SWR3 Gedanken

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29MRZ2024
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An manchen Tagen müsste man eigentlich traurig sein, ist es aber gar nicht. An Gedenktagen oder Todestagen zum Beispiel. Mir geht das heute so.

Jesus ist mein Vorbild und heute ist sein Todestag. Deswegen ist heute für mich ein Trauertag. Aber es ist ja logisch: Trauer auf Knopfdruck geht nicht. Und weil ich jedes Jahr an Karfreitag anders drauf bin, deswegen ist dieser Tag für mich auch jedes Jahr anders.

Letztes Jahr war mein Vater völlig dement im Pflegeheim. Da hatte ich Sorgen, die zentnerschwer auf meinen Schultern gelegen sind. Was ist gut für meinen Vater? Was schaffen wir in der Pflege und was nicht? Wie lange geht das noch so? Diese Fragen waren einfach da und sie passen ja auch zum Karfreitag. Da hat Jesus am Kreuz die Frage rausgebrüllt: „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“

Dieses Jahr ist es anders. Heute sind es nicht so viele Fragen. Heute bin ich vor allem wütend. Ich bin wütend, weil so viele so unendlich leiden müssen. Ich denke an die, die im Gaza-Streifen immer noch als Geiseln gehalten werden und die wohl durch die dunkelste Zeit ihres Lebens müssen. Ich denke an alle im Krieg, die hungern und verzweifelt sind. Die aufs Schlimmste misshandelt werden und die so ohnmächtig sind.

Heute Nachmittag gehe ich in die Weinberge bei unserem Dorf. Da steht ein großes altes Steinkreuz. Ich nehme eine Handvoll Blumen mit und lege sie dort im Gedenken an die vielen Opfer von Gewalt nieder. Ich bringe so viel Leid, wie ich tragen kann, zu Jesus. Genauer gesagt zu Jesus am Kreuz, der selbst gebrochen, gedemütigt und misshandelt war. Ich kann nur hoffen, dass meine Wut und meine Gebete bei ihm gut aufgehoben sind. 

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