SWR2 Wort zum Tag

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18APR2024
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Ein Physikprofessor hat mir von einem faszinierenden Gedankenexperiment erzählt, das Albert Einstein zu verdanken ist. Angenommen, ein Mensch hätte einen Zwillingsbruder und begäbe sich auf eine Reise in einem Raumschiff mit sehr großer Geschwindigkeit in den Kosmos. Beide Zwillingsbrüder haben eine Uhr dabei. Nach Einsteins Theorie vergeht die Zeit in dem mit Lichtgeschwindigkeit durchs Weltall rasenden Raumschiff unendlich viel langsamer als auf der Erde. Wenn der Raumfahrer daher nach einem Jahr auf seiner Uhr umkehrt, trifft er nach seiner Rückkehr die Ururur-Enkel seines Zwillingsbruders. Bei genügend großer Geschwindigkeit könnte man tatsächlich tausend Jahre zu einem Tag machen. Auch wenn das tatsächlich wissenschaftlich bewiesen ist: Das Gedankenexperiment sprengt, ganz klar, mein Vorstellungsvermögen.

Mir als Theologin fällt dazu der Psalmvers ein: Tausend Jahre sind vor dir, Gott, wie der Tag, der gestern vergangen ist. Daraus folgt nicht, dass die Psalmen schon die Relativitätstheorie erfasst hätten. Es folgt aber daraus, dass eine eindimensionale oder gradlinige Auffassung von Zeit auch theologisch verstanden sicher zu kurz greift.

Ich bewundere Menschen wie Albert Einstein. Heute ist sein Todestag. 1955 ist er gestorben. Ganz ohne künstliche Intelligenz, rein mit der Kraft seiner Gedanken, hat er die Relativitätstheorie entwickelt. Es ist so unfassbar, was Menschen erdenken und erfinden können! Übrigens auch böseste Dinge! Albert Einstein stammte aus einer jüdischen Familie. Seine Schriften wurden von den Nationalsozialisten verbrannt, er emigrierte und half anderen so viel er konnte, aber Familienangehörige wurden von den Nazis ermordet. Antisemitismus und rechtsradikales Denken treiben gerade wieder ihr Unwesen. Es ist eben einfacher, eindimensional zu denken, als Relativitäten einzuplanen.

Aus den Wundern der rasenden Zeit und der Komplexität des Kosmos einen Gottesbeweis zu konstruieren, funktioniert nicht.

Leider nicht, mag mancher sagen. Ich finde: Es ist doch einfach schön, über Faszinierendes zu staunen! Ich muss nicht alle Feinheiten der Relativitätstheorie verstehen. Es kann doch reichen, zu staunen. Faszinierend! Wie übrigens der Astronaut Spock in meiner als Kind so geliebten Serie „Raumschiff Enterprise“ immer gesagt hat. Faszinierend! Und wer mag, so wie ich, kann dafür Gott loben.

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