SWR1 Begegnungen

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„Wer zum Schwert greift, kommt darin um!“

Horst-Peter Rauguth hat Theologie und Politik studiert, war Hausmann und Lehrer, heute arbeitet der 62-Jährige als Diakon im Saarbrücker Stadtteil Malstatt. Er ist Geistlicher Beirat der katholischen Friedensbewegung Pax Christi im Bistum Trier sowie für ganz Deutschland und bezeichnet sich als christlich motivierten Pazifisten, also jemand der entschieden für die gewaltfreie Lösung von Konflikten eintritt. Die Frage „Gewalt oder nicht“ wurde konkret für ihn, als er 18 wurde und sich für oder gegen die Bundeswehr entscheiden musste.

Und da war die klare Antwort für mich, nein, ich kann kein Soldat sein, und damals gab‘s ja dann ein Verfahren, wo man nachweisen musste, dass man Gewissensgründe hat, um die Kriegsdienst zu verweigern, weil der Artikel 4, Absatz 3, der heißt, wer vor seinem Gewissen den Kriegsdienst nicht verantworten kann, der ist geschützt.

Er wurde anerkannt als Kriegsdienstverweigerer, wurde selbst Berater von jungen Männern, die den Dienst mit der Waffe verweigern wollten, und kam so zu Pax Christi.

Ich hab quasi durch meine Verweigerung Pax Christi kennengelernt als Bewegung, die sich auch für Kriegsdienstverweigerer eingesetzt hat, und dann war ja meine Motivation nicht nur nein zu sagen zum Soldat sein, sondern etwas anderes zu tun. Und das ging anderen auch so, Beraterinnen und Beratern, Studentinnen und Studenten, und wir haben dann in Saarbrücken eine Friedensgruppe gegründet, und es lag dann nahe, uns Pax Christi anzuschließen, weil wir alle Katholiken waren, auch kirchlich engagiert, und den Schwerpunkt Friedensarbeit wollten.

Doch war Jesus Pazifist? Rauguth erinnert sich noch gut an seine Verhandlung, in der der Richter ihm sagte, kommen Sie mir bloß nicht mit Ihrem Jesus, der war kein Pazifist, der hat doch gesagt, ich bin nicht gekommen, den Frieden zu bringen, sondern das Schwert. Rauguth hält damals und heute dagegen:

Ich denke, dass er nicht einen harmonischen Frieden gemeint hat, der alles sein lässt, wie es ist, befürwortet hat, sondern er ganz engagiert für Menschen, die arm waren, unterdrückt, die Leiden hatten, sich eingesetzt hat und damals war das in der Gesellschaft so, dass diese Menschen als Gott fern betrachtet wurden, er hat aber gesagt, die brauchen auch Gott, vor allem, ---und er hat da auch hingewirkt, das hat ja dazu geführt, dass Jesus ja quasi verraten wurde und auch von den Religionsführern angeklagt und getötet--- wurde, das heißt für mich, da hätte er ja ,  wenn er jetzt militärische Gewalt befürwortet hätte, können das zeigen, das hat er nicht gemacht, sondern das Gegenteil hat er gemacht, er sagt, steck dein Schwert in die Scheide, wer zum Schwert greift, kommt dadurch um.

„Steter Tropfen höhlt den Stein!“

Ich spreche mit dem  Pazifisten Horst-Peter Rauguth. Idealisten, Träumer, Gutmenschen, so werden sie oft belächelt, die Menschen, die sich entschieden für friedliche statt militärische Lösungen einsetzen. Doch Gewalt mit noch mehr Gewalt zu unterdrücken, ist für Rauguth kein Weg.

Nein, das ist der falsche Weg, die Überprüfung findet dann auch nicht entsprechend statt, wenn man dann fragt, ja bitte, habt ihr denn die Ziele erreicht, wo in Ausnahmefällen, wo Gewalt gerechtfertigt ist, und wenn die Ziele nicht erreicht sind war die Gewalt auch nicht gerechtfertigt.

Das Thema ist komplex, beim Irak und in Afghanistan sehe ich das wie Horst-Peter Rauguth, die Überprüfung ergibt: Ziel nicht erreicht trotz militärischer Gewalt. Doch als die Franzosen den Vormarsch der Dschihadisten im westafrikanischen Mali stoppten, fand ich das richtig.- Szenenwechsel. Rauguth gehör auch zum kleinen Häuflein Aufrechter, die jeden Sommer in Büchel in der Eifel gegen Atomwaffen auf deutschem Boden demonstrieren. Bisher erfolglos, aber:

Steter Tropfen höhlt den Stein, es geht ja darum in der Öffentlichkeit Aufmerksamkeit zu bekommen und ich mache die Erfahrung da ich auch selber da engagiert bin, ich war jetzt zweimal auch selber in Büchel, wenn ich dann Menschen erzähle, dass ich dahin fahre dann sagen die, wie gibt’s in Deutschland noch Atomwaffen? Ja, das ist leider bittere Realität!

Und wie stark spielt seine politische Grundhaltung in seine alltägliche Arbeit als Diakon, als Seelsorger in Saarbrücken-Malstatt hinein, will ich wissen. Auch Tauf- oder Trauergespräche können unverhoffte Wendungen nehmen, erzählt er. Beispiel:

Ich hatte jemand, der hatte auf der Cup Anamur gearbeitet und das nie verkraftet, was er da an Kriegsgeschehen in Vietnam erlebt hat, und dann kommt man natürlich auch da drauf zu fragen, ja, wie steht man denn zum Krieg, also so muss man sich das eher vorstellen und wie gesagt, ich bin nur ganz zu haben, ich mache das Engagement, mich gibt‘s jetzt nicht nur als Diakon, der nur diakonische Arbeit in Malstatt macht

Rauguth ist Diakon, ein Weiheamt in der katholischen Kirche. Doch der Gedanke Priester zu werden war für ihn schon zu Beginn des Studiums schnell abgehakt

Priester kann nur werden, wer sich ein eheloses Leben vorstellen kann, und das konnte ich mir gar nicht, ich hatte damals zwar keine Partnerin, aber das war für mich völlig klar, du willst mal heiraten, du willst Kinder haben, und ja, da ich da so klar war, kam das halt für mich nicht in Frage.

Ändern würde er einiges in der Kirche, wenn er könnte.

Und da würde ich mich dafür einsetzen dass man auch als Nichtzölibatärer Priester sein könnte und vor allem, das ist mir eigentlich noch wichtiger, dass Frauen eine andere Stellung in der Kirche haben, dass sie den Zugang zum Priesteramt bekommen, ich merks an meinen beiden Töchtern, für die ist eine Institution, in denen Frauen Ämter verwehrt werden, Leitung verwehrt wird, nix wo sie sich engagieren werden.

Beharrlich politisch, entschieden Minderheitsmeinungen vertretend, für Veränderungen streitend: Dass einer wie Horst-Peter Rauguth aktiv in der Kirche mitmacht und mitmachen kann, das ist auch für mich ein Hoffnungszeichen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22686
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