SWR1 Begegnungen

06JAN2024
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Hartmut Rosa Copyright: Manuela Pfann

Manuela Pfann trifft den Soziologen und Hobbyastronom Hartmut Rosa

Heute an Dreikönig ist noch einmal Weihnachten. Für die orthodoxen Christen auf jeden Fall. Der Evangelist Matthäus erzählt es so: Drei Astronomen aus dem Orient sind einem Stern gefolgt, der über dem Stall von Bethlehem stehen bleibt; dort, wo Jesus geboren wurde. Was es mit diesem Stern von damals auf sich hat, darüber spreche ich heute mit Hartmut Rosa. Der ist im Hauptberuf Professor für Soziologie in Jena und ist weltweit unterwegs und gefragt. Doch zuhause, in seinem Garten im Schwarzwald, da hat er seine eigene kleine Sternwarte. Wenn der Himmel klar ist, dann sind in den ersten Tagen des neuen Jahres regelmäßig Kinder und Erwachsene zu Besuch, um mit ihm in die Sterne zu gucken. Wie kam’s dazu, dass er Hobby-Astronom geworden ist?

Ich erinnere mich wirklich, als ich, ich glaube, da war ich fünf oder sechs, noch nicht in der Schule, da habe ich sogar davon geträumt, dass ich mit meinem kleinen Plastiklaster raus in den Garten fuhr und plötzlich die Sterne über mir sehen würde.

Und dieser Traum ist bis heute Realität, der Sternenhimmel über dem Garten. Den kann man von hier aus ganz wunderbar sehen, weil Hartmut Rosas Heimatort Grafenhausen fast 1000 Meter hoch liegt; und nachts ist es da wirklich richtig dunkel.

Und irgendwie hatte ich schon seit frühester Zeit an dieses Gefühl, dass es da eine Verbindung gibt zwischen mir und den Sternen. Und deshalb wollte ich da wissen, was da eigentlich leuchtet und wie es aussieht. Und so sind die Teleskope immer größer geworden.

Und er kommt noch immer ins Schwärmen:

In die Sterne zu gucken ist fast so interessant wie ein Märchenbuch zu lesen, weil eben diese Weiten und diese Größenverhältnisse und die Prozesse, die da draußen sind, so unvorstellbar sind.

Ich habe bisher immer nur mit bloßem Auge in den Sternenhimmel geguckt. Warum ist es Hartmut Rosa wichtig, Menschen etwas von dem zu zeigen, was er gesehen hat? Warum also sollten wir alle einmal durch ein Teleskop geschaut haben?

Also ich glaube wirklich, es ist der Blick in diese Tiefen des Weltalls. Das erzeugt, glaube ich, in Kindern wie in Erwachsenen den Sinn einer lebendigen Verbindung. Für mich sind die Sterne das Umgreifende, das Äußerste, was wir sehen können. Die letzte Realität da draußen und der Blick durch die Sterne gibt einem irgendwie den Sinn. Das hat was mit mir zu tun.

Ich schaue etwas skeptisch – die Sterne haben etwas mit mir zu tun? Hartmut Rosa weiß natürlich, dass ich an Horoskope denke und bestätigt gleich …

…  dass auch die Astrologie davon lebt, von dieser Vorstellung, dass die Bewegung der Sterne irgendwas mit meiner Seele zu tun haben. Aber ich glaube, man braucht gar keine Astrologie. Die Astronomie alleine tut es auch schon.

Ich spüre die Freude, wenn Hartmut Rosa von dem erzählt, was er durchs Teleskop in seinem Garten im Schwarzwald sieht. Mir kommen dabei die Worte des Evangelisten Matthäus in den Sinn. Der hat über die heiligen drei Könige geschrieben: „Als sie den Stern sahen, wurden sie von sehr großer Freude erfüllt.“ Geht es ihm auch so, wenn er die Sterne sieht?

Das ist ganz eigenartig, aber es geht mir wirklich so. Vielleicht hat es auch was Tröstliches, irgendwie zu wissen, dass bei den ganzen Schwierigkeiten, die wir hier auf der Welt haben und bei den Sorgen, in denen wir stecken, diese kosmischen Geschehnisse so unendlich weit und eben doch real sind.

Und er findet einen schönen Vergleich, wenn er an das denkt, was sich am Himmel und in den Tiefen des Alls abspielt.

Es kommt mir wirklich immer wie ein Schmuckkästchen vor. Du siehst auf engem Raum Sterne, die grün und blau leuchten und irgendwie wie so eine Sammlung von Edelsteinen aussehen. Vielleicht entsteht da der Sinn, dass da eine Schönheit ist, die nicht beeinträchtigt werden kann von unseren irdischen Wirrnissen und nicht mal von einem Krieg oder einer Klimakatastrophe.

Ich möchte nochmals zurück in die Zeit von Jesu Geburt. Auch wenn es natürlich schwierig ist, sich das vorzustellen; trotzdem reizt mich die Frage – wenn Hartmut Rosa damals einer der drei Sterndeuter gewesen wäre, wie hätte er auf den Stern reagiert?

Ich hätte das vielleicht als Zeichen interpretiert; dass da was passiert, was wichtig ist. Aber eben in diesem Sinne, dass diese äußere Erscheinung vermutlich etwas mit meiner Seele zu tun hat. Ich glaube, das hätte ich jedenfalls damals gedacht. Ja, ziemlich sicher. Das geht mich existenziell etwas an.

Der Stern weist auf Jesus hin – und dieses Kind im Stall wird also jemand sein, der unsere Seelen bewegt und die Welt verändert. So verstehe ich Hartmut Rosa. Bis heute kann man den Stern von Bethlehem naturwissenschaftlich nicht klar deuten. Das ist für Rosa aber nicht entscheidend.

Also aus meiner Sicht geht es eindeutig um die Symbolik. Was man da in dieser biblischen Geschichte auch schön sieht, ist sozusagen die Mutter-Vater-Kind-Situation in der Krippe, im Stall, im ganz Kleinen. Also das Innerste, was auch unser innerstes Wesen berührt, die Geburt Christi. Die Idee ist jetzt, dass da auch am Himmel eine Reaktion sein muss.

Für Hartmut Rosa bleibt sein Schwarzwälder Himmel etwas, das zu seinem Jahreslauf gehört. Und seinen Blick aufs Leben prägt.

Mir geht es tatsächlich so, dass wenn ich diese Objekte schweigend ihre Bahn ziehen sehe und dann vielleicht fällt lautlos eine Sternschnuppe, dann bekräftigt das in mir diesen Sinn, dass ich da verbunden bin mit dem Universum. Das ist ein Sinn, wie er auch in der Religion entstehen kann.

Und Hartmut Rosa erklärt mir am Ende an einem Beispiel, wie er das genau meint:

Es sind Kirchen, es sind Religionen, die uns nämlich genau diesen Sinn geben. Da ist einer, der hat dich bei deinem Namen gerufen, der hört dich. Was tun wir, wenn wir beten? Eigentlich versuchen wir, unser Innerstes zu öffnen und in eine Verbindung zu setzen mit einem umgreifenden Äußeren. Und dieser Sinn, diese Haltung können wir auch gewinnen, wenn wir ins Universum schauen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39127
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