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SWR4 Abendgedanken RP

Immer wieder werde ich gefragt, wie das denn mit dem Glauben sei. Woran man sehen oder spüren kann, dass jemand glaubt. „Man kann keinem Menschen in den Kopf oder in das Herz schauen", sage ich dann. Deshalb kann auch niemand sagen, ob jemand glaubt oder nicht. Das kann nur Gott allein. Und doch kann man die Spuren sehen, die ein fester Glaube in einem Leben hinterlassen hat. Man braucht nur jemanden zu fragen, der im Laufe seines Lebens Schreckliches erlebt hat. Und trotzdem daran nicht zerbrochen ist. Oft hört man dann, dass er oder sie das alles ohne den Glauben gar nicht durchgestanden hätte. Mit einem starken Glauben kann man schlimme Zeiten einfach besser überstehen.
Jesus vergleicht den Glauben mit einem Senfkorn. Senf ist ein unscheinbar blühendes Wildkraut, das im Mittelmeerraum beheimatet ist. Dort wird es schon seit der Antike angebaut. Senf gibt Speisen ihre würzige Note; ohne ihn würde so manche Speise einfach nur fad schmecken.
Das Senfkorn ist nur ein kleiner Same. Aber aus ihm kann sich eine ganz große Pflanze  entwickeln. Die Senfstaude ist nämlich größer als alle anderen Gartenpflanzen. Sie wird so groß wie ein richtiger Baum, in dem die Vögel ihre Nester bauen können.
Und so ist das auch mit dem Glauben. Der kann sogar Berge versetzen, meint Jesus. „Wenn euer Glaube auch nur so groß ist wie ein Senfkorn, sagt er, dann könnt ihr zu diesem Berg sagen: 'Geh dahin oder dorthin´ und er wird es tun. Dann wird euch nichts mehr unmöglich sein" (Matthäus 17,20).
Und das wünsche ich Ihnen. Dass Sie immer wieder mal spüren, wie sehr der Glaube Sie stark und frei machen kann. Manchmal sind es gerade die schlimmen Zeiten, in denen der Glaube seine Kraft und Schönheit entfaltet. Auch wenn er einem ganz winzig vorkommt. So klein wie ein Senfkorn.

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SWR4 Abendgedanken RP

„Einer trage des anderen Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen". Das hat der Apostel Paulus seiner Gemeinde ans Herz gelegt. Und diesen Satz haben sich die Notfallseelsorger ausgesucht. Als Motto über einen Abend, an dem sie in unserer Kirchengemeinde die Arbeit der Notfallseelsorge vorgestellt haben.
„Einer trage des anderen Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen". Wenn man diesen Satz des Apostels Paulus modern übersetzt und ihn als Frage formuliert, dann könnte man sagen: 'Wer hilft mir, dass ich das Schwere tragen kann?´ 'Wer ist zur Stelle, wenn ich ihn brauche?´
Es gibt Gott sei Dank bei uns viele Helferinnen und Helfer, die immer zur Stelle sind, wenn sie gerufen werden: Rettungssanitäter, Polizisten, Feuerwehrleute oder eben Notfallseelsorger. An jenem Abend haben die ein bisschen von ihrer Arbeit erzählt, wie das ist, wenn sie zu ihren Einsätzen gerufen werden. Und uns ist klar geworden, wie belastend solche Einsätze sein können. Und darüber hinaus - wie zerbrechlich menschliches Leben im Grunde ist. Der Apostel Paulus hat dafür ein schönes Bild gefunden: Wir sind wie irdene Gefäße, zerbrechlich wie Tontöpfe. In der Arbeit dieser Helferinnen und Helfer wird das besonders deutlich. Oft stoßen sie an ihre eigenen Grenzen, werden damit konfrontiert, dass sie nur begrenzt belastbar und selber sehr verletzlich sind.
Menschen sind nun mal sensibel für Erschütterungen, aber wir können und müssen nicht alles ertragen. Und auch die Helfer müssen nicht alles ertragen, was ihnen z.B. im Rahmen eines Einsatzes zugemutet wird. Es ist in Ordnung, wenn sie auch mal „nein" sagen. Das habe ich an jenem Abend bei uns in der Gemeinde auch den Helferinnen und Helfern gesagt. Und dass ich Hochachtung vor ihrer Arbeit habe. Danke, dass es Sie gibt! Es braucht Menschen wie Sie, die sich um andere kümmern, die Verletzten helfen und Tote bergen. Ich bin überzeugt: damit geben Sie etwas von der Liebe Gottes weiter, und machen, dass andere etwas von seiner Nähe spüren. Und wenn Sie zu denen gehören, die überlegen, ob Sie sich engagieren sollen, dann kann ich Ihnen sagen: mit anderen mitfühlen oder sie trösten - das macht Sinn und schenkt das Gefühl, dass das eigene Leben sinnvoll ist. Wie hat der Apostel Paulus das so schön geschrieben: „Einer trage des anderen Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen."

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SWR4 Abendgedanken RP

Vor wenigen Tagen ist die Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen zu Ende gegangen. Ein tolles Fest! Und dann auch noch im eigenen Land! Wir haben uns als gute Gastgeber erwiesen. Und die Spiele der deutschen Mannschaft konnten sich sehen lassen. Die Begeisterung der Fans kannte keine Grenzen. Die Atmosphäre dieser Tage ist wohl allen noch in guter Erinnerung.
Was bleibt von dieser WM? Ist es ist die Begeisterung? Können wir die auch in unseren Alltag mitnehmen? Die Begeisterung, die kommt, wenn man einfach mal mit vielen zusammen auf etwas hinfiebert, das Gefühl, zu einer großen Gemeinschaft zu gehören? Männer und Frauen fiebern mit, wenn Frauen unser Land vertreten?
Die Bibel erzählt auch von so einer wunderbaren Erfahrung. Das Gefühl, zu einer großen Gemeinschaft zu gehören: Die Gemeinschaft der Kinder Gottes. Im Psalm 104 heißt es: „Gott hält die ganze Welt in seiner Hand". Und der Apostel Paulus drückt es in einer seiner Missionspredigten so aus: „In Gott leben, weben und sind wir" (Apostelgeschichte 17,28).
Auch wenn ich mir kein Bild von Gott machen kann und darf: In unserem Leben könnte der Fußball so etwas wie ein Hinweis auf Gott sein. Ich denke zum Beispiel an die Begeisterung der Menschen bei einem Fußballspiel. An wildfremde Menschen, die sich bei einem Tor der eigenen Mannschaft in den Armen liegen und miteinander feiern. Die bis zur letzten Minute hoffen, dass die eigene Mannschaft den Sieg davon trägt - auch wenn sie im Rückstand ist. Diese Begeisterung, die im Alltag so oft verschüttet ist, die können wir vom Fußball lernen. Sie verbindet nicht nur die Fans einer Mannschaft miteinander, sondern Christen auf der ganzen Welt. Wir gehören zur Gemeinschaft der Kinder Gottes, eine Gemeinschaft, die jeden Sieg und jede Niederlage überdauert.
Ich wünsche Ihnen, dass Sie in Ihrem Leben immer wieder sehen und glauben können, dass Gott uns alle begleitet und dass niemand von uns alleine ist.

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SWR4 Abendgedanken RP

Es ist Urlaubszeit! Reisezeit! Für viele Menschen ist das die schönste Zeit des Jahres. Sie nutzen die Gelegenheit, um wegzufahren und Neues zu entdecken. Sicher kennen Sie das Sprichwort: „Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen." Das merke auch ich immer wieder, wenn ich aus einem Urlaub zurückkehre.
Ich zum Beispiel muss im Urlaub viel sehen. Ich interessiere mich für fremde Kulturen und die Menschen, die dort leben. Einmal im Jahr ist es dann soweit. Die vielen Eindrücke bereichern mich. Sie zeigen mir, wie bunt und farbenfroh unsere Welt und die Menschen sind.
Mir persönlich hat es die Insel Malta angetan. Eine Insel voller Geschichte und Geschichten. Eine Reise in die Vergangenheit. Eine Vergangenheit, die auch düstere Kapitel kennt: Kreuzritter auf ihrem Weg in das Heilige Land. Eroberungskriege. Flüchtlingsströme. Spuren davon gibt es bis heute. Sie gehören dazu. Sie zeigen das Gesicht einer Insel im Mittelmeer, auf der an 300 Tagen im Jahr die Sonne scheint. Ein Gesicht, das aber auch Risse und Narben und Falten kennt.
Und die kenne ich auch aus meinem eigenen Leben. Diese Risse und Narben und Falten werden bleiben. Sie sind nicht einfach verschwunden, wenn ich aus meinem Urlaub zurückkehre. Sie gehören zu meinem Leben dazu. In den Urlaub zu fahren in der Hoffnung, alle Probleme würden sich dann in Luft auflösen, ist eine trügerische Vorstellung. Das kann ein Urlaub nicht leisten. Trotzdem: Das Unterwegssein fasziniert, Reisen steigert das Lebensgefühl. Im Urlaub begegne ich anderen Menschen, lerne neue Länder und Kulturen kennen, und gehe für eine überschaubare Zeit auf Abstand zu meinem Alltag, der mir so oft zu schaffen macht. Ich denke nach über mein Leben und sehne mich nach Fülle und Geborgenheit.
Wenn Sie die Sommermonate nutzen, um auf Reisen zu gehen, dann wünsche ich Ihnen, dass Sie im Urlaub etwas von dem finden, wonach Sie suchen und wonach Sie sich sehnen. Ich wünsche Ihnen, dass Gott Ihr Reiseleiter ist, der auf Ihrer Reise an Ihrer Seite ist, der Sie begleitet und beschützt.

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SWR4 Sonntagsgedanken

- Wenn Menschen die gleiche Sprache sprechen

Es gibt Menschen, die sprechen die gleiche Sprache wie ich. Wir verstehen uns, ohne dass wir viele Worte machen. Instinktiv spüren wir, was den anderen bewegt. Dass das so ist, ist eine Wirkung des Heiligen Geistes. Von ihm heißt es, dass er am Pfingstfest über die Menschen in Jerusalem kam und sie tröstete. Aus ihrer Trauer nach dem Tod Jesu wird Zuversicht und Freude. Sein Versprechen, dass er ihnen seinen Geist senden wird, ist am Pfingstfest Wirklichkeit geworden. Die Kraft des Geistes führt dazu, dass sie sich taufen lassen und aller Welt davon erzählen müssen.
Wenn mir in einer scheinbar ausweglosen Situation plötzlich ein Licht aufgeht und ich die Lösung für ein Problem habe, dann kann auch ich die Wirkungen des Geistes in meinem Leben spüren. Auch meine Fähigkeiten und Begabungen sind solche Wirkungen des Geistes. Sie machen mich einzigartig und unverwechselbar. Und wenn ich traurig oder einsam bin, dann tröstet mich der Geist und gibt mir neue Kraft. So habe ich es in meinem Leben immer wieder erlebt. Das gilt auch für die Begegnung mit anderen Menschen: Solche Begegnungen bleiben nicht folgenlos. Sie verändern mich. Und manchmal passiert es, dass aus einer solchen Begegnung heraus eine Begeisterung entsteht, in der ich über mich selber hinauswachse.
Am Pfingstfest kommt etwas in Bewegung, auch heute noch. Menschen werden zusammen geführt, die kaum etwas miteinander zu tun hatten. Das gilt damals wie heute. Und es gilt auch dann noch, wenn mein Leben alles andere als leicht und unbeschwert ist. Z.B. dann, wenn ein Mensch gestorben ist, der mir viel bedeutet hat.
Ich denke an einen Mann, der auf tragische Weise bei einem Autounfall gestorben ist. Als es passiert, ist er geschäftlich im Ausland unterwegs. Seine Familie ist weit weg, daheim in der Nähe von Mainz. Ihnen wird die Nachricht übermittelt. Für sie bricht eine Welt zusammen. Die Ehefrau und die Kinder möchten gerne bei ihm sein, dem Ehemann und Vater. Möchten ihm gerne die Hand halten und ihm all ihre Fürsorge und Liebe zukommen lassen. Aber jetzt, in diesem Augenblick, können sie nichts tun. Ihr Glaube hilft ihnen. Deshalb beginnen sie zu beten. Später werden sie sagen, dass ihnen das Gebet Kraft gegeben habe. „Wir haben Gottes Geist gespürt", sagt die Frau. „Ohne ihn wären wir vermutlich verzweifelt."
Trotzdem gibt es da auch quälende Fragen bei ihnen, die niemand beantworten kann: Hätte man selbst es verhindern können? Hätte Gott es verhindern können? Und wenn ja: Warum hat er es nicht getan? Quälende Fragen! Sie lähmen. Aber Ohnmacht und Verzweiflung haben nicht das letzte Wort. Sie sind nur vorläufig. Gottes Geist verwandelt sie. Ein Neubeginn ist möglich. Nicht jetzt sofort, nicht gleich. Aber nach einiger Zeit! Gottes Geist hilft uns, dass wir weitergehen durchs Leben mit allen Menschen, die uns begleiten.
Der Pfingstmontag hat die praktischen Auswirkungen des Heiligen Geistes im Blick. Dass Menschen anderen Menschen gut zuhören können und z.B. in Zeiten der Trauer an ihrer Seite sind, ist eine solche Wirkung des Geistes. Sie sprechen die gleiche Sprache, ohne dass sie viele Worte machen brauchen. Es ist die Sprache der Liebe, die sie miteinander verbindet. Der Geist bewegt und befreit - aus all den Gefängnissen des Lebens, die uns einengen und resignieren lassen.
Das Schicksal des Mannes und Familienvaters, der auf so tragische Weise ums Leben gekommen ist, geht mir noch lange nach. Genauso wie all die anderen Schicksale, die mir in meiner Arbeit als Gemeindepfarrer begegnen. Auch die, die ich aus meinem eigenen Leben nur allzu gut kenne. Ich frage mich: Warum müssen Menschen diese Erfahrungen machen? Warum stirbt ein Mann in den besten Jahren und hinterlässt Ehefrau und Kinder? Es sind Fragen, die sich wohl jeder stellt: Weshalb musste das geschehen? Und wer oder was gibt diesem Geschehen einen Sinn?
„Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht", hat Vaclav Havel einmal gesagt. Was für ein Satz! Ich verstehe ihn erst einmal so: Es gibt Ereignisse im Leben, die viele Fragen provozieren. Wie der Tod eines Familienvaters. Gottes Geist hilft, diese Fragen nicht beiseite zu schieben, sondern sie auszuhalten. Gottes Geist hilft, unser Leben weiterzuleben in der Gewissheit, dass Gott alle unsere Fragen beantworten wird und dass nichts im Leben sinnlos ist.
Vor kurzem schrieb mir der Bruder des Verstorbenen einen Brief. Später haben wir miteinander telefoniert. Ich merkte, wie gefasst er ist. Er bittet mich, für seinen Bruder und ihn selbst zu beten. Ich tue es. Ich bin überzeugt: Gottes Geist hat uns zusammen geführt. Ich tue das, was ich tun kann, um seine Not ein wenig zu lindern. Ich tröste ihn. Und er nimmt den Trost an. Auch hier spüre ich: Wir sprechen die gleiche Sprache! Alles, was uns trennen könnte, verliert in diesem Moment seine Bedeutung. Am Ende unseres Gesprächs sagt er: „Ich bin fest davon überzeugt, dass ich meinen Bruder irgendwann wiedersehen werde." Auch das eine Wirkung des Geistes!
Das wünsche ich mir: dass der Geist Gottes alle Dunkelheiten des Lebens verwandelt. Dass er sie hell macht und ich lernen kann, sie als Teil meines Lebens zu akzeptieren und sie anzunehmen.
Wir feiern Pfingsten. Die Apostelgeschichte im Neuen Testament erzählt, wie der Geist Gottes vor 2000 Jahren in Jerusalem ausgegossen wurde auf alle Menschen und sie von einem auf den anderen Moment verwandelte.
Ihre Trauer nach dem Tod Jesu am Kreuz wich der Freude. Aus Not und Angst wurden Hoffnung und Zuversicht. Gottes Geist bestärkte sie, gab ihnen Kraft, Ja zu sagen zu ihrem Leben, so wie es war. Gottes Geist führte sie zusammen zu einer großen Gemeinschaft. Und das passiert bis heute, wenn sich Menschen nicht nur sonntags in der Kirche zum Gottesdienst versammeln, sondern sich auch werktags aus ihrem Glauben heraus für andere Menschen einsetzen und engagieren. Die sich um sie kümmern und ihnen zur Seite stehen.
Gottes Geist begeistert. Auch heute noch. Menschen wachsen über sich selbst hinaus. Und sie tun es mit einem solchen Enthusiasmus, dass sie sich fragen, woher sie eigentlich für all das die nötige Kraft bekommen. Ich bin überzeugt, Gottes Geist ist es, der ihnen diese Kraft gibt.
Der Geist Gottes kann auch uns anrühren und in Bewegung setzen. Ich kann die Gegenwart des Heiligen Geistes auch für mich erwarten - trotz aller Sorgen und Probleme, die mein Leben bestimmen. Die Gegenwart des Heiligen Geistes macht mir Mut. Der Heilige Geist bringt Menschen zusammen und lässt sie die gleiche Sprache sprechen.
Ein gesegnetes Pfingstfest!

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SWR4 Abendgedanken RP

Das Kreuz - mit ihm steht und fällt der christliche Glaube. Und deshalb ist es das Symbol für die christliche Religion. Das Kreuz steht für die Einsamkeit und Gottverlassenheit, in die ein Mensch geraten kann.
Wenn ich mein Kreuz auf mich nehme oder mein Kreuz trage, dann heißt das so viel wie: Ich sage ja zu meinem Leben, so wie es ist. Auch wenn es nicht so gut ist. Wenn ich zum Beispiel von Kollegen gemobbt werde, oder wenn ich meinen Arbeitsplatz verliere. Ich sage ja zu meinem Leben, auch wenn eine Beziehung in die Brüche gegangen ist oder wenn ein lieber Mensch gestorben ist. Ich sage ja, auch wenn bei mir eine schwere Krankheit diagnostiziert worden ist.
Zurecht fühlen Menschen sich deswegen verlassen, einsam und verraten. Nicht anders ist es Jesus ergangen. Er hat gewusst, dass er für viele gefährlich geworden war. Er hat gewusst, dass viele seinen Tod gewollt haben.  Deshalb hat er in den letzten Stunden in Freiheit zu Gott gebetet: Vater, lass diesen Kelch an mir vorübergehen!
Aber der Kelch ist nicht an ihm vorübergegangen. Es war ein kurzer Prozess, den man ihm gemacht hat. Jesus hatte keine Chance. Deshalb hat er auch geschwiegen bis zuletzt. Dort am Kreuz ist er schließlich gestorben. Einsam, verzweifelt, gottverlassen.
Deshalb ist das Kreuz bis heute das Symbol der Christen. Es steht für all die ausweglosen Situationen, in die ein Mensch geraten kann. Es steht für all das Schlimme, das Menschen einander antun können.
Und es steht für den, der dort gehangen hat. Jesus von Nazareth. Der uns gezeigt hat: Niemand bleibt einsam und verzweifelt. Und niemand ist wirklich gottverlassen. Auch wenn es sich anfühlt wie das Ende. Vor Gott ist es nicht das Ende. Vor Gott ist es nur ein Durchgang zu einem anderen Leben. Im Ende keimt ein neuer Anfang.
Als Christ glaube ich daran: Gott lässt mich nicht allein. Er geht mit mir, auch in die tiefste Gottverlassenheit hinein. Das macht mir Mut und gibt mir Kraft.

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SWR4 Abendgedanken RP

Der vergessene Unterschied zwischen Leistung und Fruchtbarkeit
„Wer immer ackert, erntet nicht!" Was für ein Spruch! Jetzt im Frühjahr sind ja die Bauern wieder auf dem Feld unterwegs und haben viel zu ackern. Aber auch am Schreibtisch wird geackert. Oft bis tief in die Nacht hinein und am nächsten Morgen weiter.
„Wer immer ackert, erntet nicht!" Ich verstehe diesen Satz erst einmal so: Wer sich in seinem Leben keine Ruhetage gönnt, der wird schon bald das Gefühl haben, ständig in einem Hamsterrad zu laufen, aus dem es kein Entrinnen gibt.
Eine hilfreiche Unterbrechung hat in diesem Jahr wie alle Jahre die Fastenaktion der evangelischen Kirche angeboten. 7 Wochen ohne Alkohol, ohne Zigaretten, ohne Süßes oder ohne faule Ausreden leben. Das haben viele auch in dieser Fastenzeit versucht.  Ich habe versucht, regelmässig zu meditieren.
Beim Meditieren komme ich oft zur Ruhe und höre in mich hinein und auf das, was Gott mir sagen will. Und merke, wie befreiend das ist. Wie es mich verändert und ich sensibler werde für mich selbst und die Menschen um mich herum. Seit ich das mache, kann ich das Leben ganz neu genießen, werde wacher und bekomme neue Kraft für die Aufgaben, die vor mir liegen. Hin und wieder schweigen statt immer nur zu reden - das tut mir gut.
Wie das geht? Es beginnt damit, dass ich meine Hände öffne. Ich stelle mir vor, dass ich etwas bekomme. Dass ich mir etwas schenken lasse, das ich mir selbst nicht geben kann. Für ein paar Minuten gebe ich die Kontrolle ab und mache mich frei von der Vorstellung, verantwortlich zu sein.
Ich glaube, das ist wichtig, auch sonst im Leben. Nicht immer nur ackern und verantwortlich sein und sich kümmern. Sondern wahrnehmen, was schon da ist. Vielleicht ist aus dem, was ich mal gesät habe, schon etwas geworden. Vielleicht warten da Früchte meiner Arbeit, die nur noch geerntet werden müssen.
Wie das konkret geht? Ich lege dazu manchmal einen Oasentag ein. Einen Tag lang habe ich keine Termine und keine Aufgaben, denen ich gerecht werden muss. Einen Tag lang genieße ich, dass das Leben es gut meint mit mir. Auch wenn Ihnen das manchmal ganz anders vorkommt. Es gibt viel mehr zu ernten als man so meint.

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SWR4 Abendgedanken RP

Philipp Melanchthon - der Mann hinter Luther
Es gibt Menschen, die stehen immer in der ersten Reihe: Politiker, Prominente, aber auch Manager und Firmenchefs. Ihren Namen kennt jeder.
Aber was wären sie ohne die Menschen im Hintergrund? Ohne den Mann, ohne die Frau, die ihnen zuarbeitet und dem oder der sie - zumindest teilweise - ihren Erfolg verdanken? Der Mann in der zweiten Reihe, ohne den es einfach nicht geht- treu und zuverlässig.
So einer war Philipp Melanchthon. Er starb am 19. April 1560, heute vor genau 451 Jahren. Jeder kennt Martin Luther und seine Reformation. Aber ohne Melanchthon hätte es die gar nicht gegeben. Da sind sich vieler Historiker inzwischen einig.
Während Luther keine Auseinandersetzung scheute, war Melanchthon eher der Mann im Hintergrund, der die Strippen zog. Leisetreter hat ihn Luther deshalb genannt. Luther brachte die reformatorische Sache publikumswirksam unter die Leute. Melanchthon arbeitete als Ideen- und Stichwortgeber im Hintergrund und arbeitete mit seinem immensen Wissen Luther zu. Nur im Doppelpack waren sie so erfolgreich.
So einer wie Melanchthon war damals wichtig. Er hat die unterschiedlichen Interessen -  auch innerhalb des reformatorischen Lagers - zusammengeführt und gebündelt.
Luther und Melanchthon - zwei ganz unterschiedliche Typen. Der eine laut, unerbittlich, kompromisslos. Der andere zurückhaltend, besonnen und gelehrt.
Auf dem Marktplatz von Wittenberg hat man ihnen ein Denkmal gesetzt. Seite an Seite stehen sie dort, überlebensgroß. Weil sie nur zusammen Geschichte geschrieben haben. Gemeinsam haben sie der reformatorischen Lehre zum Durchbruch verholfen und so der Entstehung einer evangelischen Kirche den Boden bereitet.
Die Menschen in der zweiten Reihe: Wir brauchen sie. In den Familien, in den Vereinen, in Politik, Wirtschaft, Verwaltung und Medien, und auch in der Kirche. Sie alle tun ihre Arbeit in der zweiten Reihe, ohne dafür Applaus zu bekommen. Sie stärken diejenigen, die in der ersten Reihe stehen. Deshalb möchte ich heute Abend all jenen Frauen und Männern Danke sagen, die das tun und die es gerne tun. Wie gut, dass wir Sie haben!

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SWR4 Abendgedanken RP

Sehnsucht nach echten, authentischen Personen
Menschen, die so sind wie sie sind. Und die dafür stehen, wovon sie überzeugt sind. Viele sehnen sich danach. Und besonders Jugendliche wie meine Konfirmandinnen und Konfirmanden. Mit denen habe ich vor kurzem ein Stück gespielt: der Prozess gegen Jesus von Nazareth. Damals vor fast 2000 Jahren wurde er gefangen genommen und zum Tode am Kreuz verurteilt. Vorher aber gab es einen Prozess. Und den haben wir miteinander versucht, nachzuspielen.
Ein Konfirmand war deshalb der Staatsanwalt. Er hatte die Schuld Jesu nachzuweisen. Eine andere die Verteidigerin, die seine Unschuld beweisen wollte. Geladen wurden Zeugen, die zur Zeit Jesu lebten und ihn in ganz unterschiedlichen Situationen kennen gelernt haben.
Warum hat er einen so großen Eindruck hinterlassen? Hat doch Jesus vor 2000 Jahren in einem kleinen, unbedeutenden Land am Rande des Römischen Reiches gelebt. Ist er doch am Ende wie ein bedeutungsloser Verbrecher hingerichtet worden. Er war zornig wie wir, hat geweint und wahrscheinlich auch gelacht wie wir und war am Ende verzweifelt.
Warum erzählen wir uns noch heute und gerade jetzt in der Karwoche von ihm? Warum sind sogar Konfirmandinnen und Konfirmanden so fasziniert von ihm, wenn sie versuchen, seinen Prozess damals vor fast 2000 Jahren neu aufzurollen?
Als ich meine Konfis gefragt habe, sagten die: der ist so aufrichtig. Der steht für das, woran er glaubt. Der ist nicht so langweilig und angepasst und hängt sein Mäntelchen nach dem Wind. Ich glaube, damit drücken sie aus, wonach viele sich heute sehnen:
ehrlich und aufrichtig sein, kompromisslos und manchmal auch unbequem.
Eine Konfirmandin hat gemeint: „Jesus kann für uns ein Vorbild sein, wenn ein Mitschüler zum Beispiel von den anderen gemobbt wird. Der würde sich einmischen und uns daran erinnern, dass wir achtsamer miteinander umgehen. Manchmal sind es gerade die Außenseiter, wie Jesus, die  den Finger in die Wunde legen. Gerade sie brauchen wir: Menschen, die echt sind und authentisch - und die uns gerade deshalb so faszinieren.

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