SWR4 Abendgedanken BW

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„Politik hat in der Kirche nichts zu suchen“ sagen manche, die Glauben auf bloße Innerlichkeit beschränken wollen. Oder die sich von kritischen kirchlichen Äußerungen auf den Schlips getreten fühlen. Ich behaupte: Ohne die Kirche und ihre Pfarrer wäre die Wende in Deutschland nicht möglich gewesen. Heute vor 20 Jahren hat in Leipzig die erste große Montagsdemonstration mit über 70.000 Menschen stattgefunden. Sie schloss sich an das montägliche Friedensgebet in der Nicolaikirche an. Schon seit Mitte der 1980er Jahre wurden sie maßgeblich von den Pfarrern Christian Führer und Christoph Wonneberger geleitet. Und auch der sächsische Landesbischof Dr. Johannes Hempel hat neben dem Dirigenten Kurt Masur und dem Kabarettisten Bernd-Lutz Lange seinen Beitrag dazu geleistet, dass die Demonstrationen friedlich verliefen. Nicht umsonst spricht man bei der rund einen Monat später eingetretenen Wende von einer „gewaltlosen Revolution“.
Und auch danach saßen viele Kirchenmänner und – frauen in den verschiedenen Städten an den runden Tischen – um die Geschicke ihres Ortes mitzubestimmen. Geleitet wurden sie da auch von dem Bibelwort: Suchet der Stadt Bestes. (Jer 29,7) Leider sind dabei viele gute Ansätze bundesrepubikanischen Begehrlichkeiten und Gewohnheiten zum Opfer gefallen.
Trotzdem ist für mich das Beispiel dieser Kirchenleute ein Vorbild dafür, dass der Glaube sehr wohl in der Politik etwas zu suchen hat. Dass biblische Werte und Überzeugungen das Leben positiv beeinflussen können. Das gab es in der Bibel mehrfach auch schon. Im alten Testament hat Gott zum Beispiel seine Propheten Amos oder Jeremia geschickt, um den Königen die Leviten zu lesen. Im Neuen Testament wiesen Petrus und andere Apostel die falschen Machtansprüche der Führungsschicht in ihre Schranken, als sie sagten: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“ (Apg 5,29) Und in den folgenden 3 Jahrhunderten hat das Christentum dann den Marsch durch die Institutionen angetreten. Der Glaube war also immer schon politisch. Und deswegen finde ich es hilfreich, wenn sich Christen in der Politik engagieren und sich für die Umsetzung christlicher Werte und Überzeugungen einsetzen. Zum Beispiel für mehr Gerechtigkeit zwischen Völkern, Oder im Bereich Familie . Dazu gehört vom Schöpfungsglauben her auch der Einsatz für einen nachhaltigen Umweltschutz. Oder jetzt ganz aktuell die Förderung der Zivilcourage Darum: Politik gehört in die Kirche! Und der Glaube gehört in die Politik!
https://www.kirche-im-swr.de/?m=6889
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