ist. Aber auch die Leute im Radio oder Fernsehen, die das Programm machen und erst später wissen, ob es den Zuhörern oder Zuschauerinnen überhaupt gefallen hat. Die Aufzählung ließe sich fortsetzen.

In einem Gleichnis, von dem heute in den katholischen Gottesdiensten die Rede ist, greift Jesus diese Erfahrung auf. Ein Sämann, so heißt es da, streut seine Saat aus. Aber je nachdem, wohin die Saatkörner fallen, ist das Ergebnis ganz unterschiedlich. Da gibt es Körner, die auf dem Weg landen, andere dagegen auf felsigem Untergrund, und wieder andere fallen ins Dornengestrüpp. Sie alle sind für den Landwirt im Grunde verloren. Sie werden ihm letztlich keinen Ertrag einbringen. Erfolg versprechen nur die Körner, die auf den Ackerboden gefallen sind. Nur sie tragen am Ende auch Frucht. Allerdings erst viele Wochen später.

Wie oft mache ich in meinem Beruf dieselbe Erfahrung? Ich schreibe etwas, rede zu Menschen oder engagiere mich und bekomme darauf erstmal keine Resonanz. Ob mir etwas gelungen ist oder nicht, das kann ich manchmal nur erahnen. Es sei denn, irgendjemand spricht mich doch noch darauf an. Sicher, wenn eine Arbeit fertig ist, kann ich immerhin einen Haken dahinter machen. Kann sagen: Geschafft! Feierabend. Aber ob all meine Mühe, die ich investiert habe, auch irgendwas bewirkt? Ob sie irgendwem hilfreich oder zu etwas nütze war? Oft weiß ich es nicht. Bei mir wie bei vielen anderen steht abends nun mal kein Stuhl oder kein Schrank vor mir, den ich gemacht habe. Den ich mir anschauen und mich daran freuen kann. Es ist viel öfter die Situation des Sämanns aus dem Gleichnis, der auch nicht weiß, ob sein Tun am Ende Erfolg haben wird. Er kann nur warten und hoffen.

 

Wer etwas macht, macht auch Fehler. Kann im schlimmsten Fall sogar ganz scheitern. Auch davon handelt das Gleichnis vom Sämann, das Jesus seinen Zuhörern einmal erzählt hat. Weil da eben auch Saatkörner auf einem Untergrund landen, der dafür schlicht nicht geeignet ist, ist ein Teil seiner Arbeit letztlich umsonst. Vergebliche Mühe. Ich sehe schon all die Besserwisser vor mir, die den Kopf über diesen schludrigen Sämann schütteln. Die genau sagen können, was der Mann ja alles falsch macht. Wie er seine Arbeit verbessern müsste, um die Ausbeute deutlich zu steigern. Das mag alles stimmen. Trotzdem werden Fehler passieren. Und manches wird am Ende auch schlicht vergeblich bleiben, allen Optimierungsversuchen zum Trotz. Das erfahre ich ja selbst. Dass ich im Beruf wie im Leben Niederlagen einstecken muss, obwohl ich mich angestrengt und alles geplant habe. Und oft wird mir das, wie diesem Sämann, erst später bewusst. Doch das gehört, so bitter es ist, zum Leben dazu. Entscheidend ist, mich von meinen Misserfolgen trotzdem nicht entmutigen zu lassen. Und so endet dieses Gleichnis vom Sämann auch mit dem Erfolg seiner Arbeit. Mit jenen Saatkörnern nämlich, die am Ende Frucht bringen. Manche sogar viel mehr als erwartet. Darauf kommt es an.

Es hat doch alles keinen Sinn. Den Satz höre ich immer wieder mal. Es hat doch keinen Sinn gegen diesen Klimawandel zu kämpfen. Der ist eh nicht mehr aufzuhalten. Es hat doch keinen Sinn, endlos zu diskutieren. ‚Die da oben‘ machen ja doch, was sie wollen. Es hat doch keinen Sinn nett zu andern zu sein und Rücksicht zu nehmen. Auf mich nimmt die auch keiner. Doch, es hat Sinn! Weil es den einen, großen, überragenden Erfolg sowieso nur ganz selten gibt. Und weil die Möglichkeit zu scheitern nun mal besteht. Bei allem, was wir tun. Aber jedes Engagement, jeder Einsatz für eine friedliche, lebenswerte Welt für alle macht Sinn. Jede Stimme, die sich erhebt, wo Menschen gedemütigt und unterdrückt werden, wo ihre Rechte mit Füßen getreten werden, macht Sinn. Es macht Sinn, sich gegen den Klimawandel zu stemmen, auch dann, wenn es nur in kleinen Schritten vorangeht, weil jedes Zehntelgrad zählt. Es macht Sinn, höflich und respektvoll mit anderen umzugehen. Zu streiten, wo es nötig ist. Aber mit Anstand und Achtung vor meinem Gegenüber. Es macht Sinn, Rücksicht zu nehmen auf die, die langsamer oder schwächer sind. Auch dann, wenn ich dadurch selbst etwas zurückstecken muss. Ich bin überzeugt, dass überall da, wo Nächstenliebe spürbar wird. Wo ich der Umwelt und meinen Mitmenschen respektvoll begegne, dass dort Gutes geschehen kann. Wahrscheinlich werde ich mir an manchen Zeitgenossen auch die Zähne ausbeißen. Aber umsonst ist es nie.

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SWR3 Gedanken

24JUN2023
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Wer Rechte hat, der hat auch Pflichten. Das gilt schon im Kleinen. In jedem Mietshaus etwa, wo eine Hausordnung regelt, was die Bewohner zu tun haben. Es sollte sie auch im Großen geben. Eine Art Hausordnung also, die regelt, wie die Menschheit gut zusammenleben kann. Darum hat eine Gruppe ehemaliger Regierungschefs um den früheren Kanzler Helmut Schmidt vor rund einem Vierteljahrhundert neunzehn sogenannte „Menschenpflichten“ vorgestellt. Da finden sich Forderungen wie: Jede Person, hat die Pflicht, alle Menschen menschlich zu behandeln… Jede Person hat die Pflicht, Leben zu achten… Jede Person hat die Pflicht, sich integer, ehrlich und fair zu verhalten.

Es sind universale Regeln für ein Zusammenleben über alle Kulturen und Religionen hinweg. Einiges daran hat mich an die biblischen Gebote erinnert. Nicht von ungefähr. Denn die grundlegenden Gedanken, wie Menschen friedlich und respektvoll zusammenleben können, sind schon Jahrtausende alt. Viel älter als die Bibel. Erst die Verfasser der jüdischen Bibel haben diese Ur-Regeln quasi zur Chefsache gemacht. Haben Gottes Willen in ihnen erkannt. Haben darin gewissermaßen eine Hausordnung für seine Schöpfung entdeckt. Mir ist sie wichtig. Wer sie ignoriert und mit Füßen tritt, setzt am Ende die Schöpfung als Ganzes aufs Spiel.

Und heute? Seit Jahren schon wird der Umgangston immer rauer. Rücksicht und Respekt vor Andersdenkenden verschwinden. Menschen werden niedergebrüllt und angegriffen, weil anderen ihre Meinung nicht passt. Vielleicht höchste Zeit, sich mal wieder zu erinnern, dass ich als Mensch nicht nur Rechte habe, sondern auch Pflichten.

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SWR3 Gedanken

23JUN2023
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Wenn ich einen Städtetrip plane, dann informiere ich mich vorher meistens gründlich. Wälze Reiseführer, überlege mir, was ich am Ziel auf jeden Fall sehen will. Vor kurzem habe ich meine Tochter besucht. Sie ist zu einem Studienaufenthalt im Ausland. Und ich, ich habe diesmal einfach gar nichts gemacht. Habe mich von ihr führen lassen. Mir gewissenmaßen IHRE Stadt zeigen lassen, die sie für sich entdeckt hatte. Orte und Cafés, die ihr besonders gut gefallen haben. Straßen, durch die man gegangen sein muss.

Die Welt durch die Augen eines anderen zu entdecken kann wunderbar sein. Ich sehe Dinge, die ich selbst wahrscheinlich nie besucht oder entdeckt hätte. Lass mich inspirieren von Eindrücken und Begegnungen, die meinen Horizont erweitern. Wage einen Blick über den Tellerrand meiner eingefahrenen Vorlieben hinaus. Vor allem aber: Ich erfahre dabei auch etwas vom anderen. Weil mich meine Tochter hier teilhaben lässt an ihrem Leben. An Dingen, die sie mag. An Orten, die sie für sich entdeckt und ins Herz geschlossen hat.

Wie hilfreich könnte das sein, wenn uns das viel öfter gelänge? Die Welt mal durch die Augen eines anderen zu betrachten. Nicht alles schon besser zu wissen. Zu allem meine vorgestanzte Meinung zu haben, die keinen Spielraum mehr lässt. Dann könnte ich nämlich entdecken, dass die Welt viel größer und bunter ist, als sie mir in meiner schmalen Sicht erscheint.

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SWR3 Gedanken

22JUN2023
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„Sag mal, was machst du denn jetzt mit deiner Heizung?“, fragt mich ein Kollege. Das Thema treibt ihn um, wie viele in den letzten Wochen. Ich lächele triumphierend. „Da bin ich raus!“, sage ich. Weil wir vor zwei Jahren erst eine neue Gasheizung bekommen haben, muss mich das Thema erstmal nicht beschäftigen – beschäftigt mich aber doch. Weil ich den Klimawandel selbst spüre. Und weil ich weiß, dass ein paar Gründe dafür auch in meinem Heizungskeller liegen.

Wir Scheinheiligen, so hat eine Journalistin angesichts der fast schon hysterischen Heizungsdiskussion kürzlich geschrieben. Klimaschutz ganz wichtig finden aber dann noch schnell die neue Gasheizung einbauen. Geht gar nicht! Zuerst hab ich mich ja ertappt gefühlt, aber dann gedacht: Nein. Stimmt nicht! Schein-Heilig ist jemand, der vorgibt, besser zu sein, als er wirklich ist. Einer, der sich als Heiliger inszeniert und doch nur ein gewöhnlicher Blender ist. Das bin ich nicht. Und viele andere, die ich kenne, auch nicht. Wir sind Leute, denen der Schutz des Klimas am Herzen liegt. Die sich aber auch bange fragen, wie sie das alles schaffen können. Und wenn man schon mit religiösen Begriffen hantiert, dann, finde ich, passt das Bild vom „armen Sünder“ sowieso viel besser. Der weiß nämlich genau, dass er vieles besser machen müsste. Schafft es aber halt nicht immer. Aber den festen Willen, es besser zu machen, den hat er. Und den Willen, alles ihm Mögliche zu tun, damit es auch klappt.

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SWR3 Gedanken

21JUN2023
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„Ich bin doch nicht blöd und arbeite bis zum Umfallen.“ So oder ähnlich hören das Personalverantwortliche offenbar in immer mehr Unternehmen. Persönliche Lebensgestaltung und Arbeit sollen zusammenpassen. Vor allem jungen Menschen ist das heute viel wichtiger als es mir noch war. Die Work-Life-Balance soll stimmen. Ich gehöre zur Generation der Boomer und ich weiß, dass manche aus meiner Generation da den Kopf schütteln. Von Ego-Tripps und ICH-Besoffenheit der Jungen ist da schon mal die Rede. Ich gebe zu, manchmal denke ich auch so. Und doch finde ich, sie machen manches richtig. Denn sie können ja nichts dafür, dass wir Älteren nur noch wenige Kinder bekommen haben. Und dass die keine Lust mehr darauf haben, für alle aus meiner Generation mitzuarbeiten, die nun die Rente genießen wollen. Überstunden und Burnout inklusive. Ich bin doch nicht blöd, sagen sich die Jungen. Sie haben Recht.

Kopfschüttelnd mit dem Finger aufeinander zu zeigen, bringt jedenfalls nicht weiter. Und natürlich kann weder die Ärztin in der Notaufnahme, noch der Lokführer im ICE einfach nach Hause gehen, wenn sie finden, sie hätten genug gearbeitet. Dafür braucht es andere Lösungen. Und ja, vielleicht heißt das auch, meine Ansprüche wieder ein wenig nach unten zu schrauben. Von einem Wohlstand etwa, der immer größer werden muss. Von Dienstleistungen, die immer und überall verfügbar sind. Mir und meiner Generation jedenfalls fällt das verdammt schwer. Viele der Jungen scheinen schon weiter zu sein. Vielleicht kann ich da noch was von ihnen lernen.

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SWR3 Gedanken

20JUN2023
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Ob die Welt unbedingt in Kinderhände gehört, wie Herbert Grönemeyer mal gesungen hat? Ich weiß nicht recht. Aber manchmal denke ich: Es gibt Krieg, Umweltzerstörung, Unterdrückung, Ausbeutung. Und all das machen ja erwachsene Menschen, die sich Kindern doch haushoch überlegen fühlen. Sie zetteln doch diesen ganzen Irrsinn an.

Was wohl auf jeden Fall gut täte: ab und zu mal umzuswitchen. Die Welt mal wieder mit Kinderaugen anzusehen. Am leichtesten gelingt das noch Eltern, die kleine Kinder haben. Wenn die 300 Meter vom Spielplatz nach Hause locker mal wieder eine Stunde dauern. Weil eine Weinbergschnecke am Wegrand kriecht, die erst betrachtet werden muss. Ein Eichhörnchen von Ast zu Ast springt, die rote Mohnblüte so schön leuchtet.

Kinder nehmen die Welt schlicht anders wahr als die meisten Erwachsenen. Für Kinder ist die Welt nicht Mittel zum Zweck. Sie wollen sie sich nicht benutzen, ausbeuten, sich gefügig machen. Sie wollen sie entdecken, erkunden, bestaunen. Kinder sind da ein bisschen wie Künstler oder Grundlagenforscher. Denn auch die schauen die Welt oft anders an als andere.

Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, heißt ein Satz in der Bibel. In dem Satz steckt viel Wahres, finde ich. Weil es nämlich nicht darum geht, kindisch zu werden. Sondern, den kindlichen Blick nicht zu verlieren. Offen zu sein oder wieder zu werden. Neugierig darauf, etwas zu entdecken. Mal wieder staunen zu können. Wenn uns Erwachsenen das wieder öfter gelänge – vielleicht wäre die Welt wirklich ein besserer Ort.

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