Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

21FEB2024
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Tosend und mächtig braust der Schlussakkord des großen Orchesters; überzeugt hält der Chor seinen letzten Ton. Jetzt winkt der Dirigent ab --- nur noch der Nachhall füllt den Konzertsaal. Und dann bricht er los. Fast genauso tosend und fast ohne Ende erfüllt der Beifall der Zuhörer die Halle; einige Male kommt der Dirigent auf die Bühne zurück, lässt das Orchester und den Chor aufstehen und immer brandet eine neue Welle des Beifalls auf, manchmal sogar stehend.

Spätestens jetzt wissen jeder Chorsänger und jede Orchestermusikerin, weshalb man die Proben und Mühen der letzten Tage und Wochen auf sich genommen hat.

Beifall macht süchtig. Denn Beifall macht glücklich. Er zeigt den Künstlerinnen und Künstlern, dass ihnen wieder einmal etwas Tolles gelungen ist, für das sie lange geübt haben. Vom Beifall können sie zwar keine Miete bezahlen und nichts zu essen kaufen, aber er wird doch gerne das Brot der Künstler genannt. Denn davon ernährt sich ihre Künstlerseele bei jedem Auftritt: von dem Gefühl, dass sie mit ihrer Kunst das Publikum erreicht haben. Das spüren sie, wenn der Beifall besonders groß ist. Auch ich freue mich, dass ich als Chorsänger immer wieder Beifall erleben kann.

Der englische Essayist und Aphoristiker Charles Caleb Colton, der von 1780 bis 1832 gelebt hat, hat zu dieser Erfahrung den Satz geprägt: „Der Beifall ist der Ansporn vornehmer Geister, das Ende und Ziel der kleinen.“

Damit meint er: Wer nur wegen des Beifalls etwas tut, der hat zwar sein Ziel erreicht am Ende einer Vorstellung. Er bekommt Beifall. Aber es bringt ihn nicht wirklich weiter.

Ich will mich ja immer weiter entwickeln. Besser werden. Dazu spornt mich die Anerkennung des Publikums an. Sie tut gut und ist wichtig.

Genauso wichtig ist aber auch, mich selbst zu fragen, ob ich mit dem Erreichten schon zufrieden bin.

Wenn wir mit unserem Chor und Orchester den Beifall bekommen, dann ist für uns klar: Das nächste Mal wollen wir noch besser sein. Dafür proben wir heute wieder, weil wir uns auf den Auftritt und dann auch den Beifall freuen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39337
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