Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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01MRZ2024
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"Also die regieren nicht mehr lang", knurrt mein Vater vor der Tagesschau, „und dieser Scharfmacher aus Bayern will Kanzler werden. Was die Grünen da noch ausrichten, mal sehen…", sagt er und schaltet aufs zweite Programm. Viel mehr Programme gibt´s nicht - damals 1980.

Ich erinnere mich genau. Ministerpräsident Franz-Josef Strauß drängelt aus Bayern ins Kanzleramt gegen Helmut Schmidt und seine rot-gelbe Koalition. Gerade volljährig darf ich zum ersten Mal wählen; die Grünen treten zum ersten Mal an. Waldsterben, Ölkrise, Wirtschaftskrise, das gibt es schon. Dazu der kalte Krieg und die Frage, Mauern dicht oder Grenzen nach Osten öffnen?

Und das gibt’s auch: Scharfmacher-Sätze. "Ich bin deutschnational. Wir müssen von Deutschland retten, was zu retten ist.“ Wir brauchen „mutige Bürger, die die roten Ratten dorthin jagen, wo sie hingehören – in ihre Löcher.“ Das sagt damals Franz-Josef-Strauß - und mehr. Außenminister Genscher nennt er einen „marokkanischen Teppichhändler und jüdischen Geldverleiher".

1980 war ein hitziger Wahlkampf. Und ich mittendrin. "Geh wählen", sagt mein Papa, "man redet wieder vom Menschen jagen. Wähl die Demokratie! Misch dich ein. Mach´s Maul auf.“ Mit mir mischen sich damals 88 Prozent der Wahlberechtigten ein. Sie wählen Strauß nicht zum Kanzler, er scheitert mit seinem Scharfmacher-Kurs.

"Mach´s Maul auf", der Satz bleibt mir im Ohr, auch wenn mein Vater nicht mehr lebt. Dorfpfarrer, der er war, nie in einer Partei, aber immer parteiisch – für die Wahrheit, gegen Hetze, gegen die alten und neuen Nazis. Christsein hieß für ihn mit Martin Luthers klaren Worten immer auch, „Maul aufmachen“. Protestieren, demonstrieren wo nötig. So ist mein Vater in Gedanken auch jetzt dabei, in Speyer, in Neustadt, wo ich mit meiner 84jährigen Mutter rufe: „Nie wieder ist jetzt.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39412
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