Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

16MRZ2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

In der Unterkunft für Geflüchtete bei uns im Ort wohnen Menschen aus den unterschiedlichsten Winkeln der Erde, aus Kamerun, der Ukraine oder Afghanistan – immer nur für kurze Zeit. Manche können ein wenig Deutsch, mit anderen kann ich mich auf Englisch oder Französisch verständigen. Aber ganz ohne gemeinsame Sprache sind die Möglichkeiten, sich auszutauschen, beschränkt. Das macht das Miteinander manchmal schwer.

In solchen Momenten kann ich nachvollziehen, was in der Bibel von den vielen verschiedenen Sprachen erzählt wird: Sie sind laut Bibel nämlich eine Strafe.

Die Menschen, so erzählt es die Geschichte vom „Turmbau zu Babel“ (1. Mose 11), haben sich so stark und mächtig gefühlt, dass sie dachten, es gäbe für sie keine Grenzen. Als Beweis wollten sie einen Turm bis in den Himmel bauen. Da hat Gott ihnen für ihren Hochmut einen Dämpfer verpasst: Davor haben alle dieselbe Sprache gesprochen und alle waren alle ein einziges Volk. Dann hat sie Gottes Strafe getroffen: Sie begannen, verschiedene Sprache zu sprechen und wurden über die ganze Erde zerstreut. Die Geschichte steht am Anfang der Bibel. Die ersten Kapitel der Bibel wollen erklären, warum wir Menschen sind wie wir sind. Und warum manches so schwierig ist und schiefläuft. In diesem Fall eben die Sache mit der Verständigung.

Verschiedene Sprachen als Strafe – ja, es gibt Momente, in denen ich verstehe, was gemeint ist. Andererseits sind Sprachen auch ein großer Reichtum. Ich merke: Wenn ich selbst eine andere Sprache spreche, verändert sich unwillkürlich mein Tonfall, meine Mimik, meine Körperhaltung – und in gewisser Weise sogar mein Lebensgefühl. Es ist toll zu erleben, dass Sprache mehr ist als Worte. Und ehrlich gesagt: Es liegt ja nicht nur an fremden Sprachen, dass wir einander nicht verstehen.

Deshalb gefällt es mir, dass es eine zweite Geschichte aus der Bibel gibt, in der es um Sprachen geht. Es ist die Geschichte vom Pfingstfest (Apostelgeschichte 2). Sie erzählt, wie sich auf einmal alle Menschen verstehen – egal, welche Sprache sie sprechen. Weil der Heilige Geist, Gottes Geist der Liebe, dafür sorgt.

Leider passiert so ein Wunder wie damals nicht immer dann, wenn es gerade geschickt wäre. Wenn ich in der Flüchtlingsunterkunft bei uns am Ort nicht weiterkomme, weil mich die Mutter aus Afghanistan einfach nicht versteht und ich sie auch nicht…

Trotzdem macht mir die Geschichte vom Sprachenwunder Mut, weiter miteinander zu kommunizieren und zu versuchen, einander zu verstehen. Es braucht manchmal das Übersetzungsprogramm auf dem Handy, oft Hände und Füße und immer viel Geduld. Aber dann ist manchmal plötzlich doch alles klar. Wie durch einen Geistesblitz. Ein Mini-Sprachenwunder…

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39505
weiterlesen...