SWR1 Begegnungen

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11FEB2024
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Shay Cullen Copyright: Weltpartner

Caroline Haro-Gnändinger trifft: Shay Cullen, Ordensmann und Menschenrechtsaktivist. Er lebt auf den Philippinen in der Nähe von Manila.

Wir sprechen miteinander, weil er gemeinsam mit Filipinos die Organisation PREDA gegründet hat. Viele Kinder haben durch PREDA aus der Armut und Ausbeutung herausgefunden und können jetzt selbstbestimmt leben. Als Erwachsene kommen einige regelmäßig zu einem Ehemaligentreffen:

Es ist ein toller Festtag, wenn sich Ehemalige hier zum Wiedersehen versammeln. Die verheiratet und groß geworden sind. Das ist ein sehr fröhlicher Tag, wenn ich alle diese Kinder sehe, die jetzt ein erfolgreiches, glückliches Leben haben.

Er und sein Team haben tausende Kinder von der Straße und aus der Zwangsprostitution geholt – seit inzwischen 50 Jahren. Shay Cullen erinnert sich, wie er ganz am Anfang aus Irland auf die Philippinen kam:

Ich kam 1969 auf die Philippinen, voller Idealismus, die Welt zu verändern. Klar, deshalb bin ich Missionar geworden.

In der Stadt Olongapo hat er gleich am Anfang gesehen, was Kinder miterleben mussten. Im Umfeld eines damaligen US-Militärstützpunkts. Dort haben Soldaten Kinder missbraucht, aber auch in Familien gab es Gewalt. Und ein riesiges Problem war und ist Sextourismus.

Ich habe herausgefunden, welche schrecklichen Verbrechen an den Kindern verübt wurden. Sie wurden Opfer von sexuellem Missbrauch und Ausbeutung. Und das schon im Alter von sechs, sieben, acht Jahren.

Es ist schwer, so etwas zu hören. Denn mich erinnert das sofort auch an den Missbrauch in der Kirche. Wo das Leben vieler Kinder zerstört wurde. Mich macht das wütend und auch Shay Cullen. Er erzählt, dass die Kirchengemeinde in Olongapo damals beim Sextourismus auch weggeschaut hat. Für ihn unfassbar:

Sie haben es einfach akzeptiert, so: Naja, das ist halt so. Aber ich habe mich gefragt: Warum erheben wir nicht die Stimme wie ein Prophet und unternehmen etwas gegen diese Situation? Ich habe niemanden dort gesehen, der etwas Bedeutendes dagegen getan hätte.

Shay Cullen kann nicht wegschauen - er bekommt mit, wie verzweifelt die Kinder sind, dass sie Krankheiten bekommen und drogenabhängig werden. Und will gerade als Christ etwas tun:

Sonntags zur Kirche zu gehen und davon zu träumen, in den Himmel zu kommen, das ist nicht christlich. Sorry, wissen Sie, das ist tot. Wir wollen einen lebendigen Glauben, in dem Menschen Gutes tun, die Wahrheit verbreiten, den Kranken und den Missbrauchten helfen und die Unschuldigen schützen.

Auch ich frage mich immer wieder, was es heißt, zu glauben. Für mich gehören, wie auch für Shay Cullen, Gottesdienste und Gebete dazu. Aber auch zu handeln. Nicht nur, wenn es um Familie und Freunde geht. Aber wer ist mein Nächster konkret? Dass Shay Cullen für Menschen in Not in seiner Umgebung nicht lockergelassen hat und wirklich etwas verändern konnte, macht mir Mut. Übrigens unterstützen auch viele Ehrenamtliche aus Kirchengemeinden hier bei uns im Südwesten seine Organisation PREDA. Daher kenne auch ich seine Arbeit. Und sie berührt mich auch, weil ich Halb-Filipina bin. Für die Kinder dort hat sein Team viel erreicht.

Es ist Teamarbeit, wir sind bei all dem nicht allein. Wir haben ein sehr gutes philippinisches Team und arbeiten alle zusammen und das macht mir Mut.

Sie sind etwa 50 Leute, kooperieren mit der UNO und weiteren Kinderschutzorganisationen oder auch der Polizei. Um Kinder aus der Prostitution zu holen, aus Gefängnissen und von der Straße. Die können in der Nähe der Hauptstadt Manila ein Dach über dem Kopf bekommen, zur Schule gehen und erhalten eine ganz bestimmte Therapie, bei der sie herausschreien können, was sie erlebt haben. PREDA hat außerdem Kinderschutzgesetze im Land erkämpft und unterstützt Kinder vor Gericht:

Wir bringen ihnen Gerechtigkeit, Freiheit und ein neues Leben. Und dass sie Fälle vor Gericht gewinnen - Verurteilungen ihrer Missbrauchstäter und Menschenhändler! Und das hilft, mehr Opfer zu verhindern. Unser Traum ist natürlich, dass Kinder nirgends mehr missbraucht werden und wir wollen warnen.

Warnen, denn die Sextouristen kommen auch aus Deutschland. Das ist schrecklich. Trotz vieler Hindernisse und auch Drohungen hat Shay Cullen den Mut nicht verloren. Er kämpft gegen Armut, damit Kinder gar nicht erst in schlimme Situationen rutschen. Ich glaube, entscheidend ist, dass sein Team immer wieder an die Öffentlichkeit gegangen ist und sich ein gutes Netzwerk von Unterstützern aufgebaut hat.

Glauben zu haben heißt, ganz davon überzeugt zu sein, dass das Gute und die Wahrheit und die Gerechtigkeit das Böse besiegen. Jesus hat ganz klar gemacht, dass wir Gutes tun müssen und für die Rechte jedes Menschen kämpfen und uns für Kinder stark machen sollen. Eines Tages, so glauben wir, werden wir hoffentlich das Schlechte überwinden, genau das ist der Glaube.

Und jeder kann etwas bewegen, findet er: sich für Geflüchtete einsetzen oder sich um einsame Nachbarn kümmern. Und so konsumieren, dass die Produzenten weltweit von ihrem Einkommen leben können. PREDA will als nächstes anstoßen, dass ein Gericht entsteht, speziell für Straftaten an Kindern, damit Täter schneller bestraft werden.

Die Richter sind ziemlich unorganisiert und sehr langsam. Und wir versuchen, das zu ändern. Wir setzen uns gerade für ein Kindergericht ein. Wir haben oft Konzepte für Politiker entwickelt und damit hatten wir schon oft Erfolg und jetzt geht’s eben um ein Kindergericht, wo nur Fälle von Kindern verhandelt werden sollen.

Shay Cullen ist inzwischen 80 und er hat ein Team mit Nachfolgern aufgebaut. Ich finde, es ist wichtig, dass sein Lebenswerk und dieser große Einsatz für Kinder in Not weitergehen.

                

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39333
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