Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW
Steffi steht am Herd. Sie bereitet das Abendessen vor. Ihr Mann wird gleich von der Arbeit nach Hause kommen, ihr Sohn Tobias vom Sport – und Laura, die Tochter, vom Geigenunterricht. Vom Küchenfenster dringen die gewohnten Geräusche von draußen herein. Das Martinshorn von Polizei, Feuerwehr oder Krankenwagen nimmt sie schon gar nicht mehr bewusst wahr. Es gehört fast schon zur täglichen Geräuschkulisse der Straße.
Aber heute kommt Steffi plötzlich in den Sinn, wie das sein würde, wäre man selbst mal betroffen. – Nein, diesen schrecklichen Gedanken mag sie gar nicht an sich heranlassen. Auch ein Unglück, über das in den Nachrichten berichtet wird, ist Gott sei Dank meistens woanders und man selbst darin nicht involviert.
Auf einmal überkommt Steffi ein tiefes Gefühl der Dankbarkeit. Sie werden später beim Abendessen alle beisammen sein. Es ist so selbstverständlich, es ist so alltäglich, so 'normal'.
Und doch auch wieder nicht. Das Tuten des Martinshorns bedeutet, dass diese Normalität, diese selbstverständliche Alltäglichkeit für irgend jemanden unterbrochen wird. Irgendwo hat es gebrannt, ist ein Unfall passiert, hat es Blechschaden, Ärger oder Schlimmeres gegeben. – Plötzlich wird Steffi bewusst, dass Normalität ein Geschenk ist und großes Glück darin liegt.
Wenn alle vier Familienmitglieder am Abend wieder gesund zusammenfinden dürfen – so wie an ungezählten Tagen und Abenden zuvor, dann haben sie allen Grund, sich darüber zu freuen. Selbst heftige Diskussionen oder Streit, wie es ihn an manchem Familientisch zuweilen gibt, gehört zu einer Normalität, die uns dankbar machen kann.
Dankbar dafür, dass wir leben und sind, da sein dürfen, weitermachen dürfen, als sei nichts gewesen, obwohl doch jeden Tag so viel gewesen ist, so viel Unfälle, so viel Krankheit, so viel Unglück, so viel Tränen.
Wir sind verschont geblieben, denkt Steffi, als später alle da sind. Und sie ist an diesem Abend so froh und glücklich wie schon lange nicht mehr. Sie ist einfach dankbar. Und so ereignet sich, was das Sprichwort besagt: „Dankbarkeit ist der Schlüssel zum Tor der Freude!"
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