Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP
Nirgendwo kann ich mich so herrlich aufregen wie beim Autofahren.
Besonders, wenn ich durch diese eine enge Straße fahre. In der muss man sich immer in die nächstbeste Lücke quetschen, wenn einem jemand entgegenkommt. Wenn dann aus beiden Richtungen mehrere Autos gleichzeitig kommen, kann es passieren, dass erstmal gar nichts mehr geht. Jede und jeder beharrt auf seinem Recht, zuerst fahren zu dürfen – nur, wenn es eben einfach zu eng ist, dann kann das eine echte Geduldsprobe werden.
Manchmal geht es auch ganz reibungslos. Dann merke ich schon beim Näherkommen, dass der andere auch abbremst oder seine Fahrtrichtung korrigiert. Und ich spüre irgendwie, dass wir die gleiche Idee davon haben, wie wir am elegantesten aneinander vorbeikommen und wer jetzt am besten zuerst Gas gibt. So mag ich das. Manchmal hilft auch eine nette Geste oder ein kurzes Blinken, und dann läuft´s.
Das ist ja auch außerhalb des Straßenverkehrs nett: Wenn nicht jeder einfach stur auf seinem Recht besteht, ohne nach links oder rechts zu gucken. Sondern wenn Menschen gemeinsam vor einer Situation stehen und es ihnen gelingt, diese elegant und ohne viele Diskussionen zu lösen. Vielleicht sogar mit einem Lächeln.
Sei es in der Schlange beim Bäcker, wenn nicht klar ist, wer als nächstes bedient wird.
Unter Kolleginnen, wenn es darum geht, wer wann in die Mittagspause geht.
Oder in der Familie, wenn es gilt, viele Interessen unter einen Hut zu bekommen.
Ein bisschen Kulanz gehört dazu. Ein bisschen Entgegenkommen, Ab- und Zugeben, ein bisschen Geduld.
In der Bibel ist einmal die Rede davon, dass man sich solche Verhaltensweisen bewusst „anziehen“ kann, wie ein Kleidungsstück. Da heißt es: „Legt nun das neue Gewand an.
Es besteht aus herzlichem Erbarmen, Güte, Demut, Freundlichkeit und Geduld.“ (Kol 3,12)
Solche Kleidungsstücke könnten für mehr Eleganz im Umgang miteinander sorgen.
Vielleicht zieh ich mir so eins an, wenn ich mal wieder mit dem Auto wohin muss und es eng wird.
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