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SWR1 Begegnungen

„Mit dem Rucksack ein Jahr durch Afrika getourt“

Barbara Scharfbillig ist Fachpromotorin für internationale Partnerschaften beim Kolping-Bildungswerk in Trier. Sie ist damit
Teil eines bundesweiten Promotorenprogramms, das es seit einen Jahren gibt. Getragen wird das Programm von der Arbeitsgemeinschaft der Eine Welt Landesnetzwerke sowie der Stiftung Nord-Süd-Brücken, gefördert vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie vom Land Rheinland-Pfalz. Rund 140 solcher Fachpromotoren gibt es zurzeit bundesweit, verteilt auf alle 16 Bundesländer. In Rheinland-Pfalz werden sie über das Entwicklungspolitische Landesnetzwerk
ELAN koordiniert.

Und bei uns in Rheinland-Pfalz haben wir Promotoren, die sich zu den Themen Rohstoffe, Umwelt und Entwicklung, Migration und Entwicklung, globales Lernen und ökosoziale Beschaffung engagieren und ich hab den Bereich der internationalen Partnerschaften und sitze damit beim Kolping-Bildungswerk in Trier.   

Internationale Partnerschaften stärken, qualifizieren, sichtbar machen, Öffentlichkeitsarbeit, Vernetzung, das ist kurz gesagt, die Aufgabe von Barbara Scharfbillig als Fachpromotorin. Beim Stichwort Partnerschaft denkt man in Rheinland-Pfalz schnell an die Ruanda-Partnerschaft des Landes oder die Bolivienpartnerschaft des Bistums Trier. Doch die Szene ist wesentlich vielfältiger, gerade in Rheinland-Pfalz:

Wir haben zum Beispiel knapp 20 Akteure, die sich mit Partnern in Namibia engagieren,  circa ein Dutzend mit Partnern in Ghana, es gibt Partnerschaften nach Nepal, Kenia, Mali, Burkina Faso …

Und genauso vielfältig sind die Akteure, Internationale Partnerschaften werden von Vereinen, Stiftungen, Aktionsgruppen, Schulen oder Kommunen getragen, und die miteinander in Kontakt zu bringe, ist ganz wichtig, sagt die 36 Jahre alte Fachfrau.

Wir hatten zum Beispiel letztes Jahr ein Netzwerktreffen, wo sich Akteure getroffen haben, und haben dann festgestellt, oh unsere Partner sitzen im gleichen Dorf in Afrika in Namibia, da können wir doch was zusammen machen, und so entstehen dann auch Synergieeffekte, dadurch wird die Partnerschaft gestärkt, aber auch qualifiziert, dass man sich zum Beispiel mit Akteuren austauschen kann, die viel Erfahrung haben in der Partnerschaftsarbeit

Als Fachpromotorin für internationale Partnerschaften ist Barbara Scharfbillig genau die richtige, das merke ich schnell in unserem Gespräch. Sie ist nicht nur fasziniert vom Gedanken der Partnerschaft, sondern lebt ihn, seit langem auch schon privat und ehrenamtlich, als Mitglied einer örtlichen Namibia-Partnerschaftsgruppe in ihrem Heimatort Igel bei Trier, und als Vorstandsmitglied in der Deutsch-Namibischen Gesellschaft. Nach der Schule hat sie ein einjähriges Sozialpraktikum in Namibia gemacht und dann Krankenschwester gelernt,

Nach meiner Ausbildung bin ich mit dem Rucksack ein Jahr lang durch Afrika getourt und hab dann ein paar Jahre gearbeitet und hab dann noch mal angefangen zu studieren, also da kommt einiges zusammen.

„Solidarität macht Christsein aus!“

Ich habe Barbara Scharfbillig getroffen. Für Partnerschaften hiesiger Gruppen mit Akteuren des globalen Südens zu werben, sie zu stärken, zu qualifizieren, zu vernetzen, das ist ihr Job als Fachpromotorin. Ein zentraler Gedanke dabei: Solidarität. 

Solidarität mit Menschen, die am anderen Ende der Welt leben, die unter anderen Bedingungen leben, andere Sprachen sprechen und mit denen man sich trotzdem verbunden fühlt, das ist was, was Christen ausmacht, aber das macht auch Menschen aus anderen Religionen oder Philosophien aus, und das ist ein Aspekt, der auch als Fachpromotorin eine sehr wichtige Rolle spielt, Solidarität und Gemeinschaft ist ja für uns alle ein ganz zentraler Punkt. Solidarität ist einfach ein ganz zentrales Thema, weil wir natürlich in Deutschland extrem privilegiert sind, ---sei es durch unsere Herkunft oder sei es durch das soziale System, was wir hier haben, unsere Hautfarbe und man muss einfach anerkennen, dass es Menschen in anderen Teilen der Erde gibt, die diese Privilegien nicht haben.

Solidarität, denen zu helfen, die darum bitten, das ist eine christliche Grundhaltung, die für sie selbstverständlich ist. Das können Partnerschaften leisten, aber Partnerschaft auf den Aspekt der Hilfe zu beschränken, greift viel zu kurz, betont die Fachfrau. Beispiel: der Expertenaustausch zwischen Lehrern aus Deutschland und Tansania:

Da können die deutschen Pädagogen sehr viel lernen, in Tansania haben wir beispielsweise eine sehr hohe Sprachenvielfalt, die Pädagogen da sind gewöhnt, dass sehr viele Kinder in ihren Klassen sitzen, die unterschiedliche Sprachen sprechen, die Pädagogen aus Tansania sind gewohnt, mit einer Ressourcenknappheit umzugehen die deutschen Pädagogen nicht, und da kann man schon sehr viel voneinander lernen.

Einen ganz anderen Charakter wiederum hat die Partnerschaft der Moselgemeinde Klüsserath mit der Gemeinde Dom Principio in Brasilien:

Da kamen die Brasilianer zum Beispiel und haben gesagt wir möchten diese Partnerschaft haben, weil ihr Stadtgründer aus Klüsserath ausgewandert war, also das ist ne ganz andere Art von Partnerschaft und viele viele viele Brasilianer waren schon in Klüsserath um die Gemeinde zu besuchen, da spielt Hilfsleistung keine Rolle, sondern das ist so ein kulturelles Erbe, sag ich jetzt mal.

Internationale Partnerschaften, das ist vor allem Begegnung und Austausch, das ist die Bereitschaft, Kontakt aufzunehmen, auf Fremde zuzugehen, andere Kulturen kennenzulernen, offen zu sein für den anderen, der auf den ersten Blick vielleicht anders ist. Das ist mir bei der Begegnung mit der Fachpromotorin Barbara Scharfbillig noch einmal bewusst geworden. Vielleicht Grundhaltungen, die auch im ganz normalen Alltag hierzulande nicht verkehrt wären.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24084
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SWR1 Begegnungen

Teil 1 

Christoph Bals ist politischer Geschäftsführer von Germanwatch. Germanwatch ist eine unabhängige Entwicklungs- und Umweltorganisation, die nach der deutschen Widervereinigung  gegründet wurde, um die künftige Rolle Deutschlands in der Welt kritisch zu beobachten und zu begleiten, daher auch der Name Germanwatch.   

Daraus haben sich im Laufe der Zeit drei große
Schwerpunktthemen herauskristallisiert, einerseits die Frage Energiepolitik und der globale Klimawandel, zum zweiten Landwirtschaftspolitik und das Recht auf Nahrung sowie die ökologischen Probleme im Zusammenhang mit Ernährung und Landwirtschaft, und drittens das Thema Unternehmen und Menschenrechte.
 

Christoph Bals hat Theologie, Volkswirtschaft und Soziologie studiert. Bei Germanwatch ist der heute 56-Jährige seit den Gründungstagen vor 25 Jahren dabei – auch als Beobachter und Teilnehmer der großen Klimagipfel dieser Zeit. War er da nicht oft der schieren Verzweiflung nahe, frage ich ihn – mir selbst ging es jedenfalls immer wieder so, wenn es nicht voran ging mit Klimaschutz und Nachhaltigkeit. 

Also ich neige nicht von der Haltung und von der Mentalität her zum Verzweifeln, natürlich gabs immer wieder massive Rückschläge und Enttäuschungen, aber in der Politik ist es ähnlich wie in der Natur, Mist eignet sich meistens dazu, um konstruktive Entwicklung in der Zukunft da drauf aufzubauen, damit zu düngen. 

Auch wenn es keineswegs ausgemacht ist, dass die Welt es schafft, die Erderwärmung auf unter zwei Grad zu drosseln, es ist doch einiges erreicht worden, sagt Bals. 

Wir haben jetzt seit zwei Jahren, obwohl es keine globale Wirtschaftskrise gibt, zum ersten Mal, dass die Emissionen global nicht mehr steigen, wir haben seit  2012 bis 13 angefangen, dass jedes Jahr im Strombereich in der Welt mehr Geld in erneuerbare Energien investiert wurde als in Kohle, Öl, Gas und Kernkraft zusammengenommen - auf der anderen Seite sehen wir eben, dass natürlich viele, die Interessen der Vergangenheit vertreten, die in fossile Energien investiert haben zum Beispiel oder in Maschinen, Instrumente, die mit fossilen Energien betrieben werden, dass die auch sehen, jetzt geht’s wirklich ums Eingemachte

Jetzt gehe es darum, dass die Industrieländer möglichst schnell aus Kohle, Öl, Gas und Kernkraft aussteigen und die Schwellen-  und Entwicklungsländer den Umweg der fossilen Energien erst gar nicht gehen, gibt der Experte die strategische Losung vor. Dass das kein Selbstläufer ist, sondern massiver politischer Rahmensetzungen bedarf, ist für den Realisten Bals keine Frage. Was den Theologen Bals bewegt und wie er die Papst-Enzyklika „Laudato si“ bewertet, dazu mehr nach dem nächsten Titel. 

 Teil 2 

Und mit Christoph Bals. Den Theologen und politischen Geschäftsführer der Bonner Nichtregierungsorganisation Germanwatch bewegt nicht nur die Bewahrung der Schöpfung. Sein kritischer Blick zielt auch auf die Bedeutung von Religionen für eine Gesellschaft. Religionen sind ambivalent, sagt er, wichtig sei, dass sie Aufklärung, Menschenrechte und den säkularen Staat akzeptieren  

und wenn man die Menschenrechte als Grundlage, sowohl die individuellen als auch die sozialen Menschenrechte als Grundlage des Zusammenlebens akzeptiert, eben auch das Zusammenleben von verschiedenen Religionen, wenn das passiert, dann können Religionen heute ein sehr konstruktiver Akteur in der Gesellschaft sein, wo ihre Sinnressourcen durchaus zur Lösung der Probleme beitragen können.

Einer, der das begriffen hat, ist für ihn Papst Franziskus mit seiner Umwelt- und Sozialenzyklika Laudato si.

Diese Enzyklika von Papst Franziskus ist tatsächlich ein sehr gelungener Versuch  in diese Richtung hin, gelungen, weil die Enzyklika auf der einen Seite klar stellt, die Autonomie der Wissenschaften, die Autonomie des Staates klar akzeptiert, dass sie auf der Basis der Menschenrechte argumentiert, dass sie dann aber versucht, das eigene Potential von der Religion mit ins Spiel zu bringen  - sehr ungewöhnlich für die katholische Kirche ein so nicht vereinnahmender Dialog, wo Katholizität von einer universalen Berufung für die Menschheit und nicht als ein konfessioneller Kampfbegriff gedacht wird 

Der Papst sei auch wissenschaftlich auf der Höhe der Zeit und argumentiere auf der Basis von Quanten- und Relativitätstheorie sowie Evolutionslehre. 

und er sagt, auf der einen Seite haben wir den gleichen Ursprung, auf der anderen Seite haben wir mit den Tieren und sogar den Pflanzen einen zu großen Teilen übereinstimmenden Gensatz und drittens haben wir die gleiche Bedrohungssituation im Moment vor uns, das heißt, dass dieses neue Paradigma der universalen Geschwisterlichkeit mit einem sehr starken wissenschaftlichen Begründung untermauert und… damit kann dann so ne Enzyklika auch ernstzunehmende Gesprächsangebot an eine säkulare Welt sein, nicht nur an andere Religionen.    

Als nüchternen Analysten, politischen Langestreckenläufer und kritischen Theologen habe ich Christoph Bals bei unserer Begegnung erlebt. Umso bemerkenswerter ist seine Begeisterung, wenn er von Laudato si spricht

 also das ist wirklich ein großer Wurf, wo ich zum ersten Mal seit langer Zeit von der christlich-kirchlichen Seite gesehen hab, hier kreist man nicht nur um sich selber und erschöpft sich in theologischen Debatten, die für die Außenwelt bestenfalls als kurios erscheinen, sondern versucht wirklich der Welt was zu sagen zu haben. 

In anderen Teilen der Welt, etwa in Lateinamerika, aber auch in Wissenschaftskreisen, finde die Enzyklika mehr Beachtung als hierzulande, hat er beobachtet. Das nehme ich auch so wahr: Da ist noch viel Luft nach oben, gerade auch in meiner, der katholischen Kirche.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23279
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SWR1 Begegnungen

Die Kirche braucht mehr Rhythmus!“

Dieter Falk, das ist ein sehr erfolgreicher Komponist, Musiker und Musikproduzent. Mehr als 50 Platin- und Goldene Schallplatten hat der 57-Jährige in seiner langen Karriere gesammelt. Er produzierte Künstler  wie Patricia Kaas, Nino de Angelo und Roger Chapman oder auch die Band Pur. Er hat wie man so sagt fast alles erreicht auf seinem Gebiet.

Dieter Falk ist aber nicht nur ein erfolgreicher Künstler, er ist auch praktizierender Christ. 

Ich bin ein Kind kirchlicher Jugendarbeit, bin also in der evangelischen Kirche groß geworden als Kind einer Chorleiterin, hab in einem gemischten Chor gesungen, Kantorei und dann einen Gospelchor gegründet, für mich war Musik und Kirche nie getrennt, das gehörte zusammen und ich denke das hat sich eigentlich bis heute nicht verloren  

Falks Instrument ist vor allem das Klavier, und als Pianist war er schon in jungen Jahren auf Tournee mit auch heute noch bekannten Namen wie Katja Ebstein oder Gitte Haenning. Und sehr früh begann auch seine Produzententätigkeit. 

Ich hatte schon als 17, 18-Jjähriger neben meiner Pianistentätigkeit, mit der ich auch mein Studium finanzierte, hab ich schon so Bands produziert, produzieren heißt eigentlich nichts anderes als die Aufnahmeleitung machen, eigentlich ein bisschen äquivalent zum Regisseur beim Film und dann hab ich irgendwann mit 19 dann die ersten Platten produziert für SingerSongwriter, alles so in dem kirchlichen Umfeld, das hab ich dann so oft und so gerne auch gemacht, dass irgendwann die Schallplattenfirmen auf mich aufmerksam wurden, die größeren Schallplattenfirmen, und dann irgendwann ein Manager von der Intercord, das war die Plattenfirma, die seinerzeit Grönemeyer unter Vertrag hatte, zu mir kam und sagte, wir haben hier eine junge Dame, magst du die produzieren, Pe Werner. 

Mit der stellten sich die ersten kommerziellen Erfolge ein, mit Titeln wie „Weibsbilder“ oder „Kribbeln im Bauch“. 

Und zur gleichen Zeit kam dann eben die schwäbische Band Pur auf mich zu, die suchten einen neuen Produzenten und dachten, als sie mich dann sahen, na das kann aber kein Produzent sein, der hat keine Cowboystiefel und keine lange Hecke.Aber Falk und Pur, das funktionierte, es funktionierte sogar sehr gut, das Pur-Stück Abenteuerland etwa schaffte es an die Spitze der Charts, der Rest ist eine Erfolgsgeschichte, die bis heute anhält. Und was Dieter Falk bis heute auch bewegt, ist das Thema Musik und Kirche. 2009 schrieb er zusammen mit Michael Kunze das Pop-Oratorium „Die 10 Gebote“, 2013 das Musical „Moses“. Die Chancen, die Musik gerade für die Kirchen bietet, werden viel zu wenig genutzt, findet er. 

Ich meine konkret, wir brauchen mehr Rhythmus in der Kirche, wir brauchen mehr Groove, Groove in der Kirchenbank. Damit meine ich Rhythmus, Lebendigkeit, pulsierendes Leben und das ist der Rhythmus unserer Zeit und auch die Musik unserer Zeit, und das fehlt, wie ich finde. 

Doch einer wie Dieter Falk kritisiert nicht nur, er nimmt die Sache auch selbst in die Hand, geht neue Wege. Über sein neustes kirchenmusikalische Projekt mehr nach dem nächsten Titel. 

„Kreativität kommt von ‚creator‘, Schöpfer, also von Gott!“

Der erfolgreiche Pop-Produzent  Dieter Falk hat Musik und Theologie auf Lehramt studiert, aber sehr schnell war ihm klar, dass er nicht in die Schule, sondern ins Musikbusiness wollte. 

Ich find Musik nen tollen Beruf  und ich möchte schon ein Stück zurückgeben, da wo ichs her hab, Kreativität, da steckt das Wort creator drin, also Schöpfer, und das kann ich gut nachvollziehen wo das her ist nämlich von Gott, vom lieben Gott, den ich jetzt so auch für mich persönlich benennen würde. 

Dieter Falk bekennt sich zu seinem Christsein, trägt es aber nicht vor sich her, wie er sagt 

Denn ein Bäcker der jetzt Christ ist, praktizierende Christ ist, der wird jetzt auch nicht in der Bäckerei zum frommen Menschen, ja, sondern nur im Umgang mit Menschen das ist glaube ich der Punkt wo sich dann entscheidet, wessen Geistes Kind man ist,ich bin Kind kirchlicher Jugendarbeit und ich bin ein gläubiger Christ, aber ich sag das nicht ungefragt und ich trags auch nicht vor mir her und ich bin eines ganz sicher nicht, ich bin kein Missionar. 

Zum Jubiläum  500 Jahre Reformation hat Falk eine CD zu Luther herausgebracht, darin transportiert er 12 der 34 Choräle von Luther ins Heute. Größer und aufwendiger ist sein zweites Projekt zum Reformationsjubiläum: Das Pop-Oratorium „Luther“. 

Es ist jetzt keine Biographie im althergebrachten Sinne, sondern es ist die Story des Reichstag von Worms, in Worms wurde Luther der Prozess gemacht und wir zeigen, wir versuchen den Menschen Luther zu zeigen nicht als einen Helden, der er sicherlich nicht war, Luther hat im letzten Drittel seines Lebens viel Quatsch geredet, den ich heute auch nicht verstehe, aber er hat eben doch Sachen in Gang gebracht, und man kann eben wirklich mit Fug und Recht behaupten, nach ihm war die Welt nicht mehr die gleiche. 

Das Luther-Oratorium ist ein Mitmach-Oratorium, neben einem festen Stamm von Solisten sind es in jeder Stadt auf der geplanten Tournee durch Deutschland jeweils eigene Chöre, die sich neu bilden und mitsingen. Das heißt, zurzeit proben etwa 20 000 Menschen in ganz Deutschland, um von Januar bis März 2017 beim Pop-Oratorium „Luther“ mitzusingen. 

Und das ist natürlich toll zu sehen, ich darf auch sagen, dass da ganz viele Katholiken mitsingen, auch Muslime, auch Leute, die mit Kirche null am Hut haben 

Ein Erfolg im kommerziellen Sinn kann so ein Projekt nicht werden, aber darum geht es ihm auch nicht primär. Er will eine Botschaft vermitteln. Und da ist er für mich dann doch ein bisschen ein Missionar:

In diesem Stück versuchen wir eben, diese Geschichte zu erzählen, aber auch mit nem bisschen Ironie ab und an mit der message, dass wir trotzdem Katholiken und Evangelen und Muslime alles Gottes Kinder sind. 

Freundlich und zugewandt, und trotz aller Erfolge völlig uneitel, interessiert an seinem Gegenüber, so ist mir Dieter Falk begegnet – Klammer auf: ich konnte ihm doch tatsächlich noch Neues von meinem musikalischen Idol Bruce Springsteen erzählen, Klammer zu – Falk ist einer, der sich als Musiker und Christ immer wieder neu auf den Weg macht - im großen Abenteuerland Welttheater. 

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SWR1 Begegnungen

„Wer zum Schwert greift, kommt darin um!“

Horst-Peter Rauguth hat Theologie und Politik studiert, war Hausmann und Lehrer, heute arbeitet der 62-Jährige als Diakon im Saarbrücker Stadtteil Malstatt. Er ist Geistlicher Beirat der katholischen Friedensbewegung Pax Christi im Bistum Trier sowie für ganz Deutschland und bezeichnet sich als christlich motivierten Pazifisten, also jemand der entschieden für die gewaltfreie Lösung von Konflikten eintritt. Die Frage „Gewalt oder nicht“ wurde konkret für ihn, als er 18 wurde und sich für oder gegen die Bundeswehr entscheiden musste.

Und da war die klare Antwort für mich, nein, ich kann kein Soldat sein, und damals gab‘s ja dann ein Verfahren, wo man nachweisen musste, dass man Gewissensgründe hat, um die Kriegsdienst zu verweigern, weil der Artikel 4, Absatz 3, der heißt, wer vor seinem Gewissen den Kriegsdienst nicht verantworten kann, der ist geschützt.

Er wurde anerkannt als Kriegsdienstverweigerer, wurde selbst Berater von jungen Männern, die den Dienst mit der Waffe verweigern wollten, und kam so zu Pax Christi.

Ich hab quasi durch meine Verweigerung Pax Christi kennengelernt als Bewegung, die sich auch für Kriegsdienstverweigerer eingesetzt hat, und dann war ja meine Motivation nicht nur nein zu sagen zum Soldat sein, sondern etwas anderes zu tun. Und das ging anderen auch so, Beraterinnen und Beratern, Studentinnen und Studenten, und wir haben dann in Saarbrücken eine Friedensgruppe gegründet, und es lag dann nahe, uns Pax Christi anzuschließen, weil wir alle Katholiken waren, auch kirchlich engagiert, und den Schwerpunkt Friedensarbeit wollten.

Doch war Jesus Pazifist? Rauguth erinnert sich noch gut an seine Verhandlung, in der der Richter ihm sagte, kommen Sie mir bloß nicht mit Ihrem Jesus, der war kein Pazifist, der hat doch gesagt, ich bin nicht gekommen, den Frieden zu bringen, sondern das Schwert. Rauguth hält damals und heute dagegen:

Ich denke, dass er nicht einen harmonischen Frieden gemeint hat, der alles sein lässt, wie es ist, befürwortet hat, sondern er ganz engagiert für Menschen, die arm waren, unterdrückt, die Leiden hatten, sich eingesetzt hat und damals war das in der Gesellschaft so, dass diese Menschen als Gott fern betrachtet wurden, er hat aber gesagt, die brauchen auch Gott, vor allem, ---und er hat da auch hingewirkt, das hat ja dazu geführt, dass Jesus ja quasi verraten wurde und auch von den Religionsführern angeklagt und getötet--- wurde, das heißt für mich, da hätte er ja ,  wenn er jetzt militärische Gewalt befürwortet hätte, können das zeigen, das hat er nicht gemacht, sondern das Gegenteil hat er gemacht, er sagt, steck dein Schwert in die Scheide, wer zum Schwert greift, kommt dadurch um.

„Steter Tropfen höhlt den Stein!“

Ich spreche mit dem  Pazifisten Horst-Peter Rauguth. Idealisten, Träumer, Gutmenschen, so werden sie oft belächelt, die Menschen, die sich entschieden für friedliche statt militärische Lösungen einsetzen. Doch Gewalt mit noch mehr Gewalt zu unterdrücken, ist für Rauguth kein Weg.

Nein, das ist der falsche Weg, die Überprüfung findet dann auch nicht entsprechend statt, wenn man dann fragt, ja bitte, habt ihr denn die Ziele erreicht, wo in Ausnahmefällen, wo Gewalt gerechtfertigt ist, und wenn die Ziele nicht erreicht sind war die Gewalt auch nicht gerechtfertigt.

Das Thema ist komplex, beim Irak und in Afghanistan sehe ich das wie Horst-Peter Rauguth, die Überprüfung ergibt: Ziel nicht erreicht trotz militärischer Gewalt. Doch als die Franzosen den Vormarsch der Dschihadisten im westafrikanischen Mali stoppten, fand ich das richtig.- Szenenwechsel. Rauguth gehör auch zum kleinen Häuflein Aufrechter, die jeden Sommer in Büchel in der Eifel gegen Atomwaffen auf deutschem Boden demonstrieren. Bisher erfolglos, aber:

Steter Tropfen höhlt den Stein, es geht ja darum in der Öffentlichkeit Aufmerksamkeit zu bekommen und ich mache die Erfahrung da ich auch selber da engagiert bin, ich war jetzt zweimal auch selber in Büchel, wenn ich dann Menschen erzähle, dass ich dahin fahre dann sagen die, wie gibt’s in Deutschland noch Atomwaffen? Ja, das ist leider bittere Realität!

Und wie stark spielt seine politische Grundhaltung in seine alltägliche Arbeit als Diakon, als Seelsorger in Saarbrücken-Malstatt hinein, will ich wissen. Auch Tauf- oder Trauergespräche können unverhoffte Wendungen nehmen, erzählt er. Beispiel:

Ich hatte jemand, der hatte auf der Cup Anamur gearbeitet und das nie verkraftet, was er da an Kriegsgeschehen in Vietnam erlebt hat, und dann kommt man natürlich auch da drauf zu fragen, ja, wie steht man denn zum Krieg, also so muss man sich das eher vorstellen und wie gesagt, ich bin nur ganz zu haben, ich mache das Engagement, mich gibt‘s jetzt nicht nur als Diakon, der nur diakonische Arbeit in Malstatt macht

Rauguth ist Diakon, ein Weiheamt in der katholischen Kirche. Doch der Gedanke Priester zu werden war für ihn schon zu Beginn des Studiums schnell abgehakt

Priester kann nur werden, wer sich ein eheloses Leben vorstellen kann, und das konnte ich mir gar nicht, ich hatte damals zwar keine Partnerin, aber das war für mich völlig klar, du willst mal heiraten, du willst Kinder haben, und ja, da ich da so klar war, kam das halt für mich nicht in Frage.

Ändern würde er einiges in der Kirche, wenn er könnte.

Und da würde ich mich dafür einsetzen dass man auch als Nichtzölibatärer Priester sein könnte und vor allem, das ist mir eigentlich noch wichtiger, dass Frauen eine andere Stellung in der Kirche haben, dass sie den Zugang zum Priesteramt bekommen, ich merks an meinen beiden Töchtern, für die ist eine Institution, in denen Frauen Ämter verwehrt werden, Leitung verwehrt wird, nix wo sie sich engagieren werden.

Beharrlich politisch, entschieden Minderheitsmeinungen vertretend, für Veränderungen streitend: Dass einer wie Horst-Peter Rauguth aktiv in der Kirche mitmacht und mitmachen kann, das ist auch für mich ein Hoffnungszeichen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22686
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SWR1 Begegnungen

„Synodalität wird gelebt!“

Ich treffe mich mit Henriette Crüwell. Katholisch, altkatholisch, evangelisch. So könnte man, sehr kurz gefasst, ihre Lebensgeschichte bis heute zusammenfassen. Meine Ahnung, dass dahinter der ein oder andere heftige Wendepunkt in ihrem Leben stehen muss, bestätigt sich, als wir uns in ihrem kleinen Büro in der Frankfurter Jugendkulturkirche Sankt Peter treffen.   

Ich komme aus nem Elternhaus wo man irgendwie normal katholisch ist, also sprich so zu den großen Festen in die Kirche geht, ansonsten das nicht wirklich so ne große Rolle spielt, traditionell, als ich 14 war, war ich mit meinem Vater in Rom über Ostern und stand in einer Gruppe von Novizinnen, also jungen spanischen Frauen, die so wenig älter waren als ich, die waren vielleicht 18, 19, die am Beginn ihres Klosterlebens standen, und sie haben so eine Freude und Begeisterung ausgestrahlt, dass ich, weiß ich noch gesagt hab, das will ich auch.

Doch von da an bis zur Pfarrerin in der Evangelischen Kirche von Hessen und Nassau, kurz EKHN, war es noch ein weiter Weg. Nach dem Abitur studiert sie erst einmal Jura, arbeitet als Juristin, heiratet, bekommt drei Kinder – und fängt im Erziehungsurlaub mit dem dritten Kind an, Theologie zu studieren.

Das, was ich eigentlich studieren wollte, seit ich 14 bin, und es nicht gemacht habe, weil mein Vater mir damals sagte, was willst du als Frau in der römisch-katholischen Kirche, aber die Theologie hat mich dann doch nicht losgelassen, dann habe ich bei den Jesuiten hier in Frankfurt Theologie studiert, und bin während meines Studiums eigentlich über meine Kinder in die altkatholische Gemeinde gekommen, und da bin ich hängen geblieben, bin dann altkatholisch geworden, und ja, über weitere Umwege bin ich 2013 in die evangelische Kirche gekommen

Die Altkatholiken haben sich im 19. Jahrhundert von der katholischen Kirche abgespalten, weil sie das neue Unfehlbarkeitsdogma des Papstes nicht anerkennen wollten. Und da sind wir auch bei einem von zwei Grundmotiven im Leben von Henriette Crüwell. Zwei Grundhaltungen, die ich gut nachvollziehen kann. Da ist zum einen das Thema Frau in der Kirche, und da fühlt sie sich in der evangelischen Kirche dann doch besser aufgehoben, und es ist das, was sie selbst ihren anti-hierarchischen Affekt nennt. Anders als die katholische Kirche ist die evangelische Kirche synodal strukturiert, das heißt, die Gremien sind demokratisch verfasst und gewählt, es gibt Mehrheitsentscheidungen

Synodalität im evangelischen Sinne verstanden ist wirklich: wir entscheiden zusammen und treffen zusammen Entscheidungen, unsere Ämter sind synodal legitimiert, also werden gewählt, hier in der EKHN gibt es kein Amt, was auf Lebenszeit ist, und ich bin jetzt sehr froh in einer Kirche zu sein, wo Synodalität wirklich gelebt wird bis in die Fingerspitze

„Ich bin Gott begegnet bei der Geburt meiner Kinder“

Und mit Henriette Crüwell. Sie ist Pfarrerin in der Frankfurter Jugendkultur kirche Sankt Peter. Jugendkulturkirche heißt, es geht darum Brücken zubauen zwischen Kirche und Jugendkulturen, und das heißt Theater-, Musik verschiedene Workshop-Angebote, bis hin zu Konfirmandenpartys und speziellen Gottesdiensten. Und wie steht es um die Frage nach Gott bei den Jugendlichen, will ich wissen.

Es gibt ne Gruppe von Jugendlichen, für die Glaube auch Ausdruck ihrer Positionierung ist in dieser Welt, die das sehr konsequent und radikal auch leben, ne relativ überschaubare Szene, und es gibt viele Jugendliche, für die sich die Frage nach Gott überhaupt nicht mehr stellt, also die sich auch fragen, was soll das überhaupt (lacht), es gibt so ne große Gruppe irgendwo dazwischen, die sagt, ja an so ne Macht die uns durchdringt, die uns will, die uns gut ist, da können wir mit, aber so ein Gott, der als Du uns gegenübertritt, mit dem wir reden können, das können wir nicht glauben.

Was sie auch in ihrer Arbeit in der Jugendkulturkirche auch gemerkt hat: Die alterhergebrachte religiöse Sprache, die Formeln und Floskeln, sagen heute keinem mehr etwas, sind buchstäblich Leeformeln. Es gilt eine Sprache zu finden, die verstanden wird, die Antworten gibt auf die Fragen der Jugendlichen. Und, hat sie die gefunden, frage ich sie.

Also ich hab sie noch nicht gefunden, ich bin dabei, das ist noch ein Weg und was ich auch merke was ein Punkt ist, ist mutiger über Glaube zu sprechen, auch das ist ein Phänomen und ich glaube das kann man wirklich volkskirchlich sagen, dass wir so ne Scheu haben, religiös zu sprechen, und wenn jemand religiös öffentlich spricht, dass man dann sofort so einen Fremd-Schäm-Reflex hat, Fremd-Scham-Reflex, und dass das aber wichtig wäre, da pointierter zu reden und sich trauen von Gott und von Jesus zu sprechen.

Und wer ist Gott für sie, will ich wissen. Und ich bin überrascht und fast auch ein wenig beschämt über ihre Antwort, die ehrlicher und existentieller kaum sein könnte.

Ich kann diese Frage nur beantworten durch Beispiele aus meinem eigenen Leben, wo ich sagen würde, da bin ich diesem Gott begegnet, und ich würd sagen, ich bin diesem Gott begegnet tatsächlich als 14-Jährige auf diesem Petersplatz in Gestalt dieser jungen Frauen, ich bin ihm begegnet in der Geburt meiner Kinder, ich bin ihm begegnet in einer Krise, wo ich dachte tiefer kann ich nicht mehr fallen, tiefer geht’s nicht mehr, da ist niemand mehr, kein Mensch, nichts und da die Erfahrung gemacht habe, doch, da ist jemand, da ist jemand, der mich auffängt, ja, also so gesehen würde ich sagen, ist für mich Gott der, der mitgeht, auf den ich mich verlassen kann,  wenns mir schlecht geht, aber auch dann, wenn endlich mal wieder der Himmel aufreißt und nicht mehr grau und regnerisch ist sondern einfach blau und schön.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22426
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„Mein Programm: Frieden und Bewahrung der Schöpfung!“

Ich treffe mich mit  Werner Schwarz. Er ist 75 Jahre alt und das,
was man einen Rentner im Unruhestand nennt. Der studierte Elektroingenieur ist stolzer Besitzer einer Windkraft-Anlage auf
den Höhen bei Trier und engagiert sich auch politisch für die Energiewende. Er ist Gründungsmitglied des Fördervereins für
die Gedenkstätte  des Konzentrationslagers Hinzert bei Trier –
und Sprecher der Pax Christi Basisgruppe Trier.  

Und da sind wir bei den Wurzeln seines Engagements, als ich
ihn in seinem Haus im kleinen Ort Korlingen bei Trier besuche.

Ich bin ja ein Kriegskind, 40 geboren, hab auch den Krieg, das Ende noch in Erinnerung als Kind, hab noch in Erinnerung wo mein Vater das letzte Mal da war, das war an Weihnachten, am 8. Februar ist er dann zu Tode gekommen in Frankreich, und wir hatten zehn Soldaten im Haus und ne Bombe fiel, obwohl das auf dem Land war, im Hunsrück, in Heidenburg, aber dort im Ort war die Ersatzstelle für den Landrat von Trier, und deshalb haben die auch mal ne Bombe abgeworfen, und Stellungskriege gabs da nachher.

Diese Erfahrrungen ließen in ihm eine pazifistische Grundeinstellung reifen, und so führte ihn sein Weg als Christ zur katholischen Friedensbewegung Pax Christi. Versöhnung war das Stichwort nach dem Zweiten Weltkrieg - auch mit der Sowjetunion.

Es war ungeheuer schwierig, Versöhnung mit der Sowjetunion, da gabs enormen Widerstand, aber es war notwendig, die Dinge da anzupacken, da drüber kam auch das „sich kümmern“ um das ehemalige KZ Hinzert, da gings damals um die 70 sowjetischen Kommissare, die da umgebracht wurden, und wo es auch gelungen ist, einen Gedenkstein dort zu errichten, und das war dann schon ne Sache, die einen auch irgendwie freut dann.

Dass einer wie er bis heute bei den regelmäßigen Protestaktionen gegen die Lagerung amerikanischer Atomraketen in Büchel in der Eifel mitmischt und bei allen großen Demonstrationen gegen die Nato-Nachrüstung dabei war, überrascht da nicht. Aber schwierig war es für ihn doch, denn beruflich verschlug es den Elektroingenieur nach einer Tätigkeit an der Uni Trier sozusagen auf feindliches Gebiet.

Das war brisant. Ich war ja in der Staatsbauverwaltung, im Landesdienst tätig und war für Militärobjekte auch zuständig in Spangdahlem und Bitburg und innerhalb meiner Tätigkeit bin ich dort als Protestler aufgetreten gegen meine quasi Auftraggeber Das finde ich das Gute an unserer Demokratie, dass man das auch darf und kann

„Gegen Krieg!“

Als aktiver Christ und Pax Christi-Mitglied hat sich der 75 Jahre alte Rentner Werner Schwarz immer für das eingesetzt, was er für richtig hielt und gegen das gekämpft, was er für falsch hielt. Für Frieden, Versöhnung und Bewahrung der Schöpfung, gegen Aufrüstung und Krieg. - Atomkraft hält er für den größten Irrtum des vergangenen Jahrhunderts. Als privater Betreiber hat er die erste größere Windkraftanlage im Kreis Trier-Saarburg gebaut – auch gegen Widerstände aus der Verwaltung:

Da hat sich also Riesen-Widerstand der Kreisverwaltung gebildet, da hat ja der damalige Landrat, der ja im Verwaltungsrat von RWE war, hat heftig gegen meine Anlage polemisiert, der wollte sie verhindern, was ihm aber letztlich nicht gelungen ist, das war schon interessant, da macht man dann einen Deckel drüber, das hat sich ja Gott sei Dank sehr stark gewandelt 

Heute ist seine Anlage Teil eines größeren Windpark in der Nähe seines Wohnorts Korlingen bei Trier und Schwarz  zufrieden. Seine Anlage wird noch nach dem alten EEG vergütet und bringt einen guten Ertrag. Weniger zufrieden ist er mit der aktuellen Entwicklung bei der Energiewende. Das neue komplizierte Verfahren, um den Zuschlag für ein Projekt im Bereich Erneuerbare Energien zu bekommen, benachteilige kleine Projektierer, kritisiert Schwarz im Einklang mit vielen Experten die Linie des Bundeswirtschaftsministers

Wir treten da auch auf der Stelle jetzt mit weiteren Projekten, um an der Ausschreibung teilzunehmen müssen gewisse Vorleistungen schon erfüllt werden, da muss schon Geld reingesteckt werden, ohne dass man vielleicht die Aussicht hat, an das Projekt ranzukommen, das Geld ist weg, und das können sich kleinere Projektierer oder Energiegenossenschaften kaum leisten.

Werner Schwarz sagt von sich selbst, dass er ein politischer Mensch ist. Dabei geht es ihm um Inhalte, nicht um Parteiräson.

Ich war fünf Jahre SPD-Mitglied, bin ausgetreten, als die SPD zusammen mit den Grünen den ersten Krieg in Jugoslawien geführt hat, da hab ich  wirklich mich getrennt von der Partei weil ich mir gesagt hab, ich bin in die Partei von Brandt und Schumacher eingetreten und nicht von Leuten die hier das erste mal einen Krieg führen.24. März 1999 war das, an dem Tag wo die ersten Bomber flogen und die flogen dann jeden Abend über unser Haus um zehn Uhr, die Tarnkappenbomber von Spangdahlem.

Da kommt es wieder zum Vorschein, das Kriegskind in ihm, dessen Kindheitserfahrungen ihn zum Streiter gegen Krieg und Aufrüstung werden ließen. Krieg ist immer eine Niederlage für die Menschheit. Dieser Satz kommt mir wieder in den Sinn, als ich nachdenklich, aber auch froh nach Hause fahre. Froh und dankbar dafür, dass ich Werner Schwarz, diesem 75 Jahre alten, eher stillen und bescheidenen, aber beharrlichen Kämpfer für den Frieden begegnen durfte.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22074
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SWR1 Begegnungen

„Ohne tägliches Gebet könnte ich nicht leben“

Ich treffe Tim Kurzbach in seinem Büro. Seit Oktober 2015 ist er Oberbürgermeister der Stadt Solingen, als der Sozialdemokrat als Kandidat von SPD und Grünen die Wahl gewann. Soweit nichts Außergewöhnliches. Doch der neue Oberbürgermeister der 160 000 Einwohnerstadt Solingen ist schon ein etwas andere Typ Politiker als manch anderer. Für den knapp 38 Jahre alten Politiker sind Glaube, Religion und kirchliche Gemeinschaft der zentrale Dreh- und Angelpunkt in seinem Leben, sagt er – und überrascht mich gleich zu Beginn unseres Gesprächs mit einer steilen Aussage: 

Ich könnte ohne ein tägliches Gebet, einen Moment meines persönlichen Gesprächs mit Gott meiner persönlichen Reflektion könnte ich nicht leben und ich nehme mir auch immer bewusst Zeit dafür,das ist mir sehr wichtig und ich will Ihnen auch verraten, auch in meinem Amt als Oberbürgermeister, ich kann Ihnen beweisen, dass Beten sich lohnt. Denn wenn Sie hier in diesem Büro und gerade in der jetzigen Zeit, wo es gilt, verdammt schwere Entscheidungen zu treffen, wo es um das Thema Geflüchtete geht, dann sitzen Sie als Oberbürgermeister mit der Letztverantwortung schon oftmals hier völlig allein in diesem großen Büro, denn Sie sind derjenige, der die abschließende Entscheidung treffen muss, und wenn Sie dann hier so sitzen und wissen, in diesem Moment grade denken Leute an Dich und beten für dich , dann ist das ein Gefühl des Getragenseins, was es einem leichter macht, die Entscheidungen zu treffen und dieses Amt dann auch auszuüben. 

Tim Kurzbach ist in einer katholischen Mittelschichtfamilie im Solinger Stadtteil Ohligs aufgewachsen, der Vater Kraftfahrzeugmeister, die Mutter Hausfrau, zusammen mit Großeltern und Urgroßvater ein Vier-Generationenhaushalt. Vor allem die Großmutter sei wichtig gewesen für die Einführung in den Glauben erzählt er – mit allem was dazugehört. Auch der Gesang in einer Knabenschola: 

Das hat unglaublich viel Spaß gemacht, dass kann man sich fast nicht vorstellen, dass wir mit acht, neun, zehn Jahren sonntagsmorgens im Hochamt lateinische Choräle gesungen haben und das sogar noch gerne, es lag aber an einem tollen Chorleiter, der selber ein totales Talent hatte und der immer nach einer Stunde Chorprobe mit uns auch eine Stunde Fußball gespielt hat. 

Der studierte Sozialarbeiter hat nicht nur in der Politik Karriere gemacht, auch in der Kirche führte ihn sein Engagement über die Messdiener- und katholische Jugendverbandsarbeit schließlich 2014 an die Spitze des Diözesanrats im Erzbistum Köln. Was ihn schmerzt und umtreibt, ist das immer stärkere Verschwinden des Christlichen in der Gesellschaft, sagt er. Und erlebt es am eigenen Leib: 

Ich bin am Aschermittwoch selbstverständlich morgens zum Aschermittwochs-Gottesdienst und hab da mein Aschenkreuz bekommen… und natürlich hab ich das drangelassen, Sie glauben gar nicht wie viele Leute mich gefragt haben, hören Sie mal Herr Oberbürgermeister, Sie haben da irgendwas auf der Stirn, Dreck oder was ist da, ich sag, überlegen Sie doch mal, was für einen Tag haben wir heute  Mittwoch, ja das machts so n bisschen deutlich ja.. (lacht). 

„Von Europa bin ich enttäuscht!“

Der Oberbürgermeister der Stadt Solingen Tim Kurzbach  ist tiefgläubiger Christ und praktizierender Katholik. Die Botschaft des Evangeliums ist für ihn durchaus Grundlage seines politischen Handelns. Beispiel Flüchtlinge. 

Wenn ich gerade leidenschaftlich darum kämpfe, dass es bei der Frage der Unterbringung von Flüchtlingen eben nicht nur um Zahlen, um Kosten, um Sparen, um Effizienz geht, sondern dass die Würde des Menschen unverhandelbar ist und für uns auch kein Verhandlungsaspekt bedeutet, dann ist das für mich ne klare Botschaft der Gotteskindschaft, die das Fundament für mich da bildet. 

Da ist seine Position überaus klar: 

Wir dürfen den Pegidas und Legidas und Duigidas und wie die alle heißen die da schreien, über Marktplätze laufen und das christliche Abendland für sich vereinnahmen, wir dürfen denen keinen Fußbreit Boden überlassen die haben keine Ahnung vom Christlichen, denen müssen wir sagen gerade die Verheißung der Bergpredigt sagt ja, Gott liebt jeden Menschen, und wir haben dafür zu sorgen, dass jeder Mensch in seiner besonderen Lebenssituation diese Liebe Gottes auch spüren darf und wir diejenigen sind die Überbringerinnen und Überbringer diesen frohen Botschaft sein müssen. 

Dass Deutschland so viel Flüchtlinge aufgenommen hat und gesagt hat, wir schaffen das, ist für ihn auch Ausdruck christlicher Solidarität. 

Wenn ich aber auf Europa schaue, auch mein Ideal von Europa, dann muss ich Ihnen sagen, bin ich tief tief enttäuscht, ich frag mich welche Werte haben wir da gemeinsam noch, diese Debatte zu führen lohnt sich und ich wünschte mir dass Christinnen und Christen wieder aktiver in diese gesellschaftliche Debatte einsteigen würden. 

Dass Tim Kurzbach durch und durch in seiner Kirche zu Hause ist, merke ich von der ersten bis zur letzten Minute unserer Begegnung. Dass schließt für ihn aber Veränderungen keineswegs aus – auf den verschiedensten Ebenen: 

Eine rein priesterzentrierte Kirche wird dazu führen dass wir zum Beispiel in einer Stadt wie Solingen mit 160 000 Einwohnern demnächst zwei Pfarrer noch haben werden, die Aufgaben der Sonderseelsorge für Jugend für Krankenhäuser, für Ältere, für Behinderte ja komplett hinten anstellen müssen, das ist doch keine Lösung. 

Der Diözesanratsvorsitzende des Erzbistums Köln rät seiner Kirche zu mehr Ehrlichkeit und zu einem unvoreingenommenen Blick auf die Realität. 

Mal ehrlich, was würde denn in den Gemeinden passieren, wenn wir jetzt wirklich alle die aussortieren, die Geschieden und wiederverheiratet, sind, wie sähen unsere Gemeinden aus, wie würden wir denn überhaupt noch Personal zusammen kriegen in katholischen Altenheimen, Kindertagesstätten usw, das ist doch in weiten Teilen schlicht unehrlich was wir da machen und hat mit der Realität doch nichts mehr zu tun

Als Laie und politisch denkender Christ, der in seiner Kirche zu Hause ist und sie im Licht der Reich-Gottes-Botschaft mitgestalten will, fahre ich mit dem Eindruck nach Hause, im Rathaus von Solingen sitzt jemand im OB-Sessel, der ganz ähnlich tickt. Das ist wohltuend, beruhigend, macht Mut.

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SWR1 Begegnungen

Sabine Mock gehört zu denjenigen, die seit langem nicht nur, aber besonders intensiv auf Klimagipfel wie den jüngsten in Paris
schauen. Denn Sabine Mock arbeitet für die Lokale Agenda 21.
Das ist ein Programm, dass1992 auf der ersten großen Weltklimakonferenz,
dem so genannten Erdgipfel in Rio de Janeiro, beschlossen wurde. Schon damals ging es darum, die Welt insgesamt so nachhaltig zu gestalten, dass die Menschheit auch das 21. Jahrhundert überlebt,
und schon damals gab es die Einsicht, dass dabei auch
jeder Einzelne, Bürger und Kommunen vor Ort, sich beteiligen
müsse. Motto: global denken, lokal handeln.

Schwerpunkte der Lokalen Agenda sind  Bildung für nachhaltige
Entwicklung, Bürgerbeteiligung, Stadtentwicklung und Verkehr,
nachhaltiges Wirtschaften. Zum Renner im Angebot hat sich in den letzten Jahren das so genannte Zukunftsdiplom entwickelt. Kinder, die an einer bestimmten Zahl von Veranstaltungen der Lokalen Agenda oder von Partnerorganisationen teilnehmen, bekommen dabei am Ende ein Nachhaltigkeitszeugnis ausgestellt. Sabine Mock:

Zum Beispiel gibt’s auf der Umweltschiene einige Dinge, wir sehen einen Bach, aber wir wissen ja vielleicht gar nicht, was da an Leben in dem Bach ist, da kann man mal genauer hin kucken. Oder vielleicht auch vor dem Hintergrund, keine Nahrungsmittel verschwenden: wir kucken, was wir an nicht mehr gebrauchten Lebensmitteln einsammeln können und kochen damit eine Mahlzeit.

 Eine Erfahrung, die sie dabei gemacht hat: Erwachsene suchen gerne nach Ausreden und Rechtfertigungen dafür, dass die Dinge so sind, wie sie sind, Kinder scheuen sich weniger, Klartext zu reden: 

Die kommen eigentlich so mit ihren Einschätzungen da ganz grade um die Ecke, wenn wir Kakaoproduzentenwege vergleichen von der fair gehandelten Schokolade und von einer herkömmlich produzierten Schokolade, da sagen die Kinder bei dem herkömmlichen Produkt ganz frei: Das ist ungerecht.

Es gilt, die globalen Zusammenhänge zu sehen, hinter die Dinge zu schauen, sagt sie:

Wir sitzen alle in einem Boot, und wenn wir heute teurer für Produkte bezahlen, hilft das vielleicht  Menschen morgen nicht die Flucht nach Deutschland anzutreten

Dass die 52 Jahre alte verheiratete Mutter von vier erwachsenen Söhnen einmal als Bildungsreferentin bei der Lokalen Agenda landen würde, war keineswegs vorgezeichnet. Sabine Mock ist gelernte Goldschmiedin, doch als sie am Ende der Familienphase begann, im Eine-Welt-Laden zu arbeiten, hat es Klick gemacht, erzählt sie:

Ich hab dann ganz schnell gemerkt, dass das Thema mich so packt, dass ich da nicht nur verkaufen möchte, sondern auch mit Bildungsangeboten unterwegs sein möchte, dann waren die Kindergartengruppen und die Schulklassen meiner Kinder das erste Erprobungsfeld.

Von da an war es nicht mehr weit bis zur Lokalen Agenda, wo sie den Eine-Welt-Gedanken und Themen weltweiter Gerechtigkeit verstärkt in die Arbeit einbrachte.

Woher Sabine Mock ihre Motivation nimmt und was das mit ihrem Glauben zu tun hat, dazu gleich mehr nach der Musik.

Teil 2

52 Jahre alt, verheiratet, vier erwachsene Söhne, gelernte Goldschmiedin und heute Referentin bei der Lokalen Agenda 21 in Trier. Das ist Sabine Mock. Dass sie den Nachhaltigkeitsgedanken einmal zu ihrem beruflichen Schwerpunkt machen würde, war nicht von vornherein geplant, hat aber viel mit einer Grundhaltung von ihr zu tun, bekennt sie:

Ich denk, dass ich schon immer natur-, aber nicht nur Natur sondern im umfassenderen Sinne schöpfungsverbunden war, also dass ich immer irgendwie unsere Welt nicht als selbstverständlichen Lebensort empfinde, sondern vieles in unserer Umwelt als wunderschön  und Wunder im wahrsten Sinne des Wortes sehen kann, das umfasst für mich halt nicht nur Naturschönheiten und -gegebenheiten, sondern halt auch die Menschen in ihren verschiedenen, aber doch oft so gleichen Lebenssituationen, die sind oft von den äußeren Situationen her nicht gleich aber ich denk, die Bedürfnisse der Menschen weltweit unterscheiden sich nicht so viel, die unterschiedlichen Ausprägungen der Kulturen das fand ich immer total faszinierend, mein Glaube hat auch immer viel mit dem weltweiten Schöpfungsgedanken und auch mit der Weltbevölkerung als Glaubensgemeinschaft so zu tun, und das war schon immer so eine Sicht von mir.

 Hinzu kam eine sehr prägende und für sie positive katholische Jugendzeit.

 wir waren sehr ernst genommen damals in unseren Fragestellungen, wir waren ne Gruppe von 20 Jugendlichen,  die lange Jahre und sehr intensiv mit dem damaligen Jugendpfarrer zusammen war und es war ne sehr prägende und schöne Zeit,ich weiß nicht ob ich heute da stände, wo ich stehe dem Thema Glauben und Kirche gegenüber, wenn es die Zeit nicht gegeben hätte. 

Auch wenn es manchmal so aussieht, als wäre alles vergebens, die Ungerechtigkeit stärker, die Gier nach Geld, Reichtum und Konsum immer größer. Es bleibt keine Wahl, als Christen können wir die Hände nicht in den Schoß legen und aufhören, an das Gute zu glauben, Resignation ist keine Option. Auch nicht in der Frage des Klimawandels.

Ich kann als Einzelner was tun, was das bewirkt ist das andere, ich kann als einzelner auf vielen Ebenen agieren, ich kann die ganz private Ebene für mich bekucken, ich kann versuchen das mit dem Auto nicht zufahren, was ich mit dem Fahrrad fahren kann, ich kann agieren auf ner politischen Schiene, ich lebe in einem Land wo ich mich äußern kann, ich kann meine Stimme erheben. Wir müssen die Richtung so es irgend geht weiter treiben und wir werden mit dem Ergebnis leben und ich hoffe

dass wir es steuern und nicht irgendwann gesteuert werden von Umständen, und deswegen sollten alle das Positive denken und dann auch tun. 

Global denken, lokal handeln, sich für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung einsetzen, politisch, aber auch privat, dieses Verständnis von Christsein ist ein Band, das mich und Sabine Mock seit langem verbindet. Bei unserer Begegnung haben wir es weiter geknüpft. 

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SWR1 Begegnungen

Teil 1 

Und mit Elisabeth Bentrup. Sie ist das, was man als engagierte und politisch aktive, dabei kritische und auch kirchenkritische Christin bezeichnen würde. Die 66 Jahre alte frühere Englisch- und Religionslehrerin aus Oberursel im Taunus ist Mitglied der Limburger Diözesanversammlung, einem Beratungsgremium des Bischofs, sie arbeitet zu Hause im Eine Welt Laden mit und unterstützt ein Schul- und Sozialprojekt für Straßen- und benachteiligte Kinder in El Salvador in Mittelamerika.   

Einer meiner Söhne ist zwei Jahre in El Salvador gewesen und hat in einem Armenviertel mit Kindern gearbeitet und aus dem ersten Besuch dort ist dann ein Projekt entstanden, und dieses Projekt unterstützt meine Gemeinde hier in Oberursel und meine Schule, ich bin nicht mehr in der Schule tätig, wir finanzieren dieses Projekt seit 15 Jahren, es ist gewachsen, und es gibt einen lebendigen Austausch, ich war fünf Mal zu Besuch dort und die Lehrerin kommt jetzt dieses Mal zum vierten Mal nach Deutschland. 

Gerechtigkeit, Frieden, Bewahrung der Schöpfung, das ist das, was Elisabeth Bentrup bewegt. Diesem Anliegen ist auch der „Arbeitskreis weltkirchliche Lebendigkeit“ in Oberursel verpflichtet, in dem sie mitarbeitet.

Die letzte Veranstaltung war, wir hatten von Missio den Missio-Truck nach Oberursel geholt, Menschen auf der Flucht, haben das breit beworben und haben es kombiniert mit einer Aktion, kein Blut für handy um aufzuklären, was mit unserem handy-Konsum, Schwerpunktland war Kongo, was der im Kongo einfach bewirkt, dass die Menschen dort unter unmenschlichen Bedingungen dieses Coltan, diese Sondererze aus dem Boden buddeln, und die Regierung dafür Waffen kauft 

Menschen auf der Flucht, das war nicht nur das Thema des Missio-Trucks, mit dem das katholische  Hilfswerk durch Deutschland tourt, das Thema Flüchtlinge ist natürlich auch aktuell eines, was Elisabeth Bentrup umtreibt. Sie gibt jungen Flüchtlingen Nachhilfestunden in Englisch und hilft mit bei der Organisation von monatlichen Essensbuffets in Oberursel, bei denen Flüchtlinge und Einheimische sich begegnen können.   

Ihre Stimmungslage angesichts der aktuellen Entwicklung schwankt zwischen Dankbarkeit über das Engagement so vieler Menschen bis hin zum Zorn.

Unsäglicher Zorn auf die Hetztiraden auch im Netz, mein Mann liest sehr viel auch im Netz, ich nicht, und Gott sei Dank hat es zumindest jetzt einen Umschwung gegeben, aber dennoch, die Politik bleibt weit hinter dem zurück was sie eigentlich jetzt bewerkstelligen müsste. 

Und das wäre?

Endlich legale Zugangswege, damit den Schleppern das Handwerk gelegt wird. 

Aber auch: endlich und entschiedener die Fluchtursachen in den Herkunftsländern beseitigen, Kriege beenden, Menschen Perspektiven geben, damit sie nicht mehr auf der Flucht vor Hunger, Armut und Klimawandel das Weite suchen müssen, denn – und nicht nur da bin ich völlig einer Meinung mit Elisabeth Bentrup:

Niemand macht sich freiwillig auf den Weg dieser doch sehr beschwerlichen Flucht. 

Woher Elisabeth Bentrup ihre Motivation für ihren unermüdlichen Einsatz für eine bessere Welt nimmt, dazu mehr nach der nächsten Musik.

Teil 2 

Flüchtlingshilfe, Eine Welt Arbeit, zuletzt im September im Einsatz bei der bundesweiten Fairen Woche, um auf die Anliegen des Fairen Handels aufmerksam zu machen. Elisabeth Bentrup ist keine Christin, die den lieben Gott einen guten Mann sein lässt, sie setzt sich ein. Für sie heißt Christ sein, und da sind wir beide uns vollkommen einig, aktiv zu sein, die Welt mit zu gestalten, gerechter zu machen. Die 66 Jahre alte Pädagogin und verheiratete Mutter dreier erwachsener Kinder lebt seit langem in Oberursel, kommt aber ursprünglich aus Oberbayern, aus einer katholisch-weltoffenen Familie.

Ich bin in Jugendherbergen aufgewachsen, das heißt in der prägenden Phase der Kindheit und Jugendzeit, da kam die Welt zu uns ins Haus, und ich hab viele Menschen aus anderen Erdkreises und Erdteilen kennengelernt, interessante Menschen, und das hat sich dann in Reisen fortgesetzt, ich hab viele Länder bereist, und hab überall Christen gefunden, die unglaublich engagiert waren, Menschen, die mich sehr beeindruckt haben.  

Und diese Erfahrung hat sie in den letzten Jahrzehnten immer wieder gemacht, bekennt sie.

 wenn ich denke dass vor 40 Jahren ein Priester, Herbert Leuninger, mich in die Flüchtlingsarbeit gebracht hat, ein Mensch mit einer unglaublichen Kraft und festem Glauben. 

Christus hat keine Hände, er hat nur unsere Hände, er hat keine Füße, nur unsere Füße, zitiert sie aus einem Gebet, das ihr wichtig geworden ist. Will heißen, und auch hier bin ich mit Elisabeth Bentrup einig: Auf uns kommt es an, wir müssen als Christen selbst etwas tun, damit diese Welt sich zum Guten wendet. Gott hat uns diese Welt gegeben, damit wir sie aufbauen und bewahren statt sie zu zerstören und zu Grunde zu richten, wie wir es derzeit leider immer noch viel zu viel tun.

Und dabei dürfen wir auf die Zusage Gottes vertrauen, dass er uns dabei hilft, dass er da ist und an unserer Seite, so wie er es Moses einst im Dornbusch zugesichert hat.

Er hat seine Zusage gegeben ich bin der, der da ist, und das verpflichtet, ich denk, das gibt Hilfe, das verpflichtet aber auch.

Gott ist da. Wir begegnen ihm in Menschen, die an ihn glauben und auf ihn setzen. Die sich dafür einsetzen, dass diese Welt menschlicher wird, dass das Reich Gottes schon hier und jetzt anbricht. Die Begegnung mit Elisabeth Bentrup hat mir das wieder in Erinnerung gerufen.

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SWR1 Begegnungen

Teil 1 

.. und mit Matthias Engelke, einst evangelischer Militärpfarrer in Idar-Oberstein, dann überzeugter Pazifist und Atomwaffengegner, schließlich Gemeindepfarrer im niederrheinischen Nettetal-Lobberich. 

Doch der Reihe nach. 1997 trat Matthias Engelke die Stelle als Militärseelsorger im Hunsrück an. Dann kam der Kosovo-Krieg.

und anfangs war ich auch davon überzeugt, dass es gut ist, dass jetzt endlich was passiert. 

Doch dann las er ein Gutachten des Internationalen Gerichtshofes über die völkerrechtlichen Grundlagen des Krieges.

Da war ich total überrascht, ich dachte, das darf gar nicht wahr sein, da gibt’s ja gar kein völkerrechtliches Mandat für diese Beteiligung deutscher Soldaten im Kosovo-Krieg, das ist völkerrechtswidrig.

Das Thema ließ ihn nicht mehr los, er suchte und fand den Kontakt zur „Initiative Richter und Ärzte gegen den Atomkrieg“ und zum Internationalen Versöhnungsbund. Aus dem Militärpfarrer wurde in Pazifist, auch wenn er selbst die Bezeichnung Pazifist nicht mag:

Für mich ist es wichtig, auf dem Weg Jesu zu bleiben, und das ist mir deutlich geworden, Gewaltfreiheit gehört einfach unverzichtbar dazu.

Als Militärpfarrer gehörte der Bundeswehrstandort Büchel mit seinem Tornado-Geschwader zum Einsatzgebiet von Engelke, da, wo nach wie vor Atomsprengköpfe lagern, auch wenn das offiziell nie bestätigt worden ist. Seitdem hat ihn Büchel nicht mehr losgelassen.

 Ich hab damals das Gutachten des Internationalen Gerichtshofes, dass die Androhung und Anwendung von Atomwaffen völkerrechtswidrig ist, sehr intensiv studiert und das mit Soldaten vor Ort thematisiert und dann Freunde gefunden, mit denen wir vor Ort daran gearbeitet haben, die Bevölkerung dafür zu gewinnen, sich nicht damit zufrieden zu geben, dass die Atomwaffen unser gesamtes Leben gefährden, und für die Langstreckenwaffen anderer Staaten Büchel lägst einprogrammiert ist, wenn es zu einer Krise kommt, dann gehen die Raketen nach Büchel, das ist ganz klar.

Einmal im Jahr bricht Engelke zusammen mit einigen Mitstreitern nach Büchel auf, zu einem öffentlichen Fasten, wie er es nennt, immer Anfang August in Erinnerung an die Atombombenabwürfe von Hiroshima und Nagasaki. Das war auch in diesem Jahr, 70 Jahre danach, nicht anders.

Und wie reagieren die Soldaten vor Ort?

Sehr unterschiedlich. Es hat anfangs sehr erboste Reaktionen gegeben, immer aber auch interessierte Reaktionen von einzelnen Soldaten. Einer kam zu uns, der meinte, wenn Sie wüssten, wieviel Unterstützung Sie hinterm Zaun haben, das glauben Sie ja gar nicht, dann meinte ich, ja warum äußern die sich nicht, damit unsere Bundesregierung erkennt, sie kann nicht einfach dahingehen und das als selbstverständlich annehmen, dass deutsche Soldaten im Einsatzfalle diese Bomben abwerfen würden, das geht nicht.

Matthias Engelke ist nicht nur unermüdlicher Kämpfer gegen Atomwaffen, er ist auch davon überzeugt, dass eine gewaltfreie Welt im Sinne Jesu möglich und nötig ist. Mehr dazu nach der Musik.

Teil 2

Und mit Matthias Engelke. Der evangelische Pfarrer ist nicht nur ein unermüdlicher Aktivist gegen die Atomsprengköpfe im rheinland-pfälzischen Büchel. Er versucht auch, sein Leben grundsätzlich an der Gewaltfreiheit Jesu im Sinne der Bergpredigt zu orientieren. Das ist idealistisch und ehrenwert, denke ich, und jeder Christ und jede Christin sollte das versuchen. Aber ist es auch realistisch in allen Lebenssituationen? 

Ich versteh die Bergpredigt und die Botschaft der Bergpredigt als eine Einladung, in der jeweiligen Situation noch einmal innezuhalten und zu überlegen, wie hier das wirken kann, was von der Verkündigung Jesu, von dem anbrechenden Reich Gottes möglich ist. Da ist manchmal schon sehr viel getan, wenn ich zum Beispiel einfach nicht mitmache, wenn die Kriegspropaganda ihre Trommeln rührt, wie das vor dem Kosovo-Krieg ja nun der Fall gewesen ist, wenn man Distanz hält und die Perspektive der Opfer – egal auf welcher Seite – beibehält, dann gewinnt man eine andere Sicht. Und die Bergpredigt verstehe ich als solch eine Einladung, in dieser Sicht auch zu bleiben.

 Und das Prinzip Gewaltfreiheit sollte auch für Staaten gelten, sagt der der 57 Jahre alte verheiratete Seelsorger und Vater von zwei  erwachsenen Kindern.

Das Gewaltmonopol der Staaten, die sie für sich nach außen hin in Anspruch nehmen, dass sie sagen, wir haben das Recht eine Armee zu unterhalten, ist ein Anachronismus. Solange Staaten glauben, sie müssten mit tötender Gewalt eingreifen, ist das ein Defizit der Staaten, und das stimmt, so kann man mit der Bergpredigt keinen Staat machen, weil die Staaten noch nicht reif sind.

Im Internationalen Versöhnungsbund haben sich Engelke und seine Mitstreiter zuletzt mit der Frage beschäftigt, wie auch eine ungerechte Wirtschaft die Kriege unserer Zeit mitbefördert. Den Satz von Papst Franziskus, dass diese Wirtschaft tötet, kann der evangelische Pfarrer voll und ganz unterschreiben.

Nicht erst seit heute, sondern schon seit vielen Jahrzehnten. Auf der anderen Seite die Alternativen aufzuzeigen, ist kein Kinderspiel und es geht mit Sicherheit nicht  ohne den eigenen Einsatz, zu meinen, wir kämen aus dieser tötenden Kapitalismusfalle heraus, ohne dass das uns etwas kostet, trägt nur dazu bei, dass andere die Zeche zahlen müssen, wie sie es ja jetzt schon seit Jahrzehnten tun, die Menschen, die täglich sterben, weil sie kein sauberes Wasser bekommen oder nicht ausreichende Nahrung, sind ja diejenigen, die zurzeit dafür grade stehen müssen dafür, dass wir in diesem Luxus leben.

Sich mit Matthias Engelke zu unterhalten, ist ebenso anregend wie verstörend. Das Ideal der Gewaltfreiheit ist faszinierend, aber alles andere als leicht. Das habe ich schon vor 30 Jahren feststellen müssen, als ich mich zum ersten Mal damit beschäftigt habe. Aber es ist ein Stachel im Fleisch einer Welt, die wieder so voller Gewalt ist. Bei mir zumindest.   

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