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SWR4 Abendgedanken

03MAI2024
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Ich weiß nicht, wie es einmal bei Gott im Himmel sein wird. Aber eines weiß ich: Bei Gott im Himmel steht ein großer Krug. Und in diesem Krug sammelt Gott alle Tränen, die ich im Laufe des Lebens geweint habe. Wie ich auf so eine Idee komme? Das steht in der Bibel, im Psalm 56. Dort betet ein Mensch zu Gott: „Du sammelst meine Tränen in deinen Krug, ohne Zweifel, du zählst sie“ (Ps.56,9)

Das muss jemand geschrieben haben, der oft im Leben geweint hat. Vielleicht hat dieser Mensch, der den Psalm 56 geschrieben hat, viel Leid erlebt. Vielleicht hat er Krieg erfahren und gesehen, wie Menschen um ihn herum getötet wurden. Vielleicht musste er viel zu oft an einem Grab stehen und einen Menschen beerdigen, den er geliebt hat. Vielleicht hat er große Angst gehabt um sein Leben oder das Leben anderer. Oder er hat Missbrauch und Gewalt erlebt. Vielleicht war er einfach tief einsam, weil da niemand war, der ihn verstanden hat und ihn geliebt hat. Und so hat er weinen müssen. Am Tag und vor allem nachts. Weil die Seele vor Schmerz schrie. – Jetzt aber schreibt er so einen Satz über Gott: „Du sammelst meine Tränen in deinen Krug, ohne Zweifel, du zählst sie“. Vielleicht hat er an manchen Tagen an Gott gezweifelt, aber er hatte eine große Hoffnung: Keine einzige Träne ist jemals umsonst geweint. Keine Träne geht verloren und wird vergessen. Gott selbst sammelt alle Tränen in seinem Krug. Man sammelt ja meistens das, was einem wertvoll ist. Briefmarken, Porzellan, kostbare Gemälde. Unsere Tränen sind Gott wertvoll. Wie Gold oder Perlen. Ich finde diesen Gedanken unheimlich tröstlich. Ich verstehe manchmal ja nicht, warum mir Gott ein Leiden oder einen Schmerz zumutet. Aber auch wenn ich das nicht verstehe, dann sind meine Tränen trotzdem Gott nicht egal. Im Gegenteil. Sie sind ihm wertvoll. Er sammelt sie. Er zählt sie. Er hütet sie. Und er wird mir am Ende alle meine Tränen abwischen. Auch das steht in der Bibel.

Wenn ich also einmal in den Himmel komme, dann will ich zu dem Krug gehen, in dem Gott meine Tränen gesammelt hat und Gott danke sagen, dass er auch im Schmerz bei mir war.

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SWR4 Abendgedanken

02MAI2024
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Als Kind habe ich Fahrradfahren gelernt. Und dabei ein ganz einfaches Prinzip verstanden: Auf das, was ich schaue, in diese Richtung bewege ich mich auch. Damals habe ich kapiert: Ich muss beim Fahrradfahren immer schön vor mich auf die Straße schauen. Dann fahre ich auch schön auf der Straße entlang. Wenn ich aber nach rechts oder links blicke und mir zu lange einen Baum ansehe, während ich fahre, dann lenke ich mein Fahrrad ganz unwillkürlich auch in Richtung Baum. Das kann daneben gehen. Und ich lande im Graben. Wohin ich schaue, dahin fahre ich auch.

Dieses einfache Prinzip finde ich heute überall in meinem Leben wieder: Was ich anschaue, das bestimmt meine Richtung. Es bestimmt mein Denken und es bestimmt mein Leben. Ich kann zum Beispiel immer auf das schauen, was andere Menschen mehr haben als ich: Mehr Geld vielleicht, das schönere Auto, die tolleren Reisen, das Haus, von dem ich immer geträumt habe. Oder ihre Kinder sind erfolgreicher und sie selbst sind gesünder als ich oder sehen besser aus.  Wenn ich zu lange in diese Richtung schaue, dann werde ich unwillkürlich neidisch.

Oder eine andere Möglichkeit: Ich blicke ständig in den Spiegel und frage mich: Sehe ich gut aus? Habe ich das Beste aus meinem Körper gemacht? Wirke ich noch jugendlich und attraktiv? Oh wehe, wenn die ersten Falten kommen, der Bauch hängt und das Alter seine Spuren hinterlässt. Dann werde ich unglücklich über mich selbst. 

Als Christ habe ich zum Glück noch eine ganz andere, dritte Möglichkeit. Ich kann auf Gott schauen. Der Beter des Psalms 34 sagt: „Wer auf Gott schaut, strahlt vor Freude“ (Ps.34,6) Wenn ich auf Gott schaue, dann sehe ich, wie er mich sieht: Ich erkenne, dass er mich geschaffen hat, so wie ich bin, mit allen Ecken und Kanten und Falten und Runzeln. Ich sehe, dass er mich auch so liebt, wie ich bin. Ich verstehe, dass er mir alles gibt, was ich zum Leben brauche. Wenn ich auf Gott schaue, verschwindet die Unzufriedenheit, und der Neid und die Selbstzweifel. Ich bin dankbar für das, was ich habe und freue mich über mein Leben.

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SWR4 Abendgedanken

01MAI2024
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In Bamberg, ganz in der Nähe vom Dom, hängt ein kleiner gelber Briefkasten der Post. Er wird jeden Tag um 14:45 Uhr geleert. Auf die Klappe, durch die man seine Briefe einwerfen kann, hat jemand mit dickem Filzstift zwei Worte geschrieben: „nur Liebesbriefe“.

Ich finde das eine wunderbare Idee. Wie wäre es denn, wenn in alle unsere Briefkästen tatsächlich nur Liebesbriefe eingeworfen würden? Keine Rechnungen. Keine Mahnungen an Menschen, die ihre Kosten nicht bezahlen können, weil das Geld nicht reicht. Keine Abschiedsbriefe, die anderen das Herz brechen. Keine Briefe voller Hass und Ablehnung und böser Worte. Wie wäre es, wenn es verboten wäre, das alles in den Briefkasten zu werfen. Nur Liebesbriefe. Dann wäre diese Welt wohl ein bisschen besser. Es gäbe weniger Angst, weniger Leid, weniger gebrochene Herzen, weniger Hass. Weniger verletzte Menschen. Leider ist das nur ein unrealistischer Traum und ganz bestimmt werden auch in diesen Briefkasten in Bamberg viele Briefe eingeworfen, die keine Liebesbotschaft vermitteln. Aber eigentlich ist das schade.

Doch der Gedanke lässt mich trotzdem nicht los. Wir müssen ja nicht gleich Liebesbriefe schreiben. Aber wie wäre es denn, wenn wir mehr darauf achten würden, wie wir unsere Briefe und Nachrichten formulieren. Der Ton macht doch die Musik. Wie wäre es, wenn eine Rechnung oder Mahnung mit einem Angebot zur Hilfe verbunden wäre. Oder eine Kritik gleichzeitig auch Verständnis zeigt für den anderen Menschen. Wie wäre es, wenn wir in unseren Briefen und Nachrichten darauf achten würden, keine verletzten Worte zu benutzen, auch dann, wenn uns der andere Mensch geärgert und verletzt hat. Ich muss dabei an Jesus denken, der einmal gesagt hat: „Segnet die, die euch verfluchen und betet für die, die euch beleidigen“ (Lk.6,28) Rechnungen, Mahnungen, Abschiede und Streit wird es immer geben. Doch selbst, wenn es mir schwer fällt, ich kann anderen Menschen auch in schwierigen Situationen gute und freundliche Worte sagen und schreiben. Denn der Ton macht die Musik.

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SWR4 Abendgedanken

30APR2024
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Ich habe neulich den Prospekt eines Wellness-Hotels aus Österreich aus meinem Briefkasten gefischt. Da verspricht das Hotel himmlische Momente zwischen Bergen und Seen. Wer für einige Nächte ein Zimmer bucht, der darf sich auf eine Sauna und ein Dampfbad freuen und sich mit Speisen aus einer exquisiten Küche verwöhnen lassen. Aber ich habe festgestellt, dass ich gar nicht nach Österreich reisen muss, um himmlische Momente zu erleben. Es geht auch einfacher und kleiner. In einem anderen Prospekt bietet eine Schokoladenmanufaktur Pralinen an, die ebenfalls himmlische Momente versprechen. Mich hat das nachdenklich gemacht. Was sind eigentlich „himmlische Momente“ und gibt es so etwas auch in meinem Leben?

„Himmlische Momente“ haben ja etwas mit dem Himmel zu tun. Mit dem Ort, in dem manchmal Verliebte schweben. Der Himmel ist auch ein Bild für alles Schöne und Gute und Friedliche und für den Ort, wo alle unsere Wünsche und Sehnsüchte erfüllt werden. Und der Himmel ist der Ort, von dem wir sagen, dass dort Gott wohnt. Gibt es in meinem Leben Momente, wo ich etwas von diesem Himmel spüre - ein kleines Stück Himmel? Mir fällt dazu schon das ein oder andere ein. Morgens vor dem Haus in der Sonne sitzen mit einem Kaffee in der Hand. Abends ein kühles Bier. Ein Musikstück hören, das tief meine Seele berührt. Eine Szene in einem Film, die mich zu Tränen rührt. Eine Umarmung eines lieben Menschen. Davon würde ich reden, wenn mich jemand nach meinen himmlischen Momenten fragt.

Ich denke, fast jeder Mensch sehnt sich nach solchen Momenten. Die Werbung in meinem Briefkasten zeigt das. Aber ich glaube, wenn wir aufmerksam durch den Tag gehen, dann kann jeder von uns ab und zu solche himmlischen Momente entdecken. Augenblicke, die das eigene Herz berühren und mich dankbar machen. Momente voller Schönheit und tiefem Frieden. Ja, ich glaube, dass Gott es ist, der uns manchmal diese himmlischen Momente schenkt – vielleicht sogar in einem Wellnesshotel oder bei einem Stück Schokolade. Einfach so, weil er sich daran freut, wenn wir solche Momente erleben.

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SWR4 Abendgedanken

29APR2024
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Als ich klein war, da war Samstag immer Badetag. Nicht nur in meiner Familie, auch in anderen Familien war das so. Immer samstags wurde die Badewanne eingelassen und dann war Badetag. Nicht etwa am Montag oder am Mittwoch. Niemand wäre auf die Idee gekommen, unter der Woche ein Vollbad zu nehmen. Das war reiner Luxus und reiner Genuss. Das gab es nur am Samstag. - Samstag war auch Kehrwoche. Da wurde der Hof und die Straße gefegt. Am Sonntag sollte schließlich alles sauber und adrett sein: Der Hof, die Straße und ich auch.

Heute ist das anders. Gebadet wird bei uns auch mal montags oder mittwochs. Und die Nachbarn fegen die Straße, wenn sie gerade Zeit dazu haben. Viele Menschen haben immer noch feste Gewohnheiten, aber sie bestimmen selbst, wann sie was tun. Ich zum Beispiel trinke morgens immer zuerst eine große Tasse Brennnesseltee. Und dann lese ich die Tageszeitung. Sonntags nach dem Gottesdienst gönne ich mir einen Kaffee. Und am Samstag nach Möglichkeit die Sportschau. Solche festen Gewohnheiten brauche ich in meinem Leben. Sie ordnen den Wochenverlauf und das Leben. Sie geben meinem Leben Struktur und Sicherheit.

Auch in meinem Glauben gibt es feste Gewohnheiten. Man kann sie auch als Rituale bezeichnen, also Dinge, die ich immer wieder tue. So lese ich jeden Morgen ein Bibelwort aus dem Losungsbuch. Das stärkt mich für den Tag. Jeden Tag spreche ich auch das Vaterunser. Und Sonntag ist Gottesdienst. Ein Ritual, das ich immer noch mit vielen Menschen teile, die erleben, wie gut ihnen das gemeinsame Singen und Beten tut.

Ich weiß, dass Rituale auch ganz anders aussehen können: Zum Beispiel täglich die Radioandacht hören, meditieren, oder eine Kerze anzünden. Der Glaube aber braucht feste Gewohnheiten und Rituale. Sie geben dem Glauben Halt und Struktur und helfen mir gerade in schweren Zeiten, an Gott festzuhalten. Denn es gibt ja Tage und Wochen, da fällt es mir schwer zu glauben, dass Gott da ist und es gut mit mir meint. Wenn ich dann nicht solche festen Gewohnheiten hätte, dann könnte es schnell passieren, dass ich meinen Glauben verliere. Feste Gewohnheiten und Rituale schützen darum meinen Glauben und erhalten mir mein Vertrauen zu Gott.

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SWR4 Abendgedanken

26JAN2024
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Als ich von dem jungen Mann Christopher Schacht erfahren habe, da habe ich wirklich gestaunt. Christopher Schacht war 19 Jahre alt, als er auf eine scheinbar verrückte Idee kam. Er wollte einmal um die ganze Welt reisen, mit gerade einmal 50 Euro Urlaubsgeld. Mehr hatte er nicht. Nur 50 Euro. Das sollte reichen für eine Weltreise. Auf der Reise wollte der junge Mann arbeiten oder darauf hoffen, dass ihn freundliche Menschen bei sich aufnahmen. Ich dachte: Das kann doch gar nicht funktionieren! Aber es hat funktioniert. Vier Jahre war Christopher Schacht unterwegs, hat 45 Länder bereist, 100.000 Kilometer zurückgelegt und danach ein Buch über seine Erlebnisse geschrieben.

Mit 50 Euro hat der junge Mann eine Weltreise gemacht. Mit ganz wenig hat er viel erreicht. In der Bibel gibt es auch Geschichten, die davon erzählen, dass Menschen mit ganz wenig ganz viel erreichen. Zum Beispiel die Geschichte von David. David war ein kleiner, unbedeutender Hirtenjunge. Aber dann musste er in einem Krieg dem kampferprobten Soldaten Goliath gegenüber treten. Eigentlich hatte er keine Chance gegen diesen brutalen Riesen. Goliath war bis an die Zähne bewaffnet. Die einzige Waffe, die David besaß, war eine Steinschleuder. Aber die reichte für den Sieg. David besiegte Goliath mit einer Steinschleuder. Und der Krieg war vorbei. Mit ganz wenig hat David ganz viel erreicht.

Solche Geschichten lassen mich nicht nur staunen, sie machen mir auch Mut. Denn es gibt immer wieder Momente in meinem Leben, wo ich denke, dass ich den Problemen und Herausforderungen nicht gewachsen bin. Ich habe zu wenig, ich weiß zu wenig, ich kann zu wenig, um das Problem zu lösen. Die Sorgen und Probleme werden dann so groß, dass ich denke: Das schaffe ich nie. Aber dann will ich mich an Menschen wie Christopher Schacht oder den Hirtenjungen David erinnern. Die haben mit ganz wenig ganz viel erreicht. Darum vertraue ich darauf: Auch ich kann mit meinen wenigen Möglichkeiten und meiner kleinen Kraft große Herausforderungen bestehen. Weil ich glaube, dass Gott mir besteht.

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SWR4 Abendgedanken

24JAN2024
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„Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.“ So sagt es ein Sprichwort. Und ich finde, da ist auch was dran. Es ist nicht immer gut, anderen Menschen zu vertrauen. Manchmal braucht es auch Kontrolle. Und manchmal sogar ein gesundes Misstrauen. Denn es gibt einfach zu viele Menschen, die Böses im Schilde führen. Darum bringen wir unseren Kindern auch bei, nicht zu einem Fremden ins Auto zu steigen. Auch dann nicht, wenn der Fremde freundlich aussieht und leckere Süßigkeiten anbietet. Wir mussten unseren Kindern auch erst einschärfen, in solchen Situationen vorsichtig und misstrauisch zu sein, denn von Natur aus sind Kinder zunächst einmal vertrauensselig. Kleine Kinder können sich gar nicht vorstellen, dass es jemand böse mit ihnen meinen könnte. Sie sind so voller Vertrauen, dass sie erst das Misstrauen lernen müssen.

Ich habe als Erwachsener das Misstrauen längst gelernt. Telefonanrufe, bei denen mir erklärt wird, ich hätte viel Geld gewonnen, glaube ich nicht mehr. Angebliche Anwälte, die im Namen meiner Kinder anrufen, um mir zu sagen, dass diese Kinder in einer Notsituation sind und dringend 10.000 Euro brauchen, durchschaue ich als „Enkeltrick“. Ich habe es gelernt, misstrauisch zu sein. Das Problem ist nur: Das Misstrauen ist mir so selbstverständlich geworden, dass mir jetzt es mir jetzt eher schwerfällt, anderen Menschen zu vertrauen. Ich muss Vertrauen wieder neu lernen. Sogar das Vertrauen auf Gott.  Vertraue und glaube ich wirklich, dass Gott es gut mit mir meint? Auch dann, wenn im Leben nicht alles gut verläuft und ich Unglück und Schmerz erlebe? Ich ertappe mich dann manchmal dabei, dass auch Gott gegenüber misstrauisch bin. Dann denke ich meinen Konfirmationsspruch. Er lautet: „Werft euer Vertrauen nicht weg, das eine große Belohnung hat“ (Hebr.10,35) Mein Konfirmationsspruch macht mir Mut, mein Misstrauen zu überwinden und wieder Vertrauen zu lernen. Die meisten Menschen wollen mir ja nichts Böses tun. Und Gott erst recht nicht. Gott meint es gut mit mir. Ihm kann ich wirklich absolut vertrauen.

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SWR4 Abendgedanken

23JAN2024
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Es gibt so viele schöne alte Worte, die in unserer Sprache nicht mehr vorkommen. Schabernack zum Beispiel. Das sagt heute kaum mehr jemand, aber es ist ein wundervolles Wort für Unsinn oder Spaß. Oder das Wort „Wonne“. Ich finde, das klingt noch mal ganz anders als einfach nur „Freude“. Und kennen Sie noch „Lindigkeit“? Das Wort meint in etwa das, was wir heute mit Freundlichkeit oder Sanftmut wiedergeben. - Am schönsten finde ich aber das Wort „harren“. Auch das verwendet keiner mehr. Aber manche kennen das Wort noch aus alten Gesangbuchliedern. Da heißt es zum Beispiel: „Harre, meine Seele, harre des Herrn“. Auch in der Bibel kann man das Wort finden. Im Buch des Propheten Jesaja steht: „Die auf den Herrn harren bekommen neue Kraft“ (Jes. 40,31)

Harren, das bedeutet so viel wie Warten. Aber es ist eine besondere Art des Wartens. Nicht wie ungeduldig in einer Warteschlange vor einer Kasse. Oder wie ängstliches Warten auf eine ärztliche Diagnose. Ärgerliches Warten auf dem Bahnsteig, weil der Zug Verspätung hat. Verzweifeltes Warten auf Hilfe in Not.

„Harren“ ist etwas anderes. Harren, das ist Durchhalten. Das ist eine Mischung aus sehnsuchtsvollem Warten voller Vorfreude, aber auch Ängstlichkeit. Harren bezeichnet ein Warten, bei dem ich es fast nicht aushalten kann, bis endlich das kommt, worauf ich warte.

Und nun lese ich in der Bibel, dass ich genauso auf Gott warten darf. Wenn ich in einer schwierigen Situation bin, wenn ich mir Sorgen mache um mich oder einen anderen Menschen und Gott um Hilfe und Beistand bitte; wenn mir die Kraft für das Leben fehlt, dann ist die Zeit, um zu harren. Voller Sehnsucht warte ich dann darauf, dass Gott etwas tut. Vielleicht erhört er mein Gebet. Vielleicht hilft er. Vielleicht zeigt er einen Weg. Dieses Harren ist aber nicht einfach ein Nichtstun. Sondern wenn die Bibel von Harren spricht, dann meint sie immer, dass Menschen beten, hoffen, zu Gott schreien und jeden Tag nicht aufgeben, ihr Leben weiterzuleben. Aber immer in der Hoffnung: Es lohnt sich. Wer auf den Herrn harrt, wartet nicht umsonst. Er bekommt neue Kraft.

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SWR4 Abendgedanken

22JAN2024
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Ich hasse Umwege. Ich denke immer, das ist doch verlorene Zeit. Zum Beispiel, wenn ich beim Wandern mit meiner Frau eine Wegmarkierung übersehen habe und wir darum auf den falschen Weg abgebogen sind. Oft müssen wir dann eine Extraschleife laufen. Oder unterwegs mit dem Auto: Ich bin im letzten Jahr zu einer Veranstaltung zu spät gekommen, weil ein großes Schild auf der Straße stand: „Umleitung“. Dadurch habe ich 20 Minuten länger gebraucht und mich über die verlorene Zeit ziemlich geärgert.

Umwege kosten Zeit und Kraft, auch die Umwege in meinem Leben. Wenn ich auf mein bisheriges Leben zurückschaue, dann fällt mir auf, dass auch dort nicht immer alles gradlinig verlaufen ist. Auch im Leben gibt es Umwege. Vor einigen Jahren hatte ich mich auf eine neue Stelle beworben, aber die bekam dann nach einem halben Jahr Bewerbungsverfahren ein anderer. Ein halbes Jahr schien umsonst. Verlorene Zeit. Oder als mein Studium zu Ende war, wollte ich unbedingt als Pfarrer in eine Gemeinde. Aber zuerst hat man mich für ein Jahr an eine Schule gesetzt, damit ich dort Religionsunterricht gebe. Auch so ein Umweg, der mich Zeit und Kraft gekostet hat. Aber ich habe gelernt, dass das Leben eben nicht einfach geradlinig verläuft, sondern eher Schritt für Schritt. Vorwärts und rückwärts und in Schleifen und manchmal, ohne dass ich weiß, wohin das alles führt.

Und trotzdem: Mancher Umweg ist für mich auch zum Segen geworden. In der Zeit an der Schule habe ich viel gelernt und ich habe Menschen kennengelernt, die mir bis heute wichtig sind. Und weil ich an der einen Stelle nach dem langen Bewerbungsverfahren nicht genommen wurde, habe ich eine andere bekommen, die mir richtig Freude macht.

Umwege kosten Zeit und Kraft. Ich suche sie mir meistens nicht aus. Aber sie gehören zu meinem Leben und prägen mich. Und manchmal sind sie sogar ein Segen. Wenn also etwas nicht so läuft, wie ich mir das vorgestellt habe, dann lohnt es sich danach zu fragen, ob darin trotzdem ein Sinn, etwas Gutes oder sogar Gottes Führung und Segen stecken könnte.

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SWR4 Abendgedanken

03NOV2023
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Ich und meine Frau hatten uns diesen Sommer mitten in den Bergen von Nordgriechenland verfahren. Trotz Straßenkarte und Navi sind wir an einer Stelle falsch abgebogen und plötzlich standen wir vor einer Straßensperrung irgendwo in den Bergen. Also haben wir nochmal die Karte genau studiert, wir haben den Fehler gefunden und haben unser Auto gewendet. Dann sind wir einige Kilometer zurückgefahren bis zu der Kreuzung, an der wir den falschen Weg gewählt hatten.

Was mit dem Auto so einfach funktioniert, das geht im Leben sonst nicht: Wenden und zurückfahren. Ich kann mein Leben immer nur in eine Richtung leben, nämlich nach vorne. Aber manchmal wünschte ich mir, ich könnte einfach in der Zeit umdrehen und nochmal in die Vergangenheit zurückreisen. Wenn ich heute zurückschaue, dann weiß ich, wo ich falsch abgebogen bin und welche meiner Entscheidungen in eine Sackgasse geführt haben. Könnte ich doch einfach wie beim Autofahren zurück an den Punkt, wo es schiefgelaufen ist und einen anderen Weg einschlagen. Welche Fehler hätte ich dann nicht gemacht? Wen nicht verletzt? Welchen Freund nicht verloren und welches Glück nicht verpasst? Aber das geht nicht. Ich kann das, was geschehen ist, nicht rückgängig machen. Ich kann Fehler meiner Vergangenheit nicht korrigieren.

Darum ist es eine der wichtigsten Lebensaufgaben, dass ich mich mit meiner Vergangenheit versöhne. Was ich nicht ändern kann, darüber muss ich inneren Frieden finden. Es hat ja keinen Sinn, sich immer wieder darüber zu grämen, was einmal passiert ist. Das zerfrisst die Seele und macht sie bitter. Ich möchte nicht bitter werden, sondern vertrauen. Vertrauen, dass Gott meine Zeit in seinen Händen hält und dass er aus allem in meinem Leben Gutes machen kann. Alles, was geschehen ist, ist in Gottes Augen nicht umsonst und sinnlos gewesen. Auch wenn ich das vielleicht im Moment noch nicht verstehe. Doch alles, was war, gehört zu mir und hat mich zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin. Das hilft mir, meine Vergangenheit anzunehmen und mich mit ihr auszusöhnen.

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