SWR1 Begegnungen

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10MRZ2024
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Barbara Janz-Spaeth Copyright: Ulrich Pfeiffer

… und mit Bärbel Janz-Spaeth. Sie ist Theologin und Autorin – und kennt sich aus in der Bibel. Vor allem, wenn es um Frauengeschichten dort geht. Ich treffe sie in ihrem Büro in Stuttgart, und wir schauen nochmals in die vergangene Woche. Vorgestern sind Frauen weltweit im Mittelpunkt gestanden, am Weltfrauentag. An diesem Tag frage ich mich jedes Jahr: Was wäre eigentlich, wenn für Frauen und Männer in der katholischen Kirche gleiche Rechte gelten würden: Hätte das nicht Auswirkungen auf die ganze Gesellschaft?

Natürlich, da könnte Kirche ganz viel bewirken, sie könnte ihre Botschaft in der Praxis verkünden, indem sie hier wirklich Gerechtigkeit einfordert. Und das heißt auf Augenhöhe miteinander umzugehen, aber nicht in Pseudostrukturen.

Die Botschaft des Christentums ist uralt. Gerade wenn’s um die Stellung von Frauen geht. Sie ist in der Bibel grundgelegt. Bärbel Janz-Spaeth wiederholt sie, sicher zum x-tausendsten Mal. Aber immer noch mit leidenschaftlicher Überzeugung:

Wir sind Geschöpfe Gottes und als solche kommt uns allen wirklich die gleiche Würde zu. Und das heißt, jeder Mensch ist zunächst einfach gut, so wie er sie ist und in Ordnung und wertvoll und Teil dieser Erde. Und in jedem Mensch steckt etwas von dieser göttlichen Kraft und göttlichen Spur. Und das will ich auch mit Menschen entdecken, wenn ich unterwegs bin.

Unterwegs ist Bärbel Janz-Spaeth oft. Im Gepäck hat sie Geschichten von Frauen in der Bibel und ne ganze Menge Lebenserfahrung. Sie gestaltet Gottesdienste für Frauen; und immer wieder nimmt sie sich Zeit, um junge Frauen zu begleiten, die Fragen stellen. Ans Leben, an die Zukunft, an ihre eigene Zukunft als Frau in dieser Gesellschaft.

Wie kann man Familie in Zukunft leben? Ist es nur die Ehe? Wären's nicht offenere Lebensformen wie die WGs, wo sehr wohl Partner, Partnerinnen, Familie miteinander in einem gemeinschaftlichen Wohnen zusammen sind, Kinderbetreuung sich aufteilen, die Haushaltsarbeit aufteilen, aber auch politisch sich engagieren? Da denken die drüber nach.

Könnte sie das als katholische Christin guten Gewissens mittragen, frage ich sie? Das entspricht doch ganz und gar nicht dem klassischen Familienbild der Kirche? Ihre Antwort überrascht mich, weil sie wieder an die Anfänge des Christentums zurückgeht.

Das ist ja zutiefst biblisch, weil sozusagen das Christentum eine neue Familie geschaffen hat, wo alle miteinander die Familie bilden, also als Gemeinschaft derer, die an diesen Gott und an diesen Jesus Christus glauben. Da ging es überhaupt nicht darum, ob die verheiratet sind oder sonst was.

Das wäre in der Tat eine ganz andere Lebenssituation für Frauen und Kinder. Bärbel Janz-Spaeth ist da mittlerweile ganz klar in ihrer Haltung und findet, dass Kirche längst die vielen unterschiedlichen Formen des Zusammenlebens würdigen sollte und damit anerkennen würde:

Von unserem Verständnis, was Menschsein ausmacht, aber auch wirklich Gottes Gemeinschaft ausmacht, das praktiziert ihr! Mir geht es gar nicht darum, jetzt Familie abzuschaffen, sondern zu sagen: Offensichtlich gibt es noch mehr Möglichkeiten, als wir uns vorgestellt haben.

Bärbel Janz-Spaeth arbeitet als Referentin für Bibelpastoral in Stuttgart. Einen besonderen Blick hat sie auf die Geschichten über Frauen in der Bibel. Weil sie findet, dass sie uns noch heute inspirieren können, neu nachzudenken.

Sie erzählt mir zum Beispiel von Rebekka im Buch Genesis im Alten Testament. Die wehrt sich gegen die Tradition, dass nur ihr ältester Sohn den Segen des Vaters bekommt. Oder die Frau von Tobit. Deren Mann wird im Alter blind und traut ihr nicht mehr. Sie beklagt sich, wie er sie nach so vielen Ehejahren so behandeln kann.

Sie haben ganz viele Erzählungen in diesen biblischen Texten, die diese patriarchalen Muster aufbrechen, in Frage stellen, hinterfragen und da sage ich: Da müssen Frauen fantasievoll werden, einfallsreich werden. Und dann ändern sie einfach normativ Strukturen, indem sie Dinge nicht mehr machen oder ganz anders machen.

Ich frage sie nach einem Beispiel, wo das heute in der Kirche überhaupt möglich ist. Bärbel Janz-Spaeth denkt sofort an die Reformbewegung in der katholischen Kirche, Maria 2.0. Weil Frauen endlich kreativ darauf reagiert haben, dass sie aus der Kirche ausgeschlossen sind.

Das haben sie deutlich gemacht, indem sie einfach alles vor der Kirche auf dem Kirchhof gemacht haben. Und ich sage schon lange: Geht auf den Marktplatz, geht an ganz andere Plätze und verkündet euren Glauben. Weil Glaube verkünden, Glaube, leben, Glaube praktizieren, hängt nicht ausschließlich davon ab, dass das im Kirchenraum stattfindet.

Ich möchte zum Ende nochmals zurück zu den jungen Frauen, die Bärbel Janz-Spaeth begleitet. Weil mich interessiert, was sie denkt: Wächst da eine Generation heran, die es anders macht, die das Potenzial hat, Gesellschaft und vielleicht sogar Kirche zu verändern? Ihre Antwort ist nicht so eindeutig, wie ich es gehofft hatte:

Ich erlebe einen Teil sehr klar und politisch sehr deutlich engagiert, die ganz reflektiert Positionen vertreten. Ich erlebe einen anderen Teil als sehr angepasst. Und ich erlebe einen Teil, der Rollenbilder nicht in Frage stellt, sondern Rollenbilder vertritt, von denen ich dachte, die wären längst überwunden.

Und trotzdem sagt Bärbel Janz-Spaeth, sie kann von allen jungen Frauen lernen. Auch was deren Einsatz für die Schöpfung, für Klimagerechtigkeit und nachhaltigen Lebensstil angeht:

Sie tun es einfach. Und machen einem dadurch deutlich: Denk mal drüber nach, wohin deine Lebensweise führt. Und dann gucke ich meine vollen Schränke an und denke: Hier kannst du lernen, wie du entrümpelst. Also das ist schon auch als Anfrage an unsere Generation gedacht und praktiziert. Und zu Recht.

Der Austausch zwischen den Generationen, der ist wichtig und wertvoll, sagt sie. Wenn es dabei allerdings ums Thema Kirche geht, dann hört sie von vielen jungen Frauen unmissverständlich:

Geschlechtergerechtigkeit, diese Missachtung in der katholischen Kirche, die ist wirklich ein wesentliches Motiv zu sagen: Hier werde ich mich nicht mehr engagieren und hier kämpfe ich auch nicht mehr. Bevor sich das nicht ändert.

Es gibt also viele Gründe, weshalb Kirche da unbedingt die Strukturen aufbrechen muss! Und bis dahin werde ich weiter hoffen und mich fragen: Wie würde sich unsere Gesellschaft verändern, wenn Kirche die Botschaft tatsächlich leben würde - vor Gott sind alle gleich!

 

Barbara Janz-Spaeth/Hildegard König/Claudia Sticher, „Zeigt euch! – 21 Porträts namenloser Frauen der Bibel“, Patmos Verlag

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39483
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