SWR3 Gedanken

21MAI2024
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Anna fährt leidenschaftlich gerne Fahrrad. Jetzt steht sie frustriert vor mir und erzählt: „Ich steh so oft am Radweg-Übergang und ein Auto nach dem anderen zieht an mir vorbei. Dann schüttle ich den Kopf und denke: Würde es so wehtun, eine arme Radfahrerin kurz über die Straße huschen zu lassen?“

Und dann steigert sich Anna richtig rein und schimpft: „Diese Leute hinter ihren Windschutzscheiben, die denken doch nur an sich.“

Ich kann verstehen, dass Anna bei so was gefrustet ist. Und ich kenn das auch, dass mir solche Gedanken durch den Kopf gehen. Wenn ich mich im Recht fühle und nach Herzenslust geradezu selbstgerecht über meine Mitmenschen herziehe.

Das sage ich Anna und dann meint sie: „Mir ist es schon wichtig an mir zu arbeiten. Ich will eigentlich nicht so abfällig über andere denken, auch wenn sie vielleicht gerade Mist bauen.“

Und dann fügt Anna noch hinzu: „Ich baue ja auch Mist, und wenn dann andere mit mir nachsichtig sind und mich nicht ständig in Schubladen stecken, lebt es sich für mich auch leichter!“

Klar, wir verurteilen uns alle immer wieder gegenseitig.

Mir kommt dazu ein Satz in den Sinn. Der ist von Jesus und geht so: „Wenn du den Splitter im Auge deines Mitmenschen siehst, dann kann es sein, dass du gerade einen Balken in deinem Auge hast.“

Wie Anna habe ich auch immer wieder diesen Balken im Auge, wenn ich mit einem Urteil schnell zur Stelle bin. Aber wenn ich das ändern will, ist das schon mal ein Anfang.

Und Anna? Sie versucht es wenn wieder zig Autos an ihr vorbeirauschen, dass sie sich nicht so ärgert, sondern sich über dieses eine Auto freut, das extra für sie anhält.

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