SWR1 3vor8
Wer einen Garten hat kennt das vielleicht. Wenn ich im Frühjahr etwa Möhren aussähe, dann treiben mit der ersten Wärme nicht nur die Gemüsepflanzen aus, sondern auch all das Unkraut, das ich dort nicht haben will. Das nervt. Aber weil ich als Laie das eine vom anderen kaum unterscheiden kann, lasse ich lieber die Finger davon. Bevor ich mit dem Unkraut am Ende auch das junge Gemüse ausreiße.
Das Unkraut einfach stehen lassen, das fordert auch der Bibeltext, der heute Morgen in den katholischen Gottesdiensten zu hören ist. „Lasst beides wachsen bis zur Ernte“, heißt es da in einem Gleichnis, das Jesus seinen Zuhörern erzählt. Und erst dann trennt das Gute vom Schlechten. Nun will Jesus natürlich keine Gartentipps geben. Ihm geht es um nichts weniger als das Himmelreich, wie er es nennt. Denn auch dort sei es eben wie bei einem Feld, auf dem die guten Pflanzen neben dem Unkraut wachsen.
Wenn ich das Bild in meine Welt übersetze, dann kann das zum einen bedeuten: Dieses Himmelreich ist längst da. Es ist hier, mitten unter uns. Das Gute ist nur oft zwischen Bosheit, Elend und Krieg versteckt und kaum zu entdecken. Zum anderen aber heißt das, dass auf Gottes großem Acker auch Platz sein darf für alle. Für die Menschen, die ich liebe und in meiner Nähe haben möchte. Die ein echter Segen sind, ein Vorgeschmack des Himmels sozusagen. Aber eben auch für all die anderen, die mich nerven, mir das Leben schwer machen. Ich kann sie mir vielleicht vom Leib halten oder kritisieren. Nur aus der Welt schaffen kann ich sie nicht. Soll ich auch gar nicht. Weil diese Welt halt kein Reservat der Guten und Reinen ist, in dem nur die einen erwünscht sind, die anderen aber nicht. Und auch, wenn mein Urteil über einen anderen Menschen längst feststeht, ich diesen Widerling am liebsten aus meinem Umfeld entfernen, bildlich gesprochen also ausreißen möchte - bei Gott muss das noch lange nicht so sein. Vorsicht also vor vernichtenden Urteilen über andere. Das endgültige Urteil über ein Menschenleben steht allein Gott zu.
Was bleibt mir also? Die in meiner Umgebung, die mich stören und auf die Palme bringen, auszuhalten. Das ist oft leichter gesagt als getan. Aber es macht diese Welt zu einem einzigen, großen Trainingscamp für die Toleranz. Für die Fähigkeit, uns gegenseitig zu ertragen. Am Ende ist das wohl die einzige Möglichkeit, in Frieden miteinander auszukommen.
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