Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

31MAI2024
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Kennen Sie das auch: Sie haben es eilig, sind angespannt, stehen unter Stress. Und dann nimmt ihnen so ein ignoranter Typ die Vorfahrt. Den Crash können Sie so gerade noch verhindern. Oder in der Fußgängerzone hält sie einer an und will Sie penetrant zu einer Spende für was auch immer drängen. Mir passiert es in solchen angespannten Situationen schon mal, dass ich kurz ausraste, auch mal laut werde. Es sind Situationen, die oft noch länger in mir nachklingen. Denn für einen kurzen Moment hatte ich mich ja nicht mehr unter Kontrolle, war im wahrsten Sinne „außer mir“. Jedenfalls nicht der, der ich sonst bin. Wer mich kennt, weiß: So bin ich eigentlich gar nicht. Und vor allem: So will ich auch nicht sein. Ich erschrecke dann über mich selbst.

Richtig wütend zu werden, auch mal auszurasten ist etwas, das wohl jede und jeder kennt. Ist halt menschlich und normal. Aber im Wütend-Sein lauert halt auch immer der Kontrollverlust. Und dann haue ich auch mal Worte raus, die ich sonst nie sagen würde. Verletzende vielleicht, die mir nachher peinlich sind und leidtun. Denn wenn sowas in der Familie oder unter Freunden passiert, dann ist es eben nicht damit getan, mich zu entschuldigen und alles ist wieder gut. So einfach ist das nicht. Wenn es Menschen trifft, die mir nahe sind, bleibt da trotzdem ein Knacks zwischen uns. Eine Narbe auf der Seele. Und die muss nicht sein.

Klar, die Wut in mich rein zu fressen, ist auch keine Lösung. Aber ich kann zumindest versuchen, mich unter Kontrolle zu halten. Auch wenn es in so einem Moment vielleicht schwerfällt, ich innerlich koche. Denn wie oft denke ich zwei Tage später: Eigentlich war das doch eine Lappalie. Kaum der Aufregung wert. Und wenn doch? Dann kann ich ja immer noch was dazu sagen. Klar und deutlich, aber ruhiger. Das tut mir gut, und auch den Menschen, die mir wichtig und teuer sind. 

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