Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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17JAN2024
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Neulich an meinem Arbeitsplatz, mittags in der Kantine: Ich sitze alleine am Tisch und bin in ein gutes Buch vertieft. Da setzt sich eine Kollegin zu mir. Wir grüßen uns freundlich. Und ich bin innerlich hin- und hergerissen. Eigentlich würde ich jetzt gerne weiterlesen und dranbleiben an meiner Lektüre. Sonst habe ich gar nicht so viel Zeit dafür. Aber ist das nicht unhöflich, wenn ich so gar nicht eingehe auf meine Kollegin? Was für einen Eindruck macht das? Soll ich also lieber ein Gespräch beginnen? Erwartet sie das vielleicht auch?

In diese Situation gerate ich immer wieder mal. Auch in der S-Bahn lese ich gerne – und dann kommt jemand, den ich kenne. Oder spricht mich sogar an. Im Wartezimmer beim Arzt ist es mir auch schon passiert. Oft ist es mir dann unangenehm, bei meiner Sache zu bleiben. Da komme ich mir egoistisch vor. Also gehe ich ins Gespräch. Das kann dann auch gut laufen. Aber trotzdem bleibt ein Gefühl von Unzufriedenheit. Weil ich sozusagen nachgegeben habe und nicht getan habe, was ich eigentlich will.

An diesem einen Mittag in der Kantine habe ich es bewusst anders gemacht. Nach unserem Gruß habe ich nochmal freundlich gelächelt – und mich wieder deutlich meinem Buch zugewandt. Zuerst war das irgendwie komisch. Aber dann habe ich aus den Augenwinkeln wahrgenommen, wie die Kollegin ebenfalls ein Buch aus der Tasche gezogen hat, um zu lesen. Ich musste innerlich lachen. Vielleicht hatte sie ja auch keine Lust gehabt, aus Pflichtgefühl ein Gespräch anzufangen. Sicher eine Viertelstunde lang haben wir dann für uns gegessen und gelesen – und waren doch irgendwie in Verbindung dabei.

Ich habe da gemerkt: Es ist wichtig, dass ich meine Bedürfnisse gut wahrnehme – und nicht vorschnell überlege, was der andere wohl so wollen könnte. Auch in Beziehungen kann das wichtig sein, in der Familie oder im Freundeskreis. „Liebe deinen Mitmenschen wie dich selbst“ [Markus 12,31 bzw. Matthäus 22,39; BasisBibel], sagt Jesus mal in der Bibel. Da steckt das auch drin, finde ich. Nur wenn ich auf mich selbst achte, werde ich anderen Menschen gerecht. Manchmal möchte ich eben gern etwas für mich machen und nicht pflichtschuldig für andere da sein. Ich muss mich auch um mich selbst kümmern, darauf achten, was mir im Moment gut tut. Nur so kann ich dann auch ganz für andere da sein, wenn es darauf ankommt.

Wie geht das Ihnen so? Wann wollen Sie ganz beim anderen sein – und wo ist es Ihnen wichtig, auf sich selbst zu achten?

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