SWR2 Lied zum Sonntag

SWR2 Lied zum Sonntag

05MAI2024
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Musik 1:

Angelus-Glocke der Pfarrkirche St. Jakobus, Stegen-Eschbach

Diese Glocke hat mich heute früh geweckt, um 6 Uhr. Jeden Tag läutet sie drei Mal im Glockenstuhl der Dorfkirche im Schwarzwald, wo ich wohne. Dieses Läuten, das dem Tag einen Rhythmus gibt, heißt auch Ave-Läuten oder „Angelus Domini“, der Engel des Herrn. Dahinter verbirgt sich eine biblische Geschichte aus dem Lukasevangelium, die wir oft auch auf Bildern sehen: Das jüdische Mädchen Miriam liest in ihrem Gebetbuch, und plötzlich überrascht sie ein Engel mit der himmlischen Botschaft: „Ave Maria, gratia plena“ – Sei gegrüßt, Maria, du bist voll der Gnade, der Herr ist mit dir.

Musik 2:

Anton Bruckner: Ave Maria (siebenstimmig)

Ave Maria, gratia plena, Dominus tecum; benedicta tu in mulieribus, – Sei gegrüßt, Maria, du bist voll der Gnade, der Herr ist mit dir; du bist gebenedeit unter den Frauen,

Ganz himmlisch klingt der von Knaben gesungene Engelsgruß „Ave Maria“ beim österreichischen Komponisten Anton Bruckner. Sein „Ave Maria“ ist siebenstimmig. Bisher haben wir die drei hohen Knabenstimmen gehört. Jetzt kommen die vier tiefen Männerstimmen hinzu, mit den Worten: „und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes“.

Musik 3:

et benedictus fructus ventris tui, – und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes,

Anton Bruckner hat mit dem Gebet „Ave Maria“ tagtäglich gelebt, im Stift St. Florian ebenso wie in der Hauptstadt Wien. Wenn in Wien ein Ave-Glöcklein zu hören war, dann hat er einfach seinen Unterricht für ein, zwei Minuten zum Beten unterbrochen. Das mache ich selber zwar nicht so. Aber an Bruckners siebenstimmigem Ave Maria gefällt mir, wie er die Personen so eindrucksvoll musikalisch beschreibt. Zuerst der Engel Gabriel, dann die betenden Männerstimmen. Und der Höhepunkt ist dann gar nicht Maria, sondern Jesus. Seinen Namen komponiert Bruckner in A-Dur: drei Mal, in größtmöglicher Steigerung von pianissimo bis fortissimo.

Musik 4:

Jesus, Jesus, Jesus!

Diese Klänge gehen mir durch Mark und Bein. Sie zeigen, wie fasziniert Anton Bruckner von Jesus war. Am stärksten vielleicht immer dann, wenn er seine Musik selbst dirigiert hat – so wie an einem Februarsonntag im Jahr 1881. Was er zuvor frühmorgens gebetet hat, erfahren wir aus seinem Taschenkalender: nämlich Vaterunser, Rosenkranz und Ave Maria. In diesem Notizbüchlein steht aber auch noch die finanzielle Ausgabe von etwa umgerechnet 15 Euro für „drei Torten“, wie es heißt. Die hat er aber nicht selbst verspeist, sondern den Chorknaben spendiert, weil sie sein Ave Maria so schön gesungen haben – sozusagen unter dem Motto „Drei Torten für ein Ave Maria“. So verbindet Anton Bruckner die Gottesliebe mit kleinen Zeichen der Nächstenliebe. Unser heutiges Lied zum Sonntag aus seiner Feder schließt wie jedes Ave Maria mit den Worten „jetzt und in der Stunde unseres Todes“. Ja, Leben und Sterben gehören zusammen, bis zum letzten „Amen“. Daran erinnert mich Anton Bruckners Musik und auch die Glocke meiner Dorfkirche.

Musik 5 a/b:

Sancta Maria, Mater Dei, ora pro nobis peccatoribus nunc et in hora mortis nostrae. Amen. – Heilige Maria, bitte für uns Sünder, jetzt und in der Stunde unseres Todes. Amen. – Glockenläuten aus St. Jakobus, Stegen-Eschbach

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39843
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