Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

01JUN2024
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Was, wenn es so wäre? In Deutschland regiert ein Stellvertreter Gottes und die Bibel ist das Gesetzbuch. Wenn es so wäre, lebten wir in einer Theokratie, einem Gottesstaat. Die Religion bestimmt über die Politik.

Ich finde: Das ist keine gute Idee, das geht schief. Grundsätzlich gilt: wo Menschen behaupten, sie würden den Willen Gottes allzu genau kennen, wird es schwierig. Denn Menschen können niemals sicher wissen, was Gott möchte. Das ist eine Anmaßung.

Umso erschreckender sind für mich die Rufe von islamischen Mitbürgern hier in Deutschland nach einem Kalifat. Denn der ist genau das – ein Gottesstaat. In einer Umfrage unter muslimischen Schülern sagt fast die Hälfte: sie glauben, dass ein islamischer Gottesstaat die beste Staatsform sei. Ich bin fassungslos und hoffe, dass die Jugendlichen nicht wirklich wissen, was das bedeutet. Gottesstaat heißt: Abweichende Meinungen werden unterdrückt und verboten, in welcher Art Partnerschaft wir leben, wird vorgeschrieben. Wie wir uns kleiden und was wir essen, bestimmen wir nicht mehr selbst. Es gibt nur noch eine richtige Weise zu leben – und die bestimmt der Staat.

Religionen dürfen keinen Staat führen. Warum das nicht funktioniert, ist ganz einfach zu verstehen: Woran man glaubt, davon muss man überzeugt sein. Das bedeutet gleichzeitig, dass andere davon nicht überzeugt sind, dass Menschen anders glauben oder dass sie gar nicht glauben. Damit trotzdem alle gut zusammenleben können, ist es unverzichtbar, dass ein Staat neutral ist, dass er kein religiöses Bekenntnis voraussetzt. Weil ein Staat für alle da sein muss. Und diese Staatsform heißt: Demokratie.

Wie können wir alle zusammen in Deutschland so weit kommen, dass wir Freude daran haben, uns für diese Demokratie einzusetzen und stark zu machen? Ich bin mir sicher, es gibt Werte, die allen wichtig sind!

Zum Beispiel die Menschenwürde – jede und jeder ist wertvoll, er ist akzeptiert, so wie er ist, so wie er aussieht, woher auch immer er kommt. Oder das Grundrecht auf Freiheit – jeder Mensch darf sich frei entfalten, denken und fühlen, wie er möchte, seinen Beruf frei wählen.

Morgen, am Sonntag, gibt es eine Gelegenheit, zu diesen Werten zu stehen, öffentlich: In Stuttgart treffen sich Menschen, um zu singen. „Aus voller Kehle – für Demokratie, Menschenrechte und Europa“, so heißt die Veranstaltung. Ich werde da sein. Und wünsche mir, dass ich dort auch junge Muslime treffe. Damit wir gemeinsam ganz klar zeigen: Unsere Zukunft in Deutschland und in Europa funktioniert nur in einer Demokratie.

Studie enthüllt: Das denken junge Muslime über Deutschland (bz-berlin.de)

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39978
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