Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP
Neulich ist mir was Peinliches passiert:
Ich war auf einer Tagung mit lauter fremden Leuten. Mittags wollten wir zusammen Essen gehen. Und auf dem Weg zum Lokal habe ich festgestellt, dass ich mein Geld zu Hause vergessen hatte. Ich habe hektisch in meiner Tasche gekramt und leise vor mich hin geflucht.
Eine der anderen Teilnehmerinnen hat mich gefragt, was los ist – und dann gesagt: „Kein Problem, ich lade Sie ein.“ Das war mir total peinlich. Von einer Fremden etwas anzunehmen.
Aber ich hatte keine Wahl. Also habe ich ein günstiges Gericht bestellt, auf Kosten der Frau gegessen und mich geschämt. Ich schäme mich übrigens für so manches. Ich schäme mich für die Fehler, die mir passieren. Ich schäme mich, wenn ich etwas nicht gut kann. Ich schäme mich für Dinge, die ich gesagt oder getan habe und für Dinge, die ich nicht gesagt oder getan habe. Auch für Dinge, die ich bloß gedacht habe, oder weil ich mir über manches noch nie Gedanken gemacht habe.
Die Scham kommt fast immer zusammen mit der Angst. Mit der Angst, jemand könnte enttäuscht sein.Mit der Angst, jemand könnte schlecht über mich denken. Mit der Angst vor dem Urteil der anderen.
Aber manchmal passiert etwas, das die Scham kleiner werden lässt. Mit der Frau, die mich zum Essen eingeladen hat, habe ich noch eine richtig lustige Mittagspause verbracht. Wir haben beschlossen, dass es doch ganz schön ist, einfach mal was geschenkt zu bekommen im Leben. Und dann hat sie noch Schokomousse für uns beide bestellt.
Die Bibel erzählt davon, dass wir von Gott auch etwas geschenkt bekommen, und zwar einfach so: Seine Gnade. Das heißt eigentlich nichts anderes, als: Gott will nicht, dass wir uns vor ihm schämen. Vor ihm braucht uns nichts peinlich zu sein.Wir sollen keine Angst vor seinem Urteil haben.Uns alle sieht Gott nämlich so an, wie wir sind.Auch das, wofür wir uns schämen, sieht er. Und er sagt: „Hier – ist meine Liebe. Ich schenk sie dir.“
Es ist gar nicht so leicht, das anzunehmen. Aber könnte ja eigentlich ganz schön sein, einfach mal was geschenkt zu bekommen im Leben.
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