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01FEB2025
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Oswiecim, eine sympathisch wirkende polnische Kleinstadt unweit des märchenhaft schönen Krakau. Ganz normales Leben findet hier statt und doch steht in Oswiecim eine Gedenkstätte, deren Namen sich als Synonym für den Holocaust und Inbegriff des Bösen weltweit ins Bewusstsein eingebrannt hat. Oswiecim heißt auf Deutsch: Auschwitz. Diese Woche begingen wir am Holocaustgedenktag den 80. Jahrestag der Befreiung des früheren deutschen Konzentrationslagers.

Neben der Gedenkstätte und dem Museum gehört das "Zentrum für Dialog und Gebet" sicher zu den bemerkenswertesten Einrichtungen vor Ort. Gegründet wurde es 1992 von der katholischen Kirche in enger Absprache mit Vertretern jüdischer Organisationen. Hier, in fußläufiger Nähe des Stammlagers Auschwitz, sollte ein Ort geschaffen werden, der einlädt sich zu besinnen, zu begegnen, zu lernen und zu beten – und zwar für alle Menschen, die erschüttert sind von dem, was dort geschehen ist, unabhängig von ihrer religiösen Orientierung.

Ideengeber für das Zentrum war vor allem Manfred Deselaers, Priester des Bistums Aachen, der seit über 30 Jahren dort lebt. Inzwischen fast 70-jährig begleitet er bis heute Gruppen beim Besuch der Gedenkstätte. Deselaers bietet sich selbst an, um mit den Besucherinnen und Besuchern die Gedanken, Eindrücke, Tränen, Trauer, Wut und Ohnmacht zu verarbeiten und zu besprechen – oder auch nur zu schweigen. "Manchmal genügt es schon, wenn man einfach nur da ist." "Das Zeugnis der Kirche an der Gedenkstätte Auschwitz“, so erklärt Manfred Deselaers, „ist vor allem ein Glaubenszeugnis: Die Macht des Bösen und des Todes hat nicht das letzte Wort. Das letzte Wort hat Gott, der Liebe ist." Dabei hat er in seiner akademischen Dissertation selbst ganz tief in den Abgrund geschaut, als er sich mit Gott und dem Bösen beschäftigte – im Hinblick auf die Biografie und die Selbstzeugnisse von Rudolf Höß, dem Kommandanten von Auschwitz. Höß war ein Mann, der die Ermordung und Vernichtung generalstabsmäßig organsierte und durchführte. Gewohnt hat er als liebender Ehemann und Vater vierer Kinder direkt hinter der Mauer des Lagers. Manfred Deselaers steht dafür, solch perfider Verdrängung nicht das letzte Wort zu geben, und vor allem nicht dem Hass. Und er weitet die Perspektive auch auf die heutige politische Landschaft in Europa und auf die Tatsache, dass faschistische und völkische Ideen immer stärker werden, wenn er sagt: "Auschwitz steht als Symbol des Bösen an sich; als Symbol einer Welt ohne Gott; als Symbol für entartete Religion, als Symbol für die Folgen von Rassismus, Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit, Faschismus, politischem Machtmissbrauch".

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31JAN2025
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Migration. Das ist das Hauptthema im derzeitigen Wahlkampf. Am Mittwoch fand dazu im Bundestag eine Abstimmung statt, die als historisch eingestuft wird. Damit verbunden sind Begriffe wie: Brandmauer, Tabubruch, Zeitenwende. Mich interessieren diese Begriffe nicht, weil sie zwar Emotionen wecken, aber von den Inhalten wegführen. Mich interessiert in erster Linie, worüber der Sache nach abgestimmt wurde, und ich mache mir Gedanken, wie ich als Christ dazu stehe. Denn heute wird es im Bundestag eine weitere Abstimmung dazu geben, aus der dann ein Gesetz werden soll. Es heißt: „Zustrombegrenzungsgesetz“. Ein hässliches Wort, wo es doch um Menschen geht. Menschen wie mich, auch wenn sie nicht in Deutschland geboren sind. Aber sie suchen Schutz hier, weil sie verfolgt werden oder nichts zu essen haben. Weil sie als Familie zusammen sein wollen und nicht Tausende von Kilometern getrennt. Was alles zu beweisen wäre. Ganz einverstanden. Aber solange gilt bei uns das Asylrecht, das in unserer Verfassung verankert ist. Ein Recht, das auch tief mit meinem Glauben verbunden ist. Weil vor Gott jeder Mensch gleich ist und es bei ihm keine Rolle spielt, welche Nation oder Herkunft jemand hat. Im Gegenteil: Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken[1], sagt Jesus. Weil sie schwach sind oder verwirrt oder hoch traumatisiert. So ein Kranker hat in Aschaffenburg ein kleines Kind aus Marokko ermordet und den Mann, der dazwischenging. Da gibt es nichts zu entschuldigen. Da braucht es Recht und Gesetz. Wo Menschen andere in Gefahr, gar um ihr Leben bringen, gehören sie in Gewahrsam. Und zwar rechtzeitig, bevor etwas Schlimmes geschieht.

Aber das alles ist für mich kein Grund zur Scharfmacherei und nun alle, die als Fremde zu uns kommen über einen Kamm zu scheren. Es ist erst recht kein Grund, das aufs Spiel zu setzen, was unsere Demokratie seit achtzig Jahren stark gemacht hat. Und es darf nicht dazu führen, mit denen gemeinsame Sache zu machen, die völkisch-national denken. Auch nicht, wenn man damit pragmatisch seine Interessen durchsetzen kann. Da steht für mich ganz klar meine christliche Überzeugung über der politischen Taktik.

 

 

 

[1] Matthäus 9,12

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30JAN2025
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Ein Kollege von mir joggt morgens immer ins Büro. Noch ziemlich verschwitzt hält er mir einen gelben Zettel unter die Nase, darauf steht eine Frage: „Tut es gut, was du machst?“ Auf dem Weg zur Dusche ruft er mir noch zu: „Das hat an einem Laternenmast geklebt.“ Ein bisschen verwirrt lässt er mich zurück – und auch nachdenklich, denn die Frage wirkt nach: „Tut es gut, was du machst?“

Manche Sachen tun vielleicht nur mir selbst gut: Ein Buch lesen, schwimmen gehen oder ein Feierabendbier trinken zum Beispiel. Aber es gibt auch Dinge, die anderen gut tun: Tischtennis mit meinen Jungs spielen, wenn ich als Seelsorger Menschen in einer Krise beistehen kann. Oder wenn das, was ich im Radio zu sagen habe, auf offene Ohren trifft. Und manches tut wahrscheinlich auch gar nicht gut: Laute Musik bis spät in die Nacht hören, Billigklamotten kaufen oder noch gute Lebensmittel wegwerfen. Wahrscheinlich ist es wichtig, da eine gute Balance hinzukriegen.

Als mein Kollege frisch geduscht am Schreibtisch sitzt, recherchieren wir ein bisschen. Denn ganz klein steht am unteren Rand des Zettels „die Erinnerungsguerilla“. So nennen sich die Leute, die überall diese kleinen gelben Zettel hinkleben. Sie können rückstandsfrei entfernt werden, was mein Kollege ja schon ausprobiert hat. Und auch woanders wieder hingeklebt werden. Das habe ich gleich gemacht, und die Frage prangt jetzt an meiner Pinnwand.

Man kann auch Teil der Erinnerungsguerilla werden und Klebezettel mit Fragen bestellen: auf Spendenbasis und immer in 25-er Blöcken. Das sind dann Fragen wie: „Wann singt dein Herz?“, „Wie viel ist Dir genug?“ oder „Was ist Dir wirklich wichtig?“

Die „Erinnerungsguerilla“ schreibt, sie glaubt an die Kraft der Fragen. Stimmt, bei mir hat es auf jeden Fall gewirkt. Und deshalb kleben diese Leute ihre Fragen an Fahrradlenker, Bushaltestellen, Bankautomaten, Mülleimer, Ampeldrücker oder Fensterläden. Und dann kann es sein, dass mich beim Joggen oder beim Brot holen oder beim Busfahren oder beim Rauchen ganz unvermittelt eine Frage trifft. Zum Beispiel die hier: „Was bleibt wenn du gehst?“

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29JAN2025
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„Kann man Gottes Liebe spüren?“ Das hat mich Ronja über facebook gefragt. Kein leichtes Thema – und schon gar nicht über facebook. Ich hab einfach mal zurück geschrieben, und daraus hat sich ein kleiner Dialog entwickelt. Überschrift eben: „Kann man Gottes Liebe spüren?“

In meiner ersten Antwort habe ich geschrieben,  dass man Gottes Liebe am besten durch andere Menschen spüren kann. Wenn mir jemand genau die richtigen Worte zur richtigen Zeit sagt. Wenn mich jemand aufbaut oder mir aus einer Misere hilft: Starterkabel, Müsliriegel, Kleingeld. Ronja hat geantwortet: „Ja, aber ist das denn die Liebe Gottes?“

Ich hab nochmal nachgedacht und geschrieben: „Hast Recht, Gottes Liebe kann ich auch direkter spüren. Vielleicht in den seltenen Momenten, wo ich ganz mit Glück erfüllt bin: Wenn´s draußen schneit, wenn unsere Katze auf meinem Bauch liegt und schnurrt, wenn mich Musik wie ins Mark trifft, in einer Kirchenbank, wenn im Gegenlicht Weihrauch aufsteigt, wenn mich so ein tiefes friedliches Gefühl erfüllt, dass ich geborgen bin.“

Dann Ronja wieder: „OK, das sind aber alles interpretierte Eindrücke von dir. Eine schnurrende Katze muss nicht gleich die Liebe Gottes verkörpern.“ Da hat sie natürlich Recht. Aber dann ist mir zum Glück etwas eingefallen, womit sie vielleicht zufrieden sein könnte. Und das war gleichzeitig mein letzter Eintrag zu diesem Thema. Ich habe geschrieben: „Es ist eigentlich wie bei der Liebe unter Menschen auch. Ein Blick, eine Berührung, ein lieber Satz – alles könnten auch nur interpretierte Eindrücke sein. 100% sicher sein kann ich nie. Aber ich werd ja verrückt, wenn ich die Liebe in jeder Minute anzweifle. Viel schöner ist es, wenn ich mich auch mal in die Liebe fallen lassen kann. Letztlich ist es mit der Liebe Gottes nicht anders als mit der Liebe unter Menschen: Ich kann sie spüren, ihr vertrauen, darauf bauen und mich in ihr geborgen fühlen. Aber in dem Moment, wenn einer Beweise verlangt, da geht was kaputt.“

Ronja hat nicht mehr geantwortet. Vielleicht war sie zufrieden, aber wahrscheinlich ist sie einfach weiterhin auf der Suche – so wie ich auch.

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28JAN2025
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Wie fängt man einen Affen? Eine Methode aus den ländlichen Gebieten Indiens funktioniert mit einem ausgehöhlten Flaschenkürbis. Er wird an einen Baum gebunden und hinein kommt ein Stückchen Banane. Der Flaschenhals ist gerade so dick, dass ein Affe mit offener Hand hineingreifen kann. Drinnen greift er nach der Frucht und freut sich. Aber die Faust mit dem Stück Banane drin ist zu dick, um wieder aus dem Flaschenhals rauszukommen. Das Äffchen war zwar so schlau, die Frucht zu erreichen, aber es ist nicht schlau genug, um aus der Falle wieder rauszukommen. Dabei wäre es so einfach: Es müsste nur die Banane wieder loslassen und die offene Hand rausziehen. Das macht es aber nicht, weil es zu gierig ist.

Wir Menschen stammen ja vom Affen ab. Und vielleicht ist deshalb das Problem mit der Affenfalle auch unser Problem. Wir wissen genau, dass dicke Autos schädlich fürs Klima sind. Und trotzdem produzieren und kaufen wir weiterhin welche. Die meisten ahnen zumindest, dass die Kombination Chips, Cola und Sofa alles andere als gesund ist, und trotzdem ist sie so beliebt. Zu viel Sonne, zu viel Qualm, zu viel Sitzen, zu viel Tabletten, zu viel Handyzeit – alles schädlich, aber egal, wir tun´s. Irgendwie stecken wir damit auch in einer Art Affenfalle.

Jetzt haben Forscher folgendes herausgefunden: Affen, die andere dabei beobachtet haben, wie sie verzweifelt mit der Faust im Kürbis feststecken, fallen nicht mehr auf diesen Trick rein. Und es spricht sich sogar unter Affen herum – das heißt, sie kommunizieren diese Gefahr im Rudel.

Also vielleicht doch gut, dass wir vom Affen abstammen. Das heißt nämlich: es gibt auch eine Chance für uns Menschen, aus dieser Habgier-, Gewohnheits-, Ungesund-Falle herauszukommen oder erst gar nicht reinzutappen. Die Lösung heißt: loslassen, bevor mir etwas zum Verhängnis wird. So kann mir die Falle nichts mehr anhaben. Und: anderen davon erzählen – was hiermit getan wäre.

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27JAN2025
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Ein Bekannter von mir, hat ein echtes Wunder erlebt. Jo war mit einer ganzen Horde Jugendlicher unterwegs auf dem Jakobsweg in Spanien. Mein Respekt, wenn ich bedenke, wie schwer meine Kinder schon zum Spazierengehen zu bewegen sind.

Jo hatte auch seine Mühe die Gruppe am Laufen zu halten. Vor allem an dem Tag, als das Wunder geschehen ist. Es hat den ganzen Tag nur geregnet, und alle waren nass und schlecht gelaunt. Um sie zu motivieren hat Jo in einem Anfall von Leichtsinn gesagt: „Heute Abend in Santa Cilia lade ich euch alle in eine Kneipe zum Essen ein, versprochen!“ Das wirkt. Die Laune steigt und das Marschtempo auch. Vor dem geistigen Auge der Pilgergruppe taucht eine gemütliche spanische Gaststube mit einer großen Paella auf.

Doch in Santa Cilia angekommen platzt das Traumbild wie eine Seifenblase. Die einzige Dorfpinte hat geschlossen, und zudem sind alle Pilgerherbergen voll bis unters Dach. Eine Idee hat Jo noch: Er klingelt nass und ausgehungert am Pfarrhaus. Glück im Unglück, dass der Pfarrer die Gruppe im Gemeindesaal schlafen lässt, aber die Mägen knurren, und die Jugendlichen murren.

Und so sitzen sie alle frustriert im Kreis, in der Mitte ein paar Äpfel, Trauben und Müsliriegel. Plötzlich streckt eine freundliche Spanierin den Kopf zur Tür rein und fragt, ob sie noch Hunger hätten. Eifriges Nicken. Sie lacht und sagt: „Prima, wir sitzen nämlich im Stockwerk über euch und haben noch so viel übrig. Nicht mal die Hälfte von uns ist gekommen, und jetzt quälen wir uns mit dem Essen rum.“ Kurze Zeit später werden eine riesige Paellapfanne und Rotweinkaraffen hereingetragen, und die Spanierin sagt: „Lasst es euch schmecken, ihr seht aus, als ob ihr es brauchen könnt.“

Erst mal ist Jo froh, dass die Meuterei abgewendet ist. Und im zweiten Nachdenken kann er es nicht fassen, was für ein Glück sie doch gehabt haben. Und da Jo ein spiritueller Mensch ist, schreibt er die Unterkunft, die Paella und den Rotwein nicht nur dem Glück zu.

Er beschließt, das Abendgebet heute sausen zu lassen, denn heute haben sie alle Gott live in Aktion erlebt.

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25JAN2025
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Wie viel Einheit braucht eigentlich eine Religionsgemeinschaft, wie viel Verschiedenheit verträgt sie und worin liegt eigentlich die größere Stärke? Das sind Fragen, mit denen sich das Christentum seit seinen Anfängen auseinandergesetzt hat. Die katholische Kirche beschwört bis heute den Gedanken der Einheit. Es kann nur eine allgemeine Kirche geben. Die protestantischen Kirchen – der Plural macht es schon deutlich -praktizieren dagegen ein Modell der individuellen Verschiedenheit. Unübersichtlich ist ihre Zahl. Die orthodoxen Kirchen hüten seit tausend Jahren ein göttliches Geheimnis. Und die charismatischen Kirchen überlassen diese ganzen Fragen getrost dem Wirken und Wehen des Heiligen Geistes.

Wer in dieser Vielfalt nach so etwas wie einem kleinsten gemeinsamen Nenner sucht, nach irgendetwas, bei dem sich alle einig sind, muss weit in der Geschichte zurückgehen. 1700 Jahre. Bis ins Jahr 325. An der Spitze des römischen Reichs, das die europäische Welt beherrscht, steht Kaiser Konstantin. In seiner Regierungszeit wird das Christentum von einer geduldeten und teilweise immer noch verfolgten Religion zu einer staatlich geförderten.

Im Jahr 325 hat Konstantin ein Konzil einberufen; mehr als 200 Bischöfe kommen nach Nicäa zur ersten ökumenischen Vollversammlung der Weltgeschichte. Es geht um theologische Streitfragen. Und es geht auch um die Macht. Der Kaiser kann eine zerstrittene Kirche nicht gebrauchen; er will Stabilität und innere Sicherheit. Unter historischen Gesichtspunkten kann man das nüchtern und auch kritisch betrachten.

Herausgekommen ist aber auch ein Dokument von großer Schönheit und Kraft. Das Glaubensbekenntnis von Nicäa-Konstantinopel. Ein Text, der formuliert, was Christen auf der ganzen Welt im Innersten zusammenhält. Zum Beispiel: „Wir glauben an den einen Herrn Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn, aus dem Vater geboren vor aller Zeit, Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater …

Sie glauben das nicht? Finden es nur schwer verständlich? Oder eigentlich auch gar nicht so wichtig? Umso besser. Denn dann kann das Gespräch ja weiter gehen. Solange es nicht versiegt, bleibt christlicher Glaube lebendig zwischen Einheit und Verschiedenheit.

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24JAN2025
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Beim Bäcker meines Vertrauens ist die Brotschneidemaschine kaputt. Also kaufe ich zum ersten Mal, seit ich weiß nicht, wie vielen Jahren, wieder mal einen Laib Brot am Stück. Zuhause lässt die Misere allerdings nicht lange auf sich warten: Bei meinen Bearbeitungsversuchen mit dem Brotmesser entstehen hässliche Brocken, krumm und schief. Mit schnittigen Scheiben haben sie nicht viel gemein. Hilflos betrachte ich das malträtierte Brot. Und muss plötzlich an einen Spruch meines Vaters denken, den ich als Kind oft gehört habe: „Nur mit Kraft. Nicht mit Druck.“ Kraft anzuwenden, statt Druck auszuüben, das könnte jetzt auch helfen, aber wie fange ich es an? Was macht den Unterschied? Beherzt setze ich das Messer noch einmal an, schön langsam, besinne mich auf meine Kraft und nehme die Anspannung aus meinen Muskeln. Und siehe da: schon sieht das Ergebnis viel besser aus. Nur mit Kraft. Nicht mir Druck.

Was fürs Brotschneiden gilt, erweist sich auch sonst im Leben als gute Devise. Mein Vater war von Beruf Lehrer. Über vierzig Jahre lang hat er Schülerinnen und Schüler unterrichtet. Er konnte das gut, hatte diese natürliche Autorität. Und wusste, auch wenn es ihm bestimmt nicht immer gelungen ist, um den Unterschied zwischen Kraft und Druck. Druck ist die Kraft der Verzweiflung. Nimm die Verzweiflung raus und die Kraft bleibt übrig. Und heraus kommen keine hässlichen Menschen, krumm und schief, mit blauen Flecken auf der Seele, sondern bestärkte Leute mit Zutrauen ins Leben und in die eigenen Kräfte. Und hier endet dann auch der Vergleich mit den Brotscheiben.

Aber mir fallen viele Situationen ein, in denen ich viel zu viel Druck ausübe. Auf andere, aber auch auf mich selbst. Unbedingt etwas will. Auf Biegen und Brechen. Und schon an diesen Worten fällt auf, dass vor allem Kaputtes dabei herauskommen muss. Verbogenes, Zerbrochenes. Wenn ich mich auf meine Kraft verlasse, wirds besser.

Beim Bäcker kaufe ich jetzt häufiger mal ein Brot am Stück. Zum Üben. Nur mit Kraft. Nicht mit Druck.

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23JAN2025
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Nur noch vier Wochen bis zur vorgezogenen Bundestagswahl. Es ist auch nicht mehr zu übersehen. Von allen Laternenpfosten grüßen Parteien, Porträts, Parolen. Ich würde gern ein Plakat dazu hängen. Mit folgendem Text:

„Ihr wisst: Diejenigen, die als Herrscher der Völker gelten, unterdrücken die Menschen, über die sie herrschen. Und ihre Machthaber missbrauchen ihre Macht. Aber bei euch ist das nicht so: Sondern wer von euch groß sein will, soll den anderen dienen. Und wer von euch der erste sein will, soll der Diener von allen sein.“

Das ist der Auszug aus einer Rede, die Jesus gehalten hat. 2000 Jahre alt. Er wirbt darin nicht für eine bestimmte Partei, sondern für ein grundsätzliches Verständnis von Herrschaft. Seiner Haltung zugrunde liegt eine bittere Erfahrung: Machthaber missbrauchen ihre Macht. Das ist leider auch heute noch möglich. Selbst in Ländern, in denen alle Staatsgewalt vom Volk ausgeht und Machthaber durch freie Wahlen an die Macht gekommen sind. Aber dieses demokratische Prinzip scheint kein Garant mehr dafür zu sein, dass gewählte Amtsinhaber die ihnen auf Zeit verliehene Macht nicht missbrauchen, um Eigeninteressen zu verfolgen und Andersdenkende zu unterdrücken.

„Aber bei euch ist das nicht so“, sagt Jesus, als wäre es ein leichtes. Und klingt doch wie eine Beschwörung. Wie ein Auftrag. Zumindest wie eine Bitte: Ihr Wählerinnen und Wähler habt es jetzt in der Hand, Eure Stimme denen zu geben, die Macht im Dienst der Menschen verstehen und Herrschaft als Dienst ausüben. Die sich etwas anderem verpflichtet wissen als dem eigenen Größenwahn.

Jesu Rede endet im Markusevangelium mit den Worten: „Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen. Im Gegenteil: Er ist gekommen, um anderen zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele Menschen.“ Bescheiden spricht er von sich in der dritten Person. Bezeichnet sich als Menschensohn, nicht als Landesvater. Und steht nicht nur mit seinen Überzeugungen, sondern mit seinem ganzen Leben bis zum Schluss für dieses Prinzip ein: Herrschaft ist Dienst.

Wir haben es in der Hand, die Macht, die vom Volk ausgeht, bei der kommenden Bundestagswahl denen anzuvertrauen, die sich in Dienst nehmen lassen. Hoffentlich täuschen sie uns nicht. 

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22JAN2025
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Die Journalistin Julia Friedrichs hat in Deutschland 40 Personen befragt und begleitet, deren Vermögen über 100 Millionen Euro wert ist. Sie hat interessiert: Wie sind sie dazu gekommen? Was bedeutet ihnen Reichtum? Und wie leben sie damit?

Manche verdrängen komplett, woher ihr Reichtum kommt, wollen es gar nicht wahrhaben. Andere gründen Stiftungen oder legen zig Millionen in andere Hände.

„Crazy Rich“ heißt das Buch, das bei diesen Recherchen entstanden ist.

„Crazy Rich“ kann soviel bedeuten wie „verrückt reich“ - aber auch: maßlos Reiche.

Beeindruckende Portraits sind da entstanden. Aus einer Welt, die ist den meisten gänzlich verschlossen und unvorstellbar.

Reichtum versetzt mitunter in eine Welt fernab der Lebenswirklichkeit der Allermeisten. Mir kommt es so vor, als sei Reichsein alles andere als einfach.

Eine Geschichte, die das noch vertieft, steht in den Evangelien:

 

Da sucht ein reicher Mann das Gespräch mit Jesus.

Seine Frage: Wie kann ich nach Gottes Geboten leben?

Auf Jesus hat er sympathisch gewirkt. Keine Reichenschelte und kein Moralisieren.

Nur eins, meint Jesus, fehle ihm noch: Er soll sein Vermögen den Armen geben.
Und sich so auf ein Leben einlassen, wie es Jesus vorschwebt: radikal offen für Gott und frei von allem Vermögen.

Die ihm versprochene Rendite: Er bekommt dafür einen Schatz im Himmel.

Ein bemerkenswertes aber auch irritierendes Angebot ist das.
Für den Reichen unerschwinglich. Er kann seinen irdischen Reichtum nicht loslassen. Und er wird darüber, so heißt es, sehr traurig.

Jesus zeigt keinerlei Häme. Er empfindet Mitleid.
Und er bemerkt: So schwer können sich Menschen von ihrem Vermögen trennen.

Reichtum ist für viele so erstrebenswert.

Wenn er aber nur Einzelnen dient, erweist er sich für eine Lebensgemeinschaft im Geist Jesu als Belastung.

 

Alles verschenken oder stiften – das ist gar nicht so einfach.

Und doch geschieht das heute immer wieder. Auch unter Superreichen.

 

Für mich weht da der Wind des Heiligen Geistes.

Und ich hoffe, der erreicht auch mich – damit sich meine Hände öffnen

und ich in andere Hände legen kann, was ich besitze.

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