Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Gibt es Frieden schon vor dem Friedhof? Ich meine jetzt gar nicht den großen Frieden in der Politik, sondern eher den in meiner kleinen, überschaubaren Welt. Ist es möglich, die Gegebenheiten und Herausforderungen so in der Balance zu halten, dass ich damit leben kann, ohne daran zu zerbrechen? Oder muss ich mich damit abfinden, dass überall Streit herrscht – einschließlich in meinem Leben? Bis ich endlich meinen Frieden auf dem Friedhof finde.
Der Friede gehört zu den Dingen, die die Bibel in ihrer bildhaften Sprache als eine Frucht bezeichnet. Sie will damit sagen: Friede entwickelt sich langsam und wachstümlich. Dann nämlich, wenn Gott Einfluss auf ein Leben nimmt.
Vielleicht kennen Sie so etwas ja auch: Ich merke, wie sich mein Denken und Fühlen hochschaukeln. Ich argumentiere und kämpfe in meinen Gedanken. Rachegefühle steigen auf. Mein Puls wird schneller, die Temperatur steigt an. Der Countdown läuft. Nur noch ein paar Sekunden bis zum Ausrasten. Die giftige Email ist schnell verschickt – und richtet vielleicht Schaden an, den ich nie wieder gutmachen kann. Wütende Worte sind schnell ausgesprochen – sei es am Telefon oder direkt ins Gesicht. Aber man kann sie fast nie wieder zurückholen.
Dies ist genau die Situation in der Gottes Signallampe in mir aufleuchtet. Ich weiß, jetzt hilft nur ein Stoßgebet zum Himmel – oder besser noch ein Stopp-Gebet. Herr, gib mir Geduld – bitte ganz viel und sofort. Hilf mir jetzt nichts falsch zu machen. - Und siehe da, allein durch solch ein Gebet gewinne ich Zeit und Abstand, die Dinge mit Gott zu besprechen. Habe ich wirklich Recht? Ist es den Streit wert? Habe ich überhaupt eine Chance, mich durchzusetzen, oder renne ich blind-wütend ins offene Messer? Was richte ich an, wenn ich das jetzt durchziehe?
Wenn es mir gelingt, Gott erst einmal dazwischen kommen zu lassen, ist schon eine Menge gewonnen. Ich gebe das Thema bewusst an Gott ab. Im Laufe des Tages wird er meine Gedanken ordnen, meine Emotionen abkühlen. Und ganz nebenbei werde ich neue Perspektiven gewinnen. Es geht auch anders. Ich muss nicht immer Recht behalten und den anderen vernichten. Und mir selbst geht es viel besser dabei. Gott nimmt Einfluss auf mein Fühlen und Denken.
Frieden nennt die Bibel das Ergebnis. Das ist mehr als dass kein Krieg stattfindet. Im persönlichen Bereich bedeutet es, dass ich mit mir, mit anderen und vor allem mit Gott im Reinen bin. Ich kann die Spannung aushalten und damit leben. Gott gibt mir die Kraft und die nötige Sichtweise dazu. Und es heißt noch lange nicht, dass ich einfach zu allem ja und amen sage. Vielleicht treffen es die Worte des württembergischen Pfarrers Friedrich Christoph Oetinger ganz gut: „Herr gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, - gib mir den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, - und gib mir die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“
https://www.kirche-im-swr.de/?m=4225
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