Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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13JAN2024
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„Du, lass dich nicht verhärten in dieser harten Zeit.“  Eine Zeile aus dem Lied „Ermutigung“ von Wolf Biermann.  Natürlich war der Text auf die Verhältnisse in der DDR bezogen, aber ich finde ihn heute auch wieder sehr aktuell. Am Ende gewinnt die Heiterkeit und die Hoffnung. Wunderbar.

Im November waren wir in Berlin in einer Ausstellung über das Leben von Wolf Biermann. Jahrgang 1936, Kind von Kommunisten und selbst Kommunist, zog mit 16 von Hamburg in die DDR.

Nach dem Abitur begann er ein Studium, arbeitete als Regieassistent am Berliner Ensemble und begann, eigene Gedichte und Lieder zu schreiben. Damit wurde er schnell populär, aber die Staatsmacht wurde misstrauisch und blieb das auch.

Er wurde mit der Zeit ein scharfer Kritiker der politischen Verhältnisse. Deshalb wurde gegen ihn schon nach 12 Jahren ein Auftrittsverbot ausgesprochen und 1976 durfte er nach einem Konzert in Köln nicht wieder nach Hause zurück; die DDR hatte ihn ausgebürgert.

Was mich in der Ausstellung tief berührt hat, war ein Brief von Biermann an die Staatsanwaltschaft. Er setzte sich für einen jungen Arzt ein, bei dem ein Biermann-Text gefunden worden war und der dafür dreieinhalb Jahre Gefängnis bekommen hatte. Heute kann man klar sagen, dass er dort gefoltert worden ist. Biermann schrieb eine Selbstanzeige: er sei der Verfasser des Textes und würde den Staatsanwalt öffentlich anzeigen, wenn dieser das Urteil gegen den Arzt nicht aufheben würde. Auch in der DDR galt offiziell die Meinungsfreiheit und Biermann wies darauf hin, dass der Verfasser des Textes, er selber also, nicht bestraft worden sei, aber der Besitzer schon. Und der Arzt wurde freigelassen.

Biermann war sehr angesehen und bekannt, daher traute sich auch die Stasi nicht an ihn heran, insofern erforderte es keinen riesigen Mut, diesen Brief zu schreiben.  Aber es erforderte etwas Mut. Heute brauche ich auch nicht viel Mut, um meine Meinung zu äußern. Wir haben das Recht dazu in der Demokratie. Trotzdem kann ich mich unbeliebt machen. Dazu brauche ich ein bisschen Mut. In den Worten von Biermann: „wir wolln es nicht verschweigen in dieser Schweigenszeit: das Grün bricht aus den Zweigen, wir wolln das allen zeigen, dann wissen sie Bescheid.“

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