SWR2 Lied zum Sonntag

SWR2 Lied zum Sonntag

17MRZ2024
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Wie kann man in einem leidenden Menschen Gottes Liebe erkennen? Den Dichter und Philosophen Christian Fürchtegott Gellert hat diese Frage umgetrieben. Und er hat seine Gedanken dazu Mitte des 18. Jahrhunderts in einem Lied verdichtet –einem Passionslied: Herr stärke mich, dein Leiden zu bedenken.

Gellert findet Gottes Liebe in Jesus am Kreuz. Aber er spürt: Das, was er dort erkennt, erschließt sich nicht einfach. Es ist nur zu erfassen, wenn man sich darauf einlässt, sich versenkt in das Meer von Gottes Liebe, wie er es sagt.

 

Unermesslich groß und tief wie das Meer muss Gottes Liebe sein, so empfindet es der Gellert, dass Gott in Jesus selbst leidet und stirbt – damit ich vor ihm nicht verurteilt werde für meine Schuld. Denn unsere menschliche Schuld, das Unrecht, das wir tun, ist bei Gott nicht einfach egal und vergessen. Gott ist gerecht, ein Rächer alles Bösen, dichtet Gellert, und Gott ist die Lieb und lässt die Welt erlösen. Das ist der Widerspruch, den er am Kreuz verbunden sieht.

Ein Gott, der Mensch wird und wie ein Verbrecher stirbt – Gellert, Philosoph der Aufklärung, weiß, dass das ein kühner Gedanke ist. Ein Gedanke weit ab von jedem philosophischen Gottesbild. Ein Gedanke, der schon von Anfang an Kopfschütteln bei den Gelehrten hervorgerufen hat. Für ihn aber ist es anders – wie er mit Rückgriff auf Worte des Apostels Paulus in der 5. Strophe betont:

Seh ich dein Kreuz den Klugen dieser Erden ein Ärgernis und eine Torheit werden, so sei’s doch mir, trotz allen frechen Spottes, die Weisheit Gottes.

Diese Weisheit aber – und darum gefällt mir Gellerts Passionslied – bleibt für ihn nicht Theorie. In der Liebe, die er in Jesu Leiden entdeckt, sieht er eine Richtschnur für sein eigenes Handeln.

 Ich will nicht Hass mit gleichem Hass vergelten,

wenn man mich schilt, nicht rächend widerschelten.

Du Heiliger, du Herr und Haupt der Glieder, schaltst auch nicht wieder.

 

Hass nicht mit gleichem Hass vergelten – das, habe ich den Eindruck, bleibt die entscheidende Voraussetzung für Frieden. In der Politik genauso wie in meinem privaten Leben. Dafür aber brauchen wir die Kraft eines inneren Friedens. Und auch den findet Gellert bei dem Gott, der aus Liebe zu uns selbst leidet.

Ja, das glaube auch ich: Wem es gegeben ist, wirklich in Gottes Meer der Liebe einzutauchen, findet Frieden. Heute, am Ende des Lebens – und darüber hinaus.

 

Musikquellen:

  • Strophe 1-2, Martini-Kantorei Braunschweig, Archivnummer 1904904(HAN), 0:00-1:05
  • Intonation Orgel Ellwein, Archivnummer 63061990002(DIG), 0:00-0:04
  • Strophe 10, Bachchor Leverkusen, Archivnummer 6078159105.001.001(DAAS), 1:54-2:33

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39548
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