SWR1 Begegnungen

14JAN2024
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Joshi Nichell Copyright: Joshi Nichell

…und mit Joshi Nichell, der gebürtig aus Mainz kommt, aber schon per Anhalter mit Segelbooten über den Atlantik gereist ist - bis ins südamerikanische Feuerland. Wie ein Feuer, erzählt mir Joshi, brannte in ihm auch die Sehnsucht, nach dem Abitur die Welt zu sehen. Darüber hat er auch sein Buch „Volles Glück voraus“* geschrieben – der Untertitel lautet: „Meine Reise ins Vertrauen“. Und genau das hat Joshi auf der Reise gelernt – zu vertrauen, weil er sehr viele hilfsbereite, offene Menschen kennengelernt hat:

Ich glaub das Tolle ist eben mit einer offenen Haltung einander zu begegnen – voll Akzeptanz, Annahme. Es ist oft schwer, es ist nicht immer leicht, und mir fällt es auch nicht immer leicht, aber den anderen erst mal einfach anzunehmen wie er ist, sich drauf einzulassen, ihm zuzuhören, bevor ich da irgendwen schon in eine Schublade schiebe, vorverurteile oder gar nicht erst in einen Dialog gehe und vielleicht auch Begegnung suchen.

Gibt es denn etwas, was dabei helfen kann? Was Menschen in allen Ländern, die Joshi schon bereist hat, gemeinsam haben?

Ja, es gibt eins was wir überall bei uns Menschen finden und das ist das Lachen, das Lächeln und das ist so was Verbindendes! Jeder lächelt gerne und jeder und jedem tut ein Lachen gut.

Auch wir beide lachen während unserer Begegnung herzlich und viel – Joshi ist ein humorvoller Mensch, der aber auch die existentiellen Sinnfragen des Lebens nicht scheut. Joshi hat auf der Weltreise seinen Glauben an Gott vertieft und nach seiner Rückkehr sogar mit dem Studium der katholischen Theologie in Landau begonnen. Warum?

Weil ich auf der Reise gemerkt hab: Boah, der Glaube, der lebt in mir irgendwie oder ich hab da was, was mir unheimlich viel Kraft gibt, und ich wünsch' mir, dass das andere für sich auch entdecken. Eine Kraft, die einem hilft und speziell fehlt mir da aber das theoretische Fundament.

Was er schon mitbrachte: Die ganz praktische Erfahrung von gelebtem Gottvertrauen. Wer ist Gott für ihn?

Ja, wer ist Gott? Gott ist für mich ein treuer Freund, oder wie ein treuer Freund, ein Kumpel der immer mitgeht, der da ist, mit dem ich sprechen kann, wo ich meine Dankbarkeit loswerden kann, wo ich aber auch traurig sein kann, wo ich auch weinen kann. Wie auch immer Gott aussehen mag – es ist wie eine Hand, die mal trägt, es ist so wie ein Ohr, was mal zuhört, es ist greifbar irgendwie und bleibt immer ungreifbar.

Staunen – ein Wort, das Joshi in diesem Kontext immer wieder nutzt. Über den Schöpfer und über die Schöpfung. Und gleichzeitig ist er Naturwissenschaftler und hat eine spannende Kombi gewählt: Neben der Theologie studiert er als zweites Fach Naturschutzbiologie.

Wenn wir Naturschutz betreiben, betreiben wir auch Schutz für uns selber. Und ich glaube das ist ganz wichtig zu verstehen.  Wenn wir liebevoll mit uns umgehen, können wir liebevoll mit anderen umgehen. und wenn wir liebevoll mit der Natur umgehen, dann werden wir uns selber was Gutes tun.

Gleich hören Sie wie er zum erfolgreichsten Naturfotografen Europas wurde und warum er sich für den Erhalt der Wildnis auf unserem Kontinent einsetzt.

Ich treffe den Fotografen und Filmer Joshi Nichell an seinem Studienort Landau. Der 25-Jährige wurde zu Europas Naturfotograf des Jahres gekürt. Joshi nimmt mich mit nach Spanien. In jenen Moment, als ihm am Abend das atemberaubende Siegerfoto eines jungen kantabrischen Braunbären gelingt:

Und der kam dann runter, und ich hab ihn so Minute für Minute weniger sehen können, und dann war er eben an den Felsen und das allerletzte Licht, also nicht mal die Sonne, sondern man sieht dann nur noch so ein Orange, hat bisschen durchgeschienen von hinten. Und ich hab ihn dann letztendlich nur noch durch die Kamera gesehen. Und die Waldohreulen haben im Hintergrund die Jungen gerufen in hohen Tönen. Und das sind Momente da steh ich und da könnte ich weinen vor Freude.  

Weinen vor Freude – in Spanien, ja... aber auch jetzt im bitterkalten Winter im Pfälzer Wald?

Auf jeden Fall! Rausgehen! Das ist ein Zauber - wenn es richtig kalt ist und du hast die Eiskristalle und dann schaust dir so ein Kristall mal ganz nah an, vielleicht hat man sogar ne Lupe und kann sich das mal ansehen - eine magische Welt, die sich da auftut. Wir haben unheimlich Tolles vor der Haustür. Wir müssen nicht weit weg reisen, wir müssen nicht mit dem Flugzeug irgendwohin jetten und wir dürfen uns bewusst werden, dass das ein Geschenk ist und das wir das bewahren dürfen und sollten.

Die Bewahrung der Schöpfung - das ist sogar das Bachelorthema, in dem seine Studienfächer Theologie und die Naturschutzbiologie beide ihren Platz haben, denn Joshi glaubt…

… dass wir diesen Satz: „Macht euch die Erde Untertan“ oft ziemlich falsch ausgelegt haben und sehr falsch verstanden haben. Und es eben nicht drum geht sich die Erde Untertan zu machen im Sinne von „ich herrsche darüber, ich bestimme“. Wir Menschen, wir sind -  ich erleb's oft,  leider – in unserem sehr egozentrischen Sein und Denken.

Wie aber versteht dann Joshi diesen Auftrag aus der Bibel, „sich die Erde Untertan zu machen“?

Da sehe ich vielmehr in diesem Untertan: Passt auf sie auf, nehmt sie an die Hand, aber ihr seid nicht der Bestimmer, sondern so wie wenn ich ein Kind hab: Dann nehm ich das an die Hand, aber wenn ich dem Kind immer sage. Mach das und mach das und mach dies und dem alles vorschreibe und hier und dort kürze, dann wird das ein sehr eingeschüchtertes Kind und kein Gesundes.

Und da sieht er auch bei der Kirche noch Luft nach oben, will, dass sie als Gemeinschaft ganz vorne im Naturschutz dabei ist-weil es ihr ureigener Auftrag ist! Als weltoffener und moderner junger Mann wünscht er sich ohnehin mehr Veränderung in seiner Kirche. Aber ihm ist Kirche als Gemeinschaft auch wichtig:

Warum ich auch noch so an der Kirche festhalte, ist das was ich mitgenommen hab und was in Situationen, die bisher vielleicht am Schwersten waren in meinem Leben, da kam immer dieser Glaube durch. Und da war ich so froh diesen vorher gelebt und praktiziert zu haben, wie ein Werkzeugkasten, den ich mir in der Kirche zusammengestellt hab oder im Rahmen der Kirche und des gelebten Glaubens. Und dann eben drauf zugreifen kann oder wie ein Rucksack, den ich mir gepackt hab.

Und in diesem Rucksack hat er Gottvertrauen und Werte, um ehrenamtlich mit seiner Organisation „Wild Europe“** auch Naturschutzprojekte in Europa zu dokumentieren. Menschen zu portraitieren, die gegen illegale Wilderei oder illegale Abholzung von Wäldern kämpfen. Und zeigt auf seinen Fotos immer wieder die Natur: wie schön sie ist – und wie schützenswert.

*Joshi Nichell: Volles Glück voraus, adeo-Verlag

**www.wild-europe.org

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39144
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