Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

27MAI2024
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Ich hab im Radio mal einen Beitrag gemacht zu einem Satz unseres früheren Gesundheitsministers. Jens Spahn hatte ja mal gesagt: „Wir werden wahrscheinlich einander viel verzeihen müssen.“ Ein kluger Satz, so fand ich damals. Und so wahr. Und zwar völlig unabhängig von irgendeiner Pandemie oder sonst was. Mir hat er gefallen. Wer anderen verzeihen kann ist eindeutig im Vorteil.

Einem anderen Fehler verzeihen zu können ist ja eine tolle Sache. Für einen selbst, weil ich meinen Groll gegen den Anderen damit begraben kann. Und auch für denjenigen, der Fehler gemacht hat. Zu hören: „Ich hab dir vergeben. Alles wieder gut!“, heißt ja: Du und ich, wir können jetzt wieder friedlich miteinander umgehen. Was da zwischen uns war, ist wieder im Lot. Damit sowas im Privaten zwischen zwei Menschen klappen kann, müssen aber ein paar Sachen stimmen.

Für mich wäre da vor allem: Ehrlichkeit. Was auch immer passiert ist, alles muss auf den Tisch. Wenn der Verdacht besteht, dass einer was verschweigt, warum auch immer, wird das nix mit dem Verzeihen. Für mich ebenso unverzichtbar: Wenn ich wirklich Mist gebaut habe, muss ich auch offen dazu stehen. Leicht ist das nie. Aber solange ich rumeiere und versuche, mich aus der Affäre zu ziehen, wird das auch nichts. Und schließlich: Falls mir Unrecht geschehen ist, dann muss ich natürlich auch bereit sein, dem anderen zu vergeben. Manchmal geht das lange nicht. Aber solange ich dem Anderen weiter miese Absichten unterstelle, kann ich nicht vergeben. Um Vergebung bitten und dem anderen vergeben sind eben zwei Seiten derselben Medaille.

Der Satz von Spahn, dass wir einander viel verzeihen müssten, stimmt für mich noch immer. Aber vielleicht hapert es im Blick auf die Pandemie ja gerade in allen drei Punkten. Das wäre schade, weil ich viel gewinnen kann, wenn ich verzeihe und meine Fehler verziehen bekomme.

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