SWR2 Wort zum Tag
Echte Freundschaft stelle ich mir – ehrlich gesagt – ein bischen anders vor. Als Freundin oder Freund wartest du doch auf den anderen, zumal wenn du weißt, dass der ja sicher alles andere tut als zu trödeln, sondern dass er noch bei den Leuten bleiben muss, die seine gute Nachricht hören wollen oder mit einer Krankheit gekommen sind, von der sie geheilt werden möchten. Seltsam, wie es die Bibel da berichtet: Die Freunde des Jesus von Nazaret gehen schon mal zum Boot voraus; sie wollen heimfahren, auf die andere Seite des Sees. Schließlich sind die Abend-Winde gefährlich und gefürchtet. Und Jesus kennt sich damit ja vielleicht weniger aus. Aber als der immer noch nicht da ist, fahren sie einfach schon mal los… Ungeduldig, die Freunde – sie stechen in See.
Und wie erwartet: Der Abendwind kommt von vorn und macht die Ruderei noch schwieriger als üblich – scheint, dass sie echt in Panik geraten. Es ist schon dunkel, berichten die Evangelien, und reden von einem heftigen Sturm. Als sie etwa sechs Kilometer gefahren sind, also mitten auf dem See, da sehen sie, wie Jesus über den See geht und sich dem Boot nähert; und sie fürchten sich noch mehr.
Schon klar: die Lage ist offenbar angespannt. Aber da ruft er ja schon: Ich bin es; fürchtet euch nicht! Und ehe sie ihn zu sich ins Boot nehmen können, sind sie schon am Ufer, das sie erreichen wollten. Das zweite Wunder: sechs Kilometer bei Gegenwind und Wellengang im Nu zurückgelegt…
Das ist mehr als nur eine Wundergeschichte. Es geht doch um sehr menschliche und für viele Menschen alltägliche Erfahrungen. Geduld und Ungeduld in einer Freundschaft; Gefahren, die plötzlich auftauchen und mit denen du doch eigentlich hättest rechnen können: Abends ist der See Gennesaret einfach immer unruhig…
Und hoffentlich gibt es oft oder sogar fast immer Beistand; direkt von Gott selbst – und häufiger noch durch Menschen. Beistand ist bitter notwendig und kommt gern unerwartet – und hilft dir manchmal mehr als du dir selbst wünschen konntest: dass der Freund oder die Freundin, dass Mutter oder Vater oder dass jemand Wildfremdes da ist und dir zur Seite steht.
Dass echte Hilfe eben doch näher ist als befürchtet: Das wünsche ich Ihnen und mir auch für mich selbst. Auch wenn ich an meiner Zuversicht sicher noch arbeiten muss…
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